Читать книгу Butler Parker Box 1 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 6

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Josuah Parker befand sich in bester Urlaubsstimmung.

Um dieser Stimmung auch rein äußerlich Ausdruck zu verleihen, opferte er einige Cents und kaufte sich in einem der zahlreichen Blumenläden am Sonnenstrand von Miami eine blaß-rote Nelke, die er sich in das Knopfloch seines schwarzen Jacketts steckte.

Bevor er das Geschäft mit der freundlichen Verkäuferin verließ, prüfte er den Gesamteindruck noch einmal sicherheitshalber vor dem großen Spiegel neben der Eingangstür.

Er war durchaus mit sich zufrieden.

Im Spiegel stand ihm ein seriös gekleideter Herr gegenüber, der eine gewisse aristokratische Würde zeigte. Zu der schwarzen, steifen Melone, die dieser Herr auf dem Kopf trug, paßte das schwarze, zweireihige Jackett, die diskret gestreiften schwarzen Hosen und die tadellos geputzten Lackschuhe. Dieses Bild wurde zusätzlich noch verstärkt durch den schwarzen Stockregenschirm, der über dem linken Unterarm dieses Herrn hing. Kurz, Parker hätte sich durchaus in der Bond-Street von London sehen lassen können, nur eben nicht hier in Miami, wo die scheußlichen, knielangen Bermuda-Shorts und die grellen, bunten Hawaiihemden vorherrschten.

Doch daraus machte Parker sich nichts. Es kam ihm nicht darauf an, gegen den Strom eines uniformierten Geschmacks zu schwimmen. Dazu war er viel zu selbstbewußt. Schließlich stammte er nicht nur aus England, sondern war zudem noch ein Butler, wie er vielleicht nur noch in einschlägigen Filmen anzutreffen ist.

Parker ging durch die Ladentür hinaus auf die Promenade und genierte sich fast ein wenig, das feierliche Schwarz seiner Kleidung durch die blaß-rote Nelke aufgelockert zu haben. Nachlässigkeiten duldete er nicht. Schon gar nicht solche, die seine Person betrafen. Schließlich hielt er stets auf Würde und Zurückhaltung.

Selbstverständlich ignorierte er die teils erstaunten, teils belustigten Blicke, die seiner Person galten. Mochten selbst im Schatten auch gut und gern fünfunddreißig Grad herrschen, nie in seinem Leben hätte Parker sich in etwas luftigerer Kleidung gezeigt, wenn ihn nicht bestimmte Umstände dazu gezwungen hätten.

Parker schlenderte entspannt, aber dennoch würdevoll den Strand hinunter und näherte sich zielsicher einem kleinen mexikanischen Lokal, in dem man ausgezeichnet essen konnte. Er wollte ein kleines Mahl zu sich nehmen, um dann in seinem Hotel Siesta zu halten und in einem Waffenkatalog zu blättern, eine Beschäftigung, der er sich liebend gern hingab.

Nach wenigen Minuten merkte Parker indessen, daß er ebenso diskret wie hartnäckig verfolgt wurde. Es handelte sich, wie er bald herausbekam, um einen älteren Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der einen hellen Sommeranzug trug und sein Gesicht hinter einer großen Sonnenbrille verbarg.

Parker hatte diesen Mann noch nie vorher gesehen, spürte aber sofort, daß irgendein Konflikt in der Luft lag, der sich allerdings noch nicht näher umreißen ließ.

Parker, an Zwischenfällen wirklich nicht interessiert, zeigte sich wieder einmal als höflicher Mensch. Er bog in eine kleine Seitenstraße ab, die jetzt um die Mittagszeit nur wenig belebt war. Dann holte er seinerseits eine Sonnenbrille aus der Ziertuchtasche seines schwarzen Jacketts und spielte nachlässig mit ihr.

Er sorgte allerdings dafür, daß er die Innenseite der Brillengläser als eine Art Rückspiegel benutzen konnte. Für solche Zwecke war diese Spezialbrille präpariert. Einen etwaigen überraschenden Angriff des Verfolgers hätte Parker also beobachten können.

Der Mann hinter ihm ging jetzt schneller und schloß von Sekunde zu Sekunde immer dichter auf.

Parker nahm den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms in die Hand, um sich eventuell wehren zu können.

Der Mann hinter ihm hatte aufgeschlossen und schickte sich an, ihn zu überholen.

Parker blieb ruckartig stehen und tat etwas irritiert. Sein plötzliches Anhalten war der Grund dafür, daß der Verfolger ein wenig an ihm vorbeischoß.

Dann stoppte auch der Verfolger, nahm knapp den Kopf zur Seite und zischte Parker einige Worte zu, die der Butler als Aufforderung verstand, diesem seltsamen Mann umgehend zu folgen.

Bevor Parker diesen Irrtum richtigstellen konnte, ging der Mann mit schnellen Schritten weiter und hielt auf eine Bierbar zu, die im Schatten einer windzerzausten Fächerpalme lag.

Parker, in der ehrlichen Absicht, diesen Irrtum richtigzustellen, folgte dem Mann in diese Bar hinein, die sich als überraschend sauber und leer entpuppte.

Der Mann blieb an der hohen Theke stehen und bestellte sich ein Lagerbier.

Parker baute sich höflich neben dem Mann auf und nickte dem Barkeeper höflich zu.

»Bringen Sie mir bitte auch ein Lagerbier«, sagte Parker dann zu ihm. »Nicht zu kalt, wenn es möglich ist, aber auf keinen Fall zu warm.«

Der Barkeeper grinste und wandte sich ab.

Der Gast neben Parker räusperte sich und wartete, bis der Barkeeper in einer Ecke der geschwungenen Theke verschwand. Dann drehte er sich etwas zu Parker herum.

»Wo haben Sie denn die ganze Zeit über gesteckt?« fragte er vorwurfsvoll.

»Ich möchte annehmen, daß Sie mich meinen«, gab Parker höflich zurück.

»Lassen Sie die Mätzchen«, redete der Mann hastig, aber leise weiter. »Die Unterlagen stecken im Schließfach 113 am Flughafen, klar?«

»Ich habe, wenn ich mich so ausdrücken darf, auf keinen Fall etwas dagegen«, antwortete Parker zurückhaltend.

»Sie komischer Witzbold«, meinte der Mann, ohne daß die Spur eines Lächelns auf seinem erhitzten Gesicht zu erkennen war. »Von jetzt ab bin ich aus dem Spiel.«

»Ich möchte annehmen, daß Sie das besser beurteilen können als meine Wenigkeit«, erwiderte Parker, ohne sich aus der würdevollen Ruhe bringen zu lassen. Bevor er jedoch eine gezielte Frage stellen konnte, stieß der Mann sich von der Theke ab und ging mit schnellen Schritten auf den Ausgang zu.

»He, Sir, Ihr Bier!«

Der Barkeeper beugte sich über die Theke und hielt das abgefüllte Bier einladend hoch.

»Ersticken Sie dran!« gab der Mann gereizt zurück. Dann stieß er die Tür der Bierbar auf und verschwand nach draußen.

»Verrückter Vogel«, sagte der Barkeeper ärgerlich und schüttelte den Kopf. Er sah Parker irritiert an und fügte hinzu: »Muß an der Hitze liegen, daß alle verrückt spielen!«

Parker, der gerade mit einer höflichen Floskel antworten wollte, hörte genau in diesem Moment zwei Schüsse, die in schneller Reihenfolge hintereinander abgefeuert wurden und die die mittägliche Ruhe brutal durchbrachen.

Parker reagierte augenblicklich, obwohl diese beiden Schüsse ihm auf keinen Fall gegolten hatten. Er verließ die Bartheke, ohne dabei aber seine gewohnte Würde und Gemessenheit aufzugeben. Parker legte seinen Universal-Regenschirm über den linken Unterarm und schritt auf den Ausgang zu.

Auf diesem Weg wurde er von dem Barkeeper überholt.

Der Mann hatte die beiden Schüsse natürlich ebenfalls gehört und spurtete an Parker vorbei. Der Barkeeper war so überrascht, daß er noch ein frisch gefülltes Bierglas in der Hand hielt.

Parker hatte die schmale Straße erreicht.

Nur knapp zwanzig Meter von der Bar entfernt hatte sich bereits eine Gruppe von aufgeregten und neugierigen Menschen gebildet. Sie alle schauten auf einen am Boden liegenden Mann herunter, der offensichtlich nicht mehr lebte, zumal die beiden abgefeuerten Schüsse seine Brust getroffen hatten.

Parker ahnte bereits im voraus, was sich ereignet hatte und wer dort auf dem Boden lag. Er war es gewohnt, daß sich immer dann etwas ereignete, wenn er seine Ruhe haben wollte.

Nun, seine Ahnungen trogen nicht.

Der auf dem Boden liegende erschossene Mann war jener Bargast, der ihm die Nummer eines Schließfaches zugeflüstert hatte.

*

Josuah Parker hatte hinreichend genug einschlägige Kriminalfilme gesehen, um genau zu wissen, daß es sich um eine peinliche Verwechslung handeln mußte. Der Erschossene mußte ihn mit einem ähnlich gekleideten Besucher von Miami verwechselt haben. Die frisch gekaufte Nelke mußte dazu den letzten Ausschlag gegeben haben.

Parker wunderte sich.

Und zwar über die Tatsache, daß ein zweiter Mensch hier in Miami leben sollte, der ihm mehr oder weniger täuschend ähnelte. War solch eine äußere Übereinstimmung überhaupt möglich? Parker war sich ohne Eitelkeit klar darüber, daß er nicht gerade zu den Dutzenderscheinungen gehörte.

In Anbetracht der gegebenen Umstände hielt er es für taktisch richtig, sich erst einmal abzusetzen. Die augenblickliche Situation mußte erst einmal gründlich überdacht werden. Und dazu brauchte er Ruhe und nicht den Wirbel, der sich jetzt hier auf der schmalen Straße abspielte.

Die ersten Streifenwagen der Polizei rasten heran. Die Mordstelle wurde abgeriegelt, uniformierte Polizeibeamte suchten nach Zeugen und möglicherweise auch nach dem Mordschützen.

Parker, der stets eine gute Nase für Fluchtwege besaß, verschwand gemessen in einer nahen Toreinfahrt, schritt durch einen weiten Hof, ging vorbei an Mülltonnen und betrat schließlich die Hoftür eines großen dreistöckigen Hauses, in dem die Druckerei einer Zeitung untergebracht war.

Auf weniger verschlungenen Umwegen erreichte er schließlich wieder die Hauptstraße und sah sich nach einem Taxi um. Er hatte das Glück, einen freien Wagen zu finden, winkte ihn mit seinem Universal-Regenschirm ab und ließ sich aufatmend in die Polster fallen.

»Zum Dania-Hotel, wenn ich höflichst bitten darf«, sagte er zum Fahrer. »Und nicht zu langsam, wenn es sich einrichten läßt.«

Der Fahrer nickte und fädelte seinen Wagen in den Verkehr der Hauptstraße ein. Parker spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, sich eine seiner spezialangefertigten Zigarren anzuzünden, ließ ihn aber schleunigst wieder fallen, als er sich blitzschnell der Wirkung seiner Zigarren erinnerte, der Wirkung nämlich auf seine ahnungslosen Mitmenschen, die den seltsamen Wohlgerüchen dieser Zigarren nur in den seltensten Fällen zu widerstehen vermochten.

Parker befand sich eigentlich nie im Urlaub.

Auch an diesem Tage nicht.

Während der Fahrt drehte er sich wiederholt um und beobachtete die Straße durch das Rückfenster. Und wieder einmal stellte er fest, daß sein Taxi augenscheinlich beschattet wurde. Es handelte sich um einen grauen Buick, der ihm hartnäckig folgte und sich nie weiter als zwei oder drei Wagen abfallen ließ.

Befand sich in diesem Buick der Mordschütze?

Parker wußte es natürlich nicht, doch er kalkulierte diese Möglichkeit sofort ein. Eine gewisse Vorsicht hatte sich bisher stets als gesundheitsfördernd erwiesen.

»Ich möchte mein eben genanntes Fahrtziel abändern«, rief er dem Taxifahrer freundlich zu. »Setzen Sie mich irgendwo am Rande der Stadt vor den Dünen ab, ich möchte gern den Frieden der Natur genießen.«

»Und wie kommen Sie wieder zurück, Sir?« erkundigte sich der Fahrer.

»Irgendeine passende Möglichkeit wird sich mit einiger Sicherheit ergeben«, gab der Butler zurück. »Sorgen Sie nur dafür, mich an eine möglichst einsame Stelle zu bringen.«

»Das können Sie haben. Wie wär’s mit Coach-Beach, Sir?«

»Ein beruhigend klingender Name«, antwortete Parker. »Ich glaube, wir bleiben dabei!«

Und erneut schaute er durch den Rückspiegel und hielt Ausschau nach dem verfolgenden Wagen. Nun, er hatte sich nicht getäuscht, denn der graue Buick folgte dem Taxi nach wie vor.

Nach einer Fahrt von weiteren fünfzehn Minuten verließ der Fahrer die betonierte Ausfallstraße und bog zu den Dünen ab. Dann stoppte er und sah sich fragend nach Parker um.

»Sind Sie auch sicher, daß hier das Richtige für Sie ist?« erkundigte er sich.

»Vollkommen sicher«, gab Parker würdevoll zurück. »Sie hätten keinen besseren Platz aussuchen können. Wieviel darf ich Ihnen bezahlen?«

Der Fahrer nannte den Preis und riß die Augen weit auf, als Parker ihm zudem noch ein gehöriges Trinkgeld reichte. Dann beeilte er sich, zurück in seinen Wagen zu kommen, um schleunigst loszufahren. Wahrscheinlich fürchtete er, Parker könnte ihn noch einmal zurückrufen und ihm das handfeste Trinkgeld abnehmen.

Der Butler sah dem davonpreschenden Taxi nach und ging auf die erste, sanft ansteigende Düne zu. Zu diesem Zeitpunkt war von dem grauen Buick weit und breit nichts zu sehen. Entweder hatte Parker sich nun doch getäuscht, oder der Wagen war an einer verborgenen Stelle abgestellt worden.

Parker hatte den Kamm der Düne erreicht und sah auf den Strand hinunter, gegen den die Wogen des Atlantik Sturm liefen. Ein wunderschönes Bild, voller Kraft und gleichzeitiger Ruhe und Stetigkeit.

Parker sah die Gelegenheit gekommen, sich in aller Ruhe einen seiner schwarzen Torpedos anzuzünden. Mit Umsicht und Bedachtsamkeit präparierte er eine der Zigarren, die er dem schwarzen Etui entnommen hatte, zündete sie geschickt an und genoß den seiner ehrlichen Ansicht nach würzigen Duft dieser Importe.

Zwei leichtsinnige Möven, die neugierig einkurvten, um den einsamen Besucher genauer unter die Lupe zu nehmen, waren vollkommen anderer Ansicht.

Die ersten Rauchschwaden der Zigarre schwebten hoch in die Luft und wurden vom Wind zerteilt. Nur wenige Duftpartikelchen dieser Rauchwolke trafen die Nasenlöcher dieser beiden Möven, die als durchaus hart gelten konnten.

Sie schreckten förmlich zurück, steilten hoch und brachen in klagende Schreie aus. Sie verloren für wenige Augenblicke die Konzentration, wirbelten durcheinander und wandten sich dann zur Flucht. Im Tiefflug schossen sie auf die See hinaus und verschwanden am Horizont.

Parker sah diesen beiden Tieren kopfschüttelnd nach. Wieder einmal konnte er es einfach nicht verstehen, warum der Rauch seiner Zigarre alle Kreatur umgehend in die Flucht zwang, während er seine Zigarre tatsächlich genoß.

Seine Überraschung weitete sich aus, als plötzlich ein dumpfes, unangenehmes »Plopp« zu hören war.

Dicht neben ihm schlug ein schallgedämpftes Bleigeschoß in den aufstäubenden Sand und ließ eine kleine Fontäne von Sandkörnern in die Luft steigen.

Parker sah sich genötigt, erst einmal in Deckung zu gehen, denn einen zweiten, besser gezielten Schuß wollte er nicht unnötig provozieren. Er verschwand hinter der Düne und wartete ab.

Bald darauf waren verwehte Stimmen zu hören.

Sie kamen schnell näher und wurden von Sekunde zu Sekunde immer deutlicher. Zwei Männer riefen sich Hinweise zu, munterten sich gegenseitig auf und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß sie den ›Hund‹ bald hätten.

Parker mißbilligte solch eine rüde Ausdrucksweise, denn er wußte inzwischen nur zu gut, wer mit dem Ausdruck ›Hund‹ nur gemeint sein konnte.

Es gab also zwei Männer, die ihn aus unverständlichen Gründen nicht nur nicht mochten, sondern die alles daransetzten, ihn zu erschießen.

Parker verfügte zu seinem Leidwesen nicht über eine Schußwaffe. Als Urlauber hatte er sich diesmal nicht mit diesen notwendigen Utensilien versorgt und eingedeckt. Doch er war und blieb guten Mutes, zumal nicht weit von seiner Düne entfernt einige Strandhütten zu sehen waren, die unbewohnt zu sein schienen.

Alle Deckung, die sich hier anbot geschickt ausnützend, erreichte er schon recht bald eine dieser Hütten und blieb hinter ihr abwartend stehen.

Er sah nicht nur die Spuren im feinen, körnigen Sand, die er hinterlassen hatte, sondern auch die beiden Männer, die wie zwei vorsichtige und mißtrauische Füchse sich heranpirschten.

Sie hatten es relativ einfach. Nicht nur, weil sie bewaffnet waren, sondern weil sie sich nur an die Spuren im Sand zu halten brauchten, um auf Parker zu stoßen.

Parkers Hirn registrierte diesen Nachteil, um ihn dann aber sofort in seinen Plan einzubauen.

Er verließ sein Versteck hinter der ersten Hütte, prägte weitere Spuren in den Sand und verschwand hinter der zweiten und dann hinter der dritten, niedrigen, einfachen Hütte, die praktisch nur aus gehobelten Brettern zusammengeschlagen worden waren.

Dann aber wechselte er zurück zur zweiten Hütte und achtete darauf, nicht in das Blickfeld der beiden Verfolger zu geraten. Mit dem Universal-Regenschirm beseitigte er die Spuren dieses Rückmarsches und blieb seitlich hinter der zweiten Hütte stehen.

Wenige Minuten später waren die beiden Männer heran.

Parker hörte ihre Stimmen.

»Die Spuren gehen weiter«, sagte der erste Verfolger.

»Na, wenn schon«, erwiderte der zweite Mann und lachte leise und geringschätzig auf, »ich möcht’ wissen, welche Chancen sich der noch ausrechnet. Hier ist außer uns weit und breit kein Mensch!«

»Beeilen wir uns«, schlug der erste Verfolger ungeduldig vor. »Je schneller wir ihn haben, desto besser. Ich möchte nur wissen, warum Henderson ausgerechnet hierher in die Dünen gefahren ist!«

»Weiß ich doch nicht«, war die Antwort.

»Ob da vielleicht irgendein Trick dahintersteckt?« fragte sich der erste Verfolger und achtete dabei kaum auf die Regeln seiner Muttersprache.

»Mann …« Mehr hatte sein Partner darauf nicht zu sagen, doch dieses eine Wort besagte mehr als ein ganzer Satz.

»Ich glaube, wir trennen uns und nehmen Henderson in die Zange«, schlug der erste Verfolger vor. »Henderson kann schießen, das wissen wir!«

Josuah Parker, der nun genau wußte, daß er mit irgendeinem Mr. Henderson verwechselt wurde, hörte das Knirschen von Sand. Kurz darauf erschien einer der beiden Verfolger an der Ecke der Hütte.

Parker, der schnell um die nächste Hüttenecke verschwand, ließ sich noch nicht blicken.

Dafür sah er den zweiten Mann, der bereits ahnungslos auf die dritte Hütte zuhielt. Er rechnete augenscheinlich mit bösen Zwischenfällen, denn er hielt seine Schußwaffe – es handelte sich um eine 45er – schußbereit in der Hand.

Der Mann aber, der sich Parker ahnungslos näherte, kam um die Ecke der Holzhütte und stand plötzlich seinem Opfer gegenüber.

Parker war es zwar peinlich, doch er mußte mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms kurz und nachdrücklich zuschlagen.

Der Verfolger fand nicht mehr die Zeit, einen Schrei auszustoßen. Er riß weit die Augen auf, ließ sie überrascht rollen, um dann besinnungslos in sich zusammenzubrechen. Malerisch legte er sich zu Parkers Füßen nieder.

Der Butler nahm dankbar die Magnum aus der Hand des Verfolgers und machte sich daran, die Taschen des Schlafenden zu visitieren. Er fand einen 38er und eine Brieftasche, beides Dinge, die Parker ohne Gewissensbisse einsteckte.

Dann widmete er sich dem ersten Verfolger, der inzwischen die dritte Hütte erreicht hatte und sich nun ratlos umdrehte. Er hatte nämlich weder Parker noch weitere Spuren im Sand zu entdecken vermocht.

*

Der Verfolger blieb einen Moment lang verblüfft stehen. Dann kam er zögernd zurück zur zweiten Hütte.

»He, Mike, der Kerl ist verschwunden«, rief er seinem immer noch bewußtlosen Partner zu, den er hinter der Hütte vermutete.

Parker konnte nicht gut antworten, denn dies hätte Aufsehen und Mißtrauen erregen können. Er begnügte sich also mit einem undeutlichen Hüsteln und baute sich hinter der Hüttenecke auf.

Der Verfolger fiel auf diesen wirklich sehr einfachen Trick herein.

»Ich wette, der hat sich in der Hütte versteckt«, rief der Ankommende. »Dem werden wir es mal zeigen … Ich denke, wir stecken den ganzen Laden in Brand.«

»So etwas muß ich rüde und wenig vornehm nennen«, antwortete der Butler, der aus seinem Versteck hervortrat.

Der Verfolger bekam so etwas wie eine mittelschwere Maulsperre, zumal er zu Parkers Füßen seinen Partner entdeckte. Er war derart überrascht, daß er glatt vergaß, sich seiner Handfeuerwaffe zu bedienen. Als er sich an diese Möglichkeit erinnerte, war es auch für ihn bereits zu spät.

Parkers Regenschirm trat erneut in Aktion.

Der Verfolger erhielt einen bösen Schlag auf das Handgelenk und verlor seine Waffe. Doch diesmal versuchte er es mit einem fast wütend zu nennenden Ausfall. Er sprang den Butler so jäh und unbeherrscht an, daß alle Vorteile auf seiner Seite waren.

Parker, jeder Auseinandersetzung abhold, trat jedoch einen halben Schritt zur Seite und ließ den Angreifer an sich vorbeizischen. Der Gangster vermochte seinen Schwung nicht mehr abzubremsen und rammte die Bretterwand, die sich daraufhin als äußerst brüchig erwies und nachgab.

Die Bretter rutschten von den Querbalken herunter und ließen den Gangster eintreten. Der Verfolger verschwand in einer Wolke von Staub und landete in der Hütte. Dort schien er mit Gegenständen aus Glas oder Porzellan in Berührung gekommen zu sein, denn das typische Bersten und Klirren zerbrechenden Glases drang nach draußen.

Parker schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

Das hatte er nun wirklich nicht gewollt. Es zeigte sich wieder einmal, daß blinder Eifer tatsächlich nur schadete. Parker hob auch die zweite Waffe auf und wartete geduldig, bis der Gangster wieder vor der Hütte erschien.

Es dauerte fast anderthalb Minuten, bis der Gangster hervorkletterte. Seine Augen waren noch leicht verglast. Torkelnd wie ein Betrunkener trat er über die Brettertrümmer ins Freie, stierte den Butler ungläubig an und ließ sich erschöpft auf dem sandigen Boden nieder.

»Wenn Sie dazu in der Lage sind, sollten Sie mir einige Fragen beantworten«, meinte Parker höflich.

»Geh’ zum Teufel, Henderson«, antwortete der Gangster, dessen Stimme sich erholte.

»Sie bestehen hoffentlich nicht darauf, daß ich Ihren Wünschen nachkomme«, erwiderte Parker. »Darf man höflichst fragen, warum Sie mich unbedingt erschießen wollten?«

»Wir sprechen uns noch«, giftete sich der Gangster, der langsam wieder klar zu denken vermochte.

»Tun wir das nicht bereits?« wunderte sich Parker erstaunt. »Warum sollte ich erschossen werden? Ich bin mir keiner Schuld bewußt, wenigstens nicht Ihnen gegenüber!«

»Quatschen Sie doch nicht, Henderson«, antwortete der Gangster und fuhr sich durch das schweißnasse Gesicht. »Sie wissen doch genau, was Manters Ihnen geliefert hat.«

»Ist Manters jener Unglückliche, der von Ihnen draußen vor der Bar erschossen wurde?«

Der Gangster lächelte schief.

»Darf ich Ihr etwas verunglücktes Lächeln als eine Antwort im positiven Sinn werten?« fragte Parker.

»Wir sind ja unter uns, also werten Sie!« Der Gangster erhob sich vorsichtig. »Wir haben die ganze Zeit über geahnt, daß Manters ein doppeltes Spiel treibt.«

»Wie aufschlußreich«, gab Parker zurück. »Mr. Manters hat also in Wirklichkeit mit mir zusammengearbeitet?«

»Mit Ihnen?« Der Gangster warf Parker einen verächtlichen Blick zu. »Sie, Henderson, sind doch nichts anderes als ein Briefträger!«

»Nichts gegen die Briefträger«, beugte Parker vor. »Sie erfüllen einen wichtigen Zweck in unserer Gesellschaft.«

»Und sie müssen sterben, wenn sie gewisse Post an die falsche Adresse bringen«, meinte der Gangster.

»Könnte man sich nicht vielleicht arrangieren?« fragte der Butler an. »Oder, um mich noch deutlicher auszudrücken, könnte man nicht zu einer friedlichen Einigung kommen?«

»Und wie stellen Sie sich die vor, Henderson?«

»Nun, ich denke an jene Unterlagen, die Mr. Manters mir überbracht hat.«

»Sie … Sie würden das Zeug an uns zurückgeben?« Der Gangster wunderte sich und leckte sich die Lippen. Er witterte augenscheinlich ein gutes Geschäft.

»Ich bin nicht abgeneigt«, redete der Butler weiter. »Sie müßten mir, wie es so heißt, ein Angebot unterbreiten, falls Sie überhaupt dafür kompetent sind.«

»Zehntausend bar, wenn wir Manters’ Unterlagen bekommen.«

»Sie dürften vergessen haben, wie teuer das Leben ist«, meinte Parker würdevoll. »Denken Sie an die monatliche Miete, an die Steuern, an die täglichen Ausgaben für Kleidung und Ernährung.«

»Fünfzehntausend!«

»Sie begreifen wahrscheinlich immer noch nicht, wie ungemein teuer das Leben ist!«

»Wieviel also? Machen Sie ein Angebot, Henderson.«

»Ich würde fünfzigtausend sagen, wenn ich so frei sein darf!«

»Sie sind verrückt.«

»Ich bin das, was man Realist nennt.«

»Gegen fünfzig Mille würden Sie die Unterlagen zurückgeben?«

»Ich bin fast fest entschlossen dazu«, meinte Parker zurückhaltend.

»Dann werden wir wahrscheinlich ins Geschäft kommen.« Der Gangster gewann an Sicherheit.

»Wann kann ich über das Geld verfügen?« erkundigte sich der Butler.

»Heute noch. Vorher muß ich aber mit dem Chef reden.«

»Ich habe wahrlich nichts dagegen.«

»Hören Sie, Henderson, wenn Sie aber glauben, uns mit einem faulen Trick kommen zu können, sind Sie auf dem Holzweg.«

»Sie trauen mir nicht, wie ich aus Ihren Worten heraushöre!«

»Natürlich nicht, Henderson. Für Ihre faulen Tricks sind Sie zu bekannt.«

»Darf ich Ihre Worte als Kompliment auffassen?« Parker lächelte andeutungsweise. »Und wie stellen Sie sich den Austausch des Geldes gegen die Unterlagen vor?«

»Passen Sie auf, Henderson. Wir fahren zurück in die Stadt. Sie warten im Hotel auf das Geld, dann läuft alles wie am Schnürchen.«

»Sie werden mich doch nicht enttäuschen?«

»Sehen wir so aus? Sie wissen doch, daß unser Boß in Ordnung ist.«

»Von meinem Boß, wie Sie sich ausdrücken, haben Sie bisher aber nicht gesprochen.« Parker blieb zurückhaltend und vorsichtig. Thematisch gesehen befand er sich trotz der Hitze auf sehr rutschigem Glatteis. Er hatte keine Ahnung, worum sich diese Unterhaltung drehte. Er ahnte nur, daß es um dunkle und auch sehr mörderische Geschäfte ging.

»Wie Sie mit Ihrem Boß klarkommen, Henderson, ist Ihre Sache. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag.«

»Ich höre interessiert zu.«

»Sobald Sie das Geld haben, sollten Sie verschwinden. Die Welt ist groß genug. Ich würde nur nicht zurück nach London gehen.«

»Ich weiß, Sie denken an den Londoner Nebel, der tatsächlich berüchtigt ist.«

»An wen oder was Sie denken, Henderson, ist Ihre Sache! Also, fahren wir nun oder nicht?«

»Wird Ihr Partner Mike mit Ihren Vorschlägen einverstanden sein?« Parker wies auf den Gangster, der noch immer im Sand lag, sich jetzt aber zu rühren begann.

Er öffnete ratlos die Augen, suchte in seiner gestörten Erinnerung nach gewissen Anhalts- und Richtpunkten, um dann wie von einer Tarantel gebissen aufzuspringen.

»Wo ist der Hund, Joe?« rief er seinem Partner zu. Dann entdeckte er Parker schräg neben sich und zog unwillkürlich den Kopf ein.

»Ich hoffe, Sie werden im Laufe der Zeit den peinlichen Niederschlag vergessen«, sagte Parker freundlich. »Wie ich die Dinge jetzt sehe, hat es sich um ein kleines, bedauernswertes Mißverständnis gehandelt.«

»Wir gehen«, sagte Joe, jener Gangster, der mit Parker die Verhandlung geführt hatte. »Während der Fahrt können wir alle Einzelheiten festlegen. Wie ist es, Henderson, bekommen wir unsere Kanonen zurück?«

»Selbstverständlich«, antwortete Parker darauf höflich. »Ich habe es ja jetzt mit Geschäftsfreunden zu tun.«

Er überreichte Mike und Joe die Schußwaffen, eine Handlungsweise, die die beiden Gangster völlig verblüffte.

Im ersten Augenblick wußten sie mit ihren zurückgewonnenen Waffen nichts anzufangen. Solch eine Großzügigkeit hatten sie gewiß nicht erwartet.

Dann jedoch schalteten sie.

Fast gleichzeitig rissen sie ihre Schußwaffen hoch und richteten die Mündungen auf Parker.

»Man kann noch so gerissen sein, Henderson, eines Tages macht man den berühmten Fehler«, sagte Mike grinsend. »Was glauben Sie, werden wir jetzt tun?«

»Abdrücken und erleben, daß ich beide Waffen entladen habe«, war die lakonische, aber freundliche Antwort des Butlers.

Die beiden Gangster glaubten ihm nicht recht.

Sie zogen die Stecher ihrer Waffen durch und mußten erleben, daß Parker nicht geschwindelt hatte. Mit dem Geschick eines berufsmäßigen Taschenspielers hatte der Butler die Waffen entladen.

Ziemlich dumm schauten Mike und Joe auf ihre Waffen. Mike war sogar etwas verlegen.

»Man macht ja mal einen Scherz«, entschuldigte er sich dann hastig.

»Ich freue mich über Ihre gute Laune«, entgegnete der Butler. »Sie ist die Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, wie ich es ausdrücken möchte!«

*

Etwa zu dieser Stunde entdeckten Touristen, die am Rand des Highways Nr. 1 in Höhe der Ortschaft Boca Raton picknickten, durch einen reinen Zufall einen Ford, der offensichtlich von der Straße abgekommen war und nun halb in einem sumpfigen Tümpel lag.

Die Touristen sahen sich den verunglückten Wagen jetzt etwas näher an, zumal es sich ihrer Ansicht nach um einen frischen Unfall handeln mußte. Sie wateten durch das seichte Wasser, erreichten dann die Limousine und schraken zurück.

Am Steuer des Fords machten sie eine Gestalt aus, die sich nicht mehr rührte.

Diese Gestalt war mittelgroß, mochte Mitte der Vierzig sein und trug einen dunklen, fast schwarzen Anzug. Die Kopfbedeckung des Verunglückten stak in der zersplitterten Windschutzscheibe. Es handelte sich um einen Bowler, wie er in England mit Vorliebe getragen wird.

Die Touristen wollten sich bereits zurückziehen und zur Straße laufen, als die Gestalt am Steuer sich rührte und dann stöhnte.

Nun waren die Touristen nicht mehr zu halten. Sie mühten sich mit der verklemmten Wagentür ab und brachten sie endlich auf. Dann bargen sie den Verunglückten, trugen ihn an das sanft ansteigende Ufer des Tümpels und betteten ihn dort nieder.

Betroffen schauten sie auf den Mann, der offensichtlich schwer verletzt war.

Sie dachten gleich an einen Ausländer, denn der Verletzte war mehr als korrekt gekleidet: Erschien frisch aus London gekommen zu sein. Äußerlich gesehen glich er fast einem steifen Filmbutler, wie er in Komödien immer wieder gern gezeigt wird. Der einzige Farbtupfer an seiner fast düsteren Kleidung war eine rote Nelke, die im Knopfloch stak und nun allerdings einen sehr mitgenommenen und verwelkten Eindruck machte.

Während einer der Touristen zur Straße lief, um die Polizei zu alarmieren, suchte der andere Tourist in den Taschen des Verletzten nach Anhaltspunkten zur Person.

Er fand in der Brieftasche einen Reisepaß, der in England ausgestellt worden war. Dieser Paß lautete auf den Namen James Henderson, dessen Wohnort mit London, Westham-Road, 123. angegeben war.

Bevor der Tourist die Brieftasche weiter durchsuchen konnte, gab der Verletzte die ersten Worte von sich. Stöhnend, nach Luft ringend und von Schmerzen geschüttelt, sprach der Verletzte einen Namen aus. Er hörte sich nach Manders oder Manters an, doch so genau war das nicht zu verstehen.

Erst als der Verletzte wieder zurück in eine wohltätige Ohnmacht gefallen war, konnte der Tourist die Suche in der Brieftasche fortsetzen.

Er fand eine Flugkarte London – New York – Jacksonville und zurück, dann Travellerschecks in einer Gesamthöhe von eintausendzweihundert Dollar, den Ausweis einer Mietwagenfirma und einige bezahlte Rechnungen, die alle vom Vortage stammten.

Die Sache war klar. Mr. James Henderson, Londoner, war von Jacksonville aus mit einem Leihwagen über den Highway Nr. 1 in Richtung Miami gefahren und unterwegs verunglückt. Es handelte sich offensichtlich um einen Touristen.

Um einen sehr vorsichtigen und mißtrauischen Touristen übrigens, denn unter seinem schwarzen Jackett befand sich ein Schulterhalfter, in dem eine geladene und gesicherte 38er stak.

*

Die Fahrt zurück nach Miami verlief ohne Zwischenfälle.

Josuah Parker saß auf den Rückpolstern des Wagens, während die beiden Gangster Mike und Joe vorn Platz genommen hatten. Parker hatte so die Möglichkeit, sie diskret zu beobachten. Ihm war keineswegs danach, doch noch beschossen zu werden.

Nun, Mike und Joe hatten im Augenblick nicht diese Absicht. Das hing nicht mit ihren ungeladenen Schußwaffen zusammen. Sie rechneten sich wohl eine reelle Chance aus, an die Unterlagen zu kommen, die sie bei Parker vermuteten.

Der Butler saß wie gewohnt stocksteif im Fond des Wagens. Er überlegte gründlich, wie er sich verhalten sollte. Er ging von der Tatsache aus, daß er nach Miami gekommen war, um sich hier einmal gründlich zu erholen.

Nun aber hatte das Schicksal ihn mit einem Mord und zwei Mördern konfrontiert. Durfte er, so fragte er sich, von all diesen Dingen zurückziehen. Stand es ihm frei, sich aus allem herauszuhalten?

Parker hatte gewiß die Möglichkeit, sich an die Polizei zu wenden. Er hatte ferner die Möglichkeit, sich dann schleunigst abzusetzen und friedlichere Gefilde irgendwo in den Staaten aufzusuchen.

Je gründlicher er sein Problem durchdachte, desto klarer wurde ihm, daß er sich wieder einmal persönlich engagieren mußte. Es widersprach seinem Gerechtigkeitsgefühl, Augen und Ohren vor den nackten Tatsachen zu verschließen. Er fühlte sich verpflichtet, Gangstern das blutige Handwerk zu legen, zumal er gerade in diesem Fall annehmen mußte, daß er es nicht mit kleinen Durchschnittsgaunern zu tun hatte.

Als Miami erreicht war, war der Butler zu einem Entschluß gekommen.

»Wo setzen wir Sie ab, Henderson?« fragte Mike, der am Steuer saß.

»Vor meinem Hotel selbstverständlich«, gab Parker vorsichtig zurück. »Oder haben Sie sich meinen Vorschlag inzwischen anders überlegt?«

»Sie etwa, Henderson?«

»Mitnichten«, gab der Butler zurück, der sich an den Namen Henderson bereits gewöhnte. »Darf ich fragen, wie wir es halten sollen? Warten Sie zusammen im Hotel mit mir auf das Geld?«

»Ich werde für ’nen kurzen Moment verschwinden«, sagte Mike. »Joe kann Ihnen Gesellschaft leisten.«

Mike fuhr wieder an und hielt dann vor einem Appartementhotel, das in einer Seitenstraße lag und »Miramare« hieß. Das Hotel, ein Neubau übrigens, lag genau in jener Gasse, in der Henry Manters nach dem Verlassen der Bar und nach seiner kurzen Unterhaltung mit Parker erschossen worden war.

Parker begriff nun, wieso es zu der Verwechslung gekommen war. Mike und Joe mußten Manters beobachtet und beschattet haben. Manters mußte seinerseits auf jenen bewußten Mr. Henderson gewartet haben, um ihm dann in die nahegelegene Bar zu folgen. So war es zu dieser ebenso interessanten wie auch gefährlichen Verwechslung gekommen.

Parker und Joe stiegen aus, während Mike sofort wieder losfuhr. Er hatte es wohl sehr eilig, zu seinem Chef zu kommen, um sich mit ihm zu beraten.

»Ich denke, wir bleiben in der Halle«, schlug Parker vor, nachdem er zusammen mit Joe das Appartementhotel betreten hatte. Parker wußte nichts von und über den richtigen Mr. James Henderson. Ihm war selbstverständlich auch unbekannt, ob Henderson tatsächlich im »Miramare« wohnte und wo er sich zur Zeit aufhielt.

»Nichts gegen einzuwenden, Henderson«, gab Joe gelassen zurück. »Ich glaube, Sie haben sich die Sache mit dem Austausch verdammt gut überlegt.«

»Ich schließe mich Ihrer Meinung an«, antwortete der Butler. »Hoffentlich denkt auch Ihr Chef so, wenn ich mich so ausdrücken darf.«

»Mr. X …?«

»Genau ihn meine ich«, sagte Parker vorsichtig.

»Darauf können Sie sich verlassen.«

Joe nickte nachdrücklich. »Der Chef ist an Ärger nicht interessiert.«

»Sie kennen ihn näher?« erkundigte sich Parker angelegentlich.

»Wie man’s nimmt«, war die vage und ausweichende Antwort.

»Er soll sich sehr zurückhalten«, tippte Parker weiter an. Er wollte endlich in Erfahrung bringen, wer dieser Mr. X nun eigentlich war.

»Und ob der Chef sich zurückhält«, gab Joe zurück. »Aber er weiß trotzdem verdammt genau, was gespielt wird!«

»Er ahnte also, daß Henry Manters abspringen wollte?« Parker hoffte, auf der richtigen Fährte zu sein.

»Wir sind ja unter uns«, meinte Joe vertraulich. »Manters war ’ne Enttäuschung für uns. Er hätte uns beinahe aufs Kreuz gelegt.«

»Er genoß also das Vertrauen Ihres Chefs?«

»Kann man wohl sagen, sonst hätte er sich ja nicht die Unterlagen unter den Nagel reißen können. Aber in letzter Minute wurde er mißtrauisch und kontrollierte den Safe. Tja, und da kam die ganze Geschichte heraus!«

»Welch ein Pech für den armen, bedauernswerten Manters«, räumte der Butler ein.

»Welch ein Pech für euch«, spottete Joe auflachend. »Um ein Haar hättet ihr die Unterlagen gehabt. Aber wir waren eben schneller!«

»Darf ich Sie auf eine gewisse Unterlassungssünde hinweisen?« bat Parker höflich.

»Und das wäre?«

»Sie wollten mich erschießen. Nein, nein, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie hatten schließlich den Auftrag dazu. Aber warum interessierten Sie sich nicht für die Unterlagen? Nach meinem Tod hätten Sie sie ja niemals gefunden.«

»Da haben Sie Mike und mich aber mißverstanden«, entgegnete Joe und schüttelte den Kopf.

»Schön, wir wollten und sollten schießen, aber Sie nur aus dem Verkehr ziehen, Henderson. Wir hätten Sie schon abgeschleppt und dann zum Reden gebracht.«

»Das beruhigt mich, ich dachte schon an eine gewisse Unlogik in Ihrer Handlungsweise!«

»Hoffentlich bleiben Sie auch so ruhig, Henderson.«

»Wie darf ich Ihre Andeutung auslegen?« wollte Parker wissen.

»Na ja, werden Sie keinen Ärger bekommen, wenn Sie ohne Unterlagen in London aufkreuzen?«

»Sind Sie tatsächlich der Meinung, daß ich zurück nach London fahren werde?«

»Würde ich Ihnen auch nicht raten, Henderson. Wenn Sie mich fragen, würde ich mich irgendwo hier in den Staaten verkriechen. Das ist sicherer für Sie.«

»Ihr Mitgefühl schmeichelt mir«, gestand Parker.

»Na ja, wir arbeiten schließlich in der gleichen Branche«, meinte Joe mitteilsam. »Man weiß ja, wie schwer man es hat. Manchmal ekelt mich der ganze Betrieb richtig an.«

»Sie sprechen mir fast aus dem Herzen«, entgegnete der Butler fast gerührt. »Ich könnte mir durchaus ein ruhigeres Leben vorstellen.«

»Warum steigen wir nicht einfach aus und lassen diesen ganzen Rummel?«

»Eine Frage, die ich mir schon häufiger gestellt habe.«

»Irgendwo ein Lokal oder ein kleines Geschäft, und man hätte endlich seine Ruhe und brauchte nicht herumzuhetzen.«

»Wir stecken zu tief in gewissen Dingen«, deutete Parker vage an, doch er hätte nicht sagen können, um welche Dinge es sich handelte.

»Dafür verdient man natürlich ganz schön«, erklärte Joe träumerisch.

»Das allerdings, der Wahrheit die Ehre«, räumte nun auch Parker schleunigst ein. »Das Berufsrisiko wird erstaunlich gut honoriert.«

»Deswegen werde ich auch dabei bleiben«, meinte Joe. »Und wenn man nur einigermaßen auf Draht ist, kann einem kaum was passieren.«

Er hatte seinen Satz gerade beendet, als er irritiert zur Seite schaute. Ein junger Mann, er mochte knapp fünfundzwanzig Jahre alt sein, trat an die Sitzgruppe heran, in der Joe und Parker saßen.

Dieser junge Mann deutete auf die Zeitschriften und Magazine, die auf dem niedrigen Rauchtisch herumlagen.

»Darf ich mal?« erkundigte er sich.

»Aber selbstverständlich«, antwortete der Butler höflich. »Bedienen Sie sich nur!«

Der junge Mann beugte sich vor und griff nach einer Zeitschrift. Gleichzeitig hatte er plötzlich ein Zigarettenetui in der Hand, das er auf springen ließ.

Joe sah den jungen Mann völlig überrascht an.

Sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen, doch dann sackte Joe leicht in sich zusammen und entspannte sich in seinem tiefen Sessel.

»Los, stehen Sie auf, mitkommen, sonst sind auch Sie dran«, sagte der junge Mann lächelnd zu Parker.

»Wie bitte?« Parker verstand nicht ganz.

»Stehen Sie unauffällig auf und gehen Sie raus auf die Straße«, sagte der lächelnde junge Mann, dessen Stimme jetzt tödliche Kälte verspüren ließ. »Oder soll ich Sie wie diesen Spitzel abknallen?«

Parker war in der Tat etwas verwirrt, begriff aber sehr schnell.

Ein schneller Blick hinüber zu Joe sagte ihm, daß sein Gesprächspartner schon nicht mehr lebte. Joes Prognose, ihm könne kaum etwas passieren, hatte sich also innerhalb weniger Sekunden als falsch erwiesen.

Parker stand auf.

»Gehen Sie endlich!« sagte die kalte Stimme des fröhlichen jungen Mannes.

Parker griff schleunigst nach Regenschirm und Melone und setzte sich überraschend gehorsam in Marsch. Er wußte plötzlich, daß der junge Mann keineswegs bluffte.

Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, ging der Butler auf die Glastür der Halle zu.

Der junge Mann befand sich jetzt neben ihm. Er deutete mit der Kinnspitze auf einen Wagen, der am Straßenrand parkte.

»Einsteigen«, sagte der junge Mann.

»Sind Sie sicher, daß Sie mich meinen?« erkundigte sich Parker.

»Machen Sie schon!«

Parker nickte und ging auf den Wagen zu. Im Näherkommen sah er, daß am Steuer ein zweiter, etwas älterer Mann saß, er ihm keinen einzigen Blick gönnte.

Parker nahm im Fond des Wagens Platz. Der junge Mann setzte sich dicht neben Parker und lächelte dünn.

»Los!« rief er dem Fahrer zu. »Ziel wie abgesprochen. Nicht zu schnell, wir wollen nicht auffallen!«

Dann wandte er sich an Parker und grinste.

»Überrascht, was?« fragte er.

»Überrascht und einigermaßen verwundert«, gestand Parker, »zumal ich überhaupt nicht begreife, wer Sie sind und was Sie von mir wollen!«

*

Der junge Mann wartete mit seiner Antwort, bis der Wagen samt Inhalt in einer Garage verschwunden war. Nach einer Fahrt durch die Stadt war der Fahrer in eine stille Seitenstraße abgebogen und hatte nur kurz vor einer Garage gehalten, deren Tür sich wie durch Zauberhand öffnete.

»So, da wären wir!«

Der junge Mann mit dem strahlenden Lächeln stieg aus dem Wagen und nickte dem Butler auffordernd zu, es ihm nachzutun. Parker kam diesem Wunsch nach und sah sich in der Garage neugierig um.

Viel war nicht zu sehen.

Sein Blick fiel auf eine Treppe, die hinunter in einen Kellerraum führte.

»Sie haben es erfaßt«, sagte der junge Mann. »Gehen wir in den Keller, da sind wir ungestört.«

Parker kam auch diesem Wunsch nach. Seine Neugierde wuchs von Sekunde zu Sekunde. Er wußte nicht, weshalb man ihn entführt hatte. Er konnte sich nur vorstellen, daß auch dieses Abenteuer mit den Vorfällen der vergangenen Stunde in einem engen Zusammenhang stand.

Der Fahrer des Wagens, ein mittelgroßer, kompakter Mann von etwa vierzig Jahren, baute sich neben Parker auf. Erst jetzt konnte der Butler das Gesicht dieses Mannes genauer erkennen. Es war grobknochig und sah roh aus. Die kleinen Augen, die sehr eng zusammenstanden, wirkten gefährlich und tückisch.

Muffige, abgestandene Luft schlug dem Butler entgegen, als er die Treppen hinunterstieg. Hinter sich hörte er die leisen Schritte des jungen Mannes, dann das fast schwer zu nennende Stampfen des bulligen Fahrers.

Der Keller war mit Kanistern, Gerümpel und alten Autoreifen angefüllt.

Der Geruch von Öl und Benzin wurde penetrant. Parker blieb stehen und wandte sich den beiden Entführern zu.

»Reden wir Fraktur«, sagte der junge Mann immer noch lächelnd. »Wo steckt Henderson, Sie billige Imitation?«

Bevor Parker antworten konnte, versetzte der bullige Fahrer ihm einen mehr als derben Schlag, der vollkommen ausreichte, Parker auf die alten Autoreifen zu werfen. Parker registrierte, daß dieser Fahrer über Bärenkräfte verfügte.

»Darf ich Ihre Frage noch einmal hören?« erkundigte sich der Butler höflich. »Sie müssen einem alten, müden und verbrauchten Mann zugestehen, daß seine Auffassungsgabe nicht mehr besonders gut ist.«

»Wo steckt Henderson?« Der junge Mann baute sich breitbeinig vor Parker auf, der nun auf den Autoreifen saß. »Wer bezahlt Sie dafür, sich als Henderson auszugeben?«

»Ich fürchte, Sie unterliegen einem Irrtum«, meinte Parker und erhob sich scheinbar mühsam. »Ich habe mich niemals für einen Mr. Henderson ausgegeben.«

»Mach’ ihn weich, Butch«, sagte der junge Mann lächelnd zu dem bulligen Fahrer. Dann holte er eine Zigarettenpackung aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an.

Butch schien auf dieses Stichwort nur gewartet zu haben.

Er griff in seine Rocktasche und holte eine Metallhülse hervor, die er scharf und hart aus dem Handgelenk heraus in die Luft schlug. Ein scharfes Klicken, und aus dieser Metallhülse schoß eine wippende Stahlspiralfeder hervor.

»Letzte Chance, Mann«, sagte der Bullige mit quäkender, überraschend heller Stimme.

»Ich muß Sie enttäuschen«, entschuldigte sich der Butler. »Ich habe wirklich nichts zu sagen.«

»Soll ich, Walt?« der Bullige wandte sich an seinen jungen Begleiter.

»Klar, worauf wartest du noch!?«

Butch, wie der bullige Fahrer mit der quäkenden, hellen Stimme hieß, ließ sich nicht noch einmal auffordern. Er holte mit der Spiralfeder zum Schlag aus, beugte sich gleichzeitig vor und schlug dann auf den Butler ein.

Parker hatte keineswegs die Absicht, sich diese Behandlung einfach gefallen zu lassen. Sein Pech war es allerdings, daß er als Urlauber nicht über eine Ausrüstung verfügte, die er normalerweise mit sich herumtrug, wenn es gegen Gangster ging.

Blitzschnell wich er dem Schlag aus und sagte dann mit erhobener, dennoch erstaunlich gelassener Stimme zu dem jungen Mann, er habe sich entschlossen, doch etwas zu sagen.

»Warum nicht gleich so, Alterchen«, erwiderte Walt, wie der junge Mann von dem bulligen Fahrer genannt wurde. »Pack’ schnell aus, ich habe wenig Zeit.«

»Ich gebe zu, daß ich mit einem gewissen Mr. James Henderson verwechselt worden bin«, erklärte der Butler.

»Und was weiter?«

»Ich wurde von einem Mann angesprochen, der mich augenscheinlich für jenen bewußten Mr. James Henderson hielt.«

»Jetzt kommen wir der Sache schon näher.« Der junge Mann lächelte Parker aufmunternd an.

»Und was hat sich dann abgespielt?«

»Jener bewußte Mann wurde quasi vor meinen Augen niedergeschossen«, berichtete der Butler weiter. Gleichzeitig aber zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er sich diesmal aus dieser heiklen Affäre ziehen konnte.

»Daß er abgeschossen wurde, wissen wir«, meinte der junge Mann, der sich ungewöhnlich rüde ausdrückte. »Was hat der Bursche Ihnen gegeben oder gesagt?«

»Nichts, wenn ich das mit allem Nachdruck sagen darf. Er wollte in der Tat mit mir sprechen, doch dazu kam es nicht mehr, da die bewußten Schüsse fielen.«

»Willst du mich auf den Arm nehmen, Alterchen?« Das strahlende Lächeln des jungen Mannes wurde gefährlich und dünn.

»Ich sagte Ihnen die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit«, entrüstete sich Parker. »Ich habe, ich wiederhole es noch einmal, von jenem Mann wirklich nichts bekommen.«

»Wir wissen, daß Manters mit Ihnen gesprochen hat«, erklärte der junge Mann. »Wir wissen auch, daß er Sie für Henderson gehalten hat. Er muß Ihnen was zugesteckt haben.«

»Sie unterliegen einem bedauerlichen Irrtum«, bedauerte Parker. »Ich kann Ihnen zu meinem Leidwesen nicht mehr sagen. Ist mir jedoch eine Frage gestattet?«

»Soll ich nicht lieber zuschlagen?« fragte Butch bei seinem jungen Begleiter an.

»Er soll erst fragen«, entschied Walt.

»Wieso, so frage ich mich, konnte Mr. Manters mich für Henderson halten?«

»Weil Sie eine verdammt gute Maske gemacht haben, Alterchen. Oder weil Sie zufällig wie Manters aussehen.«

»Wenn Sie wissen, daß Mr. Manters sich mit mir unterhalten hat, so müssen doch Mr. Manters und ich beobachtet worden sein«, redete der Butler weiter. »Logischerweise hätten die Beobachter doch eingreifen und den Irrtum richtigstellen müssen und können.«

»Ich kam leider zu spät«, räumte der junge Mann unvorsichtigerweise ein. »Und ich habe mich auch von Ihrer Maske etwas täuschen lassen.«

»Von Maske kann aber nun wirklich keine Rede sein«, erklärte der Butler. »Ich sehe tatsächlich so aus, wie ich mich Ihnen zeige!«

»Prügel die Wahrheit aus ihm heraus, Butch!«

Mehr hatte Walt nicht zu sagen. Er trat etwas zur Seite, damit Butch sich ungestört entwickeln konnte. Und Butch brauchte Spielraum. Er hatte sich allerhand vorgenommen und brannte darauf, es Parker zu geben. Er grinste, holte zum Schlag aus, täuschte ihn vor, um dann aber um so gnadenloser zuzuschlagen.

Parker, der wieder versuchte, durch geschicktes Ausweichen diesem Schlag zu entgehen, spürte plötzlich ein scharfes Brennen auf der linken Schulter.

Die wippende Spiralfeder hatte ihn gestreift.

Parker trat absichtlich oder nicht, gegen einen der Kanister, der daraufhin gegen die Wand flog und umstürzte. Durchdringender Benzingeruch breitete sich aus.

Butch, wütend darüber, daß er nicht einen Volltreffer angebracht hatte, versuchte es ein zweites Mal. Diesmal trat er noch näher an den Butler heran. Diesmal sollte der Schlag genau sitzen.

Parker wußte sich zu helfen.

Butch schlug gerade zu, als Parker warnend den Zeigefinger hob.

»Sie haben etwas übersehen«, sagte er dann zu dem verblüfften Butch, der seinen Schlag tatsächlich bremste.

»Na und?« Butch schnaufte vor Erregung und Anstrengung.

»Darf ich Ihnen etwas zeigen?«

Butch sah sich fragend nach dem jungen Walt um, der neugierig näherkam.

»Was haben wir vergessen?« fragte Walt verärgert, aber zugleich auch interessiert.

»Sehen Sie sich hier diese Streichholzschachtel an«, redete Parker überzeugend weiter und zauberte sie aus seiner Rocktasche. »Sie sieht, wie Sie sich überzeugen können, doch durchaus wie eine gewöhnliche Streichholzschachtel aus, nicht wahr?«

»Was soll der Unsinn?« fragte Walt ungeduldig.

»Gedulden Sie sich noch einen kleinen Moment«, antwortete der Butler und dämpfte geheimnisvoll seine Stimme. »Gleich werden Sie sehen, was es mit diesen Streichhölzern auf sich hat.«

Der Butler ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, öffnete die Schachtel und nahm ein einzelnes Streichholz hervor.

»Wenn ich dieses Streichholz anreibe«, dozierte er weiter, »wird nach allen bisherigen Erfahrungen eine kleine Flamme entstehen!«

»Na und?« Nun wurde auch der robuste Butch neugierig und beugte sich erwartungsvoll vor.

»Hier. Die Flamme!« Parker rieb das Streichholz an und betrachtete zufrieden die Flamme.

»Klar, das ist eine Flamme!« meinte Butch und nickte.

»Kommen Sie endlich zur Sache«, brauste Walt auf und sah den Butler gereizt an.

»Gewiß, gedulden Sie sich noch eine kleine Sekunde! Darf ich Ihre Aufmerksamkeit dort auf die Treppe hinlenken?«

Sie fielen auf den Bluff herein und wandten sich ab. Sie sahen zur Treppe hinüber, als erwarteten sie dort irgendwelche Wunder. Parker nutzte blitzschnell seine Chance und warf das Streichholz zum umgestürzten Kanister hinüber, der nach wie vor scharfen Benzingeruch verbreitete.

Die Dämpfe aus dem Kanister entzündeten sich augenblicklich.

Mit einem dumpfen Explosionsknall platzten sie auseinander. Der Kanister sprang hoch, als habe ihn ein wütender Fußtritt getroffen. Dann züngelte eine hohe Flamme auf und verbreitete sich schnell auf dem Boden.

Butch und Walt fuhren überrascht herum.

Sie prallten vor der Stichflamme zurück, wichen zur Seite und vergaßen für einen Moment den Butler, der sich sofort selbständig machte und seinen Universal-Regenschirm nachdrücklich einsetzte.

Walt griff nach seiner Waffe. Wenigstens sah es so aus. Doch bevor seine Hand in der Rocktasche verschwinden konnte, landete der Butler seinen ersten Schlag.

Walt brüllte auf. Er konnte plötzlich nicht mehr seinen Arm bewegen. Walt sah den Butler entgeistert an.

Butch fühlte sich veranlaßt, mit seiner Stahlrute zuzuschlagen. Doch er traf nur die erhitzte Luft, da die Flammen im Kellerraum gehörig einheizten. Bevor er die Stahlspirale erneut hochheben konnte, mußte er sich von Parkers Regenschirm nachdrücklich behandeln lassen. Das Resultat war für Parker erfreulich. Butch verlor sein Schlaginstrument und ging in die Knie.

»Ich rate dringend, den Keller zu verlassen«, meinte Parker, um dann zur Treppe zu gehen. »Viel Zeit dazu haben Sie ganz sicher nicht mehr!«

Parker stieg nach oben und blieb neben dem Wagen stehen, in dem man ihn hierher gebracht hatte.

Lange brauchte er auf die beiden Gangster nicht zu warten. Nacheinander stolperten und hasteten sie nach oben. Sie husteten und spuckten bereits aus voller Kehle und war überhaupt nicht mehr so forsch, wie sie sich anfangs gezeigt hatten.

Erschöpft und entnervt blieben sie neben dem Wagen stehen. Parker schienen sie bereits vergessen zu haben.

»Darf ich Sie bitten, Ihre Taschen zu leeren?« fragte Parker.

Auf diesen Satz hin wurden Butch und Walt wieder aktiv. Ohne sich verabredet zu haben, stürzten sie sich auf ihn. Sie hatten den festen Willen, sich an ihm und seinem Trick zu rächen.

Parker schien mit dieser Entwicklung gerechnet zu haben.

Seinen Universal-Regenschirm als eine Art Poloschläger verwendend, schlug er erneut zu, eine Handlungsweise, die er im Grunde seines Herzens ungemein bedauerte.

Walt und Butch waren dieser sportlichen Geste nicht gewachsen. Sie kippten, wie es im Volksmund so treffend heißt, aus den Pantinen und legten sich zu Parkers Füßen nieder.

Der Butler sicherte den Tascheninhalt der beiden Gangster. Er interessierte sich vor allen Dingen für das Zigarettenetui des jungen Mannes, das er allerdings ohne Prüfungen einsteckte. Dann ließ er einige Schriftsachen aus den beiden Brieftaschen folgen, öffnete die Garagentür und trat hinaus auf die Straße.

Als human eingestellter Mensch ließ er das Garagentor selbstverständlich offen, er wollte nicht, daß seine beiden Gegner Schaden litten. Dann schritt er ohne Hast, steif und aufrecht, die schmale Straße hinunter und hielt auf die breite, belebte Strandpromenade zu, die ihm im Moment wahrscheinlich die größte Sicherheit bot, eine Vermutung allerdings, die nicht unbedingt richtig zu sein brauchte.

*

Schon bald fand der Butler ein Taxi, das er anheuerte und von dem er sich hinaus zum Flugplatz bringen ließ. Zwei augenscheinlich verschiedene Gangstergruppen hatten sich bisher an ihn herangemacht. Und das alles nur, weil ein gewisser Henry Manters ihm Unterlagen gegeben haben sollte. Wo diese Unterlagen sich befanden, war Parker bekannt. Er dachte an die kurzen, knappen Worte des Ermordeten, der vom Schließfach 113 gesprochen hatte.

Um welche Unterlagen mochte es sich handeln? Parker brannte darauf, dies herauszubekommen. Dazu mußte er aber das Schließfach öffnen, und zwar ohne Schlüssel.

Vor dem Flughafengebäude ließ er sich absetzen.

Gemessen, mit der Würde des geborenen Aristokraten, schritt der Butler durch die große Wandelhalle und näherte sich der Stahlfront der Schließfächer. Es handelte sich um einzelne Fächer, deren Schlüssel man nach dem Einwurf bestimmter Geldmünzen zum Verschließen der Stahlfächer benutzen konnte.

Vor dieser Schließfachwand standen einige Flugreisende, die entweder ihre Reisetaschen ein- oder ausschlossen. Verdächtige Personen konnte der Butler nicht feststellen, doch das besagte nichts. Gangster liefen schließlich, rein äußerlich gesehen, nicht als Gangster herum.

Das Schließfach Nr. 113 war besetzt und verschlossen.

Parker hätte das Sicherheitsschloß wahrscheinlich überreden können, sich freiwillig zu öffnen, doch dazu fehlte es ihm jetzt an Zeit und an gewissen Hilfsmitteln. Er mußte zu einem anderen Trick Zuflucht nehmen.

Suchend sah er sich um.

Und schon entdeckte er einen Bodensteward, der sich in der Wandelhalle offensichtlich langweilte. Parker ging auf ihn zu, lüftete höflich seine schwarze steife Melone und verwandelte sich damit blitzschnell in einen älteren, zerstreuten Herrn, dem man nur zu gern seine Hilfe angeboten hätte.

»Ich brauche Ihren Rat und wahrscheinlich auch Ihre Hilfe«, redete Parker den Bodensteward an. »Ich muß meinen Schließfachschlüssel verloren haben.«

»Ja, Sir?« Der Bodensteward sah Parker freundlich und abwartend an.

»Ich benötige aber dringend mein kleines Reisegepäck, das sich in jenem Schließfach befindet«, redete der Butler weiter. »Darf ich hoffen, daß Sie mir helfen?«

»Selbstverständlich, Sir. Ich muß aber den Inspektor herbitten.«

»Wird das lange dauern?«

»Sofort, Sir. Einen kleinen Moment bitte!«

Parker blieb neben seinem Schließfach stehen, der junge Bodensteward trabte eilfertig davon, um nach wenigen Minuten mit einem seriösen Zivilisten zurückzukommen.

»Sie haben Ihren Schließfachschlüssel verloren?« erkundigte sich der Inspektor.

»In der Tat, in der Tat! Hoffentlich habe ich keine Schwierigkeiten. Ich werde den Verlust des Schlüssels selbstverständlich ersetzen.«

»Aber ich bitte Sie, Sir! Darf ich erfahren, was sich in Ihrem Schließfach befindet?«

Während der Inspektor noch fragte, öffnete er bereits mit einem Hauptschlüssel das Fach Nr. 113 und sah den Butler abwartend und prüfend an. Der Butler mußte sich blitzschnell eine plausible Erklärung einfallen lassen.

»Eine … eine Reisetasche, wenn ich nicht irre«, gab er gespielt zerstreut zurück.

»Stimmt«, verkündete der Inspektor, während der Bodensteward zufrieden nickte.

»Und was befindet sich in dieser Reisetasche?« fragte der Inspektor weiter. Und erneut, während er fragte, ließ er den Verschluß der dunklen Ledertasche aufspringen.

Parker dachte an die Unterlagen, von denen die Gangster bisher gesprochen hatten. Unterlagen … nun, das bedeutete doch, daß sich in der Tasche Schriftstücke befinden mußten.

»Akten«, murmelte Parker, »aber sehen Sie doch selbst nach!«

»Wenn Sie gestatten, Sir!« Der Inspektor holte zu Parkers Erleichterung einen Schnellhefter hervor, in dem er herumblätterte.

»Sehen Sie!« Parker nickte zufrieden. »Ich danke Ihnen für Ihre tatkräftige Hilfe, ich werde Sie überall zu rühmen wissen.«

Kleinen Moment noch.« Der Inspektor klappte den Schnellhefter wieder zu und fragte: »Und was befindet sich im Schnellhefter?«

»Konstruktionsunterlagen«, sagte Parker mit fester Stimme.

»Stimmt. Hier, Sir, Ihre Mappe.«

Parker nahm die Ledermappe entgegen und verbeugte sich.

»Sie sind Erfinder?« fragte der Inspektor respektvoll.

»In der Tat, in der Tat. Ich erfinde, wie man so sagt, am laufenden Band«, gab der Butler zurück. Dann nickte er noch einmal grüßend, um sich dann schleunigst abzusetzen.

Vor dem Flughafengebäude nahm er sich ein Taxi und ließ sich in die Innenstadt zurückbringen. Der Wagen hatte sich kaum in Bewegung gesetzt, als Parker auch schon die Ledermappe öffnete und den bewußten Schnellhefter hervorzog.

Es handelte sich tatsächlich um Konstruktionsunterlagen, die sich im Hefter befanden. Um sehr kompliziert aussehende Unterlagen übrigens, mit denen Parker nichts anzufangen wußte, da ein Gesamtaufriß des dargestellten Objektes fehlte.

Die vielen Detailzeichnungen, die übrigens nur aus Pausen bestanden, waren mit langen Zahlenkolonnen, Formeln und Berechnungen verziert. Der Schnittmusterbogen einer Modezeitschrift sah demgegenüber übersichtlich und einfach aus.

Parker packte die Unterlagen wieder zurück in die Mappe und überlegte.

Ohne Hellseher zu sein, witterte er so etwas wie einen Spionagefall. Aber um welch ein Objekt mochte es sich hier handeln? Seine eigene technische Vorbildung reichte nicht aus, um die Zeichnungen zu deuten. Parker fragte sich, ob es richtig war, sich an einen Fachmann zu wenden. Vielleicht an einen Ingenieur oder noch besser, an einen Patentanwalt.

Parker nickte. Ein Patentanwalt, das war die Lösung. Und je schneller erfuhr, was die Unterlagen darstellten, desto gründlicher konnte er seine Vorbereitungen treffen. Parker rechnete gerade jetzt nämlich mit weiteren Schwierigkeiten.

»Zur Industrie- und Handelskammer«, rief er dem Fahrer des Taxis zu. »Und ich habe absolut nichts dagegen, wenn Sie sich etwas beeilen.«

Parker sah durch das Rückfenster hinaus auf die Straße. Wurde er verfolgt? Oder hatten die beiden Gangstergruppen seine Spur verloren? Gönnte man ihm ungewollt eine kleine Atempause?

Parker fand aber doch nicht heraus, ob man ihn in Ruhe ließ. Er mußte es einfach darauf ankommen lassen.

*

Im Haus der Industrie- und Handelskammer fand Parker den gewünschten Patentanwalt. Der sportlich aussehende Mann mit der hohen Stirn und der randlosen Goldbrille sah Parker lächelnd an, als der Butler den Schnellhefter auspackte.

»Ich benötige Ihren diskreten, fachlichen Rat«, sagte Parker. »Begutachten Sie bitte den Wert dieser mir eingereichten Unterlagen, die ich zwischenfinanzieren soll.«

»So aus dem Handgelenk heraus läßt sich das nicht machen«, gab der Patentanwalt kopfschüttelnd zurück. »Doch lassen Sie mal sehen.«

Parker reichte den Schnellhefter über den Schreibtisch und blieb steif und ohne jede Nachlässigkeit der Muskeln auf der Kante des tiefen Besuchersessels sitzen.

Der Patentanwalt blätterte im Schnellhefter, schüttelte mehrfach den Kopf, beugte sich vor, lehnte sich wieder zurück und wurde von Minute zu Minute interessierter.

»Woher haben Sie diese Unterlagen?« fragte er schließlich und sah den Butler prüfend an.

»Sie sind mir eingereicht worden, ich sagte es schon.«

»Und Sie wissen nicht, um was es sich handelt?«

»Der Einreicher sprach von einer technischen Sensation.«

»Na ja …! Warten Sie, sich muß schnell was durchrechnen. Ich bin sofort wieder zurück, dann kann ich Ihnen bereits Einzelheiten sagen.«

Bevor Parker zustimmen oder ablehnen konnte, sprang der Patentanwalt auf und verschwand hinter einer Tür.

Parker hielt es natürlich nicht im Sessel aus. Auch er erhob sich, ging auf Zehenspitzen zur Tür und öffnete sie vorsichtig.

Der Patentanwalt stand in einer Art Registratur, deren Wände mit Regalen und Kartenkästen bedeckt waren. Er telefonierte und schien sehr aufgeregt.

»Polizei … Leutnant Canters? Na endlich. Hören Sie, Leutnant, hier ist ein komischer Mann bei mir … wie, ja bei mir im Büro, der streng geheime Konstruktionsunterlagen mit sich herumschleppt. Woher ich das weiß? Leutnant, ich sehe doch auf den ersten Blick, um was es sich handelt … Um was …? Leutnant, es handelt sich um Detailkonstruktionen eines Raumgleiters mit Gasplasmaantrieb. Das sagt Ihnen nichts? Spielt doch keine Rolle. Mir sagt das aber was … Die Unterlagen müssen aus Professor Manfields Büro stammen.«

Der Patentanwalt hörte jetzt wieder zu. Er legte den Schnellhefter aus der Hand und deponierte ihn in einem Regal. Parker fand, daß die Unterlagen recht günstig lagen.

Auf Zehenspitzen und mit der Lautlosigkeit einer erfahrenen Katze betrat Parker den Nebenraum, pirschte sich vorsichtig an den Patentanwalt heran und nahm den Schnellhefter an sich.

Auf Zehenspitzen ging er zurück zur Tür, verschwand im Büro des Patentanwaltes und empfahl sich. An einem weiteren Gespräch war er nicht mehr interessiert, zumal die Polizei ohne seine ausdrückliche Billigung eingeschaltet worden war.

Parker fuhr mit dem Expreßlift nach unten in die Halle der Handelskammer, betrat die Straße und suchte das Weite. Er wußte jetzt, welchen Kurs er zu steuern hatte.

*

Zuerst mußte er die Unterlagen in Sicherheit bringen. Gut, er hätte sie in Professor Manfields Büro abliefern können, aber waren sie gerade dort sicher? Stammten sie nicht aus dem Büro dieses Professors? Waren sie nicht gerade dort fotokopiert worden?

Parker hätte sich mit der Polizei in Verbindung setzen können. Sie war schließlich für solche Dinge zuständig. Doch würden die beiden Gangstergruppen das zur Kenntnis nehmen? Sie hielten ihn schließlich entweder für James Henderson, oder sie betrachteten ihn als eine billige Imitation jenes Mr. Henderson. In beiden Fällen mußte er mit weiteren Nachstellungen und Verfolgungen rechnen.

So lange sich die Unterlagen aber in seiner Hand befanden, besaß er so etwas wie eine Lebensversicherung.

Hinzu kam, daß Parker eben Kriminalist aus Leidenschaft war. Es reizte ihn einfach, in Erfahrung zu bringen, wer die Unterlagen fotokopiert hatte, wer dafür von wem bezahlt worden war und welche Gangstergruppe sich zusätzlich eingeschaltet hatte. Hier handelte es sich um einen Fall, der ihm einfach lag.

Die Frage war nur, OB er seinen jungen Herrn, Anwalt Mike Rander, benachrichtigen sollte und mußte. Durfte er auf eigene Faust handeln? War es nicht seine Pflicht, umgehend mit Mike Rander zu sprechen?

Parker einigte sich mit sich. Er beschloß anzurufen, aber nicht umgehend sondern sofort. Er wollte erst noch weitere Details zur Sache sammeln.

Nach seinem Besuch beim Patentanwalt erstand der Butler in einem Papierwarengeschäft Einschlagpapier, Kordel und Aufklebeadressen. Er fertigte ein handliches Päckchen an, in dem die Fotokopien staken. Dieses Päckchen adressierte er an einen Mr. Arthur Rivers, hauptpostlagernd Chikago. Er brachte es umgehend zur Post und war ungemein erleichtert, als sich dieses Päckchen in der Obhut der US Mail befand. Ein sichereres Versteck hätte er sich überhaupt nicht wünschen können.

Damit waren seine speziellen Vorbereitungen aber noch nicht beendet. Es galt noch sehr viel zu tun.

Parker suchte im Branchenverzeichnis von Miami nach einem ganz bestimmten Geschäft. Anschließend suchte er es auf. Es handelte sich um ein Scherzartikelgeschäft, das er am Rande der Stadt besuchte.

Parker war hier in seinem Element.

Mit fast jungenhaftem Eifer suchte und wählte er. Er investierte fast fünfzig Dollar und ließ sich die eingekauften Artikel sorgfältig verschnüren.

Doch damit nicht genug. Parker schien von einem Einkaufsfieber erfaßt worden zu sein.

Nach dem Besuch im Geschäft für Scherzartikel aller Art war er in einem Eisenwarengeschäft zu sehen, in dem er eine Stahlkassette erstand. Sie war groß genug, um Fotokopien bequem aufzunehmen.

Damit immer noch nicht genug.

Josuah Parker tauchte wenig später in einer Fachbuchhandlung auf. Er ließ sich eingehend beraten und entschied sich schließlich für ein mathematisches Werk, in dem sich Formelsammlungen, Diagramme, Konstruktionsskizzen und sonstige rätselhafte Zeichnungen vereinigten.

Parker war immer noch nicht zufrieden. Es gehörte zu seinen Grundprinzipien, Dinge, die getan werden mußten, gründlich zu tun. In diesem Zusammenhang scheute er dann weder Kosten noch Mühen.

Nach seinen Einkäufen kehrte er für eine knappe halbe Stunde in einer stillen Bar ein, wo er das mathematische Werk gründlich rupfte.

Parker löste bestimmte Seiten aus dem Band, sortierte, verwarf und entschied sich. Schließlich hatte er ein Bündel fliegender Blätter vor sich, die ihm außerordentlich gefielen, was den Inhalt anbetraf, von dem er verständlicherweise zwar nichts verstand, die aber außerordentlich fachgerecht wirkten.

Diese Buchseiten trug Parker anschließend in eine Fotokopieranstalt, wo man ihm ohne viel Fragen Fotokopien anfertigte. Der Butler konnte gleich an Ort und Stelle auf die prompte Erledigung seines Auftrages warten.

Beladen mit seinen Einkäufen erschien er anschließend in einem Autoverleih und mietete sich einen Ford. Er wollte unabhängig sein und nicht auf Taxis warten müssen.

Er verstaute seine Einkäufe, setzte sich ans Steuer und verließ Miami. Außerhalb der Stadt parkte er den Ford und beschäftigte sich sehr intensiv mit seinen eingekauften Artikeln. Er brauchte fast eine knappe Stunde, bis er alles zu seiner vollsten Zufriedenheit geregelt hatte.

Dann verließ er den Parkplatz und suchte abseits der Straße ein stilles Fleckchen Erde. Nach einigem Suchen fand er eine von Steintrümmern gebildete natürliche Höhe. Hier stellte er seine Kassette ab, kehrte zurück zum Ford und fuhr zurück in die Stadt.

Während dieser Fahrt spiegelte sein sonst so undurchdringliches Pokergesicht stille Zufriedenheit wider. Parker hatte seine Vorbereitungen gründlich getroffen. Von ihm aus konnten die diversen Gangstergruppen sich wieder sehen lassen.

*

Parker wohnte natürlich nicht im »Miramare«. Das hatten nur Mike und Joe geglaubt, die ihn ja für James Henderson hielten. Parker war im »Seaside« abgestiegen, einem Hotel der soliden Mittelklasse, in dem man seine Ruhe und seinen durchschnittlichen Komfort hatte.

Er war gespannt, ob man ihn bereits aufgespürt hatte. Er unterschätzte weder Mike noch Joe, weder Walt noch Butch. Sie verstanden gewiß ihr Handwerk. Oder hatten es verstanden, wie Joe …

Parker betrat scheinbar arglos das Hotel, in dem er unter seinem richtigen Namen wohnte. Er ließ sich vom Portier den Zimmerschlüssel geben und fuhr mit dem Lift nach oben. Als er vor der Zimmertür stand, beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Es handelte sich nicht um ein normales Angstgefühl, es war mehr ein inneres Alarmzeichen. Er fühlte und wußte deutlich, daß gewisse Dinge seiner harrten.

Er hätte zurückgehen können. Ihm stand es noch frei, schleunigst die Stadt zu verlassen. Er brauchte sich nur zu entscheiden. Doch Parker dachte überhaupt nicht an diese Möglichkeit. Er schob den Schlüssel ins Schloß und sperrte auf.

Im Zimmer hatte sich nichts verändert.

Bis auf den frischen, warmen und noch würzigen Zigarettenrauch, der unter der Zimmerdecke hing. Parker nahm ihn zur Kenntnis, ließ sich jedoch nichts anmerken. Er ging quer durch das Zimmer und wollte die Tür zum kleinen Balkon öffnen.

»Lassen Sie die Tür zu!«

Die Stimme, die ihm diesen Befehl zurief, kam gedämpft und hörte sich fast angenehm an.

Parker drehte sich um.

Aus dem Badezimmer kam ein dunkelgrau gekleideter Mann von zirka vierzig Jahren. Er war schlank, mittelgroß und hatte ein regelmäßig geschnittenes Gesicht.

»Sie überraschen mich«, stellte der Butler fest.

»Das war auch der Sinn der Sache«, gab der ungebetene Besucher lächelnd zurück. »Sie haben gewiß etwas Zeit für mich, oder?«

»Diese Zeit werde ich mir nehmen müssen, fürchte ich.«

»Gut, daß Sie Ihre Lage richtig einschätzen.« Der Mann ließ sich in einem Sessel nieder und sah den Butler prüfend an. »Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen, Henderson.«

»Sind Sie sicher, daß ich Mr. Henderson bin?« fragte Parker.

»Natürlich … Warum sollten Sie es nicht sein?«

»Jeder Mensch soll irgendwo auf der Welt seinen ganz persönlichen und unverwechselbaren Doppelgänger haben«, antwortete der Butler.

»Kommen Sie mir nicht mit solchen Ausreden, Henderson. Sie passen nicht zu Ihnen.«

»Nun gut, und wie darf ich Sie anreden?«

»Wie Sie wünschen. Was sind schon Namen, Henderson. Unterstellen Sie, daß ich die rechte Hand des Chefs bin.«

»Mit Ihrer Erlaubnis werde ich also unterstellen«, erwiderte Parker höflich und ließ sich ebenfalls in einem der Sessel nieder. »Und nun zu Ihren Fragen …!«

»Gut, Henderson. Wir wissen, daß Henry Manters Ihnen gewisse Unterlagen übergeben wollte. Er hat dafür von Ihrer Gruppe Geld bekommen. Wieviel, interessiert mich nicht. Manters wurde, das wissen Sie, kurz nach dieser Übergabe erschossen. Verräter müssen sterben, das ist das ungeschriebene Gesetz unserer Branche. Sie, Henderson, besitzen nun die Unterlagen. Wir sind nicht daran interessiert, daß sie nach London gelangen. Wir sind bereit, Ihnen die Unterlagen abzukaufen.«

»Einer Ihrer Leute namens Mike wollte mir verbindliche Zahlen nennen.«

»Er sprach von fünfzehntausend Dollar …!«

»Mal zwei, wenn ich das gleich an dieser Stelle sagen darf.«

»Gut, dreißigtausend, Henderson. Dafür brauche ich die Unterlagen sofort.«

»Wer garantiert mir mein Leben, an dem ich außerordentlich hänge?«

»Wir!« war die lakonische Antwort. »Von dem Mord an Joe wollen wir in diesem Zusammenhang nicht weiter reden, Henderson. Es war Ihr gutes Recht, ihn abzuschütteln. Er hätte ja besser aufpassen können.«

»Ihre Moral ist erstaunlich«, sagte Parker.

»Unsere Zahlungsmoral ebenfalls. Also, wann bekomme ich die Unterlagen zurück?«

»Sind Sie sicher, daß ich sie nicht schon weitergegeben habe?«

»Vollkommen sicher, Henderson, sonst hätten Sie Miami längst verlassen. Ohne die Unterlagen wären Sie sonst hier bereits ein toter Mann.«

»Ihre Betrachtungsweise hat etwas für sich«, räumte Parker ein. »Ich gestehe, daß ich die Unterlagen noch besitze.«

»Dann können wir ja ins Geschäft kommen. Oder haben Sie sonst noch etwas auf Lager?«

»Sie vergessen die Seite, für die ich die Unterlagen abholen sollte«, wagte Parker sich vor. »Man wird mir diesen Vertrauensbruch äußerst übelnehmen.«

»Das ist Ihr Problem«, antwortete der Besucher. »Sie können ja noch heute losfliegen. Südamerika ist sehr groß. Dort wird sich schon ein Plätzchen für Sie finden lassen, oder?«

»Sie unterschätzen die Rachsucht meiner bisherigen Arbeitgeber«, gab der Butler weiter zu bedenken.

»Ihre Arbeitgeber, wie Sie sie nennen, sind weit.«

»Mitnichten, wenn ich Sie auf diesen grundlegenden Irrtum aufmerksam machen darf.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Man hat mich sicherheitshalber beschattet«, bluffte Parker. »Ich weiß, daß ich beobachtet wurde und werde.«

»Von wem und seit wann?« Der Besucher wurde sehr interessiert.

»Seit meiner Ankunft hier in Miami. Sie dürfen versichert sein, daß ich nicht übertreibe.«

»Gut, Henderson, Sie sollen eine zusätzliche Chance erhalten.« Der Besucher stand auf. »Sobald Sie uns die Unterlagen verkauft haben, werden wir Sie in einer Privatmaschine wegschaffen.«

Parker schmunzelte heimlich in sich hinein. Er konnte sich auch ohne große Phantasie vorstellen, wie dieses ›Wegschaffen‹ gemeint war. Man wollte ihn ermorden und die Kaufsumme einsparen.

»Kann ich mich auf Mr. X verlassen?« fragte Parker.

»Mr. X?« Die Augen des Besuchers verengten sich um eine Spur. Die Nennung dieses Pseudonyms schien ihm nicht zu passen. »Woher haben Sie diesen Ausdruck, Henderson?«

»Joe war so frei, ihn mir zu nennen. Er beging damit hoffentlich keine Indiskretion?«

»Kaum …! Hat Joe sonst noch was erzählt?«

»Er war ein liebenswerter Mensch«, gestand Parker. »Und außerordentlich mitteilsam, zumal wir ja nicht fremd in dieser Branche waren.«

»Einzelheiten!« Der Besucher sah nicht mehr sonderlich freundlich aus.

»Der Name ›Professor Manfield‹ fiel«, tastete Parker sich weiter vor.

»Professor Manfield?« Der Besucher hüstelte nervös. Er schien die Erwähnung dieses Namens nicht erwartet zu haben.

»Genau dieser Name wurde von Joe genannt«, wiederholte der Butler. Ein Name übrigens, der mir einiges sagt, wenn ich das am Rande betonen darf.«

»Was sagt Ihnen der Name Manfield?«

»Professor Manfield arbeitet, wenn ich mich nicht sehr täusche, für die Raumfahrt«, faßte der Butler zusammen. »Dem Vernehmen nach soll er einen neuartigen Raumgleiter mit einem noch neuartigeren Antrieb entwickelt haben. Oder sollte ich mich doch irren?«

»Vergessen Sie, was Sie gehört haben«, sagte der Besucher scharf. »Sie reden sich um Kopf und Kragen!«

»Aber hoffentlich nicht um den vereinbarten Preis«, parierte der Butler, um wieder zur Sache zu kommen. »Wann darf ich mit dem Bargeld rechnen?«

»In einer halben Stunde ist alles erledigt«, sagte der Besucher. »Und wann bekommen wir die Unterlagen?«

»Sofort nach Eingang der abgesprochenen Zahlungen.«

»Sie haben die Unterlagen doch nicht hier im Zimmer, oder?«

»Ich wette, das wissen Sie inzwischen genauso gut und sicher wie ich«, antwortete Parker mit einem andeutungsweisen Lächeln. »Wie ich unterstellen darf, haben Sie mein Zimmer doch bereits gründlich durchsucht.«

»Es gibt immer wieder neue Verstecke!«

»Aber doch nicht für Fotokopien«, gab der Butler zurück. »Nein, ich könnte die Unterlagen zusammen mit Ihnen holen. Sind Sie eventuell mit dieser Regelung einverstanden?«

»Ich mache Ihnen einen Gegenvorschlag, Henderson.«

»Ich bin ganz Ohr, wie es so treffend heißt.«

»Wir fahren zuerst zu mir. Dort bekommen Sie das Geld. Dann holen wir gemeinsam die Unterlagen.«

»Ein Vorschlag, den ich gern akzeptiere«, willigte der Butler ein. »Von mir aus können wir die Dinge in Angriff nehmen.«

Parker und sein Besucher gingen zur Tür des Hotelzimmers. Der Butler war innerlich froh, diesen Kontakt hergestellt zu haben. Das Dunkel lichtete sich bereits. Die ersten Spuren wurden sichtbar. Seine Vermutung bestätigte sich. Wider Willen war er in eine Spionageaffäre hineingeraten. Und in der Person des Besuchers hatte er es mit einem Mann zu tun, der Mr. X sehr nahesteht, jenem Mr. X, von dem Joe andeutungsweise gesprochen hatte und der der Chef der einen Spionagegruppe sein mußte.

Der Besucher öffnete die Tür und drehte sich zu Parker um.

»Henderson«, sagte er mahnend, »Sie werden uns doch hoffentlich nicht hinhalten wollen, oder? Das könnte tödlich für Sie sein!«

»Keineswegs«, entgegnete der Butler. »Sie sollten in mir den reellen Geschäftspartner sehen. Zudem bin ich mir längst klar darüber, wie gefährlich ich augenblicklich lebe.«

Der Besucher nickte lächelnd und trat hinaus auf den Flur.

Bruchteile von Sekunden später kehrte er zurück.

Nach einem kaum hörbaren ›Plopp‹ fiel der Besucher rücklings ins Zimmer und taumelte gegen den Butler.

»Ist Ihnen nicht wohl?« erkundigte Parker sich überflüssigerweise. Dann ließ er seinen toten Besucher vorsichtig zu Boden gleiten und sah zu dem eintretenden Mann hoch, der ihm irgendwie bekannt vorkam.

»Sind Sie nicht jener Walt, der mich zur Besichtigung seines Garagenkellers eingeladen hatte?« fragte Parker dann. Er mußte fragen, denn das Gesicht Walts war leicht verunstaltet und wies einige handfeste Brandblasen auf.

*

Parker befand sich in tödlicher Gefahr.

Walt vor ihm hielt einen schallgedämpften Revolver in der Hand, dessen Mündung auf den Butler gerichtet war. In den Augen Walts brannte mörderischer Haß. Er sah in Parker den Mann, der ihn überlistet hatte. Ein Mann wie Walt konnte so etwas nicht verwinden.

»Ich sollte dich abschießen!« fauchte er leise und gereizt. Parker sah deutlich, daß Walts Zeigefinger den Stecher der Waffe bis zum Druckpunkt durchzog. Jeden Augenblick konnte der tödliche Schuß fallen. In diesem Moment war es Walt wohl vollkommen gleichgültig, was aus den Unterlagen wurde.

»Ich hätte Sie für beherrschter gehalten«, meinte Parker gespielt überlegen und gelassen. »Sie werden mir meinen Freimut hoffentlich nicht übel ankreiden, doch wie hätten Sie sich an meiner Stelle verhalten?«

Walts Gesicht entspannte sich.

Der Zeigefinger gab dem Stecher etwas mehr Spielraum.

»Komm’ schon!« meinte Walt dann mit heiserer Stimme. »Aber jetzt keine Mätzchen oder Tricks mehr, sonst ist es aus!«

»Ich bin mir, wie ich bemerken möchte, meiner Lage durchaus bewußt«, erwiderte Parker. »Gestatten Sie, daß ich Hut und Regenschirm mitnehme. Ich trenne mich nur ungern von ihnen.«

Walt nickte langsam und ließ den Butler nicht aus den Augen. Parker setzte sich die schwarze, steife Melone auf, griff nach seinem Universal-Regenschirm und betrat den Korridor, ohne sich weiter um seinen toten Besucher kümmern zu können.

Sie benutzten den Lift und fuhren bis hinunter in den Keller des Hotels, das war wohl auch der Weg, den Walt benutzt hatte. Parker ließ sich willig durch einige Kellerräume bugsieren und landete schließlich in einem engen Hof, in dem ein Wagen stand.

Der kompakte Butch saß am Steuer.

Seine Hände waren dick bandagiert. Auch er schien vom Feuer in der Garage mitgenommen worden zu sein. Er sah Parker haßerfüllt an, sagte aber kein Wort.

Walt nahm neben Parker Platz. Er bohrte ihm den Lauf seiner Waffe in die Seite.

»Wir holen jetzt die Unterlagen«, sagte er mit bedeutend ruhigerer Stimme.

»Ich fürchte, die habe ich in meinem Hotelzimmer zurückgelassen«, gab der Butler zurück.

»Unsinn, Parker …!«

»Sie kennen meinen Namen?«

»Ob der richtig ist, steht auf einem anderen Blatt. Im ›Seaside‹ sind Sie jedenfalls als Josuah Parker abgestiegen, und das genügt mir vollkommen.«

»Darf ich höflichst fragen, wie Sie mich so schnell gefunden haben?«

»’ne Type wie Sie, Parker, fällt auf. Das war nicht besonders schwer.«

»Womit ich bewiesen haben dürfte, daß ich mich niemals als James Henderson ausgegeben habe.«

»Das spielt alles keine Rolle. Sie haben aber die Unterlagen, auf die ich scharf bin, Parker. Und die will ich jetzt haben!«

»Ich fürchte, Sie haben mich durchschaut!« Parkers Stimme lang ein wenig traurig und enttäuscht.

»Sie sind ein verdammt gerissener Bursche«, redete Walt weiter. Seine eben noch haßerfüllte Stimme wurde wieder leichter und etwas wärmer. »Für wen haben Sie Manters hereingelegt? Etwa auf eigene Rechnung?«

»Wollen Sie die Wahrheit hören?«

»Versuchen Sie, mir Ihre Ausreden gut zu verkaufen.« Walt lächelte zum ersten Mal, was bei den Brandblasen im Gesicht nicht besonders leicht zu bewerkstelligen war.

»Ich bin wider Willen in diese Affäre hineingeraten«, gestand Parker und hatte den Vorzug, sich an die Wahrheit halten zu können. »Henry Manters muß mich mit dem wirklichen James Henderson verwechselt haben.«

»Angenommen, die Sache stimmt, Parker, warum haben Sie sich dann nicht an die Polizei gewendet?«

»Dafür erscheinen mir die überreichten Unterlagen zu wichtig zu sein.«

»Sie wissen, was Manters Ihnen in die Hand gespielt hat?«

»Natürlich nicht, dazu reicht meine bescheidene Vorbildung nicht aus. Aber ich spüre, daß es sich um sehr wichtige Dinge handelt. Wenn Sie mich fragen, so denke ich an gewisse Konstruktionsunterlagen.«

»Mit denen Sie nichts anfangen können, Parker. Seien Sie froh, wenn Sie das Zeug los sind!«

»Sie hingegen wissen, um welche Unterlagen es sich handelt?«

»Möglich, aber das geht Sie nichts an, Parker. Reden wir doch mal vernünftig miteinander. Ich gebe Ihnen tausend Dollar für das Zeug. Im ersten Moment hört sich das verdammt knauserig an, ich weiß, aber Sie bekommen noch etwas dazu.«

»Können Sie sich möglicherweise etwas deutlicher ausdrücken?«

»Sie bekommen Ihr Leben dazu«, sagte Walt. »Ich finde, das ist mit Geld kaum zu bezahlen.«

»Wenn ich nur wüßte, ob ich Ihren Worten trauen darf.«

»Lassen Sie es doch darauf ankommen, Parker. Etwas Risiko müssen auch Sie schließlich tragen. Also, wohin müssen wir fahren?«

»Sie wollen mich zwingen, die Unterlagen auszuliefern?«

»In jedem Fall, Parker, dafür hängt für meine Gruppe zu viel dran. Wir kennen Mittel und Wege, jeden Menschen zum Sprechen zu bringen. Da sind wir sehr erfinderisch!«

»Ich glaube, Sie haben mich überzeugt«, entgegnete der Butler. »Nun denn, ich gehe auf Ihren Vorschlag ein. Sagen Sie Ihrem Mitarbeiter, daß er vor die Stadt fahren soll und zwar in Richtung Norden. Ich werde ihm dann rechtzeitig sagen, wo er abbiegen muß.«

»Ich wußte doch, daß Sie vernünftig sind, Parker.« Walt grinste mühsam und lockerte den Druck des Waffenlaufs. »Wir werden uns schon verstehen!«

»Ich freue mich über Ihren Stimmungsumschwung«, erklärte der Butler und entspannte sich ebenfalls. »Eines verstehe ich allerdings nicht, Mr. Walt, wenn ich Sie so nennen darf.«

»Und das wäre?«

»Warum besorgten Sie sich nicht selbst jene Unterlagen, die ich nun besitze?«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Nun denn, jene Unterlagen müssen doch einem rechtmäßigen Besitzer gehört haben«, führte der Butler weiter aus. »Volkstümlich ausgedrückt, warum bedienten Sie sich nicht gleich an der Quelle?«

»Sie kennen unsere Branche eben nicht.« Walt lächelte trotz der Brandblasen. »Ich merke immer mehr, daß Sie von wirklicher Agentenarbeit keine Ahnung haben.«

»Selbst ein älterer Mann wie ich läßt sich gern aufklären.«

»Wir wären an die Unterlagen niemals herangekommen. Wenigstens nicht direkt. Dazu brauchten wir einen Mittelsmann.«

»Der in diesem Fall also Henry Manters hieß, nicht wahr?«

»Sie haben es erfaßt, Parker.«

»Und Mr. Henderson war Ihr Mittelsmann für den Kauf, ja?«

»Sie begreifen immer besser, Parker. Geschäfte dieser Art läßt man immer über Mittelsmänner laufen.«

»Darf ich meine Neugierde noch etwas höherschrauben?«

»Na los, von mir aus!«

»Sie sind der Anführer dieser Gruppe, nicht wahr?«

»Ja …!«

»Und für welchen Staat sind Sie tätig?«

»Jetzt werden Sie unverschämt, Parker. Glauben Sie, darauf würde ich antworten?«

»Darf ich mir höflichst erlauben, eine gewisse Vermutung zu äußern?«

»Worauf wollen Sie denn jetzt schon wieder hinaus?«

»Ist es möglich, daß sowohl Ihre Gruppe als auch die Männer hinter Manters und Joe beide für einen Aufkäufer arbeiten. Ist es möglich, daß es nur darum geht, wer schneller ist, wer also zur Kasse schreiten darf, wie es im Volksmund so treffend heißt?«

Walt nahm langsam den Kopf herum und sah den Butler prüfend und nachdenklich an.

»Sie haben es verdammt schnell erfaßt«, sagte der dann, lächelte diesmal aber nicht. »Zu schnell eigentlich. Ich glaube doch, daß Sie nicht zufällig in diese Geschichte hineingeraten sind.«

»Sie befinden sich in einem gefährlichen Irrtum«, protestierte der Butler sofort. »Ich hatte mir nur den Luxus der Logik erlaubt.«

»Wann müssen wir denn abbiegen?« schaltete Butch sich vom Steuer her in diese aufschlußreiche Unterhaltung ein.

»Bald, schon recht bald«, erwiderte Parker. »Steuern Sie den nächsten Parkplatz an!«

Parker hätte sich liebend gern weiter mit Walt unterhalten, doch der junge Mann mit den Brandblasen im Gesicht schwieg sich beharrlich aus. Er schien sehr nachdenklich geworden zu sein. Und auch sehr mißtrauisch. Denn immer wieder beobachtete er den Butler, der so würdevoll und seriös aussah, es aber faustdick hinter den Ohren hatte.

*

»Sie haben uns doch hoffentlich nicht geleimt, oder?«

Walt blieb vor Parker stehen, der vom Parkplatz hinunterdeutete.

»Sie haben mein Wort, daß sich die Kassette dort befindet«, erwiderte der Butler.

»Soll ich schnell hinüberlaufen und sie holen?« Butch bot seine Dienste an.

»Wir gehen zusammen hin«, antwortete Walt und schüttelte den Kopf. »Und Sie, Parker, werden uns das Ding in die Hand drücken. Ich lasse mich nicht mehr auf ein Risiko ein.«

»Ich fürchte, Sie mißtrauen mir.«

»Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Sie arbeiten mit zu vielen Tricks. Los, gehen wir!«

Parker mußte vorausgehen.

Und er hatte ein sehr schlechtes Gefühl, denn ihm war schon längst klar, warum dieser Walt so offen zu ihm gewesen war. Walt wollte ihn nach dem Aufspüren der Kassette umbringen. Daran ließ sich nichts deuteln. Dafür hatte Parker die Unterhaltung zu weit vorangetrieben, hatte Walt bereits zu viel gesagt.

Die drei Männer hatten den Parkplatz verlassen und schritten auf die große Geröllhalde zu, auf der sich Kakteen, Büsche und Sträucher breitgemacht hatten. Weit und breit war kein Tourist zu sehen. Die drei Männer waren ganz unter sich.

»Hier ist es«, sagte Parker und blieb stehen. Er wies auf die natürliche kleine Höhle, die von Steintrümmern gebildet wurde.

»Dann holen Sie das Ding heraus!« Walt hatte seine Schußwaffe gezogen und ließ den Butler nicht aus den Augen. Sein Fahrer Butch spielte mit einer Eisenkette, die in seiner Hand ein ungemein gefährliches Schlaginstrument sein mußte.

Parker beugte sich nieder und zog die Kassette hervor. Er hob sie hoch und präsentierte sie den Blicken der beiden nach wie vor mißtrauischen Männern.

»Los, schließen Sie schon auf«, sagte Butch. »Diesmal legen Sie uns nicht herein, Parker.«

»Um an den Schlüssel zu gelangen, müßte ich in meine Westentasche greifen.«

»Daran hindert Sie kein Mensch. Aber nur keine hastigen Bewegungen, Parker, sonst könnten wir nervös werden.«

Parker zog den Schlüssel aus der Westentasche und befleißigte sich dabei langsamer, gemessener Bewegungen. Er hielt sich genau an die Anordnungen, die Walt ihm erteilt hatte.

»Ist es Ihnen so recht?«

Parker blieb vor Walt und Butch stehen.

Er führte den Schlüssel in das Schloß der Kassette, drehte ihn herum und … ließ den Deckel der Kassette aufspringen.

Zwei starke Spiralfedern unter dem Deckel dehnten sich blitzartig aus. Sie warfen nicht nur den Deckel hoch, sondern wirbelten auch ein halbes Kilo Niespulver hoch.

Dadurch wurde den beiden Gangstern nicht nur die notwendige Sicht genommen, sondern sie mußten auch eine äußerst starke und unangenehme Reizung ihrer Schleimhäute erleben.

Darüber vergaßen sie die Waffen in ihren Händen.

Butch warf beide Arme hoch und brach in einen gewaltigen Nieser aus. Es schüttelte ihn derart durch, daß er fast umgeworfen wurde.

Walt nieste ebenfalls, aber wesentlich diskreter.

Dann tränten seine Augen, zumal Parker unter das Nießpulver auch eine gehörige Portion Pfeffer untergemischt hatte. Walt heulte wie ein Schloßhund und verlor jede Übersicht.

Parker entwaffnete die beiden hilflosen Agenten, was ihm in Anbetracht der Umstände erstaunlich leicht fiel. Um ihnen weitere Qualen zu ersparen, tippte der Butler seine stahlblechgefütterte schwarze Melone auf die Köpfe der beiden Männer, die daraufhin sofort von den Beinen waren.

Parker war kein Unmensch oder Sadist.

Er begnügte sich damit, den beiden Agenten die Schuhe auszuziehen. Er warf sie irgendwohin ins Gelände, wo sie nicht zu leicht zu finden waren. Dann schloß er die Kassette, wischte sich eine verstohlene Träne aus den Augenwinkeln, da auch er etwas von dem Niespulver und Pfeffergemisch abbekommen hatte und schritt samt der Kassette zurück zum parkenden Wagen.

Er wußte natürlich, daß er zwei Todfeinde zurückließ, doch das störte ihn nicht. Schließlich war er ja nach wie vor der Besitzer der Fotokopien. Und nur er allein wußte, daß sie falsch waren.

*

Eine Rückkehr ins »Seaside« war für Parker unmöglich.

Dort mußte man inzwischen den niedergeschossenen Agenten namens Joe gefunden haben. Dort wartete ganz sicher die Polizei auf ihn, um ihm sehr neugierige Fragen zu stellen. Da Parker weder Zeit verlieren wollte, noch an weiteren, zusätzlichen Schwierigkeiten interessiert war, entschied er sich für ein nettes Motel am Rande der Ausfallstraße, das in unmittelbarer Nähe der See lag.

Dieses Motel bestand aus einem Wirtschaftsteil, in dem auch die notwendigen Büros untergebracht waren und vielen, kleinen vollklimatisierten Einzelbungalows, in denen kombinierte Wohn- und Schlafzimmer, ein Küchenteil und das obligate Bad untergebracht waren.

Parker ließ sich einen Bungalow anweisen, der sich im äußersten Winkel des Geländes befand. Hier war er nicht nur ungestört, hier konnte er weiteren, ungebetenen Besuchen in aller Ruhe entgegensehen. Bei etwaigen Schießereien wurden so wenigstens keine Motelgäste in Mitleidenschaft gezogen.

Anschließend benutzte Parker den Wagen der Gangster, um am ›Seaside‹ vorbeizufahren. Er war überrascht, keine Polizeifahrzeuge vor dem Motel zu sehen. War die Leiche seines unbekannten Besuchers noch nicht gefunden worden? Standen die Fahrzeuge auf der Rückseite des Hotels?

Parker hielt Ausschau nach seinem Leih-Ford. Der Wagen stand nach wie vor auf dem Parkplatz und schien nicht bewacht zu werden. Eine endgültige Sicherheit besaß Parker natürlich nicht.

Er dachte an sein persönliches Gepäck oben im Hotelzimmer. Es handelte sich zwar nur um etwas Wäsche und um einen Ersatzanzug. Dinge, die sich leicht neu beschaffen ließen. Doch als sparsam veranlagter Mensch wollte Parker nicht unnötig darauf verzichten. Er hielt unweit des ›Seaside‹ an und überlegte, wie er sich sein Gepäck zurückbeschaffen konnte. Er hatte noch keine besonders günstige Lösung gefunden, als plötzlich eine Limousine dicht an seinem Leih-Ford vorbeischoß, scharf abbremste und quer vor ihm anhielt.

Ein Blitzstart des Butlers war damit schon im vorhinein vereitelt worden.

Zwei Männer fielen förmlich aus dem Wagen.

Sie kamen mit schnellen Schritten auf Parkers Ford zu. Und jeder von ihnen hatte seine rechte Hand in die Tasche des Jacketts gesteckt, eine Geste, die dem Butler nun wirklich nicht unbekannt war.

Parker seufzte auf.

Er hatte natürlich mit geübtem Auge festgestellt, daß er zwei Kriminalbeamte vor sich hatte. Sie mußten ihn beim Passieren des »Seaside« gesehen und verfolgt haben. Es zeigte sich wieder einmal, daß Parkers Kleidung, die er doch so sehr schätzte, auch ihre Nachteile hatte. Er fiel damit und darin auf wie ein bunter Hund.

Die beiden Wagentüren des Leih-Ford wurden jäh aufgerissen.

Parker wußte beim besten Willen nicht, in welchen Pistolenlauf er blicken sollte. Er hatte wirklich die freie Wahl, denn beide Zivilisten hatten ihre Schußwaffen gezogen.

»Parker …?« fragte einer der beiden Männer, ein untersetzter, stämmiger Beamter mit eisgrauem Haar und kalten, prüfenden Augen.

»In der Tat, mein Name ist Parker«, erwiderte der Butler höflich. »Was kann und darf ich für Sie tun …?

»Klopfen Sie ihn nach Waffen ab«, sagte der Eisgraue zu seinem wesentlich jüngeren Begleiter. Dieser junge Mann besorgte das mit Routine und nur mühsam gebändigtem Eifer. Er bekam fast Stielaugen, als er die beiden Beuteschußwaffen des Butlers hervorzog.

»Sie sind erst mal verhaftet«, meinte der Eisgraue, der sich innerlich etwas entspannte. »Alles, was Sie jetzt Vorbringen, Parker, kann später gegen Sie verwendet werden.«

»Ich bedanke mich für diesen liebenswürdigen Hinweis«, entgegnete der Butler höflich. »Doch möchte ich gleich betonen, daß ich nichts zu verheimlichen habe, Leutnant Canters …!«

»Sie … Sie kennen mich?« Leutnant Canters hüstelte überrascht.

»Vorerst leider nur dem Namen nach, Sir«, gab der Butler zurück. »Aber ich möchte meiner ehrlichen Hoffnung Ausdruck verleihen, daß sich das noch ändern wird.«

»Dafür garantiere ich, Parker …!«

Leutnant Canters’ Stimme nahm einen drohenden Unterton an. Seine Augen wurden so kalt wie das Tieffrosterfach in einem Kühlschrank.

*

»Eine miesere Geschichte konnten Sie mir wohl nicht auftischen, wie?« Leutnant Canters schüttelte verächtlich den Kopf, als Parker geendet hatte. »Sie erwarten doch nicht, daß ich Ihnen glaube, oder?«

»Ich bin nicht sicher«, gab Parker höflich zurück. Er befand sich seit gut einer Stunde im Büro des Kriminalleutnants und hatte seine Geschichte erzählt.

»Gestehen Sie schon, daß Sie Paul Adams niedergeschossen haben.«

»Mr. Paul Adams ist also jener Unglückliche, der vor meinem und in meinem Hotelzimmer ermordet wurde?«

»Warum fragen Sie noch? Sie müssen ihn ja schließlich gekannt haben. Ich möchte nur wissen, Parker, warum Sie es getan haben …! Ohne Grund schießt man doch keinen Menschen nieder.«

»Vielleicht hängt der Mord an Paul Adams mit seinem Beruf zusammen?« Parker wußte nicht, wohin diese Unterhaltung trieb, doch er versuchte, dem Gespräch eine neue Wendung zu geben. Dazu gehörte es eben, daß er verschiedene Möglichkeiten antippte,

Leutnant Canters nahm einen Schnellhefter hoch, in dem er nachdenklich herumblätterte.

»Paul Adams war technischer Zeichner«, meinte Leutnant Canters dann beiläufig. »Wo sehen Sie da einen Zusammenhang, Parker? Wenn es einen gibt, dann können nur Sie ihn genau kennen.«

»Erlauben Sie mir eine weitere Frage? »

»Schön, schießen Sie los, Parker.«

»Darf ich fragen, in welchem Betrieb Mr. Adams als technischer Zeichner gearbeitet hat?«

»Bei Professor Manfield …!« Canters schien erst jetzt so etwas wie einen inneren Zusammenhang bemerkt zu haben. Ruckartig hob er den Kopf und sah den Butler aus zusammengekniffenen Augen an.

»Ich freue mich ehrlich, daß auch Sie gewisse Dinge bemerkt haben«, sagte Parker freundlich. »Nach meinen bisherigen Informationen sind gewisse Konstruktionsunterlagen dieses Professors ohne sein Wissen fotokopiert worden. Wenn mich nicht alles täuscht, sollten diese Unterlagen über den inzwischen ermordeten Henry Manters einem gewissen James Henderson in die Hände gespielt werden, der sie seinerseits an eine andere Agentengruppe weiterleiten wollte …!

»Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen dies glaube, oder?«

»Es steht Ihnen frei, Sir, mir zu glauben«, erwiderte Parker höflich. »Doch möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie, je länger Sie sich mit mir beschäftigen, desto mehr Zeit verlieren werden.«

Leutnant Canters zündete sich eine Zigarette an. Er schob den Schnellhefter zurück auf den Schreibtisch, ging zum Fenster seines Büros und sah nach unten auf die Straße. Dann, Parker den Rücken zuwendend, faßte er noch einmal zusammen.

»Sie behaupten also, daß wir es mit zwei Agentengruppen zu tun haben, die beide hinter Professor Manfields Unterlagen her sind, ja?«

»Sie sehen die Dinge vollkommen richtig …!«

»Sie behaupten weiter, daß die geheim aufgenommenen Fotokopien von einem Verräter der ersten Gruppe an einen Mittelsmann der zweiten Gruppe weiterverkauft werden sollten, ja?«

»Vollkommen richtig, Sir. Ich weiß, Sie meinen jetzt Henry Manters und James Henderson.«

»Schön, bleiben wir mal bei Ihrer Geschichte, Parker. Manters, der seine eigene Agentengruppe übers Ohr hauen wollte, verwechselte Sie mit diesem Henderson und wollte Ihnen die Unterlagen aushändigen, ja?«

»Bis auf Kleinigkeiten stimmen Ihre Bemerkungen, Sir.« Parker drückte sich absichtlich etwas vorsichtig aus, zumal er Leutnant Canters nichts davon gesagt hatte, daß er nun die Unterlagen besaß.

»Weiter, Parker … Paul Adams erschien in Ihrem Hotelzimmer, um mit Ihnen über die Fotokopien zu verhandeln. Er gehört also zur Gruppe Joe-Mike, oder?«

»Ich freue mich ehrlich, Sir, wie klar Sie die Zusammenhänge erkennen«, sagte Parker.

»Joe und Paul Adams wurden Ihren Worten zufolge von einem gewissen Walt erschossen. Der Begleiter und Partner dieses Walt soll Butch heißen, stimmt das immer noch?«

»Sir, ich möchte mir erlauben, Sie zu dieser Zusammenfassung zu beglückwünschen«, freute Parker sich laut. »Mit wenigen, präzisen Worten haben Sie den Stand der Dinge genau Umrissen.«

»Aber eben noch nicht von Ihrer Rolle gesprochen …!« Leutnant Canters sah den Butler grimmig an. »Was ich hier zusammengefaßt habe, sind doch nur Behauptungen von Ihnen … Sie verlangen doch nicht, daß ich Ihre Geschichte für wahr halte, oder?«

»Sie sollten sich über meine bescheidene Wenigkeit informieren, Sir«, schlug der Butler vor. »Ein mehr oder weniger kurzes Telefongespräch in und nach Chikago wird zeigen, daß ich tatsächlich Josuah Parker heiße und als Butler für Mr. Mike Rander tätig bin.«

»Das braucht Sie doch nicht zu hindern, sich als Agent und Mörder zu betätigen, wie?«

»Grundsätzlich pflichte ich Ihnen natürlich bei, Sir, doch in diesem speziellen Fall nicht …! Ich bin wider Willen, ich wiederhole es noch einmal, in diese Geschichte hineingeraten. Während Sie sich darauf versteifen, daß ich der Mörder von Mr. Paul Adams bin, sollten Sie doch lieber versuchen herauszubekommen, wie es möglich war, daß man Professor Manfields Unterlagen fotokopieren konnte.«

»Und wie war das Ihrer Ansicht nach möglich?«

»Nun, Sir, sehr einfach, wenn ich mir diesen bescheidenen Hinweis gestatten darf. Im Büro des Professors muß sich ein Spitzel oder ein Agent befinden …!«

*

Es war Abend geworden.

Josuah Parker hielt sich in seinem Bungalow auf und räumte sein Gepäck ein. Stundenlang hatte sich seine Unterhaltung mit Leutnant Adams hingezogen, doch er hatte es geschafft, als freier Mann das Kriminalbüro zu verlassen. Er hatte Leutnant Canters davon überzeugt, daß er ein harmloser, müder, alter und überforderter Mann war. Ob Canters ihm letztlich glaubte, stand auf einem anderen Blatt. Parker rechnete natürlich fest damit, daß Canters ihn überwachen ließ, doch das störte ihn kaum. Hauptsache, er konnte sich wieder frei bewegen.

Zuerst galt es, den Bungalow gegen ungebetene nächtliche Gäste abzusichern. Dazu hatte Parker sich auf der Rückfahrt einige zusätzliche Spezialitäten besorgt.

Es handelte sich um ordinäre Schmierseife, wie sie in jedem Seifengeschäft zu erhalten war, um Reißnägel, um Knallerbsen und schließlich noch um eine solide Hängematte aus Nylongewebe.

Parker brauchte nur wenig Zeit, um seine Vorbereitungen zu treffen. Unterhalb der Fenster, der Terrassentür und des Eingangs verschmierte er ausgiebig Schmierseife und würzte das alles mit Reißnägeln, die er, mit der Spitze nach oben, in die fettige Masse drückte. Auf dem Spannteppich verstreute er die Knallerbsen, die den Vorzug hatten, nach dem unabsichtlichen Zertreten mit lautem Knall zu platzen. Dann spannte er seine Hängematte dicht unter der Decke auf und begab sich zur Ruhe. Das Bett berührte er nicht. Er wollte sichergehen, daß er die Nacht überlebte.

In der Hängematte überdachte er noch einmal alle Argumente.

Es mußte tatsächlich zwei Agentengruppen geben, die sich gegenseitig bis aufs Messer bekämpften. Auf der einen Seite gab es Männer, die es verstanden hatten, Professor Manfields Unterlagen zu fotokopieren.

Diese Fotokopien waren allem Anschein nach von Henry Manters gestohlen worden, der zu dieser Agentengruppe gehörte, aber auf eigene Rechnung arbeitete. Manters hatte versucht, die Fotokopien über Henderson an die Agentengruppe Walt zu verkaufen. Dabei war er erschossen worden. Und zwar sehr wahrscheinlich von den Leuten, die sich die Kopien besorgt hatten.

Die Frage war, wie die Agenten um Adams es geschafft hatten, an die Unterlagen des Professors heranzukommen. Sie mußten einen Spitzel im Labor des Professors haben. Wenn der Professor nicht selbst …

Nun, Parker schüttelte den Kopf. Es war wohl ausgeschlossen, daß Professor Manfield selbst die Kopien angefertigt hatte. Oder doch nicht? Parker beschloß, auch diese Frage gründlich zu klären.

Parker dachte an den Patentanwalt.

Lester Gatewell, wie dieser Mann mit der hohen Stirn und der randlosen Goldbrille hieß, hatte wenige Sekunden nach dem Betrachten der echten Fotokopien gewußt, um was es sich handelte. Verfügte ein durchschnittlicher Patentanwalt über solch ein Wissen? War solch ein Mann in der Lage, komplizierte Berechnungen und Unterlagen auf Anhieb richtig zu deuten?

Auch diese Frage mußte geklärt werden.

Wichtig war und blieb für Parker der Hinweis, den er von Leutnant Canters erhalten hatte. Der ermordete Paul Adams, der die Kopien hatte zurückkaufen wollen, war technischer Zeichner gewesen. Und zwar im Büro des Professors. Gab es eine Querverbindung zwischen dem erschossenen Adams und irgendeinem Angehörigen des Konstruktionsbüros?

Nun, Parker mußte auch diese Frage klären, wenn er den Fall lösen wollte.

Vorerst galt es aber, der Ruhe zu pflegen.

Parker rekelte sich in seiner Hängematte zurecht und schlief bald darauf ein, denn sein gutes Gewissen erwies sich wieder einmal als ungewöhnlich sanftes Ruhekissen …

*

Etwa zwei Stunden nach Mitternacht wurde Parker wach.

Ein feines, klirrendes Geräusch hatte ihn aufgeschreckt. Er blieb vollkommen ruhig in der Hängematte liegen und sah zu der Fensterfront seines kleinen Bungalows hinüber. Dort glaubte er einen Schatten zu sehen.

Kaum hörbar öffnete sich das Fenster nach oben.

Nun war eine Gestalt schon fast genau zu erkennen. Mit größter Vorsicht stieg sie über die Fensterbank, blieb dort einen Augenblick sitzen und lauschte in das Zimmer hinein.

Der Eindringling kam zu dem Schluß, daß alles in bester Ordnung war. Er ließ die Beine vorsichtig herunter und glitt auf der Schmierseife prompt aus. Er verlor das Gleichgewicht, stieß vor Schreck einen unterdrückten Schrei aus und landete auf seiner Kehrseite.

Es handelte sich um einen äußerst unglücklichen Fall, denn der Mann landete mit seinem Gesäß in den von Parker vorbereiteten Heftzwecken, die sich natürlich ohne Schwierigkeiten, ja, fast gierig, in seine Gesäßmuskeln bohrten.

Der Eindringling schrie jetzt nicht mehr unterdrückt auf. Er jaulte wie ein getretener Hund, sprang mehr als hastig hoch und glitt auf der rutschigen Schmierseife erneut aus.

Das unschöne Spiel – vom Eindringling aus gesehen – wiederholte sich. Der Mann verlor erneut das Gleichgewicht, landete wieder auf seinem Gesäß und mußte erleben, wie tückisch, bohrend und auch schmerzhaft Reißnägel sein konnten.

Wie von vielen Taranteln gebissen, ein schreckliches Gebrüll ausstoßend, fuhr er erneut hoch und versuchte die Flucht zu ergreifen. Er hatte das verständliche Bestreben, von der Schmierseife herunterzukommen. Der Eindringling schien sich auf Rollschuhen zu befinden, so rutschte, stolperte und glitt er an den Fenstern entlang, bis er endlich den rettenden Boden der Zimmermitte hinter sich hatte.

Doch hier warteten neue Überraschungen auf ihn.

Er trat auf die diversen Knallerbsen, die Parker im Zimmer verstreut hatte. Ein gutes Dutzend kleinerer Detonationen brach auf. Der vollkommen nervös gewordene Gast wurde von ihnen durch das Zimmer gehetzt und kam, ohne es zu wissen oder auch nur zu ahnen, in die Unmittelbare Nähe des Butlers, der in seiner Hängematte unter der Zimmerdecke hing.

Parker brauchte sich nicht sonderlich anzustrengen.

Er nahm seinen Universal-Regenschirm in die Hand und ließ den bleigefütterten Bambusgriff nach unten ins Zimmer fallen. Dieser Griff senkte sich auf den Kopf des Eindringlings, der daraufhin einen fast erleichterten Seufzer ausstieß und dankbar zu Boden ratschte. Nach einem weiteren Seufzer schloß er die Augen und trat ab in eine wohltätige Ohnmacht.

Parker war ein vorsichtiger Mensch, wie man immer wieder lesen und feststellen kann. Er dachte nicht im Traum daran, sofort seine Hängematte zu verlassen. Er wußte ja nicht, ob dieser Eindringling nicht vielleicht noch einen Partner mitgebracht hatte. Und solch ein Partner im Hintergrund konnte unter Umständen äußerst unangenehm werden.

Der Butler blieb also erst einmal liegen und wartete ab.

Er wartete zumindest auf das Auftauchen eines Kriminalbeamten, den Leutnant Canters für ihn abgestellt hatte. Dieser Mann mußte das Detonieren der Knallerbsen doch unbedingt gehört haben. Warum ließ er sich denn immer noch nicht blicken?

Die Sekunden verstrichen, doch draußen vor dem Bungalow blieb alles vollkommen ruhig. Parker wollte sich gerade aus der Hängematte nach unten ins Zimmer gleiten lassen, als er schnelle Schritte vor dem noch hochgeschobenen Fenster hörte. Dann tastete sich der scharfgebündelte Lichtschein einer Taschenlampe in das dunkle Zimmer hinein. Er wanderte nervös durch den Raum und blieb auf dem am Boden liegenden und noch immer schlafenden Eindringling haften.

Scharren auf dem Fensterbrett. Der Besitzer der Taschenlampe mühte sich ins Zimmer hinein. Wer dieser zweite Besucher war, konnte Parker nicht ausmachen. Er unterstellte sicherheitshalber, daß es sich um einen weiteren Agenten handelte.

Auch dieser Besucher erlebte peinliche Dinge.

Selbstverständlich glitt auch er auf der Schmierseife aus, selbstverständlich landete auch er in den Reißzwecken und verständlicherweise brüllte auch dieser Mann in den verschiedensten Stimmlagen auf. Dann stolperte er ungewollt über den am Boden liegenden ersten Besucher und hatte das Pech, mit seinem Kopf gegen den nach unten hängenden, bleigefütterten Bambusgriff des Universal-Regenschirms zu kommen. Kurz, auch dieser Besucher legte sich schlafen, nicht ohne ebenfalls ein erleichtertes Stöhnen von sich gegeben zu haben.

Parker wußte, daß das Intermezzo damit beendet war.

Er stieg gemessen aus der Hängematte, zog erst einmal die Vorhänge vor, ohne sich der tückischen Schmierseife anzuvertrauen, um dann das Licht einzuschalten.

Er sah sich die beiden Eindringlinge genauer an.

Sie waren nicht mehr fremd für ihn.

Es handelte sich um Walt und Butsch, jene beiden Agenten, die nicht nur einen Garagenkellerbrand hinter sich hatten, sondern augenscheinlich auch einen längeren Fußmarsch auf Socken. Sie trugen jetzt sehr leichte und ungemein bequeme Tennisschuhe, die gerade ausgereicht haben mochten, die angeschwollenen Füße der beiden Männer aufzunehmen …

*

Leutnant Canters ließ sich kaum seine Überraschung anmerken, als er die beiden Agenten sah.

Parker hatte sie wohlverschnürt und außer Gefecht gesetzt. Sie saßen auf der Eckcouch und starrten wütend vor sich hin. Sie wußten wohl, daß sie verspielt hatten.

»Guter Gedanke, daß Sie mich angerufen haben, Parker.« Canters zündete sich eine Zigarette an. »Wissen Sie, wo mein Mann geblieben ist?«

»Sie hatten also tatsächlich einen Beobachter für mich abgestellt, Sir?«

»Nur zu Ihrer Sicherheit«, sagte Canters lächelnd. »Na ja, der wird sich früher oder später einfinden. Meine Leute suchen bereits nach ihm. Hoffentlich ist er diesen beiden Kerlen nicht in die Arme gelaufen …!«

»Sie kennen die Herren Walt und Butch …?«

»Nicht direkt, Parker, aber wir werden bald Genaueres wissen. Das sind also auch zwei Interessenten für Ihre Unterlagen?«

»In der Tat, sie dürften die zweite Agentengruppe darstellen, von der ich Ihnen bereits erzählen durfte, Sir.«

»Für die dieser Henderson die Unterlagen besorgen sollte, nicht wahr?«

»Ich freue mich ehrlich und ungemein, Sir, daß Sie meine Version der Geschichte noch so genau und in allen Einzelheiten kennen.«

Canters baute sich vor Walt auf. Er sah ihn lange und prüfend an. Dann wandte er sich an Parker.

»Das ist der Mann, der Adams und diesen Joe erschossen hat, oder?«

»Ich kann Ihnen nur beipflichten, Sir …!«

»Und das da ist der Hund, der die Unterlagen hat«, fauchte Walt und wies mit dem Kinn auf Parker. »Sie haben uns wieder mal reingelegt, Parker. Gut, aber eines Tages werden Sie dafür zahlen müssen.«

»Ich wüßte wirklich nicht, von welchen Unterlagen Sie sprechen«, wunderte sich der Butler.

»Über die Unterlagen werden wir uns gleich unterhalten, Parker …!« Canters lächelte den Butler freundlich an, doch dieses Lächeln blieb wieder einmal kalt wie ein Eisschrank.

»Sie sollten vorerst mehr an Walt und Butch denken«, lenkte der Butler ab. »Und Sie sollten nicht alles glauben, was man Ihnen erzählt, Sir!«

»Er besitzt die Unterlagen«, brauste Walt unbeherrscht auf. »Er hat uns mit den falschen hereingelegt.«

»Woher wußten Sie, daß sie falsch sind? Sie müssen über außerordentliche Kenntnisse verfügen.«

Parker sah den jungen Walt anerkennend an.

»Ich weiß es eben, die Fotokopien in der verdammten Kassette waren falsch.«

»Wovon wird hier eigentlich geredet?« mischte Leutnant Canters sich mürrisch ein. Er wandte sich wieder einmal an den Butler. »Packen Sie endlich aus, Parker. Was wird gespielt?«

»Bevor ich rede, müßten erst einmal diese beiden Nachtschwärmer entfernt werden«, sagte Parker in seiner ruhigen, gemessenen Art. »Es gibt Dinge, die nicht für jedes Ohr geeignet sind.«

Canters ging zur Tür und stieß sie kurz auf. Dann winkte er zwei Kriminalbeamte herein, die sich mit Walt und Butch befaßten. Nach wenigen Minuten saßen sie in einem Streifenwagen und wurden ins Hauptquartier der Polizei geschafft. Canters und Parker blieben im Bungalow allein zurück.

»Jetzt sind Sie an der Reihe«, meinte Canters und lächelte den Butler kalt an. »Ich nehme an, Sie haben mir einige Dinge unterschlagen, oder?«

»Sir, Sie haben es mit einem müden, alten und relativ verbrauchten Mann zu tun, der die Mitte des Lebens fast überschritten hat. Ausfallerscheinungen und eine gewisse Vergeßlichkeit müssen durchaus einkalkuliert werden. Mit anderen Worten, ich könnte durchaus einige Dinge nicht erzählt haben, weil ich sie einfach in der allgemeinen Aufregung vergaß.«

»Hauptsache, Sie erinnern sich jetzt und hier, Parker.«

»Ich werde mir redliche Mühe geben, Sir.«

Parker erzählte erneut seine Geschichte, vergaß diesmal aber nicht eine einzige Kleinigkeit. Er befaßte sich vor allen Dingen mit den falschen und echten Fotokopien und hielt sich lange mit seinen Vermutungen auf, wie die echten Unterlagen des Professors Manfield wohl ausgewertet worden sein konnten.

Parker sprach von seinem Verdacht, daß im Büro des Professors ein Spitzel arbeitete; und er genierte sich ferner nicht, auch den Patentanwalt Lester Gatewell ins Gespräch zu bringen.

»Ich weiß inzwischen, wie gut Sie reden können, Parker«, meinte Canters und schmunzelte. Diesmal wirkte er fast freundlich und weniger kalt als sonst. »Sie reden dennoch um den heißen Brei herum.«

»Ich bin mir wirklich keiner Schuld bewußt, Sir!«

»Wo sind die Unterlagen, die Sie aus dem Schließfach geholt haben?«

»Sie meinen, wenn ich richtig gehört habe, die tatsächlichen Fotokopien, Sir?«

»Sie haben richtig gehört, Parker. Wo sind die Unterlagen? Sie dürfen auf keinen Fall in die falschen Hände gelangen. Das werden Sie inzwischen eingesehen haben!«

»Sir, ich besitze sie wirklich«, gestand Parker zusätzlich und unnötigerweise.

»Ich weiß das doch inzwischen«, brauste Canters gereizt auf. »Sie haben mir ja gerade davon ausführlich erzählt. Verstehen Sie doch, ich will wissen, wo die Dinger sind. Ich will sie sicherstellen.«

»Doch, das kann ich durchaus verstehen, Sir! Übrigens, sind die echten Konstruktionsunterlagen nun ebenfalls in Sicherheit?«

»Professor Manfield hat sie dem CIA übergeben. Und CIA leitet sie an die NASA weiter.«

»Wieso an die Weltraumbehörde, Sir? »

»Weil Manfield für die NASA tätig ist, verstehen Sie? Er hat die Entwicklungen und Konstruktionen im Rahmen eines Teilauftrags entwickelt.«

»Jetzt beginne ich zu begreifen, Sir! Professor Manfield hat Wünsche, Anregungen und Rohentwürfe durchentwickelt. Sehe ich die Dinge so richtig?«

»Ja doch!« Canters schnaufte gereizt. »Warum diese Fragen? Wollen Sie sich um eine Antwort herumdrücken? Wollen Sie mir nicht sagen, wo die verflixten Fotokopien sind?«

»Davon kann keine Rede sein, Sir!«

»Wo stecken sie also?«

»Sir, ich erlaube mir, Ihnen mein Geheimnis anzuvertrauen.«

»Tun Sie es doch endlich!«

»Nun denn, Sir, die Fotokopien befinden sich zur Zeit in einer geeigneten Ledermappe.«

»Und wo befindet sich die Ledermappe? Wollen Sie mich wahnsinnig machen?«

»Ganz sicher nicht, Sir, so etwas würde ich niemals wagen.«

»Also, wo steckt die Ledermappe? Parker, reden Sie endlich, sonst vergesse ich mich!«

»Selbstbeherrschung müßte eigentlich die erste Tugend eines Kriminalbeamten sein«, erklärte Parker. »Um Ihre Geduld aber auf eine nicht zu harte Probe zu stellen, möchte ich sagen, daß die bewußte Ledermappe sich in einem Strandhaus befindet. Und dieses bewußte Strandhaus, Sir, befindet sich am Colar-Beach. Wenn Sie erlauben, begleite ich Sie dorthin und übergebe sie Ihnen!«

*

»Was versprechen Sie sich eigentlich von diesem Trick?« fragte Leutnant Canters, als sie im Wagen saßen.

»Ich bin sicher, daß unsere Unterhaltung belauscht wurde, Sir!«

»Wie kommen Sie denn darauf, Parker?«

»Ein vages Gefühl, das in Ihrem Sinne natürlich nicht beweiskräftig ist. Aber ich spürte, daß wir belauscht wurden!«

»Der Bungalow war doch abgesichert. Ich war schließlich nicht allein gekommen, Parker.«

»Man wird sehen, Sir. Wenn meine Vermutungen zutreffen, werden Sie und meine bescheidene Wenigkeit nicht allein am Colar Beach sein.«

»Schön, lassen wir uns überraschen, Parker. Aber wo befinden sich die Unterlagen nun wirklich?«

»In Sicherheit, Sir, dafür übernehme ich jede Garantie.«

Canters, der am Steuer seines Dienstwagens saß, nahm kurz und prüfend den Kopf herum. Er sah den Butler abwägend an.

»Mit anderen Worten, Sie trauen selbst mir nicht über den Weg, wie?«

»Wie Sie es ausdrücken, Sir, klingt es fast brutal«, antwortete der Butler.

»Ob brutal oder nicht, Parker. Sie wollen also nicht reden, ja?«

»Ich möchte mir noch etwas Zeit lassen, Sir. Sie werden gewiß verstehen, daß ich …«

»Und wenn Ihnen nun was zustößt? Damit müssen Sie immer rechnen. Was geschieht dann mit den Fotokopien? Ich wiederhole noch einmal, Parker, sie sind für die Forschung und für die Landesverteidigung ungemein wertvoll.«

»Deswegen eben meine Vorsicht«, meinte Parker. »Richten wir doch unser Augenmerk auf etwaige Verfolger. Vielleicht erwartet man uns schon am Colar-Beach.«

»Hoffentlich, Parker, hoffentlich, dann kann meine Falle wenigstens zuschnappen. Ich habe über Polizeifunk meine besten Leute herausbeordert. Die warten nur darauf, die Falle zuschnappen zu lassen.«

Die weitere Fahrt zum Colar-Beach im Norden der Stadt verlief fast wortlos. Parker hing wieder einmal seinen Gedanken nach, während Canters sich auf die Straße konzentrierte. Noch war es stockfinster.

Nach einer Fahrt von ungefähr zwanzig Minuten hatten sie den weißen Sandstrand hinter den Dünen erreicht. Ein erstaunlich kühler Wind kam von der See her. Das Rauschen der Brandung war deutlich zu hören.

Canters ließ seinen Wagen vor einer Düne stehen und sah den Butler dann abwartend an.

»Gehen wir«, schlug Parker vor. »Ich brenne darauf zu erfahren, wer und was und ob sich überhaupt etwas in der Falle finden wird!«

Die beiden Männer stiegen aus und schritten auf die Dünen zu, hinter denen sich die kleinen Strandhäuschen aus Holz befanden. Von der eigentlichen Falle war nichts zu sehen. Canters mußte seine Leute erstklassig postiert haben. Sie gingen in der Dunkelheit unter.

»Ich schlage vor, wir gehen auf irgendein Strandhaus zu«, flüsterte der Butler seinem Begleiter zu.

»In Ordnung, gehen Sie voraus!«

Parker kam dem Wunsch des Kriminalleutnants sofort nach, schritt würdevoll durch den tiefen, weichen Sand und hielt auf eines der schwach und andeutungsweise erkennbaren Strandhäuser zu.

Er hatte kaum zehn Meter hinter sich gebracht, als er plötzlich hinter sich ein schwaches, scharrendes Geräusch hörte.

Parker wandte sich blitzschnell um und verzichtete auf seine gewohnte Gemessenheit der Bewegungen.

Dennoch war er nicht schnell genug.

Er erhielt einen schmetternden Schlag auf den Schädel und rutschte dann haltlos in sich zusammen.

*

Als er wieder zu sich kam, fühlte er sich nicht besonders wohl. Sein Kopf schmerzte, sein Kreislauf war leicht gehemmt. Das hing mit den soliden Stricken zusammen, die ihn einschnürten. Parker orientierte sich mühsam in dem dunklen, feuchten und muffig riechenden Raum. Er fand heraus, daß er auf einer Art Pritsche lag, an die man ihn zusätzlich noch angebunden hatte.

Natürlich machte der Butler sich so seine Gedanken.

Wer mochte ihn so plötzlich niedergeschlagen haben? Sein Verdacht richtete sich verständlicherweise auf Leutnant Canters, der nur wenige Schritte hinter ihm hergegangen war. Arbeitete Leutnant Canters etwa mit den Agenten Hand in Hand? War er von ihnen bestochen worden?

Ein scheußlicher Gedanke! Gab es überhaupt irgendwo auf der Welt einen Polizeibeamten, der nicht getreu seinem Diensteid arbeitete? Nein, was nicht sein durfte, konnte eigentlich nicht sein. Im Sinne eines intakten Weltbildes bannte Parker seine finsteren Gedanken und blieb selbstverständlich skeptisch, denn aus Zeitungen und Nachrichtensendungen waren ihm schließlich genug Fälle bekannt, in denen Beamte aller Klassen zu Tätern und Verbrechern geworden waren. Schließlich waren auch Beamte nur mehr oder weniger schwache Menschen, die durchaus stolpern konnten.

»Leutnant Canters … Sir …?« Parker rief leise, erhielt jedoch keine Antwort. Statt dessen flammte wenige Sekunden später ein Licht unter der niedrigen Betondecke auf.

Mit einem schnellen, umfassenden Blick konnte Parker sich orientieren. Er lag tatsächlich auf einer niedrigen Holzpritsche, befand sich tatsächlich in einem feuchten Keller und war tatsächlich auch sorgfältig wie ein Wertpaket verschnürt worden. Neben der Liege lagen seine schwarze Melone und sein Universal-Regenschirm.

Eine mit Eisenblech beschlagene Tür öffnete sich.

Mike trat ein, jener Mike, der zusammen mit Joe Henry Manters erledigt hatte.

Mike sah verschlossen aus. Er kam mit schnellen Schritten zur Liege, um dann nachdenklich auf den Butler zu sehen.

»So sieht man sich wieder, würde ich sagen.« Parker versuchte ins Gespräch zu kommen.

»Sie wissen, weshalb wir Sie eingefangen haben, oder?«

»Selbstverständlich, Mr. Mike, wenn ich Sie so nennen darf, Sie möchten die bewußten Fotokopien haben, die Manters an Henderson weiterreichen wollte, nicht wahr?«

»Nach wie vor!« Mike nickte. »Verzichten wir auf alle Redereien, Parker. Kommen wir sofort zur Sache. Wo sind die Fotokopien?«

»Am Colar-Beach, draußen in einem Strandhaus!«

»Unsinn!«

»Ich merke, daß Sie mir nicht glauben.«

»Der Trick mit Colar-Beach war dünn«, erwiderte Mike und lächelte zum ersten Mal. »Er war allerdings gut genug, Sie abzufangen, Parker.«

»Sie durchschauten diesen Trick, den ich für gut hielt?«

»Er war billig, aber gut genug, um Sie einzufangen«, wiederholte Mike noch einmal.

»Darf ich mich nach meinem Begleiter, Leutnant Canters, erkundigen?«

»Dürfen Sie, aber auf die Antwort müssen Sie warten, Parker. Jetzt sind wir erst mal an der Reihe!«

»Sie sprechen von jenem sagenhaften und geheimnisvollen Mr. X, der der Chef Ihrer Agentengruppe ist?«

»Woher haben Sie diese Weisheiten, Parker?« Mike sah nicht mehr gemütlich aus.

»Ihr Freund Joe berichtete mir davon. Und Mr. Paul Adams genierte sich ebenfalls nicht, von jenem Mr. X zu sprechen.«

»Wegen Joe und Adams werden wir uns unterhalten. Ganz sicher sogar!«

»Sie glauben doch nicht, daß ich diese beiden Herren umgebracht habe, Mr. Mike?«

»Was ich glaube, spielt keine Rolle. Ich halte mich an Tatsachen!«

»Womit wir wieder bei den Unterlagen wären, Mr. Mike, ich weiß!«

»Sie haben fünf Minuten Zeit, mir das Versteck der Fotokopien zu verraten, Parker. Haben Sie bis dahin nicht gesprochen, geht es Ihnen schlecht.«

»Sie kennen meinen richtigen Namen inzwischen auch?«

»Wenn schon. Die Kopien sind wichtiger! Also, fünf Minuten Zeit gebe ich Ihnen!«

»Sie sollten noch nicht gehen, Mr. Mike«, sagte Parker, als Mike sich ab wenden und zur Tür gehen wollte. »Bevor ich das Versteck preisgebe, möchte ich noch einige Fragen stellen.«

»Beeilen Sie sich, Sie haben nur fünf Minuten.«

»Sie wissen, daß Ihre Konkurrenten Walt und Butch festgenommen wurden?

»Ihr Glück, sonst hätten wir sie früher oder später aus dem Weg geräumt.«

»Gehören Walt und Butch einer Konkurrenzgruppe an?«

»Warum fragen Sie? Walt und Butch arbeiten für eine englische Gruppe oder auch vielleicht auf eigene Rechnung. Gleichgültig für uns!«

»Sie machten sich an Henry Banters heran, jenen Mann also, der die Fotokopien als Kurier wegschaffen sollte, nicht wahr?«

»Warum reden Sie über Selbstverständlichkeiten, Parker? Warum vergeuden Sie Ihre Zeit.«

»Um der Klarheit willen, wenn ich mich so ausdrücken darf! Walt und Butch schickten jenen Mr. Henderson los, der die Unterlagen übernehmen sollte, nicht wahr?«

»Warum fragen Sie, wenn Sie ohnehin schon alles wissen?«

»Mr. Adams gehörte zu Ihrer Gruppe?«

»Ja, wie Joe!«

»Und sie alle arbeiten für Mr. X, nicht wahr?«

»Sollten Sie eigentlich längst begriffen haben, Parker. Aber warum diese alte Platte? Mit Mr. X können Sie überhaupt nichts anfangen. Sie werden niemals dahinterkommen, wer er in Wirklichkeit ist.«

»Aber Sie ebenfalls! Sie sind doch auch nur ein Handlanger!«

»War, Parker, War.« In Mikes Stimme stahl sich ein gewisser Stolz.

»Ich begreife. Nach Paul Adams Ermordung sind Sie aufgerückt, nicht wahr?«

»Ihre Zeit verstreicht, Parker! Was haben Sie davon, wenn Sie wissen, daß ich jetzt Mr. X kenne?«

»Nun, damit besitze ich eine interessante und aufschlußreiche Information!«

»Mit der Sie nichts anfangen können, Parker. Sie haben noch zwei Minuten. Gut gerechnet. Wenn Sie nicht reden, werden wir die Wahrheit aus Ihnen herausholen. Wir wissen, wie man so etwas macht!«

»Sie haben es immerhin mit einem müden, alten und relativ verbrauchten Mann zu tun!«

»Nein, mit einem gerissenen Fuchs, dem man nicht über den Weg trauen darf, Parker. Mir machen Sie nichts mehr vor! Stecken Sie Ihre Masche auf!«

»Seit unserer Begegnung sind Sie sehr selbstbewußt geworden!«

»Möglich.« Mike grinste.

»Und vielleicht auch ein wenig zu sicher.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Sagten Sie nicht, daß Sie Mr. X kennen?«

»Na und? Worauf wollen Sie hinaus?«

»Sie waren sein Handlanger, und Sie werden es auch bleiben. Sie werden Mr. X die Fotokopien beschaffen. Und danach wird er Sie, verzeihen Sie den vulgären Ausdruck, abservieren. Weil Sie nämlich zuviel wissen.«

»Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf, Parker, dagegen läßt sich allerhand tun. Mich serviert man nicht ab, verlassen Sie sich darauf.«

»Sie halten Professor Manfield nicht für gefährlich?«

Parker war gespannt, wie sein Bluff wirkte. Am Gesicht von Mike mußte sich zeigen, ob er einen genauen Treffer angebracht hatte.

»Professor Manfield?« Mike dehnte den Namen wie ein Gummiband und sah Parker eindringlich an. »Wie kommen Sie auf Manfield?«

»Nur über Professor Manfield war und ist an die Konstruktionsunterlagen heranzukommen«, schlußfolgerte der Butler. »Nur Professor Manfield kann die Erlaubnis zum Anfertigen der Fotokopien gegeben haben.«

»Sie sind auf dem falschen Dampfer, Parker. Gerade Manfield hätte die Kopien ja selbst anfertigen können. Gerade er doch!«

»Dann hätte sich der Verdacht später direkt auf ihn gerichtet, Mike, begreifen Sie?«

»Sie glauben also, daß Professor Manfield als Mr. X eine Agentengruppe aufgezogen hat, damit seine eigenen Unterlagen fotokopiert werden konnten. Und das nur, um nicht in Verdacht zu geraten, seine Arbeiten an eine fremde Macht verkauft zu haben? Klingt ziemlich umständlich und unwahrscheinlich. Finden Sie nicht auch?«

»Und vor allen Dingen logisch. Sehen Sie, Mr. Mike, an Professor Manfields Stelle würde ich ebenso handeln. Professor Manfield bekam von der NASA einen Entwicklungsauftrag, der wahrscheinlich sehr gut bezahlt wird. Professor Manfield hatte Glück und konnte wertvolle Erfindungen machen. Die hätte man ihm nicht zusätzlich bezahlt, denn dafür hatte er ja schon Geld bekommen. Er nahm also Kontakt zu irgendeiner fremden Macht auf und verpflichtete sich, die Unterlagen zu verkaufen. Um selbst nicht in den Verdacht zu geraten, gründete er als Mr. X eine Agentengruppe, sorgte dafür, daß die Fotokopien, angeblich ohne sein Wissen, angefertigt wurden und verkaufte sie.«

»Wann haben Sie den letzten Krimi im Fernsehen gesehen?« erkundigte sich Mike lächelnd.

»Henry Manters erhielt den Auftrag, die Unterlagen wegzuschaffen. Doch Manters spielte falsch und wollte sie auf eigene Rechnung an eine andere Agentengruppe verkaufen. Henderson sollte sie übernehmen, doch vorher schöpfte Mr. X Verdacht und griff ein. Er ließ Manters erschießen, verlor damit aber gleichzeitig die Kopien, die sich nun in meinem Besitz befinden.«

»Richtig, und diese Kopien werden Sie uns ausliefern. Ihre Zeit ist verstrichen, Parker. Also, wo stecken die Kopien?«

»Sagen Sie Mr. Gatewell, daß ich nur mit ihm allein verhandeln werde«, erwiderte Parker, seinen nächsten Bluff ausspielend.

Diesmal gab es einen Volltreffer.

Mikes Augen weiteten sich vor Überraschung. Er schluckte. Und heiser war seine Stimme, als er mit einem an sich recht unschönen Fluch antwortete.

*

Mike verließ überraschend schnell den Kellerraum. Er hatte plötzlich keine Zeit mehr, sich an sein Ultimatum zu halten. Er interessierte sich im Moment auch nicht mehr für die Unterlagen. Die Nennung des Namens Gatewell hatte ihm den Atem völlig verschlagen.

Parker zog daraus selbstverständlich seine Schlüsse.

Der Patentanwalt also mußte jener Mr. X sein, der den ganzen mörderischen Wirbel ausgelöst hatte. Das paßte auch in das Bild, das Parker sich gemacht hatte. Der Butler fragte sich in diesem Zusammenhang noch einmal, wieso der Patentanwalt so schnell gewußt hatte, welchen Wert die Fotokopien darstellten.

Doch gab es in diesem Zusammenhang eine wichtige Feststellung, an der Parker nicht mit geschlossenen Augen und absichtlich Vorbeigehen wollte. Er erinnerte sich schließlich noch sehr genau der Tatsache, daß Patentanwalt Gatewell nach dem Anschauen der Kopien sofort Leutnant Canters angerufen hatte.

Welchen Zusammenhang gab es zwischen Gatewell und Canters? Steckten sie unter einer Decke? Oder hatte Gatewell sich durch den Telefonanruf nur ein Alibi verschaffen wollen?

Parker sah ein, daß es für ihn höchste Zeit wurde, sich wieder aktiv in das Geschehen einzuschalten. Dazu gehörte, daß er wieder Herr seiner Entschlüsse wurde, kurz und mit anderen Worten, Parker wollte und mußte die hinderlichen Stricke loswerden.

Noch war Zeit dazu.

Als Mann der Tat machte er sich sofort an die Arbeit. Und es war sein Glück, daß man ihm seinen Universal-Regenschirm im Keller belassen hatte.

Hingegen war es sein Pech, daß man ihn auf der Pritsche festgebunden hatte. Es war ihm vorerst noch unmöglich, an seinen Regenschirm heranzukommen.

Der Butler mühte sich gerade ab, wenigstens einen Finger freizubekommen, als sich die mit Blech beschlagene Tür erneut öffnete. Mike kam zurück. Er sah eifrig und in gewissem Sinne auch gefährlich aus.

»Fast bin ich froh, Sie wieder hier bei mir zu sehen«, erklärte der Butler. »Demnach können wir also unsere Unterhaltung fortsetzen, nicht wahr?«

»Wo sind die Unterlagen?« fragte Mike. »Hören Sie, Parker, antworten Sie schnell, bevor Mr. X hier erscheint. Der fragt nicht lange, der handelt. Und zwar so, wie es Ihnen bestimmt nicht gefallen wird …!«

»Wieviel Zeit haben wir noch?«

»Mr. X ist in ein paar Minuten hier! Mann, warum wollen Sie sich unnötig quälen lassen? Reden Sie doch!«

»Es ist äußerst peinlich, sehen zu müssen, wie ein Mensch offen in sein Unglück rennt.«

»Sie sagen es, Parker!«

»Ich dachte jetzt mehr an Sie! Fühlen Sie denn nicht, daß Sie nach dem Aushändigen der Kopien sterben müssen? Wie ich …!?«

»Unsinn … ich weiß, wie ich mich schützen kann.«

»Jetzt begehen Sie den zusätzlichen Fehler, Mr. X zu unterschätzen, Mike. So darf ich Sie ja wohl nennen, nicht wahr? Mr. X wartet doch nur darauf, Sie ins Jenseits zu befördern.«

»Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein, Parker!« Mike war trotz seiner Worte etwas nachdenklich geworden. Die Worte des Butlers mußten ihn beeindruckt haben.

»Ich könnte und möchte Ihnen einen fairen Vorschlag unterbreiten«, redete Parker ernst und zielstrebig weiter. »Tun wir uns doch zusammen. Die Fotokopien in unserer Hand, Mike, stellen ein einmaliges Vermögen dar …!«

»Wollen Sie mich umdrehen? Soll ich gegen meinen Boß anstinken?«

»Von Stinken konnte keine Rede sein«, korrigierte Parker seinen Gesprächspartner. »Ich rede von Ihrem und meinem Leben. Das gibt es nur einmal …!«

»Los, wo sind die Unterlagen … Ich weiß, was ich mache …!«

»Nun denn, so bin ich gezwungen, zu reden …!«

»Endlich haben Sie begriffen, Parker. Also …?«

»Ich war so frei, die Fotokopien vor der Stadt in einem ziemlich unzugänglichen Gelände zu verstecken.«

»Und wo …?«

»In einem Erdloch! Beschreiben läßt dieses Versteck sich nur schlecht.«

»An Ihrer Stelle würde ich es aber versuchen.«

»Bringen Sie mich dorthin, dann grabe ich die Kopien aus. Einen besseren Vorschlag kann ich Ihnen nicht machen, Mike.«

»Damit wird Mr. X sich aber nicht zufriedengeben.« Mike schüttelte den Kopf.

»Er ist damit zufrieden«, sagte genau in diesem Augenblick eine dumpfe, undeutliche Stimme, die von der geöffneten Tür herkam. Mike drehte sich blitzschnell um. Auch Parker sah zur Tür hin.

In der Tür stand ein Mann, der einen weiten weißen Labormantel trug. Sein Gesicht war nicht zu erkennen. Eine Maske aus weißem Mull bedeckte Mund, Nase und Wangen. Nur die Augen waren gerade noch zu erkennen. Stirn und Haar wurden von einer weißen, rand- und schirmlosen Kappe bedeckt. So sah ein Operateur aus, der sich anschickt, in den Operationssaal zu gehen.

»Mr. X …!« Mike sagte es fast andächtig.

»Professor Manfield!« sagte Parker weniger andächtig.

Die maskierte Gestalt nickte langsam. Sie hielt Arme und Hände unter dem weiten Mantel verborgen.

»Schnallen Sie Parker los!« kommandierte Mr. X und wies auf den Butler.

Mike beeilte sich, dem Wunsch seines Chefs nachzukommen. Er beugte sich über den Butler und zerschnitt die Stricke, die ihn auf der Pritsche festhielten.

»Er wird Sie umbringen«, flüsterte Parker dem Agenten zu, »Passen Sie auf, er wird Sie mit einiger Sicherheit umbringen!«

»Fertig, Chef!« Mike richtete sich auf und wies auf Parker, der zwar noch an Händen und Füßen gebunden war, sich aber wenigstens aufzurichten vermochte.

»Fertig!« sagte Mr. X. Dann schoß er.

Mike stöhnte auf. Er faßte sich an die Brust und sackte dann langsam in sich zusammen. Er rollte auf den Leib und blieb regungslos liegen. Parkers Warnung hatte nichts gefruchtet. Mike hatte sich fast freiwillig niederschießen lassen.

»Ich muß gestehen, daß ich nicht sonderlich erstaunt bin«, sagte Parker zu Mr. X.

»Ich weiß, Sie sind klug«, erwiderte die undeutliche und verzerrte Stimme des Maskierten. »Und weil Sie klug sind, werden Sie mir die Fotokopien ausliefern.«

»Wer sind Sie nun wirklich? Professor Manfield, Patentanwalt Gatewell oder Leutnant Canters von der Kriminalpolizei …?«

»Sie rechnen mit vielen Möglichkeiten, nicht wahr?«

»Ich liebe das Spiel mit den Gedanken.«

»Schade, Sie wären der richtige Mann für mich, leider stehen Sie aber auf der anderen Seite.«

»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Wer sind Sie wirklich, wenn ich noch einmal in aller Höflichkeit fragen darf.«

»Kommen Sie von allein drauf, Parker … Sie wissen, was ich von Ihnen will!?«

»Die Unterlagen. Ich sagte schon, daß ich die Fotokopien vergraben habe!«

»Ich werde sie wieder ausgraben!«

»Um mich dann anschließend ins Jenseits zu befördern. Wie Mike, nicht wahr?«

»Es wird ein schneller und glatter Tod sein. Sie brauchen sich nicht zu ängstigen, Parker.«

»Das ist ein Angebot, das sich hören lassen kann! Darf ich fragen, wieso ich in Ihre Gewalt gelangte?«

»Sehr einfach, ich ließ Sie abfangen!«

»Ich war aber nicht allein, wenn ich mich recht erinnere!«

»Canters war bei Ihnen! Und seine Leute, die er vorgeschickt hatte. Ich sollte in die Falle gehen, nicht wahr? Aber Sie haben vergessen, daß man auch den Polizeifunk abhören kann. Ich war eben schneller als Sie, Parker.«

»Ich gebe mich geschlagen. Lebt Leutnant Canters noch?«

»Sie halten ihn doch unter anderem auch für Mr. X, Parker. Ist es nicht so?«

»Ganz gewiß, Mr. X …!«

»Nun gut, Parker, dann würde er ja noch leben, oder? Zerbrechen Sie sich weiter Ihren Kopf! So, und jetzt das Versteck! Damit wir uns richtig verstehen! Belügen dürfen Sie mich nicht, es geht um Ihr Leben. Ich will Ihnen eine Chance einräumen.«

»Und die wäre, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«

»Hören Sie genau zu, Parker …!«

Mr. X beugte sich vor und setzte Parker mit kurzen, knappen Worten auseinander, wie seine Überlebenschance aussah. Es waren Worte, die den Butler ehrlich beeindruckten …

*

Die Zeitbombe war einfach, aber sinnvoll.

Sie bestand aus einem Wecker, einigen dünnen Drähten und Klemmen und schließlich einer starken Batterie, die nach der eingestellten Zeit einige Dynamitstäbe in die Luft fliegen ließ. Kam es dazu, dann verwandelte sich der niedrige und enge Keller in eine Hölle. Dann gab es kein Entrinnen mehr.

Die Rechnung des Mr. X sah sehr einfach aus.

Zusammen mit Parker hatte er die Zeit für die Hin- und Rückfahrt zum angeblichen Versteck der Fotokopien berechnet. Wenn er die Kopien hatte, wollte Mr. X schleunigst zurückkehren und den Mechanismus der Bombe ausschalten. Fand er die Fotokopien nicht, wollte er nicht zurückkehren und die Bombe einfach hochgehen lassen.

Parker machte sich selbstverständlich keine Illusionen.

Er hatte den Bluff des Mr. X sofort durchschaut. Hätte er die Kopien gefunden, hätte er die Bombe bestimmt hochgehen lassen. Fand er sie nicht, würde er auf dem schnellsten Weg zurückkommen, um den Butler noch einmal gründlich in die Zange zu nehmen.

Fast war Parker enttäuscht, daß Mr. X ihn für so dumm hielt, an die erste Version zu glauben. Nun, im Grunde konnte Parker zufrieden sein. Es war ihm gelungen, wertvolle Zeit herauszuschlagen, wertvolle Zeit, die unbedingt genutzt werden mußte.

Parker war zwar immer noch an Händen und Füßen gefesselt, doch er konnte sich auf der Pritsche frei bewegen. Somit war er auch in der Lage, sich um seinen Universal-Regenschirm zu kümmern. Dieser Schirm sollte die Rettung einleiten.

Der Butler rollte sich vorsichtig von der Pritsche herab und schlängelte sich dann an den Regenschirm heran, der einsam und verlassen an der Wand stand.

Auf diesem Weg kam der Butler an dem regungslos auf dem Boden liegenden Mike vorbei. Der Agent atmete nicht mehr. Nein, für ihn gab es keine Rettung.

Parker erreichte seinen Universal-Regenschirm und kippte ihn zu Boden. Dann schob er sich rücklings an ihn heran. Seine Hände bekamen den Schirmgriff zu fassen und konnten dann den kleinen Knopf eindrücken.

Parker zuckte unwillkürlich zusammen, als die eingebaute, rasiermesserscharfe Degenklinge aus dem Schirmstock hervorzischte. Es handelte sich um einen fast 30 Zentimeter langen Degen, dessen Klinge auf beiden Seiten geschärft war.

Um diese Klinge ging es dem Butler.

Er praktizierte sie vorsichtig unter sich, legte sich mit dem Rücken auf den Schirmstock und strammte die Fesseln an seinen Händen. Innerhalb weniger Sekunden fielen die durchtrennten Stricke von seinen Handgelenken ab.

Parker hatte seine Hände freibekommen.

Nun klappte alles wie am Schnürchen …

Weitere Sekunden, und auch die Fesseln an seinen Fußgelenken existierten nicht mehr. Parker erhob sich etwas steifgliedrig und brachte seinen gestockten Kreislauf wieder in Bewegung. Er vollführte einige Freiübungen, die jedem Zuschauer gezeigt hätten, wie fit der Butler war. Von einem müden, alten und relativ verbrauchten Mann konnte wirklich keine Rede sein.

Parker kümmerte sich um Mike.

Vorsichtig wendete er ihn auf den Rücken. Und hielt überrascht inne. Der erwartete Blutfleck über der Brust war nicht zu sehen. Sollte Mike überhaupt nicht getroffen worden sein? Das war so gut wie ausgeschlossen.

Parker untersuchte den Agenten.

Und war erneut überrascht.

Mike war tatsächlich noch einmal davongekommen. Das Geschoß hatte ihn zwar getroffen, doch es war von der Brieftasche und einem darüber liegenden Etui abgelenkt und gebremst worden.

Parker, der einen Feind im Rücken nicht gebrauchen konnte, trug Mike zur Pritsche und band ihn darauf fest. Stricke besaß er genug. Er brauchte sich nur zu bedienen.

Dann erst kümmerte der Butler sich um die Zeitbombe.

Vorsichtig löste er die Drähte von der Batterie, entfernte die Batterie und warf sie unter die Liege. Sie konnte von der Tür her nicht mehr gesehen werden. Dann baute Parker die nun wertlos gewordene

Zeitbombe wieder zusammen und stellte sie an ihren alten Platz zurück.

Anschließend befaßte er sich mit der Tür.

Sie besaß ein kompliziertes Schloß, doch für Parker war es eben doch nicht kompliziert genug.

Mit seiner Krawattennadel, die er durch Biegen in die richtige, zweckmäßige Form brachte, stellte er einen raffiniert-einfachen Nachschlüssel her. Dann überredete Parker das Schloß, sich schleunigst zu öffnen, ein Ansinnen, dem das Schloß sehr schnell nachkam.

*

Parker durchwanderte einige Kellerkorridore, ging vorüber an diversen Türen und erreichte eine Treppe, die hinauf ins Erdgeschoß führte. Vorsichtig stieg er nach oben, schließlich wußte er nicht, welche Personen sich noch zusätzlich in diesem Haus befanden.

Parker landete in einem kleinen Korridor, von dem aus einige Türen abzweigten. Er entschied sich für die linke Tür, stieß sie auf und nickte anerkennend. Er sah in einen sehr wohnlich eingerichteten Salon hinein, dessen Boden mit dicken und wahrscheinlich auch teuren Teppichen belegt war.

Dieser Salon war menschenleer, eine Tatsache, die Parker ebenfalls angenehm berührte.

Nach knapp zehn Minuten hatte er sich alle Zimmer in diesem Haus angesehen und wußte, daß es in einem weiträumigen Garten lag, der zum Meer hinunterführte.

Der Butler kehrte ins Haus zurück und kümmerte sich um Details. So betrachtete er sich zum Beispiel die vielen Fotos in einer Sitzecke. Aus diesen Fotos ging hervor, daß der Eigentümer des Bungalows ein gewisser Mr. Lester Gatewell sein mußte, der sein Geld als Patentanwalt verdiente.

Die Garage war leer.

Parker dachte an die Kellerräume und ging noch einmal nach unten. Es konnte ja auch sein, daß Mike wieder zu sich gekommen war. Er schaute in den engen, niedrigen Keller hinein. Mike hatte tatsächlich die Augen geöffnet und starrte den Butler an.

»Erinnern Sie sich, wenn Sie wollen, an meine bescheidenen Worte«, sagte Parker fast vorwurfsvoll. »Glauben Sie jetzt noch immer, daß Sie Mr. X gewachsen sind?«

»Dieses …!« Die nähere Bezeichnung braucht und soll nicht wiederholt werden, zumal Mike sich wenig vornehm ausdrückte. Er richtete sich etwas auf. »Binden Sie mich los! Ich weiß jetzt, mit wem ich Zusammenarbeiten muß!«

»Sie haben Ihre Chance verpaßt«, gab der Butler kopfschüttelnd zurück.

»Ich sage Ihnen, wer Mr. X ist!«

»Sie werden es zwar nicht glauben, Mike, doch das weiß ich inzwischen ebenfalls. Ich habe mich oben im Haus umgesehen. Rückschlüsse boten sich an und waren nicht sonderlich schwierig.«

»Wo steckt er?« fragte Mike, der für einen kurzen Augenblick die Augen geschlossen hatte.

»Mr. X holt die Fotokopien«, gab der Butler zurück. »Nach meiner Zeitberechnung müßte er in knapp zwanzig Minuten wieder zurück sein.«

»Lassen Sie mich nicht sitzen«, sagte Mike mit beschwörender Stimme. »Er wird mich umbringen.«

»Sind Sie endlich sicher?«

»Ich hätte auf Sie hören sollen, Parker, ich weiß … Nehmen Sie mich mit!«

»Darüber läßt sich durchaus reden«, gab der Butler wohlwollend zurück. »Sie sollten mir aber noch schnell einige Fragen beantworten.«

»Binden Sie mich erst los. Der Chef kann früher zurückkommen!«

Parker wollte antworten, als er oben im Haus ein Geräusch hörte. War Mr. X bereits zurückgekehrt?

»Sie sehen mich gleich wieder«, versprach er Mike, dann verließ er den bunkerähnlichen Keller. Als er sich in den Kellerkorridoren befand, wurden die Geräusche lauter und verdichteten sich zu einem wilden, stakkatoähnlichen Klopfen und Trommeln.

Vor einer Kellertür blieb der Butler stehen.

Als er sie zu öffnen versuchte, erstarb das Trommeln. Parker erinnerte sich seiner Krawattennadel und sperrte das Schloß auf. Als er die Tür öffnete, wurde er wie von einem wilden Her angefallen. Bevor er den Fangschlag abducken konnte, taumelte er zurück, rutschte leider unglücklich aus und landete mit dem Kopf an der Wand, worauf er sich entschloß, für einen kurzen Moment geistig wegzutreten, wie es im Volksmund so treffend heißt …

*

»Ich wußte gleich, daß Sie mich belogen hatten!«

Grimmig und kalt kamen diese Worte aus dem Mund von Leutnant Canters. Er stand an der Wand des Salons und hielt seine Dienstwaffe auf Parker gerichtet.

»Ich fürchte, Sir, Sie unterliegen da einem äußerst bedauerlichen Irrtum«, antwortete der Butler kopfschüttelnd.

»Ich weiß, daß Sie mich an Ihre Gang verraten haben! Wie hätte man uns sonst draußen in den Dünen überraschen können?«

»Das alles geht auf das Konto des sagenhaften Mr. X«, sagte Parker.

»Und dieser Mr. X sind Sie, Parker. Sie brauchen sich nicht mehr zu verstellen, ich weiß jetzt Bescheid!«

»Sie täuschen sich wirklich. Auch mich sperrte man in einen Keller ein!«

»Erzählen Sie das Ihrer Großmutter, Parker.«

»Das wird leider nicht mehr gehen«, bedauerte Parker.

»Und warum nicht?«

»Sie verstarb vor zehn Jahren, wenn ich Sie darauf hinweisen darf.«

»Sie wissen verdammt gut, daß Sie sich keine Späßchen mehr leisten können.«

»Und ich weiß, daß ich mich bei Ihnen entschuldigen sollte, Sir.«

»Entschuldigen …? Bei mir …?« Leutnant Canters war für einen Moment verblüfft.

»Nun, Sir, ich hielt Sie für Mr. X! Ein bedauerlicher Irrtum, wie ich eingestehen muß.«

»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen, was?«

»Das würde ich gewiß niemals wagen, Sir … Darf ich Sie darauf hinweisen, daß wir uns im Haus des Patentanwalts Lester Gatewell befinden?«

»Na und …?«

»Würde ich als Mr. X meine Gefangenen in einem fremden Haus unterbringen?«

»Sie leimen mich nicht so schnell, Parker. Vielleicht stecken Sie mit Gatewell unter einer Decke!«

»Hätte er Sie dann angerufen, als ich mit den Fotokopien bei ihm war, Sir? Sie müssen einräumen, daß meine Argumente stichhaltig sind!«

»Wenn schon, Parker –!«

Wie auf ein Stichwort hin sahen Leutnant Canters und Josuah Parker zur Tür des Salons hinüber, von der aus eine fremde Männerstimme geredet hatte.

Lester Gatewell, der Patentanwalt, stand fast freundlich lächelnd in der Tür.

Und er schoß sofort, als Leutnant Canters abdrücken wollte. Der Kriminalleutnant zuckte wie unter einem unsichtbaren Peitschenhieb zusammen, faßte sich an die Schulter und achtete nicht darauf, daß seine Waffe zu Boden fiel.

»Keine Mätzchen, Parker!« sagte Gatewell, der Mann mit der hohen Stirn und der randlosen Goldbrille. »Noch einmal legen Sie mich bestimmt nicht herein.«

»Wie darf ich Ihre Worte, aus denen der deutliche Unwille spricht, interpretieren?«

»In dem angegebenen Versteck waren keine Fotokopien!«

»Darf ich fragen, wieso Sie so schnell schon wieder hier sind?«

»Ich bin eben schneller als Sie!«

»Aber Sie konnten die Strecke schließlich nicht mit einem Hubschrauber bewältigen. Oder etwa doch?«

»Was kümmert das Sie, Parker? Ihre letzte Chance! Wo sind die Fotokopien, he? Ich schieße Sie stückweise zusammen, wenn Sie nicht endlich reden. Ich habe keine Hemmungen, daran sollten Sie denken!«

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, feuerte er den ersten Schuß auf den Butler ab.

Das Geschoß pfiff dicht an Parkers Oberarm vorbei und vergaß nicht, ein Fetzchen Stoff aus dem Ärmel zu reißen. Klatschend landete es in der Holzfüllung eines Schrankes.

Parker gestand sich ein, daß Lester Gatewell ausgezeichnet schoß.

»Nun, wo sind die Unterlagen?« fragte Gatewell ein zweites Mal. Er hob den Lauf seiner Waffe an, sein Zeigefinger krümmte sich und zog den Stecher bis zum Druckpunkt. Jede Sekunde mußte der nächste Schuß fallen. Und daß Gatewell diesmal den Oberarm selbst anvisierte, war dem Butler vollkommen klar.

»Nun gut, ich gebe auf«, sagte Parker und senkte ergeben den Kopf. »Ihre Argumente in Blei haben mich überzeugt, wie ich mich ausdrücken möchte.«

»Wo sind die Unterlagen?«

»In meiner Kragenecke finden Sie die postlagernde Adresse«, sagte Parker. »Ich war so frei, die Unterlagen der US-Post anzuvertrauen.«

»Nicht schlecht, Parker!« Lester Gatewell lächelte triumphierend. »Ich wußte doch gleich, daß wir uns verstehen würden! Holen Sie das Papier hervor! Aber seien Sie vorsichtig. Mich legen Sie nicht herein!«

Parker nickte.

Jetzt kam alles darauf an, daß sein Bluff überzeugend wirkte. Lester Gatewell durfte nicht einen Moment lang mißtrauisch werden, sonst würde er erneut abdrücken.

Parker bastelte also an der steifen Kragenecke herum und zog eines der kleinen, schmalen Plastikstäbchen hervor, die die Kragenecken in Form halten.

»Hier, bedienen Sie sich«, sagte er.

Gatewell griff gierig nach dem Plastikstäbchen und … brüllte auf. Parker hatte blitzschnell zugegriffen und Gatewell die Hand umgedreht.

Der Patentanwalt schoß augenblicklich, doch durch die zwangsläufige Drehung, die sein Körper ausführte, bohrte sich das Geschoß nur in den Teppich.

Parker war nicht mehr wiederzuerkennen.

Es zeigte sich, daß er in der Sportart Judo durchaus mitreden konnte. Ja, es zeigte sich sogar, daß er in dieser Sportart ein Könner war.

Gatewell erlebte sein blaues Wunder.

Nach einigen Luftreisen, zu denen Parkers Griffe ihn veranlaßten, landete er schließlich auf der Kante einer Couch, rollte zu Boden und blieb atemlos und erschöpft liegen.

Parker bückte sich nach der entfallenen Waffe und hob sie dann auf. Nun hielt er die Trümpfe in der Hand.

»Donnerwetter, Parker, das war einsame Klasse!« ließ Leutnant Canters sich vernehmen. Er hockte neben einem Schrank und hielt sich die angeschossene Schulter.

»Ich bitte um Entschuldigung, falls ich mich etwas ausgelassen benommen haben sollte«, gab der Butler würdevoll zurück.

Canters stand mühsam auf und ging zum Telefon, das auf einem Ecktisch stand.

»Damit wäre der Fall also erledigt«, sagte er zufrieden. »Lester Gatewell ist also der gesuchte Mr. X! Ich bin froh, daß es heraus ist.«

»Sind Sie sicher?« fragte Parken

»Warum sollte ich nicht sicher sein?« Canters, der den Hörer bereits in der Hand hatte und die Nummer wählen wollte, sah den Butler verblüfft an.

»Haben Sie sich noch nicht gefragt, wie Gatewell an die Konstruktionsunterlagen von Professor Manfield kommen konnte?«

»Na ja, als Patentanwalt …!?«

»Das wäre eine Möglichkeit«, räumte der Butler ein. »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich jetzt die Fotokopien wirklich holen und sie Ihnen bringen.«

»Nein, nein, das besorgen wir zusammen, Parker!«

»Sie trauen mir nicht?«

»Jetzt übertreiben Sie, Parker.« Canters lächelte mühsam, denn seine Schulter schmerzte. »Aber ich möchte nicht, daß Ihnen im letzten Moment noch etwas passiert.«

»Nun gut, dann fahren wir zusammen hinaus ins Motel.«

»Die Fotokopien befinden sich also doch im Motel?«

»Selbstverständlich …! Ich erlaubte mir nur, sie an einem sicheren Platz unterzubringen.«

»Sekunde … ich rufe schnell noch meine Dienststelle an!« Canters wählte die Nummer und sprach kurz mit seinem Büro. Dann wandte er sich Parker zu, der neben Gatewell stand, der langsam wieder zu sich kam, jetzt die Augen öffnete und Parker mit haßerfüllten Augen ansah.

»Es ist wohl sinnlos, Sie zu fragen, Mr. Gatewell, wie Sie die Fotokopien herstellen konnten, nicht wahr?«

»Sie sagen es, Parker, lieber beiße ich mir die Zunge ab!«

»Ich begreife, Sie wollen für Mr. X ins Gefängnis gehen und von dort aus in die Todeszelle wandern.«

»Nichts begreifen Sie! Scheren Sie sich zum Teufel!«

»Wann darf man mit der Ankunft der Leute rechnen?« fragte Parker, sich an Leutnant Canters wendend.

»In spätestens zehn Minuten werden sie hier sein. Dann können wir losfahren!«

Canters hatte nichts dagegen, daß Parker ihm einen Notverband anlegte, der die blutende Schulterverletzung schloß. Dazu rauchte Canters eine Zigarette.

»Woran denken Sie, Parker?« fragte er, als Parker seine Arbeit beendet hatte und sich neben dem Fenster aufbaute, durch das er hinaus in den weiträumigen Garten sehen konnte.

»Ich frage mich immer wieder, warum Gatewell Sie anrief, nachdem ich ihm die Fotokopien gezeigt hatte«, erwiderte der Butler. »Meiner bescheidenen Ansicht nach handelte er damit vollkommen unlogisch und gegen seine ureigensten Interessen.«

»Na, Gatewell, was haben Sie dazu zu sagen?« fragte Canters den Patentanwalt, der mit schmerzverkrümmter Gestalt auf der Couch lag.

»Gehen Sie zum Teufel, aus mir bekommen Sie nichts heraus!«

»Er mußte doch damit rechnen, daß Sie, Leutnant Canters, umgehend in seinem Büro erschienen.«

»Darauf hätte er Gift nehmen können«, pflichtete Leutnant Canters ihm bei. »Ich war wirklich innerhalb von zehn Minuten bei Gatewell. Aber da hatten Sie sich bereits mit den Fotokopien abgesetzt.«

»Ich halte Sie keineswegs für einen Menschen, der unlogisch handelt«, meinte Parker und nickte Gatewell zu. »Sie müssen einen ganz bestimmten Grund gehabt haben, als Sie Canters anriefen.«

»Den will ich Ihnen sagen, Sie Schlaumeier!« Gatewell richtete sich etwas hoch und sah den Butler giftig an. »Nach dem Anruf hätte ich Sie niedergeschossen. Begreifen Sie? Ich hätte leicht eine Ausrede gefunden, ich hätte Ihnen leicht falsche Kopien unterschieben können.«

»Ihre Antwort überzeugt mich nicht«, erwiderte Parker und schüttelte verweisend den Kopf. »Sie hatten Mr. Canters am Telefon zuviel gesagt. Sie hatten von einem Raumgleiter mit Plasmaantrieb gesprochen. Und diese Unterlagen hätten sich auf den von Ihnen untergeschobenen Kopien natürlich befinden müssen. Es sei denn …«

»Es sei denn …?« Leutnant Canters mischte sich ein und sah Parker prüfend an.

»Wenn Sie erlauben, Sir, rede ich erst später darüber. Darf ich Sie nur eines fragen?«

»Natürlich, ich ahne schon, daß Sie mir nicht über den Weg trauen.«

»Verstehen Sie etwas von Technik?«

»Ich kann einen verstopften Vergaser in Ordnung bringen, zu mehr reicht es nicht!« Canters lächelte nicht, als er das sagte. Gatewell verzog ironisch seinen Mund.

Wenige Sekunden später wurde die Unterhaltung ohnehin beendet, da Leutnant Canters’ Männer eintrafen und die Szene beherrschten. Nachdem Canters sie instruiert hatte, wandte er sich an Parker.

»Wir können losfahren und die echten Kopien holen«, sagte er dann zu Parker. »Oder trauen Sie mir nicht?«

»Sie beschämen mich, Sir«, erwiderte der Butler mit einem andeutungsweisen Lächeln. »Selbstverständlich werde ich mit Ihnen fahren. Und selbstverständlich werde ich Ihnen die richtigen Fotokopien auch aushändigen!«

*

Parker und Leutnant Canters hatten das Motel erreicht, in dem der Butler zuletzt abgestiegen war. Sie verließen den Wagen und gingen auf das kleine Haus zu.

Die Sonne war längst aufgegangen und stand bereits hoch.

Die meisten Bewohner des kleinen Motel-Bungalows hatten das Gelände verlassen und waren bereits hinunter zum weißen Sandstrand gegangen. Im Grunde waren Leutnant Canters und Josuah Parker unter sich.

Schweigend betraten sie den kleinen Bungalow. Canters ließ sich in einem Sessel nieder und rauchte eine Zigarette an. Er sah den Butler abwartend an.

»Worauf warten Sie noch?« fragte er dann. »Je schneller ich die Fotokopien habe, desto besser. Sie müssen so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen werden.«

»Entschuldigen Sie mich für einen Moment, wenn ich darum bitten darf.«

»Wohin wollen Sie?«

»Ich beabsichtige, ins Badezimmer zu gehen, Sir.«

»Sie glauben, ich hätte die Absicht, mich mit den Fotokopien abzusetzen, wie es im Jargon so treffend heißt?«

»Dann komme ich lieber mit …!«

»Ich bin eben mißtrauisch. Können Sie mir das verdenken?«

»Das Badezimmer besitzt nur ein kleines Fenster, das zudem noch sehr hoch an der Wand angebracht ist. Ich werde sofort wieder zurück sein.«

»Na schön, Parker … Aber kommen Sie sofort wieder zurück …«

Parker deutete eine kleine, andeutungsweise Verbeugung an und betrat das Badezimmer. Er schloß die Tür hinter sich und ging langsam auf die gekachelte Duschecke zu …

*

Canters starrte in den Revolverlauf und wagte kaum zu atmen.

Vor ihm stand ein großer, schlanker Mann mit asketischem Gesicht. Er trug einen grauen, teuren Anzug und hielt sich gerade.

»Sie haben Parker vergessen«, sagte Canters vorsichtig.

»Sobald er aus dem Bad kommt, schieße ich ihn nieder. Er hat mir zuviel Schwierigkeiten bereitet.«

»Sie sind Mr. X …?«

»Sie haben es erraten, Leutnant. Tut mir fast leid, daß ich auch Sie niederschießen muß.«

»Ich weiß, Sie sind im Grunde ein guter Mensch«, erwiderte Leutnant Canters ironisch. »Sind Sie sicher, daß Parker tatsächlich die Fotokopien bringt?«

»Diesmal ja! Er will sie Ihnen ja geben, Leutnant.«

»Sie sind erstaunlich gut informiert.«

»Das gehört zu meinem Job!«

»Benutzen Sie eine geheime Abhöranlage in Gatewells Bungalow?«

»Richtig, aber ist das überhaupt wichtig, Leutnant. Haben Sie keine anderen Sorgen?«

»Im Augenblick nicht, denn …«

Canters kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Die Tür des Badezimmers öffnete sich.

M. X zögerte nicht. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Er drehte sich fast lässig zur Seite und feuerte Schuß um Schuß ab. Bis er endlich merkte, daß von Josuah Parker nicht die Spur zu sehen war.

Wütend wirbelte Mr. X herum.

Und schrie auf, als ein Schuß fiel.

Er ließ die Waffe aus der getroffenen Hand zu Boden fallen und krümmte sich.

»Ich bedauere ungemein, daß ich schießen mußte«, ließ Josuah Parker sich von der Terrassentür aus vernehmen. »Aber ich fürchte, Sie hätten sonst weiter geschossen, Professor Manfield!«

Parker hielt eine Automatic in der Hand, die er sich von Leutnant Canters ausgeliehen hatte. Er kam würdevoll und gemessen in den Raum und blieb hinter einem schweren Sessel stehen.

»Ich würde Ihnen raten, sich zu setzen«, sagte er dann zu Professor Manfield. »Keine Sorge, die geringfügige, möglicherweise jetzt schmerzende Wunde wird gleich verbunden.«

Leutnant Canters stand nun auf. In der gesunden Hand hielt er eine zweite Schußwaffe. Er baute sich neben der Tür auf.

»Sie haben das Spiel verloren, Professor«, sagte Parker fast höflich. »Ich wußte, daß Sie hier im Bungalow erscheinen würden. Ich rechnete gleich mit der Abhöranlage in Gatewells Bungalow.«

»Verdammter Hund …!«

»Sie werden unvornehm«, tadelte Parker den Professor. »Warum wollen Sie Ihren Gegnern die Logik verwehren.«

»Woher wissen Sie, daß ich Professor Manfield bin?«

»Sehr einfach … Denken Sie doch an die Szene in Mr. Gatewells Patentbüro. Nach seinen eigenen Worten wollte er mich niederschießen. Der Polizei, also Leutnant Canters, hätte er selbstverständlich die Fotokopien gezeigt, die er mir abgenommen haben wollte. In Wirklichkeit aber mußte er, ich wiederhole noch einmal, mußte er falsche Fotokopien vorlegen. Die wiederum hätten Sie, Mr. Ganters, an Professor Manfield weitergeleitet, damit er sie prüfte. Sie, Professor, hätten sofort den Schwindel durchschaut. Sie mußten also mit Gatewell unter einer Decke stecken, wenn er diesen Trick plante.«

»Das alles müssen Sie mir erst nachweisen, Parker!«

»Keine Sorge, Professor, das wird Gatewell gern übernehmen. Jetzt, nachdem Sie aus dem Verkehr gezogen werden, wie es im Jargon so treffend heißt, braucht er vor Ihrer Pistole keine Angst mehr zu haben. Er wird reden, um seinen Kopf zu retten.«

»Warum haben Sie dieses doppelte Spiel getrieben, Professor?« mischte sich Canters in das Gespräch ein. »Verdienten Sie als Wissenschaftler denn nicht genug?«

»Das verstehen Sie nicht«, erwiderte Professor Manfield mit gepreßter Stimme. »Ich machte die Erfindungen, aber ich sollte nur mit normalen Honoraren abgespeist werden. Ich, verstehen Sie, ich habe die Voraussetzungen für Millionengeschäfte geschaffen, aber daran sollte ich nicht teilhaben, darum bin ich eben Mr. X geworden!«

»Im normalen Sprachgebrauch sagt man Habgier dazu, wenn ich mich nicht sehr täusche«, meint Josuah Parker. »Gehe ich richtig in der Annahme, daß Gatewell Ihr engster Mitarbeiter war?«

»Wir wollten gemeinsam ins Geschäft kommen. Aber wozu noch darüber reden, ich habe verspielt!«

»Noch einige Fragen, Mr. X, oder Professor Manfield, wie Sie jetzt wohl lieber hören wollen. Wer stellte die Fotokopien her?«

»Ich … wer sonst?«

»Und Mr. Paul Adams?«

»Den hätten wir als einen der möglichen Täter ins Spiel gebracht, sobald etwas über die Fotokopien herausgekommen wäre!«

»Sie ließen Henry Manters töten?«

»Dieser Verräter wollte die Fotokopien an eine fremde Gruppe und auf eigene Rechnung Weiterverkäufen. Gut, daß wir ihm noch das Handwerk legen konnten.«

»Wohin sollte Manters denn die Unterlagen bringen? Ich meine, wie hieß das wirkliche Ziel?«

Was haben Sie davon, wenn ich Ihnen diese fremde Macht nenne!«

»Übergehen wir also die Frage … Sie wird früher oder später doch geklärt werden. Aber können Sie uns möglicherweise sagen, wer Walt und Butch sind?«

»Gewöhnliche Gangster, die auf eigene Rechnung arbeiten.«

»Gangster, die die Fotokopien wahrscheinlich an die Botschaft einer fremden Macht in London Weiterverkäufen wollten, nicht wahr?«

»Wen interessiert das noch …?« Professor Manfield ließ den Kopf sinken und starrte auf seine verwundete Hand. »Schaffen Sie mich weg, Sie langweilen mich!«

»In den Genuß können Sie kommen«, sagte Canters und ging ans Telefon. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte zu Parken »Wo, zum Henker, sind nun die Unterlagen, Parker?«

»In Chikago, Sir«, erwiderte Parker lächelnd. »Die Einzelheiten werde ich Ihnen, Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, später erzählen …!«

*

»Wir haben Ihren Doppelgänger gefunden, Parker«, sagte Leutnant Canters einen Tag später. »James Henderson erlag einem Autounfall. Genauer gesagt, er starb nach einem Unfall im Krankenhaus. Eben habe ich die Meldung bekommen. Damit können wir die Akte schließen, denke ich.«

»Ich bin froh darüber, Sir, zumal ich mir einige schöne und unbeschwerte Stunden und Tage hier in Miami gönnen wollte!«

»Dem steht jetzt nichts mehr im Wege, Parker.« Canters kam lächelnd um seinen Schreibtisch herum und nickte dem Butler zu. »Ich habe mit Ihrem Chef gesprochen, Parker. Anwalt Rander hat die Unterlagen bereits über einen CIA-Kurier hierher zurückgeschickt.«

»Ich habe ebenfalls mit meinem jungen Herrn gesprochen«, sagte Parker.

»Na, der wird doch begeistert sein, oder? Er wird Ihren Urlaub gewiß verlängern.«

»In der Tat, Sir, das war seine Absicht.«

»Wie, Sie wollen nicht, Parker? Hört sich wenigstens so an …!«

»Ich kann und darf nicht, Sir«, erwiderte Parker höflich, aber bestimmt. »Mr. Rander ist in einen Kriminalfall verwickelt, der sich auszuweiten droht, eine Tatsache, der ich mich nicht verschließen kann, was heißen soll, daß ich die nächste Maschine nehmen werde, um nach Chikago zurückzufliegen, denn es ist für mich ausgeschlossen, daß Mr. Rander allein mit Gangstern umgeht!«

Als Parker schon längst gegangen war, dachte Leutnant Canters über diesen Bandwurmsatz nach und zergliederte ihn in seine einzelnen Bestandteile.

Er wollte schließlich wissen, was Parker nun wirklich gesagt hatte …

– ENDE –

Butler Parker Box 1 – Kriminalroman

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