Читать книгу Dynamit unter dem Huf - Glenn Stirling - Страница 7
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ОглавлениеAls die Sonne über den zerklüfteten Felsen auftaucht, hüllt sie das wilde Land am Fluss in einen roten Schein. Der Tau auf dem Gras, das Wasser im Fluss, auch die Rücken der etwa hundert Pferde schimmern und glänzen rot wie Feuer.
Nur auf dem Rücken der braunen Stute gibt es keinen Glanz. Stumpf und zottig wirkt das Fell. Die Stute steht abseits der Herde, die Beine breit, den Kopf herabhängend wie erschöpft. Und über ihre Flanken geht ein Zittern. Sie zuckt nur kaum merklich, als der prächtige Rapphengst, das Leittier, seinen morgendlichen Trompetenstoß schmettert. Und sie blickt kaum hin, als die anderen Pferde, die Stuten, die Junghengste und Fohlen, vom Fluss weg auf den langen grünen Hang zustreben.
Voran der Hengst, dieser herrliche schwarze Bursche mit dem muskulösen Hals, der ausgeprägten Hinterhand und dem männlichen Kopf, der durch seine leichte Ramsnase noch ausgeprägter wirkt.
Die Stute scharrt mit dem Vorderhuf, dann legt sie sich schwerfällig und betulich ins weiche, taufeuchte Gras. Ihre Augen glänzen, die Gamaschen vibrieren wie unter einem Erschauern. Als sie liegt, streckt sie alle viere von sich, stöhnt, wirft den Kopf zur Seite und kämpft gegen die Schwäche an. Ihr Körper bäumt sich auf, dieser breite volle Leib. Die Vorderhufe scharren das Gras auf, und der Schweif peitscht den Boden. Doch es ist kein Todeskampf. Im Gegenteil, es ist ein so natürlicher Vorgang, denn die Stute wird in wenigen Minuten Mutter sein.
Längst ist die Herde weg, nur oben auf den Felsen sitzen kleine Singvögel, zwitschern und flattern herum. Und der Schatten der Felsen wird immer kürzer. Unweit der Stute rauscht der Fluss, beruhigend in der Eintönigkeit seines Plätscherns. Ein paar Wolken segeln über das weite Tal, und dann gleitet das Neugeborene, noch umhüllt vom schützenden Fruchtsack. ins weiche Gras. Wie tot liegt es für Sekunden, dann bewegt sich einer dieser noch kaum erkennbaren Hufe, und die Stute springt auf. Nicht mehr schwerfällig, nicht mehr wie unter einer Last. Leichtfüßig und fast eilfertig kommt sie hoch, dreht sich und stupst mit der Nase den Fruchtsack an. Er zerplatzt, reißt auf. Die Stute leckt, bringt mit ihrer rauen Zunge den Kreislauf des Fohlens in Bewegung. Schon geht der kleine Kopf hin und her, schon paddelt ein Vorderhuf linkisch und unbeholfen, und die Mutter leckt liebevoll den Schleim vom Fell des zottigen Neugeborenen. Und je länger sie es tut, desto lebhafter wird der kleine Wicht. Er hebt den Kopf. Ja, er, denn es ist ein kleiner Hengst. Grau, lehmig-grau und recht hässlich sieht er aus mit seinen viel zu langen Beinen, dem kurzen dünnen Hals und diesem ausgefransten Stubenbesen, der einmal ein Schwanz werden soll. Aber die Augen glänzen, die Nüstern beben schon. Das Fell beginnt eine graue Farbe anzunehmen, je länger die Mutter es abreibt. Und dann wird der kleine Bursche mit einem Male kess. Er hebt den Kopf hoch, versucht die Vorderbeine aufzustellen, doch die Beine sind noch schwach wie gekochte Nudeln.
Die Energie des winzigen Burschen ist verblüffend. Wieder und wieder macht er einen Versuch, und jedes Mal wird die Kraft größer, schließlich aber purzelt er auf die Seite, und seine Mutter stupst ihm liebevoll die Nase in die Flanke.
Über die Stute kommt erneute Unruhe. Ihr Trieb, der Herde zu folgen, wird größer. Dass sie die anderen Tiere nicht mehr sieht, macht es nicht besser. Aber es werden Stunden vergehen, ehe sie daran denken kann, bestimmt bis zum Abend wird sie brauchen, bis der kleine Bursche ihr langsam folgen kann.
Das Schicksal will es anders. Die Stute spürt die große Gefahr, die auf sie und ihren Kleinen zukommt. Sie spürt es, will ihr entrinnen, aber sie ist gefangen vom Ablauf der natürlichen Entwicklung. Der Kleine braucht seine Zeit.
Er versucht pausenlos aufzustehen; immer wieder purzelt er auf die Seite, dann und wann liegt er erschöpft da und hechelt wie ein Hund. Schließlich aber hat er die Vorderbeine stramm und steif, bekommt den Vorderkörper hoch und stemmt und schiebt mit der Hinterhand. Er schafft es. Er steht plötzlich, schwankend wie ein Halm im Wind. Und bums, da liegt er wieder, überrascht und verständnislos dreinblickend, in seinen Augen spiegelt sich der helle Himmel.
Die Stute beginnt zu grasen, als hätte sie jedes Interesse am Kleinen verloren. Aber sie lässt ihn nicht aus den Augen. Nie dreht sie die Hinterhand dem Füllen zu.
Als sie zum Fluss geht, um zu saufen, kommt der Kleine wieder auf die Beine. Und diesmal bleibt er stehen, schwankend, balancierend. Steil hat er die Ohren hochgestellt, der ganze Körper ist wie ein einziger strammer Muskel.
Er versucht, das linke Vorderbein zu heben, jedoch scheint der kleine Huf wie angeleimt. Endlich aber gelingt auch das. Er hebt das Bein, schwankt, trippelt schlaksig auf der Stelle, fällt auf die Hinterhand, kommt aber sogleich wieder hoch und stelzt dann unsicher auf seine Mutter zu.
Ein Stein von Kindskopfgröße liegt im Weg. Das Fohlen ist noch nicht in der Lage, die Richtung zu ändern. Unweigerlich stolpert es über den Stein, purzelt aufgeregt strampelnd, springt aber
schneller als erwartet wieder auf die Beine.
Die Stute schnaubt unruhig und besorgt, wendet sich und trabt dem Fohlen entgegen. Als sie bei ihm ist, beginnt sie es wieder abzulecken, doch der kleine Wicht hat dafür nicht das geringste Interesse. Er tastet sich mit den Nüstern am Bauch der Mutter entlang, stupst von unten dagegen, doch er ist viel zu weit vom Euter. Und die Mutter blickt sich nach ihm um, voller Geduld, obgleich sie spürt, dass die Herde mittlerweile schon weit sein muss. Und mit ihr der Schutz des Leittieres.
Es dauert fast eine Minute, ehe der Kleine das Euter findet. Dann aber packen seine Lippen die Zitze, und wieder stößt er wild mit dem Kopf nach oben, um die Milchbildung zu beschleunigen. Ein wenig ungeschickt zieht er die Nahrung in sich hinein. Immer besser geht es, immer gieriger saugt er.
Dann aber stößt ihn die Mutter mit der Nase weg, drückt ihn mit dem nach vorn erhobenen linken Hinterbein zur Seite und legt sich.
Er aber meint, noch mehr trinken zu müssen und hopst wütend und unwillig herum, stupst und sucht auf ihrem Rücken nach der köstlichen Quelle, doch die Stute reagiert nicht. Jetzt zeigt sich ihre Erschöpfung. Erst jetzt hat sie Ruhe.
Auch dem Kleinen macht der gefüllte Säuglingsmagen zu schaffen. Er kuschelt sich neben die Mutter und schläft. Die Stute aber hält die Augen offen.
Dennoch sieht sie die Gefahr erst viel zu spät.