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Donnerstag, 6. Juni

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Hanna kannte Adler noch von ihren Anfängen bei der Kriminalpolizei. Zum K13 war sie aber erst nach seinem Ausscheiden versetzt worden. Max war ein integrer und ausgesprochen netter Mann. Er hatte warmherzige braune Augen und ein charmantes Lächeln. Außerdem besaß er den nötigen Humor, um den Alltag bei der Polizei ertragen zu können. Sein Absturz tat ihr leid, aber für sie war es auch ein Zeichen, dass hinter all seiner Professionalität ein verletzlicher Mensch stand. Hanna hoffte darauf, dass Max ihr mit seinem fachlichen Rat weiterhelfen konnte.

***

Max verließ am Donnerstagabend zeitig seine Wohnung. Er wollte im Restaurant Schuch einen ruhigen Tisch aussuchen. Hanna schien berufliche Probleme zu haben. Es überraschte ihn, dass sie auf ein Treffen außerhalb des Dienstes bestanden hatte. Nach seiner Versetzung war es ihm nicht entgangen, dass viele seiner früheren Kollegen ihn mieden. Mit einem degradierten Versager will niemand etwas zu tun haben. Im Dunstkreis einer solchen Person möchte keiner stehen, geschweige denn mit ihr in einem Atemzug genannt werden. Er hatte in den vergangenen 3 Jahren die Erfahrung gemacht, dass vermeintlich gute Freunde plötzlich keine Zeit mehr für ihn hatten. Umso mehr freute er sich auf das Wiedersehen mit Hanna.

Im Restaurant angekommen bestellte er ein Wasser. Die Zeit bis zu ihrer Ankunft vertrieb er sich damit, die Gäste des Lokals zu beobachten. Als Hanna Wolf dann durch die Tür des Restaurants auf ihn zugelaufen kam, war Max von ihrer Erscheinung mehr als beeindruckt. Er stand auf und umarmte sie freudestrahlend.

»Schön dich zu sehen, du siehst fabelhaft aus«, meinte er voller Anerkennung.

Hanna lächelte leicht verlegen, warf ihre Tasche auf den Stuhl und setzte sich an den Tisch.

»Im Moment geht es mir gar nicht so gut. Wir haben eine verbrannte Leiche und kein richtiges Motiv. Außerdem versuchen wir schon die ganze Woche, Zeugen zu finden. Wir kommen nicht voran. «

»Die Sache am Feld, Richtung Bonames. «

»Ja, genau. Der Wagen gehört einer Geschäftsfrau aus Bornheim, die verschwunden und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht ist. Der Bericht von Dr. Keller steht noch aus. Ich vermute jedoch, dass es sich bei dem verbrannten Opfer, um die Halterin des Autos handelt. «

»Wie sieht das Umfeld der Frau aus? «

»Nichts Besonderes, Besitzerin einer Boutique, Witwe, allein lebend. Der Fall ist unauffällig, bis auf einen Schrank, in dem wir alte Reizwäsche gefunden haben. «

Adler musste unwillkürlich lachen. »Alte Schlüpfer? «

»Naja, Frau Walter führte ein Dessous-Geschäft mit Namen Frankfurter Burleske. Da war wohl der Name Programm. Der alte Krempel lag in einem verschlossenen Schrank. Jäger hat das Zeug gefunden und vermutet, dass die Wäsche ein Motiv für irgendwelche Fetischisten sein könnte. «

Adler konnte nicht aufhören zu schmunzeln. »Jäger sieht das mal wieder ganz wissenschaftlich. «

»Und wie. Aber was denkst du darüber? « Je länger Hanna den lachenden Max ansah, umso schwerer fiel es ihr, ernst zu bleiben. Am Ende stimmte sie in sein Gelächter ein. Das wirkte nach einem langen Arbeitstag richtig befreiend.

Max wurde wieder ernst. »Ich denke, dass es möglich ist, aber Fetischisten ermorden doch nicht ihre Lieferanten. Die sind froh, wenn sie eine Adresse gefunden haben, bei der sie diskret einkaufen können. Was mutmaßt Jäger denn sonst noch? «

»Er denkt, dass die Ladeninhaberin versucht hat, ihre Abnehmer zu erpressen. Ihr Geschäft lief in den letzten Jahren nicht so gut. «

»Das könnte sein. Wie sehen denn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau aus? «

»Die Boutique ist im Erdgeschoss des eigenen Hauses. Es gibt außerdem noch drei weitere Wohnungen, von denen sie Miete erhalten hat. Das Haus steht in der Berger Straße, nahe der Innenstadt. Sie konnte jeden Monat mit guten Mieteinnahmen rechnen. Ich vermute, sie musste überhaupt nicht arbeiten. «

»Und warum hat sie es dann getan? «

»Ihr Mann starb vor einigen Jahren. Das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder. Ich vermute, dass sie aus Langeweile gearbeitet hat, oder sich einsam fühlte. Nach Auskunft ihrer Putzfrau soll sie in letzter Zeit Herrenbesuche empfangen haben. «

»Gibt es Zeugen? «

»Nein, das ist unser Problem. Frau Walter hat sich mit ihren neuen Bekannten wohl im Laden verabredet. Für Außenstehende waren die Besucher ganz normale Kunden, die zum Einkaufen kamen. «

»Ihr habt also nichts in der Hand? «

»Genau, und Frau Staatsanwältin Stern drängt. «

»Das ist nichts Neues. Sie wartet auf spektakuläre Fälle, um den Absprung zum BKA schaffen zu können. «

»Wir wären erleichtert, wenn sie weggelobt würde. «

Max blinzelte Hanna verschmitzt an. »Es geht doch nichts über verständnisvolle Kollegen. Aber Spaß beiseite, willst du nur von der Arbeit reden? Hast du denn gar keinen Hunger? Was möchtest du essen? «

Hanna war unschlüssig. »Einen Salat vielleicht, ich halte mich abends zurück. Du weißt, Frauen und ihr Gewicht. «

»Hanna sei kein Spielverderber und mach’ mir die Freude. Was hältst du von dem Bachsaibling auf Risotto? Garantiert leicht und gesund. «

Sie warf ihm einen anerkennenden Blick zu: »Ich freue mich für dich, dass du die Krise überwunden hast und wieder voller Lebensfreude steckst. «

Aus Max Gesicht wich die Wiedersehensfreude.

»Ich fühle nicht immer so gut wie im Augenblick. Es liegt daran, dass du dich an mich erinnert hast. Ich hatte oft das Gefühl, dass nicht nur meine Arbeit, sondern auch ich, in Vergessenheit geraten sind. «

»Max, du kennst doch den Betrieb. Wir kommen selten dazu, über uns selbst nachzudenken. Ständig gibt es Veränderungen und neue Vorschriften. «

»Verstehe ich schon. Ging mir früher genauso. Wer aber raus ist, beginnt, nachzudenken. All die Kumpel, die mit mir zusammen gearbeitet haben, keiner hat sich bei mir gemeldet. «

Hanna fühlte sich unbehaglich. »Viele davon sind versetzt worden, arbeiten jetzt ganz wo anders. Der Laden hat sich verändert. «

Sie hatte die Hand auf seinen Arm gelegt und sich zu ihm gebeugt. Max ergriff, ohne nachzudenken, ihre Finger und hielt sie fest. Er sah sie dabei unmissverständlich an. Hanna senkte zuerst die Augen, entzog ihm die Hand und begann in der Speisekarte zu lesen. »Was trinken wir? «

»Zur Feier des Tages ein Apfel-Secco als Aperitif? « Als Max ihren ängstlichen Blick sah, schüttelt er ungläubig seinen Kopf.

»Hanna, ich habe aus Verzweiflung über den Tod meiner Frau getrunken, und nicht, weil ich Alkoholiker bin. Es war unfassbar für mich, dass sie von einem auf den anderen Tag aus meinem Leben verschwand. Wir haben uns geliebt. «

Hanna fühlte sich peinlich berührt. »Es tut mir leid Max, ich wollte dich nicht verletzen. Selbstverständlich trinken wir einen Aperitif. «

Durch diese Unachtsamkeit war ein Wermutstropfen in ihre Wiedersehensfreude gefallen. Hanna wollte auf keinen Fall den schönen Abend verderben und schimpfte sich im Stillen eine Idiotin.

Max gab dem Kellner ein Zeichen. »Bringen Sie uns bitte zwei Apfel-Secco, eine Flasche Wasser und den Saibling. Zum Essen für dich vielleicht einen Muscadet? «, er sah sie fragend an.

»Ja, sehr gut«, sie nickte zustimmend. Irgendwie war das Gespräch in eine Sackgasse geraten. Hanna wusste nicht so recht, wie sie zu der anfänglichen Unbeschwertheit zurückfinden konnte. Sie wechselten verlegene Blicke. Nach einer Weile begann Hanna, von ihrer Arbeit zu reden.

»Wir kommen in dem Fall nicht weiter. «

»Vielleicht handelt es sich um einen Einzeltäter, der dafür gesorgt hat, dass ihn niemand beobachten konnte. «

»Davon gehen wir auch aus. Der Tatort ist kaum einsehbar und liegt nachts fast völlig im Dunklen. Vor allem hat der Täter die Zeitspanne ausgenutzt, in der keine S-Bahnen fahren. Es verkehren zwar Züge auf der Strecke, aber die halten nicht an diesem Bahnhof. Das bedeutet, der Täter hatte ein Zeitfenster von 4 Stunden. «

»Gibt es eine Videoüberwachung am Bahnhof? «

»Nein. Die Bahn hat nur einen Lautsprecher montiert. «

Max schüttelte ungläubig den Kopf. »In Außenbereichen wären Videoüberwachungen gerade für Frauen hilfreich. Der Bahnhof am Berg liegt abseits des Wohngebietes. «

Der Ober war an den Tisch getreten und unterbrach ihr Gespräch. Er stellte die Getränke auf den Tisch. Max ergriff sein Wasserglas. »Auf dein Wohl Hanna. Ich bin sicher, ihr werdet etwas finden. Jeder Täter macht einen Fehler. «

Hanna prostete ihm zu und entspannte sich langsam. Sie redete von ihrer Arbeit und Max war ein verständnisvoller Zuhörer. Nach einer Weile kam das Essen. Sie waren beide von der Zubereitung des Fischs überrascht.

»Hm, schmeckt sehr gut. Ich hätte nicht gedacht, dass die hier so gut kochen können. « Max wischte sich mit der Serviette über den Mund.

»Der Fisch ist ganz wunderbar zubereitet. Vielen Dank für die Einladung. «

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange es zurückliegt, dass ich in so netter Gesellschaft zu Abend gegessen habe. « Max sah sie lange an.

Irgendwie fühlte sich Hana irritiert. Sie konnte im Moment keinen klaren Gedanken fassen. In ihr regten sich Gefühle, die sie schon längere Zeit erfolgreich verdrängt hatte. Was war nur los mit ihr?

Max bemerkte ihre Irritation. Er kehrte zu dem Fall und der Arbeit zurück. »Was willst du morgen als Erstes tun? Nach Fetischisten Ausschau halten? «

Hanna fiel es nicht leicht, sich wieder auf den eigentlichen Anlass ihres Treffens zu konzentrieren. »Nein, wir müssen noch weitere Vernehmungen durchführen. Die beste Freundin von Frau Walter muss befragt werden. Ich hoffe, ihr fällt dann mehr ein, als bei unserem ersten Telefongespräch. Wir brauchen neue Anhaltspunkte. «

»So simpel, wie es sich auch anhört, aber die Kleinarbeit ist wichtig. Täter geraten oft unter Zeitdruck und reagieren dann hektisch. Das ist unsere Chance. Mit der nötigen Hartnäckigkeit lässt sich manches aufklären. «

»Jetzt redest du schon wie Robert. «

»Jäger ist ein erfahrener Ermittler, auch wenn er oft zu ernst ist. Ihm fehlt eine gewisse unkonventionelle Denkweise. Er trägt halt die Verantwortung für eine Familie. «

»Also die mühselige Arbeit, die kein Tatort-Krimi zeigt. «

Max lehnte sich vergnügt zurück. »Die Mühsal kennen die Zuschauer aus ihrem Alltag zu genüge. Ohne Helden und deren spontane Einfälle geht gar nichts. Sonntags muss ein einsamer Wolf, genannt Kommissar, durchs Kabelfernsehen streifen und dem Zuschauer das Märchen von der wahren Gerechtigkeit erzählen. «

Hanna konterte vergnügt. »Es gibt aber auch einsame Wölfinnen. «

»Das weiß ich doch, aber das Martialische kommt beim Zuschauer besser an. Die Fernsehmacher verstehen etwas von ihrem Handwerk. «

Hanna gluckste vor Vergnügen. »Hin und wieder schau ich auch, um abschalten zu können. Oje, ich spüre den Wein und muss mir ein Taxi bestellen. « Sie richtete sich auf und warf ihre rote Mähne über die Schulter nach hinten. Dabei funkelte sie Max aus ihren grünen Augen verführerisch an.

»Kein Problem Frau Kommissarin, ich werde dich nach Hause chauffieren. «

Adler gab dem Kellner mit der Hand ein Zeichen, die Rechnung zu bringen. In der Zwischenzeit stand Hanna auf und ging zur Toilette. Als sie mit langsamen Schritten an den Tisch zurückkehrte, hatte sich Max bereits erhoben und half ihr in die Jacke. Sie verließen Seite an Seite das Restaurant. Auf dem Weg zum Auto wagte sie es, ihre Hand unter seinen Arm zu schieben.

Er blieb am Wagen stehen und blickte in ihr vom Wein gerötetes Gesicht. Hanna schwieg, erwiderte nur seinen Blick und spürte ein leichtes Zittern in ihren Beinen. Max musste es bemerkt haben, denn er zog sie an sich und berührte mit seinen Lippen zart ihren Mund. Sie wehrte sich nicht, im Gegenteil, sie erwidert seinen Kuss. Seiner männlichen Aura wären in diesem Augenblick auch andere Kommissarinnen erlegen. So heiter und gelassen wie heute, hatte sie Max noch nie erlebt. Als Hanna ins Auto stieg, stand ihre Entscheidung fest.

Rauch und Asche

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