Читать книгу Used to be a Goddess - Gina Garcia-Hesse - Страница 5
Kapitel 3
Оглавление«Nemesis, hallooo!», rief ihre Freundin und schüttelte sie leicht, damit sie endlich aufwachte.
«Oh, ich bin doch noch eingeschlafen», gähnte sie, streckte sich katzenartig und versuchte, die Verspannung ihres Körpers zu lösen.
«Griechische Philosophie war noch nie dein Ding, aber dass man davon in einen solch tiefen Schlaf fallen kann, ist echt beneidenswert», neckte sie Aida mit einem Blick auf das Buch.
«Was soll ich sagen, dein Büchergeschmack ist echt schräg», meinte Nema lächelnd.
«Ich bevorzuge es, durch abwechslungsreiche Literatur ein breites Wissen zu erlangen», konterte Aida und beide lachten.
«Übrigens, eine unbekannte Nummer versuchte dich heute Morgen auf deinem Handy zu erreichen. War ja klar, dass du von diesem Surren nicht aus deinem Totenschlaf aufgewacht bist», sagte Aida.
«Heute Morgen? Wie viel Uhr ist es?»
«Halb elf.»
«Oh Gott.»
Nachdem Nema geduscht und ihre Haare in eine einigermassen gutaussehende Form gebracht hatte, stellte sie Amelia den Fernseher aus und fragte sie, ob sie Lust auf eine kleine Fahrradtour hätte. Ihrer Tochter schien die Idee zu gefallen, Aida winkte jedoch ab.
«Ich muss noch einiges erledigen, geht und habt Spass ihr zwei.» Sie verabschiedeten sich und während sie zum Auto schlenderten, vibrierte wieder Nemas Handy. Sie schaute ein paar Sekunden auf das vibrierende Objekt, das hartnäckig weiterklingelte. Wer ausser Aida, Amelia und ein paar ihrer Lehrer hatten denn bitte ihre Nummer? Sie nahm ab und hielt das Telefon ans Ohr, ohne etwas zu sagen.
«Nema?», ertönte es auf der anderen Seite. Oh. Ihren Namen auf seinen Lippen zu hören jagte ihr einen kleinen Schauer durch den Körper. Sie schluckte einmal und strengte sich an, ein neutrales Gesicht zu machen.
«Lucio, was willst du?», fragte sie so entspannt wie möglich. «Ach, ich wollte nur Fragen, ob du heute bereits etwas vor hast. Sarahs Eltern sind noch nicht zurückgekehrt und ich dachte mir, vielleicht könnten die Mädchen draussen spielen und wir könnten ebenfalls etwas Spass haben.» Etwas Spass haben, dachte sie verlegen und ärgerte sich darüber, welche Richtung ihre Gedanken einschlugen. Das musste definitiv daran liegen, dass sie einfach schon zu lange keinen Spass mehr gehabt hatte.
«Nein, wir haben bereits Pläne. Tut mir leid», sagte sie kurz gebunden. Es tat ihr nämlich überhaupt nicht Leid und sie war äusserst zufrieden, dass ihre Stimme kühl und gefasst klang. Nach dem Alptraum letzte Nacht sollte sie Lucio eigentlich nicht mehr sehen.
«Naja, vielleicht können Sarah und ich euch bei euren Plänen begleiten?», fragte er und gab ihr kein Anzeichen, locker zu lassen. Sie verdrehte genervt die Augen, denn sie wollte nicht diskutieren und in einem ganz kleinen Winkel ihres Herzens wollte sie Lucio wiedersehen.
«Na gut. Bringt Fahrräder mit. Wir sind in fünfzehn Minuten beim Colt State Park», meinte sie und spürte den überraschten Blick ihrer Tochter auf sich ruhen.
«Sarah und ihr Onkel kommen mit», erwähnte sie ohne jegliche Erklärung, als wäre es das Normalste auf der Welt. Amelia grinste vielsagend und half ihrer Mutter die Fahrräder ins Auto zu laden.
«Schatz vergiss nicht, du darfst nicht zeigen, wie schnell du wirklich fahren kannst. Schon gar nicht vor diesem Lucio. Ich vertraue ihm nicht.»
«Du meinst Aida vertraut ihm nicht und deshalb bist du nun ebenfalls misstrauisch», sagte Amelia gelassen.
«Stimmt genau.» Damit war das Thema beendet.
Genau fünfzehn Minuten später kamen sie beim Parkplatz des Parks an und schauten herum, ob Lucio und Sarah irgendwo zu sehen waren. Sie kamen keine Minute später an und gesellte sich sofort zu ihnen.
«Hat Amelia denn keinen Helm? Das ist ziemlich gefährlich für Kinder in ihrem Alter», erwähnte Lucio.
Shit. Helm. Natürlich. Amelia brauchte mit ihrer ausserordentlich ausgeprägten Reaktionsfähigkeit keinen Helm, aber das konnte sie ihm schlecht sagen.
«Oh, Helm. Ähm ja genau, wo ist der bloss?», begann sie zu stammeln.
«Ich habe ihn in der Garage vergessen, sorry Mom», rettete sie Amelia.
«Nun gut, dann pass heute einfach speziell auf und fahr nicht zu schnell.»
Amelia nickte und Nema war ihrer Tochter sehr dankbar für diese kleine Ausrede. Sie mochte es nicht, dass ihr Kind aufgrund ihrer Abstammung und ihrer Gene lügen musste, aber es ging nun mal wirklich nicht anders.
Die Kinder fuhren voraus und Lucio fuhr gemütlich neben Nema her. «Du und deine Tochter fährt sehr sicher, ihr scheint des Öfteren Fahrradtouren zu machen.»
Nema blickte ihn aus schmalen Augen an. «Willst du irgendetwas bestimmtes damit sagen?» Sie bemühte sich, nicht zu unhöflich zu klingen.
«Ja, dass du auf dem Fahrrad sehr gut aussiehst», sagte er ohne jegliches Anzeichen von Schüchternheit. Nema schoss die Röte in die Wangen. Dachte er ernsthaft, billige Komplimente würden bei ihr ziehen? Die Antwort darauf wollte sie sich in diesem Moment lieber nicht geben.
«Was ist mit dir? Was machst du so? Wer bist du?», wechselte sie das Thema und nahm so die Kontrolle über die Konversation wieder an sich.
«Ach, ich wohne ebenfalls in Rhode Island, in Woonsocket, das ist etwa eine Stunde von hier entfernt. Ich bin Anwalt und gerade habe ich Ferien.»
«Ah, Anwalt. Und, was denkst du Lucio, lohnt es sich für Gerechtigkeit zu kämpfen?», fragte sie mit ehrlichem Interesse. «Schon. Leider kann ich nicht die Art von Gerechtigkeit generieren, die ich gerne hätte. Das System lässt es nicht zu. Aus diesem Grund denke ich gerade über einen Berufswechsel nach.»
Berufswechsel? Er konnte unmöglich vor mehr als ein paar Jahren die Uni absolviert haben.
«Ich denke, du triffst eine kluge Entscheidung. Man sollte für nichts kämpfen, hinter dem man nicht zu einhundert Prozent steht», sagte sie aufrichtig. Er sah sie leicht überrascht an und nickte ihr zum Dank für die ehrlichen Worte zu.
«Viele Menschen sehen das anders. Was ist denn dein Beruf?», fragte er.
«Ich arbeite in einer Stiftung, die Schulen für Kinder in Drittweltländern aufbaut. Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht. Mein Job ist jedoch rein bürokratischer Natur», sagte sie und zuckte die Schultern.
«Interessant. Du möchtest ebenfalls Gerechtigkeit.»
«In einem anderen Leben hätte ich dir wohl sofort zugestimmt. Ich glaube, heute möchte ich einfach, dass jeder Mensch genug gebildet ist um selbst zu denken und zu entscheiden, was richtig und falsch ist. Das Leben eines Menschen mit einem freien Geiste ist sehr viel lebenswerter, egal wo man sich auf diesem Planeten befindet.»
Er hatte nicht erwartet, dass diese Frau ihn so in ihren Bann ziehen würde. Während sie von ihrem Beruf erzählte, funkelten ihre Augen voller Passion. Ganz abgesehen davon, war ihre Augenfarbe einfach unglaublich. Ein Mensch müsste blind sein, um sich nicht ein zweites und ein drittes Mal in diesen mysteriösen Farben verlieren zu wollen. Lucio war eigentlich nicht der oberflächliche Typ, doch er musste sich eingestehen, dass er von dieser speziellen Schönheit angezogen wurde, wie er sich noch nie zu einer Anderen hingezogen gefühlt hatte. Das war gar nicht gut, wenn er bedachte, mit welchem Ziel er sie zu einem Treffen überredet hatte. Diesen Gedanken wollte er gerade lieber nicht zu Ende führen.
Während ihrer kleinen Tour bemerkte er, dass auch andere Männer und Frauen ihr nachstarrten. Wieso ihm das einen leicht eifersüchtigen Stich versetzte, wollte er besser nicht wissen.
Sie redeten noch einige Minuten weiter, als plötzlich Sarah und Amelia auf ihren Fahrrädern anfahren kamen.
«Lucio, wollen wir nicht einmal eine Pause machen? Ich kann nicht mehr!», jammerte Sarah. Da er selbst sehr sportlich und ausserdem ziemlich abgelenkt worden war, hatte er die Zeit komplett vergessen. «Natürlich. Komm, wir setzen uns dort drüben eine Weile auf die Wiese und essen und trinken etwas.»
Amelia spielte sofort mit und täuschte ebenfalls Erschöpfung vor und so blieb Nema nichts anderes übrig, als sich zu ihnen zu setzen. Lucio hatte anscheinend den halben Kühlschrank von Sarahs Eltern ausgeräumt und ermöglichte somit allen ein reichhaltiges Picknick. Nema gefiel es, wie er sich um seine Nichte kümmerte und sie entspannte sich zum ersten Mal am heutigen Tage. Sie summte leise eine Melodie, die sie gerade erfunden hatte und blickte in die natürliche Schönheit des Parks. Beinahe entging ihr, dass Lucio sie beobachtete, aber eben nur beinahe.
«Ist etwas? Du starrst mich an», fragte sie und verfiel automatisch wieder in ihr misstrauendes Muster.
«Vielleicht verrate ich dir das irgendwann einmal», sagte er schmunzelnd und Nema war froh, dass er vor den Kindern keinen unangebrachten Kommentar laufen liess.
Sie stützte sich auf ihren Ellbogen ab lehnte den Kopf zurück.
Auch wenn ihr auf der Wiese keinen direkten Blick auf das Meer gegönnt war, konnte sie das natürliche Rauschen der Wellen dennoch hören. Sie schloss die Augen und einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, zu Hause in Griechenland zu sein. Sie konnte den leicht salzigen Geschmack des Wassers auf ihrer Zunge spüren. Sie genoss die leichte Biese, die ihr Haarsträhnen ins Gesicht wehte. Das Gefühl unendlicher Freiheit erfüllte sie und wärmte sie von innen. Sie spürte den weichen Stoff ihres Gewands, der sich um ihren Körper schmiegte. Die freundlichen Stimmen ihrer Mutter und Freundinnen hörte sie so klar, als würden sie neben ihr sitzen. War alles nur ein böser Traum gewesen, der versucht hatte, ihre Seele auf grausame Art zu zerreissen?
Schlagartig setzte sie sich auf. Sie war hier, das war die Realität. Lucio sass neben ihr und all die Schande in ihrem Leben war passiert. Sie biss die Zähne zusammen. Akzeptier das endlich, Nemesis.
«Alles okay?», fragte Lucio leicht besorgt. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sah sie aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Oh Gott, sie war wirklich dabei, den Verstand zu verlieren.
«Mir geht’s gut.» Sie hoffte, dass ihre Stimme für die Anderen nicht so schockiert klang, wie das in ihren Ohren der Fall war. Einige Sekunden sagte niemand was und sie spürte, wie Amelia ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legte. Sie berührte sie kurz und nickte ihr dann zu. Gerade ihre Tochter sollte von ihrem inneren Hurrikane nichts mitbekommen.
Offensichtlich hatten die Mädchen wieder Energie getankt, also eigentlich Sarah, und die beiden rannten los um mit den Hunden zu spielen, die ebenfalls auf der Wiese herumliefen.
«Ich kann nicht sagen was, aber etwas an dir ist gefährlich Lucio. Ich kann dir nicht vertrauen», sagte sie noch immer gedankenverloren. Er erwiderte nichts, um ihre Sorgen zu mindern.
«Nun ja, vielleicht solltest du auf deine Instinkte hören. Ich schätze deine Ehrlichkeit, auch wenn es nicht das ist, was ich eigentlich hören will.»
«Was willst du denn hören?», fragte sie und bereute die vorschnelle Frage, ehe sie diese ausgesprochen hatte.
«Nun, das weisst du ganz genau.», sagte er und grinste ihr zu, wobei Grübchen auf seinen Wangen sichtbar wurden. Den ersten Teil seiner Antwort ignorierte sie einfach.
Zum ersten Mal sah sie ihn genauer an. Lucio war bestimmt eins neunzig gross, muskulös gebaut mit breiten Schultern und schmalen Hüften und war mit einer dunklen Jeans und einem weissen T-Shirt bekleidet, das sich um seine kräftigen Oberarme spannte. Seine dunkelbraunen Haare reichten ihm beinahe bis zu den Schultern und mit dem Dreitagebart, den vollen Lippen und den silbrig-grauen Augen besass er das Gesicht eines Gottes. Sie konnte sich nur zu leicht daran erinnern, wie er sie in ihrem Traum geküsst hatte. Er sah wirklich attraktiv aus und er roch weiss Gott herrlich. Alles Weibliche an ihr schien auf ihn zu reagieren.
«Wir sollten gehen», meinte sie schliesslich mit einem Blick zum Himmel, der erraten liess, dass auch der heutige sonnige Tag vom Regen unterbrochen werden würde. Das kam gerade noch rechtzeitig, bevor sie noch mehr Zeit bekam, sein Aussehen zu bewundern. Lucio nickte und rief die Kinder zu sich. Er fuhr sehr nachdenklich mit Amelia, Sarah und ihr zurück zum Auto. Niemand sagte etwas, nicht einmal die Kinder.
Beim Parkplatz angekommen verabschiedeten sie sich voneinander und Lucio beugte sich zu Nema vor, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. «Tut mir leid, dass ich dich heute bedrängt habe, gemeinsam etwas zu unternehmen. Du hast Recht, ich bin nicht gut für dich und ich will dir nicht weh machen. Ich werde morgen fortgehen. Danke für diesen wunderschönen Tag. Pass auf Amelia auf.»
Nema hätte in diesem Moment alles, nur nicht das erwartet. Bevor sie ihm vorwerfen konnte, was für ein idiotisches Spiel er hier spielte, war er bereits mit Sarah auf dem Weg zum Auto. Stinksauer stieg sie neben Amelia ins Auto, die sich kaum getraute ihre Mutter zu fragen, was denn los war. Der hatte sie doch nicht alle. Waren die Männer heutzutage so drauf? Oder lag es vielleicht doch an ihr? Kann dir doch egal sein, ermahnte sie sich.
Zuhause angekommen, war sie mit sich selbst wieder im Reinen und dachte, dass es wohl das Beste sei. Diese starke Verbundenheit, die sie mit Lucio fühlte, konnte keineswegs gesund oder normal sein. Mit diesem Gedanken lief sie in Richtung Wohnzimmer, wo Aida bereits auf die beiden wartete. Amelia erzählte von ihrem Tag und anschliessend ging sie ins Zimmer, um einige Hausaufgaben zu erledigen. Morgen war schliesslich Montag und Schule. Während das Mädchen in ihrem Zimmer war, quetschte Aida ihre Freundin für Details aus. Sie erzählte ihr alles, von den Komplimenten bis hin zu seinen schrägen Abschiedsworten. Nur die Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie hatte, liess sie aus. Ganz offensichtlich war das auch egal, da Aida sich diesen Teil sowieso denken konnte.
«Ich sagte dir ja, der ist nicht normal. Mein Riecher sagt mir, der hat Dreck am Stecken. Nur gut, dass er weg ist», meinte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.