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Prolog

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Sommer 1980. Ich, eine Frau Anfang dreißig, reise in den Sudan. Dort kaufe ich mir ein Pferd. Von nun an lebe ich in der Steppe.

Ich reite in Männerkleidung.

Es ist die Zeit des Bürgerkrieges und des Hungers. So wie auch jetzt noch. Keiner zählt mehr die Kriegsjahre. Man sagt, es seien dreißig Jahre. In jedem neuen Jahr sagt man wieder: Es sind dreißig Jahre. So wie man aufgehört hat die Jahre des Krieges zu zählen, so hat man aufgegeben, an die Toten zu denken. Es sind zu viele.

Ich musste reisen. Ich hatte Angst.

Es war nicht Abenteuerlust oder Neugierde. Ich hatte auch kein völkerkundliches Interesse. Obwohl ich auf Stämme traf, die abgelegen und weitgehend unbekannt lebten.

Ich stelle keine Fragen. Ich beobachte. Ich erzähle davon. Ich erzähle von einem Bettler, der in einer Straße auf einem Stück Zeitungspapier lebt und nur aufsteht um zu tanzen. Ich erzähle von einem Hirten, der am Abend singt. Sein Lied bleibt. Ich erzähle von einem Madjub, einem Verrückten, der manchmal mit Steinen Krieg spielt. Und immer danach geschieht ein Überfall der Miliz. Was wäre ein Dorf ohne einen Madjub, sagen die Leute.

Ich beginne, das, was ich am wenigsten an den Menschen in diesem Land verstehe, zu brauchen, begehrlich zu brauchen: ihren Einklang mit dem, was geschieht. Ich nenne es die »Gelassene Zeit«.

Ich will es genau so sagen, mit diesen Worten, nachdem ich mit den Alten viele Nächte in der Moschee durchwacht habe. Und benommen von den durchwachten Nächten und benommen von dem Durst und der Hitze und benommen von dem Gott in den Menschen sage ich »Etwas bleibt, wenn ich gehe. Eine Erinnerung, die ich befrage. Nach mir selbst.«

Ich trinke den Wind

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