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Erstes Kapitel. Als mecklenburgische Prinzessin in Darmstadt.
ОглавлениеDer Einfluß der Großmutter auf Luises Charakter – Die französische Erziehung der Zeit – Mademoiselle Gélieu – Erste Begegnung Luises mit Goethes Mutter – Zur Kaiserkrönung Franz' II. in Frankfurt – Luises Eintritt in die Welt – Sie tanzt mit dem Fürsten Metternich – Die Revolutionsheere fluten über den Rhein – Flucht der verwitweten Landgräfin mit ihren Enkeln nach Hildburghausen – Das Hauptquartier König Friedrich Wilhelms II. in Frankfurt – Heiratspläne für seine Söhne – Anwesenheit Luises und ihrer Verwandten in Frankfurt – Begegnung mit dem König – Die Brautschau – Erste Begegnung Luises mit dem Kronprinzen – Verlobung – Im Lager vor Mainz – Goethes Urteil über die Schönheit Luises und Friederikes – Erstes Zusammentreffen mit dem Prinzen Louis Ferdinand – Brautbriefe.
»Wenngleich die Nachwelt meinen Namen nicht unter den Namen der berühmten Frauen nennen wird, so wird sie doch, wenn sie die Leiden dieser Zeit erfährt, wissen, was ich durch sie gelitten habe, und sie wird sagen: sie duldete viel und harrte aus im Dulden.« Diese Worte schrieb Preußens Königin an ihre Vertraute, Frau von Berg, als das große Mißgeschick über Preußen hereingebrochen war, als Napoleon sein Machtwort gesprochen, das Schicksal ihres Landes entschieden hatte. Wer hätte ihr, der »sonnigen, heiteren Prinzessin Luise« vorausgesagt, daß sie als verheiratete Frau so bitteres Leid ertragen mußte! Wer hätte gedacht, daß die junge Kronprinzessin, als sie in Preußens Hauptstadt so glückstrahlend einzog und von der Bevölkerung mit stürmischer Begeisterung begrüßt wurde, nicht schuldlos an dem Kriege sein würde, der einige Jahre darauf Land und Volk ins Unglück stürzte!
Greifen wir indes den Ereignissen nicht vor. Luise litt unsäglich unter dem Unglück, das sie mitheraufbeschworen hatte, und mußte die Fehler, die sie wohl im Glauben an etwas Gutes beging, schwer büßen. Sie selbst war sich kaum einer Schuld bewußt, denn sie besaß nicht den Ehrgeiz wie manche bedeutende Frauen der Geschichte, die die Zügel der Regierung an sich rissen und größere Tyrannen waren als ihre königlichen Gatten. »Leidenschaftlichkeit in irgendeiner Angelegenheit des Lebens war ihrer Seele ganz fremd, weil eine höhere Vernunft und eine religiöse Ansicht von der Welt ihr Tun und Lassen bestimmten.«
Jene Sanftheit und Milde ihres Charakters waren hauptsächlich das Resultat der Erziehung, die sie durch ihre Großmutter, die kluge Prinzessin Marie Luise Albertine von Darmstadt, genoß. Denn Luise verlor bereits als sechsjähriges Kind, im Jahre 1782, ihre Mutter, eine geborene Prinzessin Friederike von Hessen-Darmstadt. Der Vater, Prinz Karl Ludwig Friedrich von Mecklenburg-Strelitz, der Bruder des prachtliebenden regierenden Herzogs Adolf Friedrich IV., vermählte sich in zweiter Ehe mit der Schwester seiner Frau, Prinzessin Charlotte. Aber schon nach einjähriger Ehe starb auch sie, ebenfalls im Wochenbett, wie ihre Schwester. Die Stiefkinder waren aufs neue mutterlos. Zu einer dritten Ehe konnte Karl Ludwig sich nicht entschließen. Er nahm als Feldmarschall seinen Abschied aus dem hannoverschen Heer und ging auf Reisen. Seine drei Töchter, Therese, Luise und Friederike, brachte er zur Großmutter nach Darmstadt. Die älteste, Charlotte, war seit einem Jahr mit dem Herzog von Hildburghausen verheiratet, und die Söhne blieben vorläufig in Hannover.
Bei der Großmutter, der Witwe des Prinzen Georg Wilhelm von Darmstadt, waren die Mädchen am besten aufgehoben. Sie war eine merkwürdige, sehr lebhafte Dame mit einem weitgebildeten Geist, einem reichen, heiteren Gemüt und starken Charakter ohne Gefühlsduselei der Zeit. Sie hat es vortrefflich verstanden, besonders die Anlagen der beiden kleinen Mädchen Luise und ihrer Schwester Friederike zur Entfaltung zu bringen. Luises sonniges Gemüt, ihr heiteres Wesen, ihr Sinn für Natur, ihre unverwüstliche Lebensfreude, ebenso die große Menschenfreundlichkeit und Herzensgüte, durch die sie später so allgemein beliebt wurde, wurzeln zum guten Teil in der Erziehung der Großmutter in Darmstadt.
Luise kam in einem Alter zu ihr – im Jahre 1786, mit zehn Jahren endgültig –, da das kindliche Gemüt am empfänglichsten für gute oder schlechte Eindrücke ist. Sie sah nur Gutes und hörte nur Gutes in dem Alten Palais am Markt. Die verwitwete Landgräfin bewohnte es mit ihrem Sohn, dem Prinzen Georg, dem »lustigen Onkel Georg«. So nannte ihn Luise. Sie liebte ihn zärtlich, denn er war nie ein Spaßverderber und immer Mitwisser ihrer Kinderstreiche. Später erwies er sich ihr als treuer Freund und Helfer.
Dem kernigen pfälzischen und ungezierten Charakter der Großmutter war es zu danken, daß die jungen Prinzessinnen vor pedantischer Hofmeisterinnenerziehung bewahrt blieben. Sie suchte ihren Enkelinnen Erzieherinnen aus, die der Eigenart der Persönlichkeit Verständnis entgegenbrachten und sie nicht zu unterdrücken oder umzuändern versuchten. Fräulein Salomé von Gélieu, eine Pastorentochter aus Neuchâtel, war die geeignete Gouvernante für Luise, das lebhafte, lustige Kind, das oft zu Streichen aufgelegt war, die nicht immer den Beifall der Erwachsenen fanden. Die freundliche Schweizerin jedoch verstand mit liebevoller Nachsicht Strenge walten zu lassen und hatte auch für Luises kleine Schwächen Verständnis. Des Kindes Vorliebe für Näschereien, den oft trotzigen Eigensinn gegen die anderen Geschwister und die Neigung zur Unpünktlichkeit gewöhnte sie ihm zwar nur zum Teil ab. Luise mußte später, als Braut, gerade in bezug auf Naschhaftigkeit, Unpünktlichkeit, leichtsinniges Geldausgeben und unregelmäßiges Essen vom Kronprinzen manchen Tadel einstecken.
Es ist natürlich, daß zu einer Zeit, da der Einfluß alles Französischen auch in Deutschland außerordentlich stark war, die Erziehung der Kinder vornehmer Familien hauptsächlich nach französischer Sitte geleitet und Wert darauf gelegt wurde, daß sie die französische Sprach« zum mindesten ebenso oder vielleicht noch besser beherrschten als ihre Muttersprache. Es war zu Luises Zeiten in dieser Beziehung nicht anders als hundert Jahre früher, da die kerndeutsche Liselotte von der Pfalz an den Hof Ludwigs XIV. kam und das Französische in Wort und Schrift vollkommen beherrschte, während sie mit dem Deutschen ebenso wie später Preußens Königin auf dem Kriegsfuße stand, trotz ihres ausgedehnten deutschen Briefwechsels. Luise hingegen hat ihre Briefe fast alle französisch geschrieben, nur an den Vater und Bruder schrieb sie meist deutsch. Mit ihrem Gatten korrespondierte sie stets Französisch, zwar auch nicht immer ganz korrekt orthographisch, wenigstens nicht als junge Prinzessin. Es kam ihr nicht darauf an, » cayez« anstatt » cahier«, und » oberge« für » auberge« zu schreiben. Aber Französisch zu schreiben und zu sprechen war ihr zur zweiten Natur geworden und gehörte außerdem zum guten Ton. Prinzen und Prinzessinnen, die sich nur deutsch ausdrücken konnten, waren damals nicht beliebt. So bemerkt ihre Kusine, die Prinzessin Luise, spätere Prinzessin Anton Radziwill, einmal in ihren Memoiren, als sie den Erbprinzen von Anhalt-Dessau heiraten sollte, der ihr aber nicht gefiel: »Mein Vater teilte im Grunde seines Herzens meine Abneigung für den Erbprinzen. Er fand bei ihm nicht die Eigenschaften, auf die er Wert legte. Der Prinz sprach nur Deutsch ...«
Dennoch haben weder die Großmutter noch die französische Erzieherin irgendwie eingewirkt, daß Luise und Friederike ihren gemütlichen Darmstädter Dialekt ablegten, den die jungen Mecklenburgerinnen angenommen hatten. Die verwitwete Landgräfin selbst sprach unverfälscht Darmstädtisch, und obwohl die offizielle Sprache am Hofe Französisch war, so wurde doch in der Familie untereinander immer Deutsch gesprochen. Und so bewahrte Luise sich jene frische, reizende Ausdrucksweise, die Friedrich Wilhelm bei ihrer Bekanntschaft so sehr entzückte und als etwas ganz Neues, Bezauberndes empfand. Er, der Stille, Reservierte, Kalte, fühlte mehr als ein anderer den unerhörten Reiz, den das weichere, liebenswürdigere Temperament und die gemütlichere, biegsamere Sprache des Süddeutschen verbreitet.
Luise war auch in anderen Lehrfächern durchaus keine Musterschülerin, außer vielleicht im Religionsunterricht, weil er sie am meisten interessierte. Als Fünfzehnjährige schrieb sie in eins ihrer Religionshefte: »Gott wolle diesen Unterricht segnen und mir Kraft und Stärke geben das in Erfüllung zu bringen, was ich mir vorgenommen habe: stets als eine Christin zu leben.« Dabei fehlte es ihr trotz dieses Ernstes nicht an Übermut und übersprudelnder Laune. Sie war ein wildes Kind. Jungfer Husch oder die tolle Luise nannte man sie.
Zu ihrer großen Freude zog auch der Vater mit den beiden Brüdern Georg und Karl bald nach Darmstadt. Aber er war meist in Hildburghausen und überließ die Erziehung der Söhne ebenfalls der Landgräfin. Sie wußte nur zu gut, daß es für ihren jungen Schutzbefohlenen nichts Bildenderes gab als Reisen. Und so nahm sie die Prinzessinnen und auch die Prinzen öfter mit in die Welt zum Besuch fremder Höfe, oder sie schickte sie in Begleitung der Gélieu und unter dem männlichen Schutz des Onkels Georg nach Straßburg, nach dem Haag, nach Amsterdam, Rotterdam und auf eine Rheinreise, die besonders Luise unvergeßlich blieb. In den Jahren 1790 und 1792, während der beiden Kaiserkrönungen Leopolds II. und Franz' II. in Frankfurt, wurden die Prinzessinnen mit der großen Welt bekannt gemacht. Luise war vierzehn Jahre alt und noch ganz kindlich. Goethes Mutter, bei der sie im Hause am Hirschengraben wohnten, verlebte köstliche Stunden mit ihnen. Frau Rat verstand es bis ins hohe Alter, mit der Jugend umzugehen; sie wurde wieder jung mit den kleinen Prinzessinnen und tollte und tanzte wie ein Kind mit ihnen herum, besonders mit dem dreizehnjährigen Erbprinzen Georg, dem Lieblingsbruder Luises. Sechzehn Jahre später noch erinnerte sie sich an jene frohen Tage. Im August 1806, als ihr Sohn sich in Karlsbad befand und dort die Schwester der Königin Luise, die Prinzessin Friederike von Solms, getroffen hatte, schrieb Frau Goethe ihm: »Sie (Friederike), die Königin von Preußen – der Erbprinz werden die jugendlichen Freuden, die sie in meinem Hause genossen, nie vergessen – von einer steifen Hofetikette waren sie da in voller Freiheit – tanzten – sangen und sprangen den ganzen Tag – alle Mittag kamen sie mit drei Gabeln bewaffnet an meinen kleinen Tisch – gabelten alles, was ihnen vorkam – es schmeckte herrlich – nach Tisch spielte die jetzige Königin auf dem Pianoforte, und der Prinz und ich walzten – hernach mußte ich ihnen von den vorigen Krönungen erzählen, auch Märchen usw.«
Aber erst bei der zweiten Krönung, im Juli 1792, als Franz II. den Kaiserthron bestieg und Luise sechzehn Jahre alt war, wurde sie eigentlich gesellschaftsfähig und in die Welt eingeführt. Diesmal begleitete sie die alte Landgräfin selbst. Man wohnte jetzt nicht wieder bei Frau Rat, sondern im Hause des altangesehenen Kaufmanns Manskopf. Auch die Schwester Therese war nicht mit. Sie lebte seit 1789 als verheiratete Erbprinzessin von Thurn und Taxis in Regensburg.
Obwohl damals in Frankfurt alles versammelt war, was es an Eleganz, Schönheit und Vornehmheit gab, so war doch die Stimmung nicht so freudig wie zwei Jahre vorher bei der Krönung Leopolds II. Im Nachbarstaat Frankreich wütete die Schreckensherrschaft und bedrückte alle Gemüter. Im Juni zuvor war der Pöbel in die Tuilerien eingedrungen und hatte den König und seine Familie stundenlang bedrängt und beschimpft, und schon zwei Monate später, im August, saß Ludwig XVI. gefangen im Temple. Preußen und Österreicher standen als Verbündete in der Champagne. Jeden Augenblick konnte es geschehen, daß sie geschlagen wurden und die französischen Revolutionsheere über den Rhein drangen und Deutschland überfluteten. Das alles lastete schwer auf der Stimmung in Frankfurt. Fürst Metternich schrieb in seiner autobiographischen Denkschrift über die damaligen Krönungsfeierlichkeiten: »Zu schlagend war der Kontrast zwischen dem, was in Frankfurt, und dem, was im benachbarten Frankreich vor sich ging, um den Gemütern zu entgehen und sie nicht peinlich zu berühren ... Im Hinblick auf die Umstände waren die Feste und Feierlichkeiten der Krönung vielleicht noch imposanter als die der vorhergehenden Krönungen. Fürst Anton Esterhazy, der als erster Gesandter des Kaisers fungierte, beauftragte mich freundlichst mit der Leitung des Festes, das er nach der Krönung gab. Ich eröffnete den Ball mit der jungen Prinzessin Luise von Mecklenburg ...« – Diese junge Prinzessin mußte als nicht eben reichbegüterte Tochter eines kleinen Fürsten zu derartigen Bällen und Festlichkeiten sich die seidenen Schuhe selbst nähen und noch manches andere ihrer Kleidung eigenhändig verfertigen. Ihr Taschengeld war stets sehr kurz bemessen: Fünf Gulden, dreißig Kreuzer im Monat. Und da sie gern kleine Geschenke machte, sich auch öfter irgendeinen Putzgegenstand kaufte, so war es immer schnell alle.
Nach den Krönungsfeierlichkeiten verließen auch die Darmstädter Damen wieder Frankfurt. Luise und Friederike schwelgten in Erinnerungen an die schöne Zeit. Was man indes längst befürchtet hatte, traf ein. Die Verbündeten wurden im September 1792 bei Valmy zurückgedrängt, und die Franzosen fluteten unter General Custine über den Rhein. Sie besetzten Speier, Mainz und Frankfurt. Das nahe Darmstadt war keine sichere Zufluchtsstätte mehr. Im Oktober verbreitete sich auch dort das Gerücht, daß die Franzosen da wären, und der Schrecken war allgemein. Die alte Landgräfin aber war eine entschlossene Frau. Rasch ließ sie die Koffer packen, und in förmlicher Flucht ging es nach Hildburghausen zur Herzogin Charlotte, der ältesten Schwester Luises, wo auch der Vater zu Besuch weilte.
Der junge Hof von Hildburghausen galt als einer der lebendigsten und geistreichsten Fürstenhöfe seiner Zeit. Herzogin Charlotte lebte in wenig glücklicher Ehe und suchte Ablenkung in Kunst und Literatur. Ihre Gesellschaft bestand zum großen Teil aus geistig bedeutenden Männern und Frauen, meist Künstlern. Man musizierte viel und gut bei ihr. Sie selbst hieß wegen ihrer leidenschaftlichen Vorliebe für Gesang die »Singelotte«. Junge Dichter und Schriftsteller scharten sich um sie, und manchem hat Charlotte von Hildburghausen den Weg zum Erfolg geebnet. Ihr Salon war immer der Mittelpunkt geistigen Strebens, aber auch fröhlicher, ungezwungener Unterhaltung. Man tanzte, scherzte und lachte den ganzen Tag. Luise und Friederike haben viele frohe Stunden in Hildburghausen verbracht, trotzdem es an den Grenzen im Westen Deutschlands bedrohlich kriegerisch aussah.
Nach einem sehr angenehm verlebten Herbst und Winter traten die Prinzessinnen mit der Großmutter wieder die Heimreise nach Darmstadt an. Diesmal nahmen sie gemächlich ihren Weg über Frankfurt, wo inzwischen Onkel Georg mit seinen Grenadieren die Franzosen hinausgeworfen hatte. Die Verbündeten waren eingerückt, und König Friedrich Wilhelm II. hatte mit seinen beiden Söhnen, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dem Prinzen Louis, hier sein Hauptquartier aufgeschlagen. Auch der schöne und galante Louis Ferdinand weilte in Frankfurt und entzückte die Gesellschaft durch seinen Geist und seine hervorragende musikalische Begabung. Alles, was es damals an hohen Persönlichkeiten, Fürsten, Feldherren, Staatsmännern, aber auch an Abenteurern und Scharlatanen in Deutschland und Österreich gab, war in Frankfurt anwesend. Dazu eine Unmenge Emigranten, die immer noch hofften, daß die französische Revolution bald zu Ende sei und die Bourbonen wieder ans Ruder kämen.
Die Darmstädter Damen wollten gleich am nächsten Tag weiterreisen, aber der König von Preußen schickte ihnen eine Einladung zur Tafel, und so mußten sie bleiben. Die Landgräfin war nicht ganz ohne Absicht nach Frankfurt gekommen, denn im geheimen, ohne Wissen der beiden Prinzessinnen von Mecklenburg, waren bereits zwischen dem Onkel Georg und Friedrich Wilhelm II. Unterhandlungen angeknüpft worden. Der König wollte seine beiden Söhne verheiraten, und der immer tätige Onkel Georg, der es durch die Frau Bürgermeister Olenschläger erfahren hatte, dachte sofort an seine Nichten Luise und Friederike. Man verständigte den Vater der Prinzessinnen, aber Prinz Karl verhielt sich zunächst ablehnend, obwohl er vorsichtshalber doch den Geheimrat Kümmelmann nach Frankfurt zur Sondierung des Terrains geschickt hatte. Am Abend sah der Kronprinz bereits die Prinzessinnen in der Komödie. Da aber die Logen vergittert waren, hatte er nur einen flüchtigen Eindruck von der Erscheinung seiner ihm zugedachten Braut. Am nächsten Tag hatte Frau Olenschläger die Prinzessinnen und den Kronprinzen mit dem Grafen Medem zum Frühstück eingeladen. Gleich als Luise und Friederike den Salon betraten – Friedrich Wilhelm war bereits anwesend –, wurde er von dem Liebreiz beider jungen Mädchen gefesselt. Genau so war es auch dem alten König ergangen, als er ihnen am Abend vorher am Eingang des Komödienhauses begegnete. Graf Medem stellte den Kronprinzen vor, aber Friedrich Wilhelm wußte noch nicht, welcher von beiden er sein Herz schenken sollte. Ihm gefiel sowohl Luise als Friederike, obwohl sie ganz verschieden voneinander waren. Schließlich entschloß er sich für die ältere, denn der erste Eindruck ihrer Schönheit wurde bei näherer Bekanntschaft mit ihr noch stärker. Da er jedoch ein etwas schwerfälliger Charakter und dazu äußerst schüchtern war, fiel ihm ein rascher Entschluß sehr schwer, besonders auch, weil sein Bruder Louis der ganzen Angelegenheit ziemlich gleichgültig gegenüberstand. Für Louis war es ohne Bedeutung, welche Prinzessin man ihm als Braut zugedachte, denn er liebte eine andere und interessierte sich infolgedessen weder für Luise noch für Friederike. Er ging eine vollkommene Konvenienzehe ein.
Noch dreimal sahen sich Luise und Friedrich Wilhelm, ehe der König offiziell bei der Großmutter um die Hand der beiden Prinzessinnen für seine Söhne bat. Das eine Mal auf einem Ball beim Kammerherrn von Wrede, dann an der Tafel des Königs im Hauptquartier auf der Zeil im Roten Haus und ein drittes Mal im Hause des Patriziers Gontard. Eine Annäherung zwischen Luise und Friedrich Wilhelm fand erst am 19. März im »Weißen Schwan« in Frankfurt statt, wo die Landgräfin abgestiegen war. Beide Prinzen brachten an diesem Tage ihre persönlich« Werbung vor, und man ließ jedes Paar allein in einem Zimmer »ohne Etikette«. Lange wußte der von Natur aus unbeholfene und schüchterne Kronprinz nichts zu sagen. Schließlich aber faßte er Mut, denn Luise verhielt sich dabei so natürlich und herzlich, ohne alle Ziererei, daß er seine Schüchternheit überwand. »Ich fragte, ob ich dürfte, und ein Kuß besiegelte diesen herrlichen Augenblick.« So erzählte Friedrich Wilhelm selbst seine Verlobung mit Luise von Mecklenburg-Strelitz. Am 24. April fand dann in Darmstadt im Alten Schloß am Markt die offizielle Verlobungsfeier der beiden Prinzessinnen statt, wobei der König von Preußen den Ringwechsel persönlich vollzog.
Schön, überaus schön muß die Braut des Kronprinzen gewesen sein, denn die Zeitgenossen, ob Feind oder Freund, sind sich darüber einig. »Es war eine Schönheit des Ausdrucks, der stärker fesselt als die Formen. Ihr Auge war sprechend und verriet das lebhafteste Gefühl und die empfänglichste Einbildungskraft, was ihr einen ganz eigentümlichen Reiz verlieh. Sie gehörte zu den Frauen, durch die alle Männer und alle Frauen bezaubert werden.« Goethe war hingerissen von ihrer Anmut, und er verstand gewiß etwas von Frauenliebreiz und Frauenschönheit. Er sah beide Prinzessinnen im Gefolge des Großherzogs von Weimar, am 29. Mai 1793 im Lager vor Mainz. In seinem Tagebuch schildert er den Eindruck, den Luise und Friederike auf ihn machten. »In mein Zelt eingeheftelt, konnte ich sie vertraulich mit den Herrschaften auf und nieder und nahe vorübergehend auf das Genaueste beobachten, und wirklich muß man diese beiden jungen Damen für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals erlöschen wird.« ... Frau von Voß, Luises spätere Oberhofmeisterin, notierte in ihr Tagebuch, als sie die Kronprinzessin zum erstenmal sah: »Die Kronprinzessin hat einen wunderschönen Wuchs, ihre Erscheinung war zugleich edel und lieblich, jeder, der sie sah, fühlte sich unwiderstehlich angezogen und gefesselt.«
Auch ganz trockene und nüchterne Männer kamen bei ihrem Anblick in Ekstase. »Sie schwebte«, schrieb der sonst wenig galante und liebenswürdige Ritter von Lang, der sie einige Jahre später als Königin sah, »wie ein überirdische« Wesen vor einem ... Eine Zauberin, wenn ich jemals eine gesehen.« – Männer wie Frauen waren von ihr begeistert. Prinzessin Anton Radziwill, die Schwester des Prinzen Louis Ferdinand, sagte: »Zu jener Zeit (1793) machten der Kronprinz und sein Bruder die Bekanntschaft der Prinzessinnen von Strelitz ... Es war (in Frankfurt) nur noch die Rede von ihrer Schönheit. Der Kronprinz wurde besonders von der schönen Prinzessin Luise gefesselt ... Die zweite der Prinzessinnen, Friederike, war keine so regelmäßige Schönheit wie ihre Schwester, aber sie hatte eine entzückende Gestalt, war äußerst liebenswürdig und immer bemüht zu gefallen, wodurch sie oft der edlen Schönheit ihrer Schwester vorgezogen wurde.« Und später, beim Empfang der Prinzessinnen in Berlin ist sie von neuem entzückt: »Niemals habe ich ein herrlicheres Wesen gesehen als die Kronprinzessin. Ihr sanfter, bescheidener Gesichtsausdruck, vereint mit ihrer edlen Schönheit, gewann ihr alle Herzen.«
Vor allem aber war der alte Frauenkenner Friedrich Wilhelm II. von seinen zukünftigen Schwiegertöchtern begeistert. Er bewunderte sie beide und freute sich, zwei so reizende junge Damen bald an seinem Hofe zu haben. Drei Tage nachdem er sie in Frankfurt gesehen hatte, berichtete er überaus glücklich nach Berlin:
»Seit meinem letzten Brief habe gar kein« Zeit zum Schreiben gehabt, wir haben in lauter Fêten gelebt, die besonders durch die Anwesenheit hoher Fremden veranlaßt wurden, nämlich von der Prinzeß George von Darmstadt und ihren beiden herrlichen Kindeskindern, den Töchtern des Prinzen Karl von Mecklenburg und also der Königin von England ihren Nichten. Wie ich die beiden Engel zum erstenmal sah, es war am Eingang der Komödie, so war ich so frappiert von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentierte. Ich wünschte sehr, daß sie meine Söhne sehen möchten und sich in sie verlieben. Den anderen Tag ließen sie sich auf einem Ball präsentieren und waren ganz von ihnen enchantiert. Ich machte mein möglichstes, daß sie sich oft sahen und sich recht kennenlernten. Die beiden Engel sind, so viel ich sehen kann, so gut als schön, nun war die Liebe da und wurde kurz und gut resolviert, sie zu heiraten.«
Der grundehrliche, aber phlegmatische Kronprinz äußerte sich weniger enthusiastisch über seine Braut. Aber sie gefiel ihm doch außerordentlich gut, und Luise konnte überzeugt sein, daß, wenn er sie hübsch fand und er es ihr in einfachen Worten sagte, es auch wirklich so gemeint war, denn schmeicheln konnte er nicht einmal als Bräutigam. Es war keine verliebte Sentimentalität. Auch keim hell auflodernde Leidenschaft, die sich in Sehnsucht verzehrt. Er liebte sie ruhig und aufrichtig, und sie fühlte es wohl. Gerade weil er ihr so einfach und schlicht entgegengetreten war, schien sie ihn zu schätzen. Er gefiel ihr trotz seines linkischen Wesens und trotz seiner äußeren Kälte. Vielleicht war die Sechzehnjährige auch in Liebesangelegenheiten noch zu unerfahren, daß sie für sich und ihre bezaubernde Schönheit keine glühende Leidenschaft, keine allesvergessende Liebesbegeisterung in Anspruch nahm. Ihrem eigenen Wesen lag Leidenschaftlichkeit in jeder Beziehung fern; der Grundzug ihres Charakters war Sanftmut und Weichheit. Jedenfalls schien sie mit ihrem Geschick zufrieden. Denn gleich nach der Werbung des Kronprinzen schrieb sie an ihre Schwester Therese in Regensburg: »Du kannst Dir nicht denken, liebe Therese, wie zufrieden ich bin. Der Prinz ist außerordentlich gut und offen. Kein unnötiger Wortschwall begleitet seine Rede, sondern er ist erstaunlich wahr. Kurz, es bleibt mir nichts zu wünschen übrig. Der Prinz gefällt mir, und wenn er mir zum Beispiel sagt, daß ich ihm gefalle, daß er mich hübsch findet, so kann ich es ihm glauben, denn er hat mir noch nie eine Schmeichelei gesagt.« Auch in Luises Worten über den Bräutigam liegt nichts Himmelhochjauchzendes, keine Begeisterung. Ja, es scheint – wenigstens für eine Sechzehnjährige – als wäre sie fast allzu vernünftig in ihrem Brautglück.
Im Juni begann die Belagerung von Mainz, die vier Wochen in Anspruch nahm. Der Kronprinz mußte ins Feld. Ihm war nicht gerade kriegerisch ums Herz, zumal er nicht im geringsten von der Notwendigkeit dieses Feldzugs überzeugt gewesen war. Er stand mit dieser Ansicht auf der Seite der Mehrheit des preußischen Volkes. Nur der alte König und einige seiner Ratgeber stimmten für den Krieg gegen die französische Revolution, der Friedrich Wilhelm II. hauptsächlich durch seine Freunde, die Emigranten und Rosenkreuzler suggeriert wurde. Im Volke selbst war man damals viel mehr für Frankreich und gegen Österreich. Im Widerwillen gegen diesen Krieg und im ersten Rausche seiner Liebe suchte der Kronprinz sich so viel wie möglich von seinen militärischen Verpflichtungen freizumachen. Entweder besuchte er seine Braut, oder sie machte ihm einen Besuch im Felde. Friederike war dann auch immer dabei. Anfangs kamen die jungen Prinzessinnen fast täglich nach Mainz ins Lager, wo sich auch der König befand. Vor allem führte der geniale Prinz Louis Ferdinand dort ein sehr geselliges Leben, ohne seine Rolle als Soldat zu vergessen. Denn er zeichnete sich besonders aus und wurde vor Mainz ziemlich schwer verwundet, worauf er äußerst stolz war. Seine Schwester, Prinzessin Radziwill, sagte: »Man begab sich ins Lager von Mainz wie zu einem Fest ... Die elegantesten Frauen waren dort versammelt.« Die meisten Offizier« hatten ihre Frauen bei sich. Der damalige Oberstleutnant und spätere General von Rüchel ließ außer seiner Frau sogar seine Töchter ins Feldlager kommen. Beinahe wäre damals der Verlobte Friederikes ums Leben gekommen. Prinz Louis hatte sich im Lager an einem Kaminfeuer seines Zeltes niedergelegt und war eingeschlafen. Ein paar überspringende Funken entfachten einen Brand, und bald stand die ganze Einrichtung in Flammen. Des Prinzen Kleider begannen bereits zu brennen. Aber er spürte weder die Glut noch den Rauch, so fest schlief er. Glücklicherweise wurde der vor dem Zelt wachehaltende Soldat auf den Brandgeruch aufmerksam. Er stürzte hinein und rettete Louis vom Flammentod.
Auch außerhalb des Lagers von Mainz trafen sich Luise und ihr Bräutigam: in Großgerau, auf Schloß Kranichstein und bei Onkel Georg in Braunshardt. Als Friedrich Wilhelm dann, nachdem Mainz sich ergeben hatte, in die Pfalz als Befehlshaber des Belagerungskorps von Landau geschickt wurde, entspann sich selbstverständlich ein sehr lebhafter Briefwechsel zwischen den beiden Verlobten. Wie wenig Luise von der Etikette hielt und wie einfach und ganz natürlich sie in ihrem Empfinden war, geht aus einem Zettel hervor, den sie einem der ersten »offiziellen Briefe« an ihren Bräutigam beilegte. Sie mußte nämlich alle Briefe an Friedrich Wilhelm, ehe sie sie abschickte, ihrer Großmutter vorlegen, damit diese sich überzeugte, daß sie nicht gegen den guten Ton verstießen und nicht allzu zärtlich ausfielen. Der jungen Luise waren alle gesellschaftlichen Phrasen und Heucheleien im Innersten zuwider. Sie wollte ihrem Verlobten alles schreiben, was und wie sie für ihn fühlte, besonders ihm aber sagen, wie einfach menschlich sie im Grunde ihres Wesens sei. Und so legt sie, nachdem die Großmama den vorschriftsmäßigen Brautbrief zu ihrer Zufriedenheit gelesen hat, heimlich einen Zettel bei, der aus ihrem guten, liebenden Herzen kommt. »Sie werden vielleicht bemerkt haben, liebster Freund,« schreibt sie ihm, »daß ich viele Dinge in Ihrem Brief mit Schweigen übergehe. Wundern Sie sich nicht darüber. Papa und Großmama haben gewünscht, daß ich ihnen meinen Brief an Sie zeige, und Großmutter vor allem hat mir eindringlich empfohlen, Ihnen nicht zu zärtlich zu schreiben. Gut, daß Gedanken und Empfindungen zollfrei sind und man darüber keim Vorschriften machen kann. Hören Sie, lieber Prinz! Die Namen ›Freundin‹, ›liebe Luise‹ und alles andere hat mich unendlich erfreut. Nennen Sie mich immer wie Sie wollen. In meinem Leben wird es mir nicht in den Sinn kommen, das böse zu finden. Im Gegenteil, es macht mich froh. Da wir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an ganz natürlich und ohne Zwang beisammen waren, hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen den Grund zu sagen, warum in meinen Briefen ein gewisser gezierter Stil herrscht, der nicht meinem Charakter entspricht. Sie könnten sonst glauben, daß ich gegen Sie verändert wäre. Aber ich schwöre Ihnen, es ist nicht der Fall. Im Gegenteil, Sie sind mir nicht gleichgültig. Sie wissen, was ich für Sie empfinde, und so habe ich nicht nötig, Ihnen zu wiederholen, daß ich Sie recht von Herzen liebe. Seien Sie immer der gleiche gegen mich. Ich gestehe Ihnen: mein Herz ist unfähig, sich zu verändern ... Bitte, lieber Prinz, zeigen Sie diesen kleinen Zettel keinem Menschen, und wenn Sie darauf antworten, so tun Sie es nicht in Ihrem Briefe, sondern auf einem kleinen Blatt für sich, damit Großmutter es nicht merkt, sonst habe ich Unannehmlichkeiten ... Noch eins: Großmutter wünschte, ich sollte vorerst einen Entwurf für meinen Brief an Sie machen, weil ich so unorthographisch schreibe. Ich gestehe, er ist nicht schön, aber Sie sollen auch meine Fehler kennenlernen. Wenn ich als Kind fleißiger gewesen wäre, könnte ich Ihnen jetzt vielleicht ohne Fehler die Empfindungen meines Herzens sagen, so kann ich es immer nur fehlerhaft ...« Später wurden Luises Briefe bedeutend vertraulicher und herzlicher, besonders wenn sie sie in köstlichem Kauderwelsch französisch und deutsch durcheinander schrieb, oder gar, wenn sie pfälzische Sätze mit einflocht wie den: »Die ollen Scharteken, die Wägen fahren vor, die alten metallenen Klocken läuten, und ich, ich habe keine Lust in die Kirche zu gehen. Gott verzeihe mir's. Adieu altesse royale de mon coeur ... Ich muß fort in Kirch gehn, sonst schlägt mich mey alte Großmäme«. Oder: » Je mange depuis sieben weniger un quart des cerises délicieuses noires comme un Hut et je souhaiterais, pour qu'elles me paraissent tout à fait délicieuses, la présence d'un certain Monsieur de votre connaissance.« Mit dem » certain Monsieur« meinte die Schelmin natürlich den Kronprinzen selbst.
Sie sah ihn noch einmal in Mannheim bei der Prinzessin Auguste von der Pfalz wieder. Ende August aber mußten sie sich endgültig trennen, und erst im November sahen sie sich zum letztenmal vor ihrer Hochzeit, in Frankfurt. Nach diesem letzten Beisammensein schrieb sie ihm: »Ich verspreche mir ein vollkommenes Glück, nicht ein romanhaftes Glück, aber sicher werden wir so glücklich sein wie zwei Gatten, die sich lieben können.« Für eine so junge Braut fast allzu vernünftige Worte. Aber ihr gerader Sinn wollte sich nicht etwas einreden, was sie nicht unbedingt glaubte. Das Himmelhochjauchzende wie auch das Zutode-Betrübte waren ihr unbekannt, aller Schein war ihr fremd.
Aber das rein Menschliche und Herzliche war in ihr wunderbar mit Vornehmheit vereint. Sie konnte, im Gegensatz, zu dem nüchternen, trockenen Wesen Friedrich Wilhelms, schelmisch, lustig und ausgelassen wie ein Kind und zu allen bösen und guten Streichen aufgelegt sein. So hatte sie es zum Beispiel ersonnen, die Aufmerksamkeit der guten Großmama während der Besuche des Kronprinzen dadurch von sich abzulenken, daß sie ihr den Adjutanten Schack auf den Hals schickte. Der mußte die alte, sehr redselige Dame unterhalten, während Luise und Friedrich Wilhelm allein im Garten saßen und ihre Herzen sprechen ließen. Wenn die Großmama beschäftigt war, waren sie vor »ihren Geschichten und geistvollen Bemerkungen« sicher, »denn«, schreibt Luise später einmal an ihren Mann in humorvoller Laune: »Ich glaube, sie hätte lieber gesehen, daß Du ihr den Hof machest als mir.«
Dann aber lag auch wieder in Luises Bewegungen, in ihrer Art, sich zu geben, trotz aller Anmut und herzgewinnender Liebenswürdigkeit kühle, vornehme Zurückhaltung, die ihr manche Leute, die sie nicht genau kannten, als Herzenskälte und Hochmut auslegten. Solche Zurückhaltung war jedoch ganz geeignet für eine zukünftige Königin von Preußen an einem Hof, der sich infolge des leichtfertigen Lebens des alten Königs und des wenig vornehmen Regiments der Gräfin Lichtenau eines sehr schlechten Rufs erfreute. Ja, der Ruf war so schlecht, daß die alte Landgräfin und der Vater Luises nicht sofort geneigt waren, ihre Kinder in diesen »Sündenpfuhl« zu verheiraten. Besonders war die Tante, die regierende Landgräfin Luise, ganz gegen diese Verbindung. Und nur der gute Ruf des biederen Charakters des Kronprinzen hatte entschieden. Als die Tante ihn dann persönlich kennenlernte, war sie sogar so entzückt von ihm, daß sie öfter bemerkte: »Ach, es is e gar zu ehrlicher Mann, der gut Kronprinz, ich hab' en gar zu lieb«.