Читать книгу Max und Paul - Gertrud Monika Gottschalk - Страница 3
Оглавление1So fängt Pauls Geschichte an
Seit nahezu fünf Jahren; lebe ich bei Familie Hermann. Das Ehepaar holte mich vom Tierschutz, als ich acht Wochen alt war, in ihr Haus. Heute liege ich auf meinen Lieblingsplatz am Fenster, blicke in den herrlichen Garten und denkt an die Zeit zurück.
In diesem Ort gibt es eine Einrichtung für Katzen in Not. Gute Leute fanden meine Mutter trächtig auf der Straße und gaben sie bei dem Verein ab. Sie war eine hübsche, nordische Waldkatze mit blauem Fell. In der Obhut der Pflegestelle bekam sie mich und meine Geschwister. Man schätzte, dass der Streuner mit dem getigerten Fell, der in der Nähe herumschlich, der Vater ihrer Jungen sei. Mein Fell, leicht struppig und getigert auf weißem Grund, stammte wohl von dem Kater. Von meiner Mutter erbte ich das halblange Haar und die gelben Augen, das flache Gesicht und den kompakten Körperbau.
An einem Tag in der Woche öffnete das Heim seine Türen für die Besucher. Es kamen nicht viele Leute, die eine Katze suchten. Bedauerlicherweise! Erst zu vorgerückter Stunde betrat das Ehepaar Hermann den Raum. Ich fand die Leute auf Anhieb nett. Mit meinen kurzen Beinen ging ich gelassen auf sie zu. Ich strich um ihre Beine und schaute mit meinen Babyaugen in ihre Gesichter, weil ich unter allen Umständen mit ihnen gehen wollte.
Menschen sind komische Geschöpfe, warum klettern sie über die Absperrung in das Nebenzimmer? Hier, in diesem Raum sind die schönsten Katzen. Blöderweise wollten die Hermanns sich noch die anderen Babys ansehen. Was sie sahen, war wohl lustig, weil Frau Hermann leise lachte. Über dem Boden kugelten, sprangen und rannten Katzen in allen Farben. Getigerte Kätzchen kämpften um einen Sitzplatz auf dem Kratzbaum. Die rotgetigerte Katze gewann. Allerdings hatte die Kleine nicht lange was von ihrem Sieg, ein schwarzer Tiger verdrängte sie vom Platz.
Vor einem Karton tummelten sich schwarze und weiße Katzenbabys. Alle wollten in die Kiste. Ihre Beinchen waren zu kurz, darum fielen sie kopfüber in die weiche Holzwolle, die im Kasten lag. Andere Kätzchen versteckten sich vor den Menschen. Die Meisten kamen zutraulich auf die Besucher zu. Sie sahen in den Hosenbeinen; eine neue Möglichkeit zum Klettern. Mit kleinen, spitzen Krallen hakten sich die Babys in den Stoff. Frau Hermann fand das nicht mehr drollig und schaute Hilfe suchend auf die Pflegerin, da bemerkte sie getigerten Kümmerling.
Abseits vom Trubel saß Max, getigert mit spitzer Schnute und stumpfen Fell. Frau Hermanns Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Sie hob den zierlichen Kater auf, um ihn zu knubbeln, doch der wehrte sich mit abgespreizten Pfoten. Ich sah das Katerchen und dachte: Der ist das Gegenteil von mir. Frau Hermann wollte den kleinen Max, Herr Hermann schnappte mich und streichelte mein Fell. Er hatte sich für mich entschieden.
Das Ehepaar ging mit der Betreuerin in die Küche, die gleichzeitig als Vereinsbüro dient. Nach einiger Zeit hatte die Warterei ein Ende. Ich konnte es nicht glauben, das Paar nahm uns beide! Max und mich.
Das neue zu Hause
Die erste Zeit in der neuen Wohnung hatte ich Probleme. Es fiel mir schwer, ich vermisste meine vertraute Umgebung. Wie ich feststellte, nahm Max das neue Zuhause bedeutend besser an.
Er kam als einzelne Fundkatze ins Tierheim und fühlte sich bei den vielen Katzen nicht glücklich. Das neue Heim fand er aufregend und gemütlich. Ich merkte rasch, dass er ein braver, freundlicher Genosse war, mit dem ich gemeinsam das unbekannte Revier durchstöberte. Es gibt viel zu erkunden, denn unsere Pflegeeltern lassen uns im ganzen Haus laufen. Flur, Keller und Speicher sind für Max und mich beliebte Spielplätze. Nur nach draußen dürfen wir nicht, weil unser Frauchen meinte: »Für euch kleine Tiger ist die Straße zu gefährlich. Vor einiger Zeit ist eine Katze von uns überfahren worden, das soll euch nicht passieren«.
Verstanden habe ich nichts von dem, was Frauchen sagte, aber ihre Stimme klang so lieb, dass es nur etwas Gutes sein konnte. Ich bin eine Stubenkatze und vermisse das Leben in der Natur nicht, weil ich es nicht anders kenne.
Wie gesagt, das ist jetzt fünf Jahre her. Paul – das bin ich – wiegt aktuell neun Kilogramm und ich bin ein prächtiger Waldkatermix. Der zierliche Max, mit seinen sechs Kilo, kann sich hinter mir verstecken. Dick wird der nicht, weil er immer in Bewegung ist. Mit seinem Elan reißt er mich mit. Wir beide ergänzen uns perfekt, ohne den lebhaften Max an meiner Seite, hätte ich sicher einige Kilos mehr auf den Rippen.Viel Zeit verbringe ich auf dem Fensterbrett auf dem Balkon. Es ist der Lieblingsplatz von Max und mir. Das Fenster haben meine Leute mit einem Netz gesichert. Sie haben sicher Angst, wir könnten herunterfallen.
Nach dem Regen gestern scheint heute die Sonne. Ein leichter Wind umschmeichelt meine Nase, die ich durch die Maschen des Netzes stecke. Tief atme ich die frische, würzige Luft ein. In meinem Kopf entstehen Bilder von Sachen, die ich nie gesehen habe. Es könnte eine Erinnerung an die Geschichten von meiner Mutter sein, die mich so aufwühlen. Sie erzählte uns Kindern von Wäldern und Bergen, die sie als junge Katze gesehen hatte.
Mein Blick fällt in den Garten unter dem Fenster. Was ich dort bemerke, gefällt mir. Gerne möchte ich den Garten erkunden. Den kleinen Bachlauf, der sprudelnd über die dicken Steine springt und als Kaskade in den Teich fällt. Es reizt mich, doch gleichzeitig habe ich Angst, weil ich ein kleiner Angsthase bin. Schauen ist eine gute Unterhaltung. Ich habe schon so viele Tiere gesehen, denn das Geräusch vom plätschernden Wasser lockt fremde Katzen und andere Tiere an. Sie stillen ihren Durst oder dösen auf der Holzbank am kleinen Teich.
Max und ich gucken gerne in den Garten hinunter. An manchen Tagen weiß ich nicht, wohin ich zuerst sehen soll. Meisen turnen in den Zeigen der Bäume, auf der Suche nach Insekten. Spatzen, Finken und sogar ein Rotkehlchen hüpfen über den Rasen, nach Grassamen pickend. Schau an, da ist wieder die Amsel. Sie zieht einen Regenwurm aus dem Boden. Sie strengt sich richtig an, denn der Wurm will nicht so, wie Frau Amsel es möchte.
In der Vogeltränke, neben dem Teich badet eine Taube. Die ist neu. Es ist nicht die große Waldtaube, die sonst immer kommt. Nein! Die zierliche Türkentaube, mit dem dunklen Band am Hals, besucht den Garten zum ersten Mal. Sie beugt ihren Kopf ins Wasser, nimmt einen Schnabel voll und trinkt das kühle Nass. Kurz darauf senkt sie ihre Brust ins Becken, schüttelt ihre Flügel und wirft sich damit das Wasser über ihre Federn. Die Tropfen rollen über das Federkleid und schillern in der Sonne wie edle Perlen.
Erst gestern sagte ich zu Max: »Als Katzen aus dem Tierheim konnten wir es nicht besser treffen.« Im Traum erlebe ich viele Dinge, die ich nicht für möglich halte. Zum Beispiel habe ich in meinem Leben nie eine Maus gesehen, doch im Schlaf jage ich einem kleinen, braunen Tier mit Schwanz hinterher. Warum? Keine Ahnung, aber es macht Spaß. Manchmal spüre ich eine Sehnsucht in mir, doch ich weiß nicht, wonach. Der Mensch kennt ein Sprichwort: Wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.