Читать книгу Das Herz hört alles - Gitte Loew - Страница 2
1.Dunkler Rauch
ОглавлениеWir landeten um die Mittagszeit auf dem Flugplatz in Kapstadt. Als wir aus der Maschine stiegen, umhüllte uns die Hitze wie ein schwerer Mantel. Feiner roter Staub wirbelte durch die Luft. Ich blieb bei unserem Gepäck stehen, während Otto nach einem freien Taxi suchte. So ein langer Flug war anstrengend für mich und ich konnte im Gegensatz zu Otto nie schlafen. Als ich die Gangway hinunter ging, schnappte ich erleichtert nach Luft. Die Klimaanlagen in den Flugzeugen machten mir zu schaffen.
Während der Taxifahrt zu Ottos Schwester sprachen wir kein Wort miteinander. Unser Trip nach Afrika war nicht eine der üblichen Urlaubsreisen. Vor einigen Wochen hatte uns ein Brief von Lilli erreicht, aus dem wir nicht schlau geworden sind. Otto versuchte daraufhin, am Telefon herauszubekommen worum es eigentlich ging, doch am Telefon redete seine Schwester nur vage von Problemen. Ich hegte den Verdacht, dass sie mit uns unter vier Augen sprechen wollte. Aus diesem Grund hatten wir beschlossen, Lilli in diesem Jahr im Frühling zu besuchen, und nicht erst wie sonst im Herbst. Wir waren verunsichert und wollten uns vor Ort ein eigenes Bild machen.
Als sich das Taxi dem Anwesen näherte, konnte ich schon von Weitem sehen, dass Lilli in der Tür stand und uns erwartete. Der Fahrer hielt an der Einfahrt zum Grundstück, schrieb die Quittung und reichte sie mir nach hinten. Ich nahm Geld aus meinem Portemonnaie und bezahlte die Rechnung. Otto war in der Zwischenzeit ausgestiegen, holte unser Gepäck aus dem Kofferraum und lief schon Richtung Haus. Lilli rannte ihm mit offenen Armen
entgegen. Ich folgte meinem Mann mit kleinen Schritten und beobachtete meine Schwägerin aus der Distanz.
„Schön dich zu sehen Kleines“, lachte Otto zur Begrüßung und drückte seine Schwester voller Freude an sich. Die beiden hingen sehr aneinander, obwohl sie nie offen darüber sprachen. Aus dem Hintergrund beobachtete ich meine Schwägerin. Sie sah noch dünner aus als bei unserem letzten Treffen vor einem halben Jahr. Um ihre Augen herum lagen dunkle Ringe. Ich entschied mich, den Mund zu halten, und nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Es musste etwas Ernstes vorgefallen sein.
Wir liefen zusammen den Weg zu dem hübschen Anwesen entlang und tauschten belanglose Höflichkeiten aus. Lilli sprang leichtfüßig die drei Treppen zum Eingang hoch und öffnete die Tür. In der großen Halle rannten unsere Neffen gerade einem dreifarbigen Köter hinterher und riefen uns lachend zu:
„Hallo, guten Tag!“, und waren auch schon durch die Tür in den Garten verschwunden. Lilli ging voran und führte uns direkt ins Esszimmer. Der Tisch war gedeckt und ich verspürte plötzlich Hunger. Auf dem Flug von Deutschland nach Afrika konnte ich nie viel essen. Das Land war so anders als meine Heimat und verursachte in mir eine Nervosität, die mich schon während des Fluges ergriff.
„Wo ist deine bessere Hälfte?“, wollte Otto wissen.
„Der werkelt noch in der Garage herum, bitte geh und hol ihn!“, rief Lilli ihm aus der Küche zu. Sie lief unruhig zwischen Herd und Esstisch hin und her. Sie war nervös und konnte es nicht verbergen. Mein Mann verschwand nach draußen, um seinen Schwager zu suchen. Ich nutzte unser Alleinsein und wagte die erste Frage zu stellen, bevor der Herr des Hauses auftauchen würde.
„Lilli, wie geht es dir?“
Sie antwortete nicht, sondern zuckte nur wortlos mit den Schultern, aber ihr Gesicht sah dabei ernst und angespannt aus. Ich wollte sie nicht bedrängen und ließ Lilli vorerst in Ruhe. Stattdessen verschwand ich im Badezimmer und versuchte, mir den Staub von der Reise abzuwaschen, und kämmte mir zum Abschluss das Haar. Als ich wieder im Flur stand, wäre ich um ein Haar mit den Männern zusammengestoßen, die gerade ins Haus kamen.
Wigand begrüßte mich mit einem kalten Händedruck. Dann ging er auf direktem Weg an uns vorbei ins Esszimmer und setzte sich hin, ohne Otto und mir einen Stuhl angeboten zu haben. Wir folgten ihm, warfen uns gegenseitig erstaunte Blicke zu und nahmen dann ohne eine Bemerkung am Esstisch Platz.
„Wie war der Flug?“, wollte Wigand wissen. Es erweckte den Anschein, eine Antwort von uns zu erwarten, aber es klang mehr wie eine Begrüßungsfloskel. Fast im gleichen Atemzug rief er: „Lilli, der Wein fehlt!“
Seine Frau drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder in die Küche. Kurze Zeit später kam sie mit der Weinflasche in der Hand zurück und schenkte uns reihum ein.
„Lilli, wo sind die Kinder, wir wollen anfangen zu essen“, unterbrach er sie erneut.
Sie stellte die Flasche auf den Tisch und verschwand, ohne ein Wort zu sagen, um nach den Kindern zu sehen. Ich warf Otto einen Blick zu, doch der senkte die Augen. Ich spürte wie Ärger in mir hochstieg. Warum war mein Mann so feige und ließ zu, daß Wigand seine Schwester so behandelte? Mir wurde plötzlich kühl. Vermutlich war ich übermüdet und nur geschafft von dem langen Flug. Die Buben stürmten lachend ins Esszimmer und setzen sich unter lautem Stühlerücken zu uns an den Tisch.
„Ihr seid groß geworden“, stellte Otto anerkennend fest und lächelte ihnen zu. Thomas grinste und plapperte gleich los:
„Ich spiele seit letztem Monat Handball und Daniel ist seit diesem Jahr bei den Schwimmern“, seine Augen glänzten, während er redete.
„Die Jungs kommen nach mir“, schaltete sich der Vater der Knaben ein. Er blickte dabei sichtlich zufrieden auf seinen Nachwuchs. Ich schluckte das Wort „Scheißkerl“ hinunter und spülte mit Wein nach. Das Gespräch verebbte und Stille legte sich über die Anwesenden. Ich hatte Hunger und griff eifrig nach den aufgetischten Köstlichkeiten, während ich Lilli vorsichtige Blicke zuwarf. Sie reagierte nicht auf mich. Niemand sprach ein Wort. Alle schienen froh zu sein, nichts sagen zu müssen. Nur das Klappern der Bestecke war zu hören. Nach einer Weile legte Otto sein Messer zur Seite, trank einen Schluck Rotwein und räusperte sich, bevor er zu reden begann:
„Was glaubst du Wiegand, wie lange wird die Baustelle hier in Kapstadt noch dauern?“
Mein Schwager sah nicht von seinem Teller auf, während er antwortete, sondern aß einfach weiter:
„Wahrscheinlich länger, als vorgesehen war. Deshalb will ich auch das Haus in Niedersachsen verkaufen.“
Ich schielte zu Otto. Der bevorstehende Hausverkauf könnte der Grund für Lillis Andeutungen in ihrem letzten Brief gewesen sein. Wenn sie das Haus in Deutschland verkaufen würden, wäre das letzte Seil zu ihrer Heimat gekappt und eine Rückkehr in die Heimat fast unmöglich. Ich konnte nicht länger den Mund halten und wollte wissen, ob das der Grund für den Streit zwischen den Eheleuten war.
Ich richtete meine Frage direkt an Wigand und sah ihm dabei ins Gesicht:
„Wollt ihr nicht mehr nach Deutschland zurückkehren?“
Während mein Schwager sein Fleisch auf dem Teller geräuschvoll zerteilte, antwortete er mir auf seine knappe Art, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen:
„Es macht keinen Sinn. Ich weiß nicht, wo die nächste Baustelle sein wird. Mein Job erfordert Flexibilität.“
Er steckte sich genüsslich einen Bissen in den Mund und ich konnte sehen, wie er das Fleisch buchstäblich mit den Zähnen zermalmte. Dabei hob er den Kopf und grinste mich herausfordernd an. Ich wusste von unseren früheren Besuchen, dass für ihn damit das Thema beendet war. Manchmal pflegte er bei solch einem Anlass auch zu sagen: „Aus, Schluss, Ende“, wobei er heute darauf verzichtete. Wir kannten seine blöden Sprüche, doch Otto wollte anscheinend nicht darauf eingehen und widmete sich seinem Essen. Mein Mann war nicht so impulsiv wie ich und taktierte klüger. Ich hielt jetzt den Mund, da ich verhindern wollte, dass die Kinder sonst den Streit der Erwachsenen mitbekommen würden.
Mein Neffe Thomas saß mir gegenüber und warf mir einen gelangweilten Blick zu. Waren die Kinder an diese Art der Unterhaltung gewöhnt? Während ich nach meinem Weinglas griff, ging mir durch den Kopf, was sie wohl über ihre Eltern dachten.
Lilli hatte eine weitere Schüssel aus der Küche geholt und stellte den Salat auf den Tisch. Die Jungs griffen übermütig nach dem Grünzeug und alberten dabei herum. Ottos warnender Blick traf mich diesmal wie ein Stoppschild. Ich verzichtete auf weitere Konversation und aß schweigend weiter. Dabei beobachtete ich Lilli und bemerkte, dass sie sich kaum etwas auf den Teller getan hatte. Sie schob das
Gemüse vom Tellerrand zur Mitte, ohne auch nur einen Bissen in den Mund zu stecken.
Otto fing mit unserem Schwager ein Gespräch über die Baustelle an. Es war ein Thema für Männer, kein vermintes Gebiet, und wir Frauen würden mit Sicherheit den Mund halten.
Nach dem Essen half ich Lilli beim Abräumen, drehte mich zu den Kindern um und forderte sie freundlich auf: „Kommt, tragt auch etwas in die Küche.“
„Das ist Lillis Arbeit“, belehrte mich Thomas wie aus der Pistole geschossen. Ich hätte um ein Haar die Teller fallen lassen, die ich in der Hand hielt. Es war kaum zu glauben, aber dieses kleine Monster redete wie sein Vater. Lilli räumte derweilen, ohne ein Wort zu sagen, die Spülmaschine ein. Die allgemeine Stimmung in diesem Haus war schlecht und deshalb zog ich es vor, mich nicht in die Erziehung der Kinder einzumischen. Ich hielt den Mund, verschwand aus der Küche und schlenderte nachdenklich durch den Flur ins Wohnzimmer.
Wigand stand vor der Anrichte und schenkte Cognac ein. Seit Lilli ihn kannte, trug sie nur noch flache Schuhe, um nicht größer als ihr kleiner Ehemann zu erscheinen. Warum ließ sie zu, dass er sie so klein machte? Ich ging zum Wohnzimmerfenster und blickte traurig auf die grandiose Landschaft von Afrika. Mir fiel auf, dass der zum Haus gehörende Garten von schmalen Wasserschläuchen durchzogen war, um die Pflanzen zu wässern.
„Möchtest du einen Drink?“
Erschrocken drehte ich mich zu meinem Schwager um und sagte „Ja, bitte“ und beobachtete ihn dabei, wie er die Gläser füllte. Er war gebräunt, trug einen hellen Anzug und wirkte männlicher als früher. Ohne ein Wort zu sagen, reichte er mir das Glas. Ich setzte mich aufs Sofa zu Otto und nippte an dem Cognacglas.
Die Kinder waren nach dem Essen nach draußen verschwunden und ich wollte nicht länger warten, sondern endlich wissen, was in diesem Hause vorging.
„Lilli sieht krank aus“, begann ich betont vorsichtig das Gespräch.
Wiegand lachte laut auf, sah mich an und aus seinen Augen blitzte mir Spott entgegen:
„Wenn ich so viel rauchen würde wie Lilli, sähe ich genauso grau aus. Sie ist doch nur noch ein Gerippe aus Haut und Knochen. Einfach scheußlich.“
Mir verschlug es die Sprache. Wie redete dieser Kerl über seine Frau? Türen klappten und Schritte waren zu hören. Lilli war mit der Küchenarbeit fertig und kam zu uns ins Wohnzimmer. Hatte sie die abfälligen Äußerungen ihres Mannes gehört? Sie setzte sich schweigend in den Schaukelstuhl, der am Fenster stand, und begann hin und her zu wippen. Es wirkte auf mich wie ein Ritual. Überging sie bewusst das üble Geschwätz ihres Mannes? Ich spürte die Spannung zwischen den beiden und es fiel mir schwer, dabei ruhig zu bleiben. Das Ehepaar schien nicht mehr miteinander zu reden. Es fühlte sich an, als ob Strom durch die Luft fließen würde. Jeder wusste, was los war, aber keiner fand den Mut, ein offenes Gespräch zu führen. Ich hatte schon bei früheren Gelegenheiten beobachtet, dass Wigand durch seine Art andere Menschen verblüffen und gleichzeitig mundtot machen konnte. Die Stille wirkte unangenehm. Otto zündete sich umständlich seine Pfeife an. Lilli schaukelte vor sich hin.
Plötzlich trank mein Schwager mit einem Ruck sein Glas aus, stand von einer Minute zur anderen auf und meinte knapp:
„Ich muss noch mal auf die Baustelle. Ihr habt euch bestimmt viel zu erzählen. Wir sehen uns morgen zum Frühstück, dann gute Nacht.“
Er verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal nach uns oder seiner Frau umgesehen zu haben. Sein plötzlicher Aufbruch fühlte sich wie eine kalte Dusche an. Nachdem die Haustür hinter ihm ins Schloß gefallen war, konnte ich nicht länger den Mund halten.
„Lilli, so kann das nicht weitergehen“, ich stand auf und hielt den Schaukelstuhl fest.
Sie drehte sich zu mir um und sah mich an: „Er hasst mich.“
„Ihr müsst miteinander reden“, erwiderte ich.
„Wiegand redet nicht, er ordnet an“, sie verschluckte sich und musste husten.
Ich fühlte mich auf einmal müde, machtlos und sagte leise:
„Aber ihr könnt doch nicht so miteinander leben, schon der Kinder wegen nicht.“
Lilli antwortete schnell und entgegen ihrer sonstigen Äußerungen sehr präzise: „Die Jungs halten zu ihm.“
Mir verschlug es die Sprache, aber gleichzeitig wurde mir auch mit einem Schlag klar, was das für sie zu bedeuten hatte. Wenn es so war, warum dann länger um den heißen Brei herumreden? Ich sah ihr direkt in die Augen und sagte betont ruhig:
„Wenn Du in Kapstadt nicht gebraucht wirst, dann kommst Du mit uns nach Deutschland.“
Dann stand ich auf, ging auf sie zu und nahm ihren Kopf in meine Hände. Ich zwang sie mich anzusehen. Otto warf mir einen warnenden Blick zu und schüttelte stumm den Kopf.
„Wovon, ich habe kein Geld?“, meinte sie nervös und befreite sich aus meinem Griff. Dann drehte sie sich von mir weg und schaute in eine andere Richtung.
„Ach Unsinn, Du kannst bei uns wohnen“, versuchte ich es wieder.
Anstatt zu antworten, fischte sie ihre Zigaretten aus der Hosentasche, zündete sich einen Glimmstängel an und lächelte mich plötzlich an. Ich hielt verwundert inne. Sie blies kleine Ringe in die Luft und meinte freundlich:
„Wir reden morgen darüber, ihr seid bestimmt müde von der langen Reise, ok?“
Ich spürte, dass sie niemanden an sich heranlassen wollte. Otto erhob sich umständlich und klopfte seine Pfeife aus. Ich konnte ihm ansehen, dass er froh war, den Rückzug antreten zu können.
„Wir sind wirklich von der langen Reise kaputt, es ist besser, morgen über alles zu reden“, bemerkte er kleinlaut.
Ich warf meinem Mann einen wütenden Blick zu. Lilli sah weiter zum Fenster hinaus, rauchte und kleine Wölkchen stiegen auf. Ihr braunes Haar lag in Locken auf ihren Schultern. Sie sah von hinten wie unsere Tochter aus. Otto ging auf sie zu, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ mich dann mit dieser unglücklichen Frau allein. Ich wollte mich nicht geschlagen geben und wagte noch einen letzten Versuch:
„Lilli, was ist mit dir und Wigand?“
Zu meiner Überraschung drehte sie sich zu mir um und murmelte mit tonloser Stimme:
„Wir haben getrennte Schlafzimmer, ich huste ihm zu viel. Er will, dass ich aufhöre zu rauchen.“
Dann schluchzte sie laut auf, Tränen tropften auf ihr Kleid. Lilli konnte kaum sprechen und presste zwischen den Lippen hervor: „Die Zigaretten sind das Letzte, was mir geblieben ist. Ich kann nicht aufhören.“
Ich wußte im ersten Moment nicht, was ich darauf antworten sollte. Lilli und Wigand waren seit 13 Jahren verheiratet. Ich verstand nicht,
warum ihr Rauchen erst jetzt zum Problem in der Ehe geworden war? Oder gab es einen ganz anderen Grund?
Draußen wurde es dämmrig. Nicht lange und die Nacht würde mit einem Schlag über das Land hereinbrechen. Durch die Fenster drangen fremde Geräusche von weit her. Mir fiel im Moment keine Lösung ein. Ich stand auf, ging zu Lilli und zog sie aus dem Stuhl hoch. Dabei sah ich ihr in die Augen:
„Ich rede morgen mit deinem Mann.“
Anstatt einer Antwort begann sie ruckartig zu weinen. Ich nahm sie in meine Arme und drückte sie an mich. Ihr schmaler Körper fühlte sich so an, als ob ich einen kleinen Vogel halten würde. Mir war elend. Ich zog meine Schwägerin zum Sofa und wir setzten uns in die weichen Kissen. Nach einer Weile entspannte sie sich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ich streichelte ihren Arm und sagte leise, aber sehr bestimmt:
„Du kommst mit uns nach Deutschland zurück.“
Wir saßen lange so zusammen und Lilli ließ ihren Tränen freien Lauf. Ich hörte ihr zu und erfuhr, dass ihr Mann dunkelhäutige Freundinnen in der Stadt hatte. Das Wort Bordell nahm sie nicht in den Mund. Spät am Abend ging ich mit ihr zusammen in den kleinen Raum, in dem jetzt ihr Bett stand. Mir schoss durch den Kopf, dass es das Zimmer einer Hausangestellten sein könnte. Ich zog die Decke über ihren schmalen Körper und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann löschte ich das Licht und zog die Tür hinter mir zu.
Als ich ins Schlafzimmer kam, schlief Otto bereits. Es dauerte lange, bis ich endlich zur Ruhe kommen und einschlafen konnte. Was für ein schrecklicher Tag war mein letzter Gedanke.
In der Nacht schreckte ich hoch und konnte mich im ersten Moment nicht daran erinnern, wo ich eigentlich war. Das ging mir immer so, wenn ich von einem zum anderen Kontinent flog. Es drang kaum
Licht durch die Fensterläden. Draußen war es noch stockdunkel. Irgendwo in den Bergen hinter uns krachte es. Vielleicht ein Schuss? Es waren die Geräusche einer fremden Welt.
Da ich nicht wieder einschlafen konnte, stand ich auf und tastete mich im Dunkeln durch das fremde Haus. Ich lief in Richtung Veranda. Als ich die Fensterläden aufstieß, stockte mir vor Schreck der Atem.
Ein Feuer brannte im Garten. Inmitten der großen Flammen saß eine kleine Gestalt. Sie war vom Feuer umzingelt. Dunkler Rauch stieg in den afrikanischen Nachthimmel empor, der Lilli auf ihrer letzten Reise begleitete.