Читать книгу Billy Rollins und die Rivalen um Rose: Harte Western Edition - Glenn Stirling - Страница 6

1

Оглавление

In Bluetown reißen die Sensationen und Sensationellen nicht ab. Gestern wurde das neue Postoffice eingeweiht und die Kampfbahn zum Cowboyrodeo eröffnet. Die Mannschaften der großen und kleinen Ranches sind in Bluetown eingetroffen, um an dem alljährlichen Wettbewerb teilzunehmen. Dem Sieger der Cowboywettkämpfe winkt als Preis: ein sechsjähriger Fuchs mit fast rotem Fell. Sämtliche Einwohner und Cowboys haben das schöne Tier schon in seiner Box im Zeltstall neben der Kampfbahn bestaunt.

Morgen wird der große Wettkampf beginnen. Heute werden noch Tiervorführungen, Bullenkörungen und Pferdeprämierungen abgehalten. Die Masse der Leute ist also nicht in der Arena, sondern lungert auf der Straße herum. Die Saloons haben Hochbetrieb. Als es Zeit ist, dass der Mittagszug auf der Station eintreffen soll, schlendern viele Cowboys zu den Bahnhofsgebäuden, um sich das Ereignis nicht entgehen zu lassen. Zwei Männer überragen die übrigen Cowboys durch ihre schwergewichtigen Gestalten: Dick Hanson und Scott O'Brien. Beide reiten sie für den Brand der Herz-Ranch. Beide haben sie durchaus die Kräfte dazu, einen Saal voll harter Männer leerzufegen. Dick ist ruhig und schwer in Wut zu bringen: wenn er aber soweit ist, dann geht es rund. Scott dagegen ist Ire und so heißblütig und hitzköpfig, wie nur Iren sein können. Bei ihm genügt der geringste Anlass, um ihn herauszufordern. Dick ist etwas kleiner als Scott. Aber beide sind athletische Erscheinungen.

Jetzt sind die beiden Freunde durchaus friedlich. Sie lehnen an der Bahnsteigumzäunung und warten auf den Zug. Scott stopft sich eine Pfeife. Die Mittagssonne scheint ihm in sein rotes Haar, und es sieht aus, als stehe es in Flammen. Das sommersprossige Gesicht des Iren ist übersät mit kleinen und großen Narben; Wind und Wetter haben zudem ihre Spuren hinterlassen. Dick hat dunkles Haar und ein breites Gesicht mit zerschlagener Nase. Beiden Männern sieht man auf den ersten Blick an, dass sie mehr als einen Faustkampf überstanden haben.

Scott zündet seine Pfeife an. Dann lehnt er sich breit zurück und blickt sinnend auf die blitzenden Gleise. „Warum stehen wir eigentlich hier, Dick?“, fragt er gelassen.

„Weil‘s verdammt nichts andres gibt in diesem Kaff, was um diese Zeit sehenswert wäre!“, erwidert Dick Hanson mit Bassstimme.

„Glaubst du, dass wir was Besonderes sehen?“, meint Scott.

„No“, brummt Dick. „Aber die Zeit vergeht! Morgen geht‘s rund, und ich kann mir nicht erlauben, mir heute einen anzutrinken!“

„Wer ist unsere stärkste Konkurrenz? Die Hammer-Boys?“

„Sure!“, bestätigt Dick. „Sie hatten mehr Zeit zum Training als wir! Billy ist dauernd mit Jim und mir unterwegs, das weißt du ja. Na, und die Jungs auf der Ranch hatten dieses Jahr viel Arbeit – Es ist auch nichts, wenn ein Rancher zugleich Captain der Special Police ist! Irgend etwas leidet darunter. Bisher hat‘s ja immer geklappt, muss ich sagen, aber Billy hat sich in letzter Zeit ziemlich übernommen. Schätze, dass es ein Wunder ist, wie er‘s schafft, noch am Rodeo teilzunehmen. Jim ist durch seine Beinverletzung auch nicht so auf Zack wie sonst. Aller Augen richten sich auf uns beide, Scott! Dabei plagt mich mein damned Bauch! Habe da vor zwei Jahren einmal eine verpasst bekommen, und von Zeit zu Zelt spür‘ ich‘s noch heute!“

„Ich hab auch schon Leute getroffen, die mehr in Form waren als ich“, behauptet Scott. Beide Männer wissen, dass sie nur so reden, um sich gegenseitig Mut zu machen. Denn dass dieses Jahr die Wettkämpfe hart werden, ist allen klar. Die Hammer-Ranch hat Zeit gehabt, und ihre Boys haben nicht geschlafen, sondern eisern trainiert. Es wird schwer werden, den vorjährigen Sieg der Herz-Ranch wiederholen zu können.

Plötzlich hören die Männer das Schnaufen des ankommenden Zuges. Die Menge der Leute auf dem Bahnsteig blickt nach Süden. Jeden Moment muss der Zug hinter der Biegung vorm Cooperberg auftauchen.

Von den etwa hundert Menschen, die sich aus Neugierde hier eingefunden haben, werden vielleicht zwei in jenen Zug einsteigen. Die anderen wollen sehen, wer aussteigt. Nun, heute sollen die Männer belohnt werden.

Die Maschine schiebt sich langsam in die Station. Bremsen kreischen, Dampf zischt, dann steht der Zug still. Türen fliegen auf. Zwei uniformierte Bahnbeamte laufen am Bahnsteig lang. „Bluetown!“, rufen sie.

Plötzlich werden die Augen aller Männer starr. Aus dem zweiten Wagen steigt ein bildhübsches Mädchen aus. Ihr blondes Haar weht. Wie eine Gazelle springt sie behände auf den Bahnsteig. Dann zieht sie ihren kleinen Koffer aus dem Abteil. Und dann passiert es.

Zwanzig Männer stürzen nach vorn und rennen auf den weiblichen Fahrgast zu. Dick und Scott sind unter ihnen. Die Blonde weicht erschreckt zurück. Aber schon sind die ersten Cowboys bei ihr und nehmen ihr den Koffer ab.

Doch um den Koffer entbrennt nun ein rauer Streit. Jeder dieser Männer will den Koffer der Lady tragen. Scott und Dick sind ziemlich weit hinten, aber sie geben deshalb nicht auf. Niemand beachtet die Einwände des Mädchens. Der Kampf um den Koffer tobt, Dick bahnt sich mit seinen starken Armen eine Gasse in die Traube der Männer. Scott ist dicht hinter ihm. In Sekundenschnelle beginnt eine Prügelei. Doch plötzlich hat Scott durch irgendeinen Umstand den Koffer in die Hand bekommen. Er hebt ihn wie eine Streichholzschachtel in die Höhe und schlägt mit der anderen Hand um sich. Dick hat die Situation erfasst und versucht seinem Freund einen Weg zu bahnen. Dank seiner starken Arme gelingt es ihm auch. Von dem hübschen Mädchen, dem der Koffer gehört, ist überhaupt nichts mehr zu sehen. Die „Kavaliere“, haben das hübsche Kind völlig vergessen. Jetzt ist ein Wettkampf um das Tragen des Koffers entbrannt.

Von allen Seiten werden Dick und Scott angegriffen, aber Scott hält jetzt den Koffer wie einen Dreschflegel in der Hand und schlägt damit rau um sich. Seine Augen flackern wild; jetzt ist er in seinem Element. Und auch Dick kann die Wut der letzten Tage austoben. Es ist eine Machtprobe. Wer in der Lage ist, den Koffer zum Hotel zu schaffen, wird Sieger in diesem Wettkampf sein.

Dick hat seinen Hut im Getümmel verloren, aber es stört ihn wenig. Er schickt einen Cowboy der CX-Ranch schlafen, knallt einem Vormann aus Crown King einen Haken unters Kinn und bekommt selbst einen Tiefschlag, so dass ihm beinahe die Luft ausgeht.

Scott lässt noch immer den schon leicht ramponierten Koffer wie einen Windmühlenflügel kreisen. Der Mann, der das Pech hat, von dem Koffer getroffen zu werden, geht zu Boden.

Inzwischen ist der prügelnde Haufen auf der Straße angelangt. Es sind noch zweihundert Yards bis zum Hotel. Und die Männer sind nicht bereit, diese zweihundert Yards Scott und Dick ungehindert passieren zu lassen.

Der Koffer ist inzwischen an einer Seite aufgerissen. Und noch immer benutzt ihn Scott als Schlagwaffe. Es ist eine Frage von Minuten, dass der Koffer auseinanderfallen wird.

Niemand beachtet das blonde Mädchen, das verzweifelt hinter der sich prügelnden Männerschar herläuft. Rose Break ist nach Bluetown gekommen, um die Stelle der Postassistentin anzutreten. Sie kennt keinen Menschen hier. Um so überraschter ist sie, als sie auf dem Bahnhof derartig empfangen wird. Rose ist zwanzig Jahre alt und hat noch nie im Westen gelebt. Sie weiß nicht, dass diese rauen Männer ihr einen Kavaliersdienst erweisen wollten. Weil es aber so viele Kavaliere waren, brach der Ehrgeiz in ihnen durch, und es kam zum Kampf, denn jeder wollte diesen kleinen Koffer tragen. Es ist eine Machtprobe der Männer. In ihrer Kampfeswut haben sie das Mädchen total vergessen. Rose aber glaubt, dass sie unter Räuber geraten ist. Sie weiß nicht, dass Frauen im Westen rar sind, zumal solche hübschen wie sie. Sie weiß auch nicht, dass ein Cowboy monatelang kein weibliches Wesen sieht und dann verrückt wird, wenn ihm mal eins begegnet. Aber was eben jedem Westler ein klarer Fall ist, kann Rose nicht ahnen, denn sie kommt aus New Orleans. Es ist ihre erste selbständige Stelle in diesem neuen Postamt, das erst gestern eingeweiht wurde.

Dick und Scott haben die Halle des Hotels erreicht. Scott setzt den schwer ramponierten Koffer vor der Portiersloge ab. Die anderen Cowboys sind zurückgeblieben und gaffen groß auf Rose, der ehrfürchtig eine Gasse gebahnt wird.

Dick klemmt sein zerrissenes Hemd zusammen, wischt sich den Schweiß ab und grinst Rose an. Auch Scott reckt stolz die Brust. Er nimmt den Koffer wieder auf und reicht ihn der Besitzerin.

Rose starrt auf das zerbeulte Etwas, das einst ein neuer Koffer war. Dann blickt sie sich um und mustert die vielen Neugierigen, die sich an der Tür angesammelt haben. Noch immer strömen von allen Seiten Männer herbei, um zu sehen, was hier los ist.

Rose blickt nun auf Scott und Dick. „Das soll mein Koffer sein?“, fragt sie empört. Dabei zeigt sie auf ein Wäschestück, das durch den Riss im Leder herausquillt.

„Ich glaube, Ma‘am, er ist‘s!“, sagt Scott traurig. Nun sieht er selbst, was er angerichtet hat. Wenn Scott und Dick nun etwa Dankesworte erwarteten, so werden sie schmählich enttäuscht. Rose reißt Scott den Koffer aus der Hand und geht an ihm vorbei zum Portier. Ohne die Männer zu beachten, unterhält sie sich mit dem alten Mann, lässt sich einen Schlüssel geben und geht die Treppen hinauf.

So wütend die Männer noch eben aufeinander einschlugen, so friedlich gehen sie nun mit ihren Gegnern zum Saloon, um einen Schnaps zu trinken. Wer diese Weidereiter sieht, könnte meinen, sie wären ein Herz und eine Seele, und im Grunde sind sie es auch; nur von Zeit zu Zelt müssen sie sich austoben.

Rose sitzt auf ihrem Bett und stützt den Kopf in die Hände. Noch nie in ihrem Leben hat sie etwas Derartiges wie die Schlacht um ihren Koffer erlebt. Als stummer Zeuge liegt der Koffer vor ihr. Eine Parfümflasche ist zertrümmert, und der Inhalt hat sich über die Kleider und Wäschestücke ergossen. Ein Bild von Roses Mutter ist ebenfalls Verschlagen und liegt als zerbeultes Etwas auf den Kleidern. Das Glas und der Rahmen sind nicht mehr zu gebrauchen. Die Scherben sind im ganzen Koffer verstreut.

Nein, solche Männer kennt Rose nicht. Sie kennt nur jene in New Orleans, gut gekleidete junge Leute, die höflich und zurückhaltend sind. Bei denen sie nur ein Wort zu sagen brauchte, um sie in ihre Schranken zu verweisen. Aber diese halbwilde Männerschar hier – nein, so etwas hat Rose noch nicht erlebt. Trotzdem muss sie sich eingestehen, dass dieser rothaarige Riese und sein stabiler Freund ihr gut gefallen. Beide sind nicht etwa hübsch; eher hässlich, aber irgend etwas ist an ihnen, was starken Eindruck macht. Rose hat nicht soviel Erfahrung, um zu wissen, dass es die ausgeprägte Männlichkeit ist, die ihr an Scott und Dick gefällt.

„Es sind Banditen, es sind Wilde, ich mag sie nicht!“, versucht sie sich einzureden. Aber in ihrem Innern denkt sie anders, obgleich ihr Koffer zertrümmert vor ihr liegt. Nun, Rose wird noch einiges in Bluetown erleben. Seufzend macht sie sich an die Arbeit, ihre Sache auszupacken und den Schaden näher zu besehen.

Billy Rollins und die Rivalen um Rose: Harte Western Edition

Подняться наверх