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Frank Ashford steuert seinen Wagen von der Straße hinunter auf den Seitenweg, der sich wie eine braune Schlange in die Berge hineinwindet.

Frank ist guter Laune. Zum Brummen des Motors pfeift er ein lustiges Lied. Er hat Grund dazu, sich zu freuen. Vor zehn Jahren kehrte er dieser Landschaft den Rücken. Damals war er noch ein kleiner Müllergeselle gewesen. Dann kam er in die Großstadt und verdiente viel mehr als hier in der Einöde. Später verlor er seine Arbeit und musste harte Monate hinter sich bringen, bis er durch Zufall bei einem Unterhaltungsabend, den das Komitee der Wohlfahrt für die Arbeitslosen veranstaltete, ein kleines Bauernliedchen singen durfte. Da nicht nur Arbeitslose, sondern zufällig auch Männer von Schallplattenfirmen anwesend waren, denen seine wohlklingende Stimme auffiel, wurde er gebeten, nach der Aufführung noch einmal in einem Studio zu singen. Er tat es, und siehe da, es glückte. Er wurde in einen Vertrag genommen, und damit endete die Misere.

Binnen eines Jahres gehörte Frank Ashford zu den Sängern. Seine Platten erreichten Rekordauflagen. Längst singt er Schlager und die Lieder, die das Publikum wünscht. Sein voller Bariton hat ihm die Türen und Tore geöffnet. Heute ist er ein schwerreicher Mann. Trotzdem hat er dieses Land nicht vergessen. Obgleich er keine Verwandten mehr hat, gibt es doch einen Menschen, den er unbedingt wiedersehen möchte: Ruth Digger.

Bestimmt ist sie schon längst verheiratet, aber er hat sie einst geliebt. Damals haben sie sich ewige Treue geschworen. Aber durch die lange Trennung wurden die Briefe immer seltener, und schließlich hörte es ganz auf.

Frank biegt um die enge Kurve herum, die hinab zur Digger-Mühle führt. Er muss lächeln, wenn er daran denkt, wie er früher seine Not hatte, mit den beiden alten Schimmeln diesen Buckel hinaufzukommen, wenn der Mehlwagen so schwer beladen war, dass die Räder knackten.

Als er die Mühle im Tal sieht, stoppt er den Wagen ab und blickt sinnend auf die Gebäude hinunter.

Wie vor zehn Jahren liegen die Baumstämme neben dem Sägewerk, die alte Müllerkarre stellt noch an ihrem alten Platz vor dem Lagerhaus, und sogar der alte Mehlwagen steht noch auf dem Hofe. An der weißbestaubten Ladefläche erkennt Frank, dass er noch immer benutzt wird. Oben im Stall klirren die beiden Pferde mit den Ketten.

Die Schimmel werden längst tot sein!, überlegt Frank und lächelt ergriffen darüber, seine ihm einst so vertraute Welt nach all diesen Jahren in der Fremde wiederzusehen.

Die Mühle ist in Betrieb. Das Rattern des Plansichters oben unter dem Dach ist nicht zu überhören.

„Sie haben sich immer noch keine Turbinen angeschafft!“, murmelt Frank und erinnert sich, dass er schon vor zehn Jahren mit seinem Chef gestritten hatte, das alte Mühlrad abzuschaffen, weil es unwirtschaftlich sei. Aber es dreht sich nach wie vor und knarrt in einer ständigen und gleichförmigen Melodie.

Im Kuhstall blökt ein Kalb. Jetzt sieht Frank eine blonde junge Frau mit zwei Eimern aus dem Wohnhaus zum Stall hinübergehen.

„Ruth!“, stößt er gepresst hervor.

Frank kann sie genau erkennen. Sie ist noch hübscher geworden, als er sie in Erinnerung hat. Ihr weißblondes Haar ist streng nach oben gekämmt und in einen straften Knoten gebunden. Noch immer hat sie den leichten Gang. Frank denkt mit Wehmut an die einst so schönen Stunden in der Bachbiegung hinter dem Mühlhaus.

Er startet seinen Wagen und Lässt ihn langsam zur Mühlbrücke hinablaufen. Dann steuert er ihn in den Hof hinein.

Ist ein Auto in dieser Gegend ohnehin etwas Außergewöhnliches, so erregt es hier auf der Mühle das doppelte Aufsehen.

Der Wagen steht noch nicht richtig, da kommen schon von allen Seiten die Bewohner der Mühle aus den Häusern, um zu sehen, wer sich in ihre Bergeinsamkeit verirrt hat.

Frank steigt aus und lächelt etwas befangen. In allen möglichen Farben hat er sich das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Brotgeber vorgestellt. Aber es ist nicht der alte Digger, der in der Tür steht, sondern ein junger, großer, dunkelhaariger Mann mit einem Kind auf dem Arm. Er trägt einen mehlverstaubten Kittel wie sein Nachbar, der sich mit in die Tür zwängt und begierig auf das Auto starrt.

Frank weiß, dass es nur der Müller selbst sein kann, der das Kind trägt. Der Mann daneben mit dem etwas verschlagenen Blick wird der Geselle sein.

Oben in der Stalltür aber steht Ruth. Und sie ist es auch, die Frank sofort erkannt hat. Doch sie steht wie angewurzelt und bewegt sich nicht. Auch die alte Frau am Fenster zeigt mit keiner Miene, dass sie Frank wiedererkannt hat.

Nur einer bricht diesen Bann der Befangenheit. Es ist Mike, der schlaksige Fuhrknecht der Mühle. Mike ist so alt wie Frank, und er kennt ihn noch sehr gut. „Hallo, einen Besen fresse ich, wenn‘s nicht unser alter lieber Frank Ist!“, ruft er vom Pferdestall her. Schon kommt er mit seinen überlangen, schlaksigen Beinen auf Frank zu.

Frank blickt lächelnd in das sommersprossige Gesicht seines alten Kameraden. Sie schütteln sich die Hände.

Mike knurrt, als Frank loslässt. „Hast zwar kein Horn mehr in den Griffeln, aber der alte Druck ist noch der gleiche!“, meint er grinsend.

Frank schlägt Mike auf die Schulter. „Alter braver Mike!“, ist alles, was er herausbringt. Verdammt, ich werde schon sentimental!, denkt er, doch es hilft nichts, dass er es weiß.

Nun kommen sie alle heran. Der Mann mit dem Kind ist Frank fremd. Doch dafür kommt Ruth zu ihm und blickt ihn stumm an. Es bewegt sie zu sehr, als dass sie sprechen könnte.

„Ruth!“, sagt er nur leise.

Der Mann mit dem Kind blickt Frank finster an. Er ist groß und hager. Die Eifersucht ist ihm so deutlich an den Augen abzulesen, dass Frank sich denken kann, dass er Ruths Mann ist. Wahrscheinlich wird das Kind auch ihr eigenes sein.

Schließlich stellt Ruth den alten Freund ihrem Manne vor.

„Sehr erfreut!“, sagt Ruths Mann. Aber in Wirklichkeit scheint er gar nicht sehr viel Freude über diesen Besuch zu empfinden. Das Lächeln in dem hageren Gesicht ist so kalt, dass sich Frank die Gedanken des Mannes genau erklären kann. „Ich heiße Walt Dane!“, stellt er sich vor.

„Oh, dann bist du ja jetzt Mrs. Dane!“, versucht Frank durch einen Scherz die peinliche Situation zu überwinden.

Ruth lächelt wehmütig. Um das Thema zu ändern, nimmt sie ihrem Manne das Kind ab und sagt: „Wie gefällt dir unsere kleine Dennis?“

„Es ist ein hübsches Kind!“, erklärt Frank und streichelt der kleinen Blondgelockten die Bäckchen. „Ein niedliches Kind!“

„Sie kommen besser herein!“, meint Walt Dane und wendet sich dem Hause zu.

Die alte Mrs. Digger, Franks ehemalige Chefin, drückt ihm die Hand und wischt dabei eine Träne aus ihren Augenwinkeln. „Wärst du doch noch hier, Frank!“, sagt sie leise und blickt verstohlen zu ihrem Schwiegersohn hin, ob der auch nichts gehört hat.

Frank spürt an der ganzen gedrückten Atmosphäre, dass irgend etwas hier im Missklang ist. Ruth scheint mit dem hageren Walt keine besonders gute Ehe zu führen. Trotzdem muss er zugeben, dass der Betrieb sauber und sehr in Ordnung ist; der neue Müller ist ein Fachmann.

Als sie durch die Mühle gehen, weist Walt stolz auf die neuen Walzenstühle hin, die er anschaffte. „Haben die Mahlsteine rausgeschmissen!“, erklärt er kurz. „Dauert zu lange damit! Habe jetzt Aufträge von dem Farmerverband!“

Frank blickt wehmütig zu den riesigen Steinen hin, die jetzt ohne Verwendung auf dem Gang stehen. Einst hatte er so manche Tonne Weizen mit ihrer Hilfe zu Mehl gemacht.

Überhaupt ist die gesamte Anlage neu. Immer wieder muss Frank feststellen, dass Walt ein vortrefflicher Müller ist. Das Mehl in den Säcken ist schneeweiß und trotzdem nicht pappig.

„Das Silo ist auch neu!“, erklärt Walt. Dann führt er Frank in die Wohnräume. Hier ist es ruhiger; das Dröhnen der Maschinen wird durch die Mauer abgedämpft.

Es wird ein lustiger Abend, obgleich es anfangs nicht so aussah. Walt unterhält sich zurückhaltend, aber durchaus freundlich mit Frank. Trotzdem kann Frank sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ruths Mann sein Misstrauen und die Eifersucht gegen ihn nicht überwunden hat.

Ruth blickt Frank mit verklärten Augen an, ein Grund mehr für Walt, seine Meinung beizubehalten. Aber er ist nicht unfreundlich und lässt sich auch keine Unhöflichkeit seinem Gast gegenüber zuschulden kommen. Als es später wird, holt er eine Flasche guten Obstwein aus dem Keller und lacht sogar über die Witze seiner Schwiegermutter, obgleich er sie mindestens so oft gehört hat wie Frank, dem sie auch noch in Erinnerung sind.

Als es Mitternacht ist, gehen sie zu Bett. Ruth will ihrem Gast das Fremdenzimmer zeigen, aber Walt drängt sie zurück: „Ich mache das! Nicht wahr, Frank, Sie haben wohl nichts dagegen?“

„Natürlich nicht!“, lügt Frank, obgleich es ihm viel lieber gewesen wäre, mit Ruth noch einige Worte allein sprechen zu können.

Zusammen steigen sie die schmale Stiege hoch, die immer noch knarrt. Frank lacht. „Früher kannte ich jede Stufe, die knarrt! Heute habe ich‘s vergessen!“

„Man vergisst viel im Leben!“, murmelt Walt zweideutig.

Als sie in dem nach Moder riechenden Zimmer stehen, meint Frank: „Es ist noch so wie damals. Gäste hatten wir selten, aber es musste jeden Tag frisches Wasser in das Becken!“

„So ist es noch heute!“, sagt Walt und setzt sich aufs Bett. „Hoffentlich werden Sie schlafen können! Das Mühlrad sind Sie bestimmt nicht mehr gewöhnt! Ich meine den Krach und das Dröhnen der Walzen!“

„Es wird gehen!“, erwidert Frank. Er betrachtet aufmerksam das harte Gesicht des Mannes. Es ist sein Gefühl, das ihm sagt: Der hat noch etwas auf dem Herzen.

Walt macht seinerseits seine Betrachtungen. Ich kann mir denken, dass sie ihn einst geliebt hat und vielleicht noch heute liebt!, überlegt er. Er ist hübscher und wirkt intelligenter als ich. Aber er ist ein Sänger geworden. Er hat andere Wege betreten und ist nicht auf dieser Scholle geblieben. Er hat nicht ausgehalten und seine Pflicht erfüllt wie ich! Er hat viele Frauen gehabt und ein Leben der Künstler geführt. Was weiß er noch vom täglichen Arbeitstag, der Not und dem stillen, zähen Kampf in dieser Einsamkeit?

„Es ist meine Frau!“, sagt Walt dann laut zu Frank. „Denken Sie daran, Frank! Es ist unser Kind!“

Frank blickt Walt verwirrt an. „Warum sagen Sie das?“, fragt er,

„Ich musste es Ihnen sagen!“, erwidert Walt. „Nicht nachher, wenn es zu spät ist! Ich schließe da keinen Kompromiss!“

Frank versucht, Walt diese Einstellung auszureden: „Ich wollte doch nur mal sehen, wie es hier so geht! Nichts liegt mir ferner, als Ihnen Ruth abspenstig zu machen, Menschenskind!“

„Schon gut, nur vergessen Sie‘s nicht!“, sagt Walt kühl und geht zur Tür. „Gute Nacht!“

„Gute Nacht!“, erwidert Frank und blickt noch auf die Tür, als Walt sie schon längst hinter sich geschlossen hat. Er lauscht dem Gang dieses hageren Mannes, hört eine Tür klappen, dann ist nur von der Mühle her das Dröhnen der Walzen und das Knarren des Rades zu hören.

Ashfords Höllenritt: Harte Western Edition

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