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Samstag, 1. Juni

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»Roman wach’ auf, es hat gebrannt!« Der Angesprochene rührte sich nicht und schlief weiter.

»Jetzt mach’ endlich die Augen auf, es qualmt noch!« Boris stoppte in der Kurve vor dem Lager und stieg aus. Er näherte sich dem ausgebrannten Fahrzeug und versuchte zu erkennen, ob noch jemand im Auto saß. Der Innenraum war zu einem Plastikknäuel zusammengeschmolzen und mit schwarzem Ruß überzogen. Die Hitze des Feuers hatte die Scheiben zum Bersten gebracht. Auf dem Weg lagen verstreut kleine Glasstücke. Boris kramte sein Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer der Polizei. Es dauerte, bis sich jemand meldete.

»Hallo, hier ist Boris Bilas. In der Homburger Landstraße steht ein ausgebrannter Wagen. Hinter der Eisenbahnbrücke am Bahnhof Frankfurter Berg, dort wo es zur Baustoffhandlung Kruck geht. «

»Befinden sich noch Personen im Fahrzeug? «

»Nein, ich konnte niemanden sehen. «

»Warten Sie bitte am Unfallort. Ich schicke Ihnen eine Streife vom 15. Revier vorbei. «

Roman war mittlerweile wach geworden und rieb sich die Augen. Er starrte mit offenem Mund auf den Weg. »Oh, das war mal ein silberfarbener Mercedes. «

»Sei still, du Idiot. Wir sollen hier auf die Bullen warten. Das kostet uns Zeit. Der Chef wird meckern, wenn wir nicht pünktlich auf der Baustelle sind. Ich sag’ ihm Bescheid. «

»Mann spinnst du, guck’ mal auf die Uhr! « Es dauerte nicht lange, und ein Streifenwagen kam den schmalen Weg entlanggefahren. Die Fensterscheibe ging nach unten: »Guten Morgen, haben Sie angerufen?«

»Ja, mein Name ist Boris Bilas, ich habe mit Ihrem Kollegen telefoniert. «

Die Polizeibeamten stiegen aus und gingen auf das ausgebrannte Wrack zu. Was machen Sie so früh am Morgen hier?«, der Beamte beäugte die beiden Arbeiter misstrauisch von Kopf bis Fuß.

»Wir wollten Material holen. « Er zeigte mit dem Finger auf ein weiter entfernt liegendes Gebäude.

»Gehören Sie zur Firma Kruck? «

»Nein, wir arbeiten beim Gartenbau. Ich muss meinem Chef Bescheid sagen, dass wir später kommen. «

»Haben Sie den Wagen hier schon einmal gesehen?« Polizeiobermeister Olbrich kam die Sache nicht ganz geheuer vor. Vielleicht war das ein krummes Ding.

»Nein. Wir haben mit dem Auto nichts zu tun. Wir wollten nur Sand und Steine holen. Das sieht doch jeder, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. « Boris verschränkte die Arme vor der Brust und blieb breitbeinig stehen.

Der andere Polizist lief umher und inspizierte die Gegend. Olbrich rief ihm zu: »Thomas notierst du die Personalien der Männer, ich rufe die Kripo an.« Polizeimeister Reichert drehte sich um und winkte die beiden Arbeiter zu sich heran. »Also Herr Bilas, wo sind Sie polizeilich gemeldet? «

»Wir schlafen in einer Firmenunterkunft. Der Chef hat eine Wohnung in Burgholzhausen für uns gemietet und da wohnen wir. «

Reichert seufzte. »Auch das noch, zeigen Sie mir bitte Ihre Arbeitserlaubnis. «

Boris kramte einen Zettel aus seiner Jackentasche und hielt ihm das zerknüllte Papier unter die Nase. Roman Magdic, der hinter Boris stand, tat unaufgefordert das Gleiche. Der Ablauf einer Überprüfung war den beiden anscheinend gut bekannt.

Olbrich ging zum Streifenwagen und griff nach dem Funkgerät. »Hallo, hier ist Frank 315. Wir sind zu einem ausgebrannten Mercedes in die Homburger Landstraße gerufen worden. Das Wrack steht in der Nähe des S-Bahnhofs, seitlich des Bahngeländes. Scheint leer zu sein. Vielleicht wurde er gestohlen und sollte entsorgt werden. Die Nummernschilder fehlen. Könnt ihr die Kollegen von der Kripo vorbei schicken? Ja, wir warten hier und sichern den Tatort. « Nachdem er aufgelegt hatte, kramte er kleine Pflöcke aus dem Kofferraum, steckte sie in die Erde und sperrte den Weg mit einem Plastikband ab. Reichert ließ in der Zwischenzeit die Namen der beiden Zeugen über die Datenbank abgleichen.

Boris war ungeduldig: »Könnten wir nicht schnell unser Material holen? Der Weg ist doch eine Sackgasse und wir kommen auf dem Rückweg sowieso wieder hier vorbei. «

Olbrich war genervt. Die Nachtschicht ging dem Ende zu und dann hatte ihn das noch erwischt. Ungehalten schnauzte er den Arbeiter an: »Ihr müsst auf die Kollegen von der Kriminalpolizei warten. «

Roman wich erschrocken zurück. Als Boris merkte, dass er so nicht weiterkam, schlug er einen anderen Ton an. »Chef, bis die Leute von der Kripo auftauchen, sind wir wieder zurück. Es dauert nicht lange. « Er gab Roman einen Wink ins Auto einzusteigen. Der Laster ratterte langsam zu dem weiter entfernt liegenden Gehöft.

»Ihr habt gehört, was ich gesagt habe«, schimpfte Olbrich ihnen hinterher.

Eine Viertelstunde später kam ein Opel Insignia den Weg entlanggefahren und vier Personen stiegen aus. »Morgen, ich bin Kommissarin Wolf vom K13 und das ist Herr Rogler der Brandsachverständige. Die anderen Kollegen sind von der Spurensicherung. Wer von Ihnen hat das Auto gefunden? «

»Zwei Arbeiter«, erklärte Olbrich. »Sie waren auf dem Weg zu ihrem Lager. Im Augenblick laden sie ihr Material bei Kruck auf. Auf dem Rückweg kommen sie wieder hier wieder vorbei. «

Es begann, fein zu regnen. Hanna zog eine Strickmütze über den Kopf. »Keine schlechte Stelle für einen Brand. Die Böschung zur Straße hin ist hoch. Die Bäume und das Unterholz verdecken die Sicht. « Der Polizist nickte zustimmend. »Ja, nach der anderen Seite hin schirmt die zwei Meter hohe Brombeerhecke den Wagen ab. Außerdem stehen wir direkt am Feld. Da hinten gibt es ein Anwesen, aber da wohnt kaum jemand. « Olbrich kannte sich in der Gegend gut aus.

»Das ist kein einfacher Diebstahl. Da steckt etwas anderes dahinter«, murmelte Hanna Wolf leise vor sich hin. Der Brandsachverständige kam von seiner ersten Begutachtung zurück. »Wir müssen den Wagen in der Werkstatt untersuchen. Durch die vielen Bäume ist es zu dunkel, um überhaupt etwas sagen zu können. Außerdem lassen sich die Türen und der Deckel des Kofferraums nicht öffnen. «

»Ich rufe den Abschleppdienst. «

»Frau Wolf, brauchen Sie mich noch? « rogler war stehen geblieben. »Nein, aber schicken Sie mir bitte Ihren Bericht so schnell wie möglich. «

»Ich habe viel Arbeit, aber ich tu’, was ich kann! «

Hanna Wolf lachte. Sie wusste, dass es dauern würde. Der Abschleppdienst kam aber glücklicherweise schneller, als sie alle erwartet hatten.

»Moin«, rief der Mann aus dem Fahrerhaus und rangierte den Transporter geschickt in die richtige Position. Hanna Wolf stand mit den Kollegen von der Schutzpolizei am Feldrand und beobachtete das Schauspiel. Auf der anderen Seite wartete mittlerweile auch der kleine Laster des Gartenbaus. Nachdem der Fahrer noch zusätzliche Metallstreben unter das Wrack geschoben und befestigt hatte, hob er vorsichtig den Schrott hoch. Beim ersten Ruck sprang plötzlich der Kofferraumdeckel auf.

Kommissarin Wolf rief: »Halt! « Sie gab Handzeichen, das Ding wieder auf den Boden zu stellen. Der Fahrer setzte seine zerbrechliche Fracht behutsam auf die Erde zurück. Hanna stiefelte zum Auto und leuchtete mit der Taschenlampe in den Kofferraum.

»Jetzt wissen wir, warum der Täter hierher gefahren ist, und Feuer gelegt hat. « Den Kollegen von der Spurensicherung rief sie laut zu: »Wir haben eine Leiche im Kofferraum. Ich werde den Gerichtsmediziner anrufen, damit er sich vor Ort einen Eindruck verschaffen kann. Der Wagen kann erst danach abtransportiert werden. «

Die Männer der Spurensicherung machten sich auf den Weg, und steckten das Gelände weitläufig ab.

»Und was ist mit uns? Können wir vorbeifahren? « Boris guckte ganz verdutzt.

»Tut mir leid, ihr könnt erst weiterfahren, wenn alle Spuren gesichert sind. «

»Und wie lange wird das dauern? «

»Das weiß ich im Moment noch nicht, aber es wird besser sein, ihr informiert euren Chef. « Hanna kümmerte sich nicht weiter um die Arbeiter und ging auf die wartenden Schutzpolizisten zu. Olbrich sah müde aus. Er winkte mit der Hand ab: »Ich schick’ meinen Kollegen auf die Wache zurück. Er kann schon anfangen, den Bericht für die nächste Schicht zu schreiben. Wir haben in einer Stunde Dienstübergabe. Ich bleibe zur Verstärkung hier. Sie können mich nachher am Revier absetzen. «

Die Kommissarin widersprach ihm nicht. Olbrich stand kurz vor der Pensionierung, da war Nachtdienst anstrengend. Hanna Wolf telefonierte zuerst mit der Staatsanwältin und anschließend mit dem Institut für Gerichtsmedizin. Sie hatte mittlerweile kalte Füße und sehnte sich nach einer Tasse heißen Tee. Nach weiteren 30 Minuten tauchte endlich der Wagen des Arztes auf. Ein grauhaariger Mann stieg aus. Hanna ging ihm entgegen.

»Morgen Dr. Keller. Wir dachten zuerst, dass jemand etwas entsorgen wollte. Nachdem das Blech angehoben wurde, sprang der Deckel auf. Aber sehen Sie selbst, was der Täter für uns versteckt hat. «

»Frau Wolf, ich sage ja immer, Sie verkehren in den falschen Kreisen. « Der Arzt verzog sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln und lief mit gebeugtem Rücken in Richtung Wrack.

»Den Job möchte ich auch nicht haben«, entfuhr es Olbrich, der neben der Kommissarin stand. Hanna holte Luft: »Wir nennen ihn nur die Kellerassel. Er ist den Tierchen aus den Grüften doch sehr nah. Meinen Sie nicht? «

»Ach hören Sie auf. Das wäre nichts für mich. « Olbrich schüttelte sich. Sie waren inzwischen vom Regen ziemlich durchnässt. Hanna fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein begossener Pudel. Kurze Zeit später kam der Gerichtsmediziner zurück. Er wog den Kopf abschätzend hin und her.

»Nach meiner Einschätzung muss es zwischen 2 und 4 Uhr in der Früh gebrannt haben, aber das kann Ihnen der Brandsachverständige genauer sagen. Im Freien ist es nicht ganz einfach, den Zeitpunkt des Todes festzustellen. Der Wagen ist nur zum Teil verbrannt. Der Täter hat hauptsächlich das Opfer mit Benzin übergossen und angezündet. Ihm ging es wohl darum, die Leiche unkenntlich zu machen. Das war ein Anfänger, sonst sähe das Ganze anders aus. «

»Anfänger ist gut, da haben wir vielleicht eine Chance«, Hanna Wolf wischte sich mit einem Taschentuch über ihr nasses Gesicht. Sie wandte sich dem Schutzpolizisten zu, der hinter ihr stand: »Ab wann fahren die S-Bahn-Züge? «

Olbrich dachte einen Moment nach. »Soviel ich weiß, beginnt der Betrieb wochentags um 4 Uhr. «

»Gutes Timing«, murmelte Hanna kaum hörbar. Obwohl sie leise gesprochen hatte, war ihre Bemerkung dem Arzt nicht entgangen.

»Was für ein Glück, das ich mit dem Auto zurückfahren kann. Ich möchte ungern einem Feuerteufel begegnen. « Er reichte Hanna die Hand. »Bericht kommt so schnell wie möglich. Schönes Wochenende Frau Wolf. « Er stieg ins Auto und fuhr davon.

Hanna schlenderte zu den Männern der Spurensicherung. »Wie sieht es bei euch aus? «

»Der Regen macht uns die Arbeit auch nicht leichter. Trotzdem werden wir die Gegend noch weitläufig absuchen. Heute Morgen ist noch niemand hier entlanggefahren. Wenn du verschwinden möchtest, ordere bitte einen Wagen für uns, damit wir ins Präsidium zurückkommen. «

»Kann der Laster vom Gartenbau passieren? «

»Ja, am Weg haben wir alles gründlich abgesucht. Keine weiteren Reifenspuren. Der Täter muss den Rückweg zu Fuß angetreten haben. «

Hanna Wolf winkte den Kleinlaster vorbei. Dann ging sie zu dem übermüdeten Olbrich. »Es bringt nichts, weiter hier herumzustehen. Ich nehme Sie mit und setze Sie am Revier ab. «

Sie stiegen ins Auto und die Kommissarin wendete das Fahrzeug. Sie fuhr hoch zur Eisenbahnbrücke, die über die Bahngleise führte. Die dahinter stehenden Hochhäuser ragten im Regen wenig einladend in die Höhe. Hanna musste an der roten Ampel anhalten.

»Vielleicht hat unser Brandstifter überhaupt nicht die S-Bahn benutzt, sondern haust in einem der Wohnsilos. Was meinen Sie? «

»Das glaube ich nicht. Wir haben die Leute aus der Siedlung Frankfurter Berg gut im Griff. Es herrscht Ruhe hier. «

»Glauben Sie das wirklich? «

»Aber ja doch, nicht weit von ihr entfernt ist die Unterkunft der Bundespolizei. Die Beamten sind in den ehemaligen amerikanischen Kasernen stationiert. So viel Polizei, wie in dieser Gegend, gibt es vermutlich in der ganzen Stadt nicht. « Er grinste sie zufrieden an.

Kommissarin Wolf hielt vor dem 15. Polizeirevier und Olbrich stieg aus. Sie ließ das Seitenfenster runter. »So gut wie Sie, möchte ich es auch mal haben. Sie können mitten im Grünen arbeiten, direkt neben Kirche und Kindergarten. Traumhafte Zustände. «

Olbrich lachte und verschwand hinter der Eingangstür des Reviers.

Rauch und Asche

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