Читать книгу Duffy – Superstar: Western - Glenn Stirling - Страница 6
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ОглавлениеHarpertown war eine schöne Stadt … gewesen. Als Duffy nach einem scharfen Ritt auf seinem knochigen Braunen in Harpertown eintraf, glich die Stadt einem Trümmerfeld. Eigentlich gab es nur ein einziges Gebäude, das unversehrt schien, und das war das Office von Sheriff Moreno und das dahinterliegende stabil gebaute Gefängnis.
Die vierzig Häuser, die längs der Straße standen, sahen erheblich mitgenommen aus. Manche waren sicherlich nicht mehr bewohnbar. Aber überall wurde gewerkelt, schlugen die Leute Bretter in die Löcher, die da merkwürdigerweise in den Wänden klafften. Neue Fenster wurden eingesetzt, und da und dort musste auch ein Dach repariert werden.
Allmählich begann Duffy zu ahnen, warum ihm Sheriff Moreno den Kurierreiter geschickt hatte. Das alles hier sah verdammt nach Gommy aus.
Sheriff Moreno saß in seinem Schaukelstuhl vor dem Office, hatte eine lange Havanna im Mund, der Hut war von ihm in die Stirn geschoben, und so schaukelte er im Schatten des Vordaches, während seine Augen finster über die Straße blickten.
Als Duffy von seinem braunen Wallach herunterstieg, begann sich die düstere Miene des Sheriffs ein wenig zu entspannen.
Duffy lockerte den Sattelgurt, warf einen prüfenden Blick auf seinen alten Freund Moreno, der ein kräftiger, muskulöser Bursche war und dem man seine mexikanische Herkunft deutlich ansah. Aber er galt hier unten im heißen Süden als einer der härtesten Sheriffs überhaupt.
„Augenblick, Sergio, ich muss erst Mr. President versorgen.“
„Nennst du diesen verdammten Kleiderständer etwa Mr. President? Das ist ja schon eine Beleidigung unseres Präsidenten.“
„Er ist ein Pferdepräsident“, erklärte Duffy gelassen und nahm jetzt den Sattel völlig herunter, führte seinen knochigen und weiß Gott nicht hübschen Wallach zur Tränke und ließ ihn saufen.
Einen richtigen Schweif besaß Mr. President nicht, im Gegenteil sah sein Schwanz wie ein abgekehrter uralter Besen aus. Zwischen den Ohren besaß Mr. President eine kahle Stelle. Die rührte von einem Kugelwechsel mit Indianern her, ein Streifschuss hatte ihm da einen schönen Scheitel gezogen. Da kam an Haaren nichts mehr nach. Glotzaugen und eine Rammsnase besaß er ebenfalls, und seine Hinterhand ähnelte verteufelt der einer Kuh. Vorn hatte er so etwas wie O-Beine, und trotzdem war Duffy der Meinung, Mr. President sei ungefähr das beste Pferd der Welt. Und tatsächlich zeigte sich nach dem harten Ritt von Lilac City bis hier herüber kein einziger feuchter Fleck am Bauch des Wallachs.
Das musste eigentlich auch Sheriff Moreno feststellen, der für solche Dinge ein Auge besaß. Aber er schwieg. Er wartete ab, bis Duffy endlich mit seinem Pferd fertig war und es in den Corral neben dem Office gelassen hatte.
Als Duffy dann vor Moreno trat und einen kurzen Blick in die Runde warf, fragte er nur: „Gommy?“
Moreno nickte.
„Und Tornado-Tuck, wo ist der?“ Der Sheriff deutete mit dem Daumen über die Schulter nach hinten. In dieser Richtung befand sich das Gefängnis.
„Donnerwetter! Und wo steckt Gommy jetzt?“, erkundigte sich Duffy
Sheriff Moreno sah den langen, dürren Duffy an wie ein Fabelwesen. „Warum fragst du mich nicht einfach irgend etwas Leichteres?“
„Das heißt also, er ist abgehauen.“
„Langsam, langsam“, beschwichtigte ihn Moreno. „Meine Männer sind ihm auf der Spur. Irgendwann wird er sich mal schlafen legen.“
„Wollen die ihn einfach abknallen?“, wollte Duffy wissen.
Moreno schüttelte den Kopf. „Wir sind Tierliebhaber. Einen wild gewordenen Elefanten einfach abzuschießen ist ja nicht fair, verstehst du? Wir haben eine andere Masche, warte nur, wir werden ihn dir bringen. Aber vorher möchte ich dir etwas zeigen.“ Moreno stemmte sich aus seinem Schaukelstuhl hoch, ließ seine Zigarre vom linken Mundwinkel in den rechten wandern und schaute Duffy grimmig an. „Du kannst dir denken, was.“
Duffy dachte, dass ihm Moreno Tornado-Tuck zeigen wollte. Vielleicht sah der aus, als wäre eine Herde Büffel über ihn hinweggetrampelt. Aber das war es nicht. Moreno deutete auf die Häuser. „Ich werde sie dir alle zeigen, und zwar der Reihe nach, wie es passiert ist. Fangen wir mit dem Saloon an, er ist gleich da drüben. Und wie du erkennen kannst, wird er gerade abgerissen. Der Wiederaufbau lohnt nicht.“
„Verdammt, willst du nicht endlich sagen, wie es angefangen hat?“
„Immer mit der Ruhe“, wurde Duffy von Moreno beschwichtigt. „Im Übrigen hast du hoffentlich genug Geld mitgebracht, wenn du sie haben willst. Die Kaution wird höher sein als jemals zuvor. Wir haben einen neuen Richter in der Stadt, den wirst du noch kennenlernen.“
„Einen neuen Richter? Ist Richter Mills nicht mehr da?“, fragte Duffy besorgt. Mit Mills hatte er immer noch reden können, aber wer weiß, wie dieser Neue sein würde.
„Er heißt Curley“, erklärte ihm Moreno, während sie über die Straße auf den ehemaligen Saloon zugingen. Davon standen nicht einmal mehr die Grundmauern. Was aus Holz gewesen war, lag zersplittert um dieses Fundament herum. Für den nächsten Winter brauchte sich hier niemand um Heizmaterial zu sorgen, denn mehr war im Großen und Ganzen von dem Saloon nicht übriggeblieben. Vier Männer beschäftigten sich in unermüdlichem Fleiß damit, diese Trümmer abzuräumen.
Ein großer Dicker war der Saloonbesitzer. Er war ein aufgeschwemmter Bursche mit einer Glatze, die er jetzt gerade zeigte, als er sich den Schweiß davon wischte, bevor er den Hut wieder aufstülpte.
Moreno flüsterte Duffy ins Ohr: „Ich werde ihnen nicht sagen, dass Gommy und Tornado-Tuck deine Freunde sind. Sie würden dich aufspießen. Was glaubst du, was hier für eine Stimmung herrscht? Aber ich erzähle es dir so wie einem Fremden. Übrigens hatte ich vor dir noch mit einem Burschen von der Zeitung gerechnet. Ich habe ihm extra einen Kurier geschickt, dass er kommen soll. So eine Sache wie die hier muss ja schließlich in irgend etwas festgehalten werden. Ich habe da an eine Zeitung gedacht, was meinst du?“
„Gute Idee. Was zahlt er uns dafür? Ich meine, Gommy und Tornado-Tuck, die müssen doch etwas dafür bekommen, wenn man ihre Story abdruckt.“
„Ich weiß nicht, ich hatte eigentlich daran gedacht, dass ich etwas bekomme“, meinte Moreno. „Aber gut“, er blickte wieder auf den Trümmerhaufen, „hier waren sie also drin. Vierzehn Männer tranken friedlich ihren Whisky oder machten ihr Kartenspiel, als dieses tollwütige Nashorn und der verrückt gewordene Elefantenbulle in den Saloon kamen. Am Anfang war es ja noch ganz ruhig. Gommy stellte sich an die Tränke, und du weißt ja, wie er ist. Nach dem fünfzehnten Glas Bier tat er einen Rülpser und begann sich zu langweilen. Aber um diese Zeit hatte Tornado-Tuck an dem Spieltisch, an den er sich gesetzt hatte, schon alles Bargeld verloren, sein Pferd verspielt, das er im Mietstall untergebracht hatte, und war gerade dabei, seinen Revolver einzusetzen. In diesem Augenblick kam also Gommy vorbei, der mal draußen ein menschliches Bedürfnis verrichten musste. Und so im Vorbeigehen sieht er doch, dass einer von den Männern angeblich falsch spielt. Er hat es jedenfalls behauptet, niemand kann sagen, ob es stimmt, denn danach etwas nachzuprüfen, war unmöglich. Er schreit also, dass da einer falsch spielt.“
„Dann wird es wohl so gewesen sein“, meinte Duffy.
Moreno zuckte die Schultern. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber du kannst dir ja vorstellen, was dann passiert ist. Es gibt die widersprüchlichsten Aussagen. Tatsache ist, dass es dann zu einer Keilerei kam. Wie gesagt, die zwei gegen mehr als ein Dutzend. Aber wie Gommy gebaut ist, hat er nicht sehr lange gebraucht, und Tornado-Tuck scheint auch kräftig zugelangt zu haben. Danach kam die halbe Stadt angelaufen.“
„Und wo warst du?“, fragte Duffy.
„Zu diesem Zeitpunkt noch etwa drei Meilen von der Stadt entfernt. Ich kenne die ganze Geschichte deshalb nur vom Hörensagen. Pass auf, wie es weitergeht.“
„Ich kann es mir denken“, meinte Duffy.
„Die Keilerei ging also durch die ganze Stadt. Als zwei Dutzend Verletzte am Boden lagen, waren deine Freunde dabei, auch noch die Nachbarhäuser zu Kleinholz zu verarbeiten. Es begann aber damit, dass sie vor der aufgebrachten Menge in so ein Haus flüchteten, und dass dann welche von uns eindrangen, und so nahm die Geschichte ihren Verlauf. Das ging also bis zum Mietstall, und dann wollten die los. Sie hatten ihre Pferde und waren drauf und dran, die Fliege zu machen. Da bin ich gekommen.“
„Hast du auch ein paar abgekriegt?“, fragte Duffy grinsend.
Der Sheriff lüftete seinen Hut, und Duffy konnte eine stolze Beule erkennen, die da gewachsen war wie ein Zuckerhut.
„Prächtig! Und wie sieht Gommy aus?“
„Es ist nicht Gommy gewesen, es war Tornado-Tuck mit einem Zaunpfosten. Aber danach habe ich ihn mit einem soliden Stück Brennholz von den Füßen gefegt und auf meine Weise gefasst.“
„Auf deine Weise, was heißt das?“
„Wir waren schließlich zu sechst, und dann kamen noch vier von uns mit einem Schrank, aus dem sie die Türen gerissen hatten. Den Schrank haben wir dann ganz einfach von hinten über Tornado-Tuck gestülpt und uns dann mit zehn Mann daraufgesetzt. Er konnte nicht heraus. Hinten in der Rückwand des Schrankes, die ja zuoberst lag, war ein Astloch. Ich habe eine Handvoll Pfeffer in dieses Astloch geworfen, und das hat ihm den Rest gegeben. Wie einen wild gewordenen Stier haben wir ihn dann an drei Lassos gefesselt ins Gefängnis gebracht.“
„Und Gommy?“
„Er hat noch ein paar Häuser abgerissen, dann ist es ihm gelungen, einen Gaul zu erwischen, und mit dem ist er auf und davon.“
„Jetzt wollt ihr ihm auch noch Pferdediebstahl anhängen, was? Aber ihr habt doch sein Pferd.“
„Der Richter fällt das Urteil, nicht ich. Und er bestimmt auch die Höhe der Kaution. Du musst ganz einfach Richter Curley einmal erleben. Also, wie gesagt, meine Männer sind hinter Gommy her.“ Er zog seine dicke Taschenuhr aus der Weste, ließ den Deckel aufspringen und blickte aufs Zifferblatt. „Wenn mich nicht alles täuscht, werden sie in etwa zwei Stunden da sein. Du kannst in Ruhe irgendwo etwas essen … Wenn du etwas bekommst. Im anderen Fall könntest du bei mir ein paar Happen zu dir nehmen.“
„Ist das Restaurant auch abgerissen?“
„Nicht ganz so schlimm wie der Saloon, aber unglücklicherweise ist Gommy dort in die Küche geraten. Er hat den großen Herd umgeworfen und das gesamte Porzellangeschirr zerschlagen. Es hat einen höllischen Lärm gegeben, denn zu diesem Zeitpunkt bin ich gerade in die Stadt gekommen. Na ja, vorläufig haben die keine Gefäße, um ihr Essen irgendwem zu servieren. Jetzt verstehst du ungefähr, wie die Kaution ausfallen wird.“
„Und wo wohnt dieser Richter?“ Duffy sah sich suchend nach allen Seiten um.
„Das letzte Haus dort hinten. Es ist so gut wie nicht beschädigt. Durch eine der Scheiben ist geschossen worden, aber von unseren eigenen Leuten. Und die Frauen des Richters haben natürlich eine fürchterliche Angst gehabt.“
„Hast du Frauen gesagt?“, fragte Duffy verblüfft.
„Er hat zwei“, erklärte ihm Moreno. „Mit keiner ist er verheiratet, und er liebt sie beide. Seine Frauen finden das gut, sie lieben sich zu dritt. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen, solche menschlichen Regungen besitzt Richter Curley nur bei sich selber. Aber die Leute hier finden, dass er ein guter Richter ist. Wir sind alle unheimlich zufrieden mit ihm. So, Duffy, ich glaube, du müsstest schon eine wirklich gute Goldgrube gefunden haben, wenn du das hier alles bezahlen willst, was deine Freunde angerichtet haben.“
Duffy machte sich da auch ziemliche Gedanken. Eine Lösung des Problems hatte er bis jetzt noch nicht gefunden.
Moreno gab ihm dazu einen Tipp. Grinsend sagte er: „Weißt du was? Wir beide sind alte Freunde. Du hast mir mal aus der Patsche geholfen. Wenn du mir jetzt erklärst, dass du nie einen Menschen gekannt hast, der Gommy heißt und auch mit keinem befreundet bist mit Namen Tornado-Tuck, dann würde ich dir auf der Stelle glauben und dir empfehlen, weiterzureiten in eine schöne Zukunft. Deine beiden Freunde nämlich – wenn du behauptest, dass sie noch deine Freunde sind – können dich unheimlich teuer zu stehen kommen. Es sei denn, du befolgst meinen Rat. Aber dann musst du sehen, dass du innerhalb der nächsten halben Stunde verschwindest. Wenn sie Gommy bringen und der dich sieht und dir womöglich etwas zuruft, dass die anderen glauben, er sei dein Freund, ist es um dich geschehen. Dann musst du entweder zahlen, bis du schwarz wirst, oder ich muss noch dein Leben schützen.“
Duffy war nicht ganz so pessimistisch wie Moreno. Aber Sergio Moreno war nun einmal sein alter Freund, und er wollte ihm, nach alldem, was der hinter sich hatte, nicht noch mehr Ungemach bereiten.
„Ich setze mich zu dir ins Office, esse ein paar Happen, und dann sehen wir weiter. Übrigens bin ich überzeugt, dass er die Kaution so hoch nicht veranschlagt.“
„Und wieso nicht?“, fragte Moreno. „Du hast doch kein schlechtes Gedächtnis. Dir ist doch ungefähr bekannt, wie das mit Gommy ist, wenn ihr ihn einsperrt. Oder wollt ihr ihn verhungern lassen?“
Der Sheriff schob sich den Hut auf die Seite und kratzte sich am Kopf. „O Hölle, daran habe ich nicht gedacht. Aber lass nur, wir füttern den schon durch. Am liebsten wäre mir natürlich, du bezahlst die Kaution, dann ist er weg, bis eine Verhandlung anberaumt wird. Aber der neue Richter hat komische Manieren, könnte sein, dass er gar keine Kaution verlangt, sondern die Verhandlung sofort ansetzt. Wenn ich ihm sage, dass Gommy so viel frisst wie sieben ausgewachsene Männer, könnte er sich dazu bereit erklären, was meinst du jetzt?“
„Und was denkst du, was dabei herauskommt?“
Moreno lachte. „Da müsstest du einmal eine Sitzung von Richter Curley erlebt haben. Und solange du den nicht kennst, will ich dir den Spaß nicht nehmen. Bleib ganz einfach da, und du wirst aus dem Staunen nicht herauskommen.“