Читать книгу Hans im Glück - Gisela Sachs - Страница 8

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Stunden später laufe ich gedankenverloren durch die Stadt.

Viele Leute sind unterwegs, die Cafés sind überfüllt und als ich am beliebtesten Eiscafé der Stadt vorbeilaufe, prangt mir ein Schild mit einer neuen Eissorte ins Auge.

‚Rose Speziale‘. Ein Eis mit Rosenduft, unglaublich. Ich stelle mich in die Menschenschlange, 10 Minuten Wartezeit sind optimistisch gedacht, und lasse meine Augen kreisen.

Kein Sitzplatz weit und breit. Ein Liebespaar löffelt gemeinsam aus einem Becher die neue Eisvariante, sie verdreht verzückt die Augen, schiebt ihm ein Löffelchen der zarten Masse in den Mund, kleckert rote Farbe auf sein blütenweißes Hemd, lacht dabei. Au weia, der Fleck geht nicht mehr raus, schießt es mir durch den Kopf und ich merke erst dann: Es ist mein Mann, der da turtelt! Seine Begleiterin erkenne ich jetzt auch. Das Fräulein packt bei Douglas die Geschenke ein.

Mein Herz schlägt im Dreiviertel-Takt, meine Hormone tanzen Rock `n´ Roll. Schweißgebadet krame ich nach meinem Telefon. In meiner übergroßen Handtasche kann ich selten etwas mit dem ersten Griff finden. Ich halte Slipeinlagen in den Händen, als ich zwischen meinem Deo, meinem Lippenstift und anderen Utensilien endlich mein Mobiltelefon orten kann. Ich stehe mit dem Handy in der Hand da wie angewurzelt, bin zu aufgeregt, um es auf Anhieb bedienen zu können. Befremdete Blicke vorbeilaufender Passanten treffen mich. Ich nehme es nur schemenhaft wahr. Mein Gehirn besteht aus Zuckerwatte.

»Ulla«, sage ich zu meiner Freundin, als ich das Handy in Gang gebracht habe.

»Kannst du mich in der Stadt abholen? Es ist ein Notfall.«

»Heiß heute«, sagt die alte Dame im Rollstuhl neben mir, strahlt mich an und streckt mir ein Papiertaschentuch entgegen. Sie nickt mir freundlich zu und rollt weiter.

Bleiben Sie doch bei mir, hätte ich ihr gerne nachgerufen. Lassen Sie mich nicht alleine, mein Mann geht fremd, sehen Sie, da vorne sitzt er und löffelt Eis mit einem jungen Ding, das glatt als seine Tochter durchgehen könnte. Meine stummen Hilferufe bleiben ungehört. In meinem Kopf schwirren Mücken, auf und ab und immer wieder auf und ab. Da stößt mein Fuß an einen Stein, der sagt

»Klack« und ich falle, bleibe liegen, habe keine Kraft mehr aufzustehen.

»Mein Gott Süße, bist du verletzt?«, fragt meine Freundin erschrocken, als sie mich am Boden zerstört vorfindet. Aus der Bahn geworfen schaue ich die ganze Zeit über nur auf die Steine vor mir und überlege, wo diese wohl herkommen.

Roter Sandstein.

»Ich glaube, sie haben das Heidelberger Schloss damit gebaut«, sage ich.

»Was ist passiert?«, fragt Ulla. Meine Zunge klebt an meinem Gaumen, ist trocken wie die Wüste und ich kann es nicht aussprechen, was mich so elend macht.

Leichenblass sei ich und meine Augen hätten den Ausdruck, als sei der Teufel hinter mir her, meint meine Freundin. »Ich rufe deinen Mann in der Kanzlei an«, sagt sie. Mein entsetzter »Nein«-Schrei ist das Letzte, was ich höre, dann ist Stille um mich. Wie ich nach Hause und in mein Bett gekommen bin, daran erinnere ich mich nicht.

»Felizitas hatte einen Unfall«, erzählt Ulla später unseren Freundinnen aus dem Yogaclub, als sie mich für die nächsten Übungsstunden entschuldigt. Mit Prellungen zu üben, wäre mir wesentlich leichter gefallen, als diesen Herzschmerz zu ertragen. Mein Herz sprang entzwei wie Glas. Die nächsten Tage verbringe ich dem geschwollenen Fuß wegen auf der alten Couch im Wohnzimmer, blättere ab und an in diversen Zeitschriften, bekomme aber nicht wirklich mit, was die Buchstaben erzählen, die vor meinen Augen verschwimmen.

»Kochen brauchst du in nächster Zeit nichts, Schatz«, tröstet mich mein Mann, als er von der Arbeit nach Hause kommt und mir einen Luftkuss am Ohr vorbeihaucht. Ich rieche einen mir unbekannten Duft. Das rosa Poloshirt, das er trägt, ist neu. Er hätte einen ganz dicken Fisch an Land gezogen, erzählt er mir. Er wirkt aufgeregt und streicht sich beim Sprechen mit gespreizten Fingern durch die Haare.

»Ja, ja, ein ganz dicker Fisch. Ich werde Überstunden machen müssen in nächster Zeit. Wenn man so einen fetten Brocken an der Angel hat, muss man sich sehr darum bemühen, das verstehst du doch, Schatz?! Ich muss später noch mal weg.«

Den Fisch kenne ich so dick ist er gar nicht. Ich fühle mich verraten und verkauft.

Mein Mann leistet viele Überstunden, meist kommt er mit den ersten Amselrufen nach Hause. Frau Amsel sitzt täglich zur gleichen Zeit auf dem Giebel des rechten Nachbarhauses und zwitschert. Regelmäßig bekommt sie Antwort aus dem Kirschbaum des linken Reihenhauses.

»Jetzt erst kommt er heim, der Schuft«, gibt Mutter Amsel kund. Die Amsel aus Nachbars Kirschbaum flattert erschreckt auf, als ich aus dem Fenster schaue. Mir ist, als ob ich diesen Schwarzvogelflügelschlag spüren könnte.

Ich höre das empörte Bellen des Nachbarhundes aus dem Reihenhaus von links, der sich bei den vergeblichen Versuchen meines Mannes, die Haustür aufzuschließen, gestört fühlt. Er findet das Schlüsselloch nicht auf Anhieb und flucht leise vor sich hin. Ich schleiche zurück in mein Bett und stelle mich schlafend, doch war diese Vorkehrung umsonst. In dieser Nacht schläf mein Mann in unserem Gästezimmer.

»Ich wollte dich nicht stören, es ist spät geworden«, teilt er mir zur Mittagszeit per Telefon mit.

»Die nächsten Tage wird es wohl nicht anders werden, es könnte sein, dass ich im Büro übernachte«, spricht er nervös weiter. Ich höre jemanden im Hintergrund husten.

»Hat der Fisch sich erkältet?«

Vier Nächte bleibt mein Mann aus. Frau Amsel verkündet wieder seine Ankunft. Wieder bellt empört der Nachbarshund. Ich spähe aus dem Schlafzimmerfenster zu unserem Parkplatz herunter, kann auch ohne Brille erkennen, wie müde und abgeschlafft mein Mann sein muss. Hölzern wie Pinocchio erklimmt er die drei Treppenstufen zu unserer Haustür. Erschrocken lege ich mich in unser Bett und stelle mich schlafend.

Leise legt er sich neben mich und alsbald spüre ich seine kalten Füße an meinen Waden.

Er sei auf Geschäftsreise, stand auf dem Zettel, den ich am nächsten Morgen auf dem Küchentisch finde. Und er wisse nicht, wie lange die Verhandlungen dauern würden. Und anrufen solle ich nicht. Und er habe das Handy nur in Notfällen eingeschaltet. Und, dass er irgendwann mal anrufen werde. Eine leicht verständliche Gebrauchsanweisung.

Aber was ist ein Notfall?

Die nächsten Tage leide ich einsam vor mich hin. Das Mobiltelefon habe ich mir zwischen Bauchnabel und Busen in den Rockbund gesteckt. Ich will keinen Anruf meines Mannes verpassen. Es vibriert nicht, klingelt nicht, bleibt mausetot bis zum siebten Tag. Ich erschrecke, als ich dann die Stimme meines Mannes höre. Aufgeregt wie ein Schulmädchen stottere ich, als ich ihn frage, wann er denn heimkomme.

»Deswegen rufe ich an«, erklärt er.

»Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, die Verhandlungspartner sind zäh, die Gespräche fließen träge, es läuft nicht planmäßig.« Das Telefon rauscht und knistert, die Sprache klingt verzerrt und im Hintergrund höre ich ein Hüsteln.

»Der dicke Fisch, was ist mit dem dicken Fisch?«, frage ich ihn.

»An Land gezogen«, höre ich noch. Dann: knister, knister, klack.

Ehe über Bord? Fisch an Land gezogen? Was ist eigentlich los? Was habe ich falsch gemacht? Nun, ich habe zehn Kilo mehr als am Anfang unserer Ehe, vielleicht auch elf, wahrscheinlich sogar zwölf. Auf einer Waage bin ich seit Ewigkeiten nicht mehr gestanden. Ich habe Cellulite an meinen Oberschenkeln und am Po. Meine Beine waren noch nie besonders schön, ich habe keine Storchenbeine wie die Models in den Modeblättern, konnte bisher aber gut damit laufen. Jetzt plagt mich Arthrose in den Zehen und ich laufe in Waldläufer-Schuhen aus dem orthopädischen Fachgeschäft umher. Meine grauen Haare fühlen sich an wie ein Stück Schnur. An beiden Handrücken haben sich unzählige Flecken niedergelassen. Riesengroße in hellbraun, dazwischen kleine Dunkle. Meine Zähne haben Paradontose.

Ich habe Falten im Gesicht und am Hals.

»Mein weißer Schwan«, hast du früher zu mir gesagt und mich auf den Hals geküsst. Dein weißer Schwan zieht sehr einsam dahin ohne dich. Ich zähle die Tage, die Stunden, die Minuten und Sekunden. Endlose Tage werden durch endlose Nächte abgelöst. Träume suchen mich heim, erzählen mir von vergangenen glücklichen Ehe Tagen …

Gerade hat man mich aus dem Kreißsaal geschoben und in ein Zimmer mit zwei anderen Müttern gebracht. Ich habe den Fensterplatz bekommen. Mein kleiner Prinz liegt neben mir und ich staune über seine kleinen Finger, den rötlich goldenen Haarflaum, und vergewissere mich immer wieder von Neuem, dass es wirklich ein Junge ist, staune über das Teil, das später das Leben eines Mannes bestimmen soll. So klein ist das?

Ich zähle die Zehen nach. Ja, wunderbar, es sind fünf. Ich zähle immer wieder nach die Zehen und die Fin-

gerlein, rieche an dem Haarflaum, rieche Baby, nur noch Baby.

Ich bin Mama, welch ein Wunder!

Die Frau neben mir ist Türkin. Es ist ihr fünftes Kind. Sie zeigt mir die Anzahl ihrer Kinder, indem sie die geballte Faust ihrer linken Hand ruckartig in die Luft reißt, ihre fünf Finger spreizt und jeden einzelnen Finger liebevoll drückt, dabei laut und stolz lacht. Ihre Zahnlücken sind deutlich sichtbar, einige Zähne sind mit Gold ausgebessert. Für jedes Kind ein Stück Gold?

Sie spricht kein Deutsch und ich werde es wohl nie erfahren, denke ich. Ihr Mann steht stolz vor dem Bett und strahlt seine »Anne« an.

Anne bekommt viel Besuch von Frauen, die ausnahmslos Kopftücher tragen. Die Frauen sprechen wenig bis gar kein Deutsch, schnattern fröhlich durcheinander, wenn sie täglich mit vollen Tüten in das Krankenzimmer stürmen. Sie erscheinen immer in der gewohnten Fünfergruppe, meist schon morgens nach der Visite. Sie sind sich einig. Eine frisch entbundene Frau hat alle Aufmerksamkeit der Welt verdient. Solidarität, die beeindruckt. Ich kenne bald ihre Namen. Sie heißen Hatice, Ayse, Lative, Nasika und Pinar.

Es könnte sein, dass es ihnen entgangen ist, dass es hier regelmäßig Essen gibt. Wahrscheinlicher scheint es mir aber, dass sie der Krankenhauskost nicht trauen. Die frisch gebackene Mutter soll mit heimischer Kost versorgt werden.

Ich werde von den fürsorglichen Frauen mitversorgt, darf von all ihren Köstlichkeiten der türkischen Küche probieren, bekomme den dazugehörigen Namen gesagt und werde anschließend von der ganzen Meute beobachtet.

Sage ich »oh«, freuen sich alle, lachen und klatschen in die Hände, verziehe ich das Gesicht, wiederholen sie den Namen des Gerichts, lachen noch mehr und klatschen noch lauter in ihre Hände. Verständnis ohne Worte.

Die Solidarität gefällt mir. Als sie mir aber mein Tablett mit meinem Mittagessen wegnehmen, dieses kopfschüttelnd auf den Klinikflur hinaustragen und auf dem bereitgestellten Wagen für Schmutzgeschirr abstellen, wehre ich mich entschieden.

»Ich will mein Schweineschnitzel mit den Spätzle wieder haben!«, rufe ich laut.

Das war das Ende unserer Freundschaft.

Zeitlupengleich öffnet sich später die Tür, die Frauen starren gebannt darauf, vergessen zu kauen und erschrecken sehr, als ein Bärenkopf ins Zimmer schaut. Zuerst lugt ein brauner Kopf mit riesengroßen Knopfaugen, danach eine grüßende Hand, später ein frech wippender Fuß ins Zimmer. Letztendlich ist der Mensch sichtbar, der mit ausgefransten Jeans und Turnschuhen solche Narreteien treibt und den Riesenbären wie eine Trophäe vor sich herschleppt.

»Den habe ich im Spielzeugladen in unserer Straße gekauft. Er stand zu lange im Schaufenster und hat ein paar helle Flecken von der Sonne abbekommen, deshalb konnte ich den Preis runter handeln. Ein echtes Schnäppchen«, sagt mein Mann begeistert, als er mit diesem Riesenvieh an meinem Bett angekommen ist. Meine Müttergenossinnen verziehen ihre Gesichter. Ausnahmslos. Diesmal lache ich.

»Ich hole dich hier raus«, sagt mein Mann und verschwindet. Noch in derselben Stunde werde ich in ein Einzelzimmer verlegt. Der Riesenbär nimmt das halbe Zimmer für sich in Anspruch und lässt es dunkler erscheinen, als es ist, fast bedrohlich wirken. Ich mag ihn nicht, den Bären, will aber dem stolzen Vater seine Freude nicht verderben. Als er am nächsten Tag atemlos mit einem riesigen Karton ins Krankenzimmer stürmt, dabei den Bären umrennt und ich erkenne, dass sich in dem Karton eine elektrische Eisenbahn befindet und mein Mann diese tatsächlich hier im Krankenzimmer aufbauen will, bekomme ich die Krise.

»Wochenbettdepression«, nennt mein Mann meine Verweigerung und packt kopfschüttelnd die Eisenbahn zurück in den Karton. »Lass dir das Geld zurückgeben«, mahne ich meinen Gatten. »Wir brauchen es für wichtigere Dinge.« Er versteht nicht, was wichtiger sein könnte als die elektrische Eisenbahn für seinen Sohn, und verlässt frustriert das Zimmer.

Am nächsten Tag öffnet sich leise die Tür meines Einzelzimmers. Meine Patentante spendierte mir diesen Luxusaufenthalt, gleich nachdem sie das erste Foto ihres Großneffen gesehen hatte. Ich hätte es verdient, meinte sie.

»Sie hat gleich kapiert, dass unser Kind das Schönste auf der Station ist«, sagt mein Mann mit stolz geschwellter Brust und überreicht mir 10 dunkelrote, fast schon schwarze dornenlose Rosen, die betörend duften.

»Oh«, sage ich zu meinem Mann, danach küsst er mich so lange, dass ich keine Luft mehr bekomme. An dieser Stelle wache ich auf. Ich habe geträumt, er hätte mich geküsst, liege aber allein in meinen Daunen. Mein Kater Felix will mich trösten und leckt mir die Tränen von Gesicht und Hals.

»Felix, mein Liebling, ich habe dich vernachlässigt«, sage ich und streiche ihm übers Fell. Schnurrend schaut er mich an. Oh je, ich muss einkaufen gehen, der arme Felix war den gestrigen Tag wohl ohne Futter, schießt es mir durch den Kopf.

»Armer schwarzer Kater, wenn das einer vom Tierschutzverein wüsste, die würden mich glatt verklagen«, sage ich zu meinem treuen Gefährten.

»Ich gehe später einkaufen, Frauchen kauft dir gaaanz viele Leckerli, mein Süßer, großes Ehrenwort«, flüstere ich ihm gerade ins Ohr, als es ungestüm an der Haustür klopft.

»Hallo, sind sie vom Tierschutzverein?«, frage ich entsetzt durch die geschlossene Haustür.

»Mensch, mach auf«, höre ich die verärgerte Stimme meiner Freundin Ulla.

»Um Gottes Willen, Süße, wie siehst du denn aus?«, fragt sie, als sie in meine verquollenen Augen schaut.

»Ich habe eine Allergie«, sage ich und fange an zu weinen. Meine Freundin schaut sich ratlos in meiner Wohnung um, betrachtet mich von Kopf bis Fuß.

»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«, fragt sie, während sie die Fenster öffnet.

»Keine Ahnung.«

»Mach dich hübsch, wir gehen essen«, fordert Ulla.

»Ja, Mama«, sage ich und zehn Minuten später sitzen wir schon in Ullas Auto.

»Mensch Mädchen, bei dir kann man die Rippen zählen.

Ich nehme mal an, deine Allergie heißt Hans?! Nach dem Essen gehen wir einkaufen.

Keine Lebensmittel, erstmal Klamotten, so wie du rum läufst …, das geht einfach nicht, so kann man sich nicht hängen lassen, auch nicht mit einer Ehe-Allergie. Wie lange bist du eigentlich schon verheiratet?«

Ulla weiß es ganz genau, sie war unsere Trauzeugin, hatte aber den ‚Hans im Glück‘, wie sie meinen Mann nennt, noch nie gemocht. Das beruht auf Gegenseitigkeit, er kann Ulla nicht ausstehen. Ihre gegenseitige Abneigung ist die verlässlichste Sache der Welt.

Ulla sei eine dumme Gans, meinte mein Mann beim Abendessen im Restaurant. Sie sei unweiblich, hätte keinen Hintern, keinen Busen, nur ein großes Mundwerk, wenn die an den richtigen Mann rankommt, der wird es ihr schon stopfen. Die muss mal gehörig … werden.«

»Jetzt reicht es aber«, sagte ich damals zu meinem jetzigen Mann und »das mit unserer Hochzeit werde ich mir noch einmal überlegen.« Kühl wie Grace Kelly und hoch erhobenen Hauptes verließ ich das Lokal. Neben meinen unberührten Vorspeiseteller, es waren Lachsröllchen mit Rosmarinbaguette, hatte ich einen viel zu großen Geldschein hingelegt.

»Ich zahle für uns beide, der Rest ist Trinkgeld«, sagte ich zu dem Ober.

»Das geht nicht gut«, meinte Ulla zu mir. Andere Mütter haben schönere Söhne, vielleicht sogar mit mehr Geld, der Typ hat nichts zu bieten …« Wir haben nicht gehört, dass Hans den Garten betrat, wo wir uns mit Kaffee und Schnittchen unter dem alten Kastanienbaum niedergelassen hatten. Erst sein Niesen er ist allergisch gegen Kastanienbäume in der Blüte hat uns auf ihn aufmerksam gemacht. Der Lauscher an der Wand …

Mit zusammengekniffenen Augen schaute er Ulla an, fuhr sich mit weit gespreizten Fingern durch die Haare, schaute ihr permanent in die Augen und wartete, bis sie den Blick senken würde. In welchem Film hat er das gesehen? Der Auftritt ist gigantisch. Fasziniert schaue ich auf diese Szene. Was macht er jetzt? denke ich, als er an seiner Jogginghose rumfummelt. Hat er da ein Gewehr drin? Natürlich hält meine Freundin den Blick, schaut genauso stur wie mein Kater Felix. Der würde nie den Blick als Erster senken. Das war der Tag, an dem Ulla ihre Patenschaft für meine zukünftigen Kinder einbüßte.

Nach der standesamtlichen Trauung bedachte mein Mann meine Freundin mit Siegerblicken. Wie Michael Schumacher auf der Siegertreppe stand er da. Es gab sogar Champagner. Meine Freundin zog die Augenbrauen hoch, das bedeutet Alarmstufe eins, und ich kniff sie in den Arm.

»Aua«, sagte sie. »Ich werde für den restlichen Tag zum Lamm. Großes Ehrenwort.« Damit sie in kein Fettnäpfchen treten würde, hatte sie dann geschwiegen den ganzen Tag. Mein Mann empfand das Benehmen meiner Freundin als eine Frechheit.

»Eine unerhörte Rebellion ist das. Schließlich ist sie unsere Trauzeugin und trägt doch eine gewisse Verantwortung.«

»Was für eine Verantwortung?«, frage ich nach, bekomme auf diese Frage aber keine Antwort.

»Wenn die sich bei der kirchlichen Trauung auch so anstellt, drehe ich hohl«, brummelt er in seiner ersten Nacht als Ehemann im neuen Bett, überzogen mit kirschroter Seidenbettwäsche zum Wenden ein Geschenk meiner Patentante -, außen schwarz, innen rot, strapazierfähig. Ich, die goldene Beilage, werde bei dieser Aussage überstrapaziert, drehe mich auf die andere Seite und sage: »Gute Nacht.«

Michael Schumacher hat das Rennen nicht gewonnen.

Hans im Glück

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