Читать книгу Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 3
Capitel 3.
Die Tahitische Flagge
ОглавлениеSadie hatte indessen gar trübe, angsterfüllte Tage verlebt; Renés Wunde war allerdings nicht gefährlich, ja sogar viel leichter als sie im Anfang gefürchtet, gewesen und heilte so rasch, daß er schon am nächsten Tage wieder sein Lager verlassen und mit dem Arm in der Binde sich ziemlich frei umherbewegen konnte, aber Renés Gegner war an seiner Wunde gestorben, und so sehr sich auch Bertrand jetzt Mühe gab, die Kunde dem Ohr der armen jungen Frau noch vorzuenthalten, brachte doch schwatzhafter Mund die Trauernachricht auch in ihre Hütte und füllte ihr Herz mit unermeßlichem Weh. —
René ein Mörder – ihrethalben, und Alles was ihr der Geistliche erst vor wenigen Tagen von Schmach und Sünde und Gottes Zorn gesagt, traf ihr die Seele jetzt mit hundertfacher Kraft, und schrieb ihr den bitteren furchtbaren Vorwurf mit blutigen Zügen tief in das angstgequälte Herz. – René ein Mörder – Blut an der Hand, die sie in Glück und Liebe tausendmal geküßt – Blut an der Hand, in die sie die ihrige vor Gottes Altar einst gelegt. Heiliger Vater im Himmel, wie ihr das Nerv und Leben traf, und ihr das Blut fast starren machte in den Adern – und René? Als sie zu ihm stürzte, sich an seinen Hals warf und ihn trösten wollte mit einem Herzen, dem jeder Trost gebrach, als sie da vor ihm auf die Knie fiel, und ihn nieder ziehn wollte zu sich, in brünstigem Gebet Linderung zu finden für das Entsetzliche, und nur Thränen hatte in ihrem ersten furchtbaren Schmerz, nur Thränen die ihr Blut schienen wie sie ihr von den Wimpern niederbrannten – da blieb er kalt. Das Blut hatte wohl seine Wangen verlassen bei der Nachricht, aber kein weiteres Zeichen, kein Muskel seines Angesichts verrieth daß er fühle was er gethan, und Sadie blickte in Schreck und Staunen zu ihm auf und suchte umsonst sein Herz zu seinem Gott zu wenden, dort Vergebung, dort Gnade zu erflehn vor dem Thron des Allliebenden den er schwer beleidigt ja mit Brudermord.
»Laß das, laß das Kind,« sagte er finster, sich ihrem Griff entziehend – »das sind Sachen die Du nicht verstehst und deshalb nicht begreifen, nicht beurtheilen kannst.«
»Du hast einen Menschen mit kaltem Blut getödtet« weinte Sadie, ohne sich zu erheben – »hast Abschied an dem Morgen von mir genommen und Deinem Kind – hast uns geküßt und geliebkost, und bist mit ruhiger heiterer Stirn hinausgegangen einen Bruder zu ermorden.«
»Sadie« bat René sie jetzt leise und weicher als vorher, als er sah, welchen furchtbaren Eindruck die That auf sie machte, die nur in ihrem nackten Erfolg starr und gräßlich vor ihr stand, während sie die Triebfedern solcher Handlung in Europäischen Begriffen wurzelnd, in ihrem einfach reinen Sinn ja nicht verstehen konnte – »thörichtes Kind, hab' ich Dir denn nicht oft und oft von solchen Sitten aus meinem Vaterland erzählt, wie Mann gegen Mann empfangene Beleidigung nicht anders rächen kann, als mit Pistole oder Degen? und zwang uns nicht Beide das Gesetz der Ehre zu solchem Kampf, selbst wenn wir Beide das Geschehene schon von ganzem Herzen bereut und gern vergessen hätten?«
»Ein Gesetz der Ehre erkanntest Du an,« klagte Sadie, »und vergaßest das Gesetz Gottes – nein, vergaßest es nicht, sondern stießest es mit Füßen von Dir, Deine blutige, unheilvolle Bahn zu gehn – oh René, René, Du hast meinen Frieden zerstört auf ewige Zeiten.«
»Mach mir den Kopf nicht noch wilder mit solchen Reden« bat sie da, kurz abbrechend, René – »die Priester haben Dir all das tolle Zeug in's Hirn gesetzt, und Du weißt recht gut, ich kann's nicht leiden, nicht ertragen.«