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Kapitel 1

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Ein lauter Knall schreckte Charlotte aus ihren Gedanken. Sie fuhr am ganzen Körper zusammen und drehte sich schnell nach allen Seiten, um zu sehen, wo es herkam. Zufrieden stellte sie fest, dass es nur Jugendliche mit einem getunten Auto waren, die Spaß an einer Fehlzündung hatten. Ihre Schritte wurden jetzt schneller. Es sollte wie ein leichtes Jogging aussehen, obwohl ihr gar nicht danach zumute war. In der Luft lag immer noch die Hitze des Tages. Eigentlich war ihr jede Bewegung zu viel. Sie hoffte, nicht angesprochen zu werden, um sich vielleicht noch rechtfertigen zu müssen, wo sie hingehen wollte. Sie konnte ja keinem erzählen, was sie vorhatte. Als Chefin der Verbraucherzentrale in Heiligenstadt war sie bekannt wie ein bunter Hund, pflegte auch ihr Mann von ihr zu sagen. Ihr war das nicht immer recht. Egal wo sie war, sie wurde angesprochen. Doch jetzt konnte sie nicht ausweichen. Eine Dame mit einem kleinen Präsent sprach sie an:

„Ach, guten Abend Frau Hehl. Sie machen ja Sport. Oh, wie gesund! Sie müssen wissen, ich

vertrage das nicht mehr mit meinen Knien. Aber Sie sind ja noch richtig fit.“

Charlotte trat auf der Stelle weiter. Sie wollte die Frau wieder los werden. Und hoffte, dass nicht die Gartenstraße auch ihr Ziel war. Verlegen stammelte Charlotte:

„Das sieht nur so aus. Ein bisschen will ich nur laufen. Den ganzen Tag im Büro gesessen...“

„Ich sehe, sie dürfen nicht unterbrechen. Ich will auch gar nicht stören. Ich habe es auch eilig. Die Gartenparty hinten neben dem Schwimmbad hat schon angefangen.“

Charlotte war erleichtert, sie los zu werden, denn sie wollte nach rechts abbiegen. Nachdem die Dame aus ihrem Blickfeld war, hörte sie sofort mit Laufen auf. Zum Glück hatte sie ihre leichte Freizeitkleidung angezogen. So sah das alles glaubwürdiger aus. Von der Oberlippe und dem Kinn wischte sie sich ein paar Tropfen Schweiß ab. Nur nicht schwächeln, dachte sie und atmete tief aus und wieder ein, wie sie es bei den Joggern gesehen hatte. Noch ein paar Schritte und sie stand vor dem Grundstück von Zahnarzt Dr. Kauk. Die Häuser in dieser Straße hatten fast alle denselben Baustil. Das Haus von Dr. Kauk war von einem halbhohen Zaun umgeben. Die Straße wirkte wie leergefegt. Sie saßen bestimmt in ihren Gärten hinter den Häusern. Von irgendwoher hörte man leise Musik. Bratwurstduft glaubte Charlotte zu riechen. Plötzlich überkam sie eine Wehmut nach Gesellschaft. Warum muss ich denn immer die Woche alleine verbringen, ging ihr durch den Kopf. Je mehr sie daran dachte, umso stärker wurde ihr Vorhaben.

Sie ging einen kleinen Pfad bergauf. Dort war sie auch von Bäumen und Sträuchern geschützt. Die Blätter konnten sie jetzt besser schützen, als im Winter. Da hatte sie schon einmal hier gestanden. Damals hatte sie das Gefühl, dass sie von Dr. Kauk erkannt wurde. Sie konnte es trotzdem nicht lassen. Eine unsichtbare Hand führte sie ab und zu hier hin. Von hier aus konnte sie genau zu seinem Garten und auf die Terrasse schauen. Alles was dort geschah, erkannte sie gut. Lars Kauk saß auf einer Bank und beobachtete wie ein Pascha seine Frau, wie sie vor ihm den Tisch deckte. Charlotte war überzeugt, dass er sich bei ihr anders verhalten würde. Sie würden gemeinsam den Tisch decken und sich zwischen durch auch mal einen Kuss geben. Man sah dann, dass die beiden schweigend ihr selbst gemachtes Brot und Obst aßen. Na ja, dachte Charlotte wieder, die ist fast den ganzen Tag zu Hause, da könnte sie ihm doch was Schönes kochen. Nach dem Essen ging Lars ins Haus und kam mit zwei Gläsern und einer Karaffe mit Wein zurück. Seine Frau setzte sich dann zu ihm auf die Bank, für Charlottes Meinung, viel zu dicht. Er schenkte ihr ein und streichelte dabei ihren Arm. Für Charlotte hatte das den gleichen Effekt, wie der laute Knall vorhin. Sie zuckte wieder zusammen. Diesmal spürte sie noch einen Stich in ihrem Herzen. Diesen Morgen war er erst bei ihr gewesen. Er hatte mit Komplimenten nicht gespart, sie heftig umarmt und wollte sie nicht mehr loslassen. Bis Charlotte auch nicht auf ihn verzichten wollte und sich ihm hingab. Seine Küsse brannten noch auf ihren Lippen. Dann dieser Anblick, wie gemütlich er mit seiner Frau den Abend verbrachte. Ihre Stimmung wurde immer trauriger, warum tue ich mir das an? Plötzlich rutschte sie ein Stück am Hang tiefer. An den Zweigen konnte sie sich im letzten Moment festhalten. Es war für sie, wie ein Erwecken in die Wirklichkeit. Ganz langsam ging sie dann nach Hause. Sie wusste aber genau, wenn er wieder bei ihr im Büro stand, konnte und wollte sie ihm nicht wiederstehen.

Ihr letzter Herbst

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