Читать книгу Butler Parker Box 12 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 9

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»Darf ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen meine mehr als bescheidene Hilfe anzubieten?« erkundigte sich Josuah Parker, der höflich seine schwarze Melone lüftete, »falls meine Augen mich nicht täuschen, müssen Sie das Opfer eines technischen Versagens geworden sein.«

Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum verlassen und stand neben dem jungen Mann in weißer Smokingjacke, der gerade dabei war, das rechte hintere Wagenrad auszuwechseln.

Der junge Mann mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, war mittelgroß, schlank und richtete sich jetzt überrascht auf. Er hatte den näher kommenden Josuah Parker nicht bemerkt.

»Wie … wie bitte?« fragte er und legte unverkennbar eine gewisse Nervosität an den Tag, obwohl es eigentlich bereits auf zweiundzwanzig Uhr ging.

»Ich hatte mir erlaubt, Ihnen meine bescheidene Hilfe anzubieten«, wiederholte der Butler.

»Ja, schon gut!« Die Nervosität des jungen Mannes steigerte sich noch. »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Weiterfahrt«, sagte Parker, lüftete die schwarze Melone erneut und wollte sich abwenden. Genau in diesem Augenblick hörte er eine Stimme hinter sich, die eindeutig einer Frau gehörte.

»Hallo, Sir … Hallo!«

»Madam?« Parker wandte sich dem Buick zu und lüftete zum drittenmal die schwarze Melone. Aus dem Buick war eine junge Frau von knapp zwanzig Jahren ausgestiegen und winkte ihm zu.

»Ich stehe zu Diensten«, bot Parker wiederum und unverdrossen seine Hilfe an.

Der junge Mann in der weißen Smokingjacke redete schnell auf die junge Frau ein und schien sie umstimmen zu wollen. Doch sie schüttelte energisch den Kopf und kam auf Parker zu.

»Würden Sie mich ein Stück mitnehmen?« fragte sie.

»Es wird mir eine Ehre sein, Madam«, sagte Parker und deutete dabei auf sein Monstrum, »verfügen Sie über meinen bescheidenen Wagen.«

»Aber Hazel… Ich bin doch gleich soweit.« Der junge Mann stand neben der jungen Dame und beherrschte sich offensichtlich nur mühsam.

»Du kannst ja nachkommen«, sagte Hazel. »Ich möchte auf jeden Fall nicht zu spät sein. Bis gleich!«

Teddy schien sich sehr zu ärgern und wollte seine Begleiterin zurückhalten.

»Fahren wir«, sagte sie, »ich habe keine Lust, noch länger in der Nacht herumzusitzen.«

Parker warf einen kurzen Blick auf Teddy, der bereits zurück zu seinem Buick ging und sich dabei eine Zigarette anzündete. Seine Absicht, den Reifen zu wechseln, schien er vorerst aufgegeben zu haben.

Hazel, die lackschwarzes, schulterlanges Haar besaß, durchaus pikant aussah und ein großzügig dekolletiertes Cocktailkleid trug, stieg etwas amüsiert in Parkers Wagen und nahm auf dem Rücksitz Platz.

»Sie sind Butler?« Während sie fragte, beugte sie sich etwas vor und winkte Teddy zu, der ihren Gruß entweder nicht bemerkte oder aber nicht zurückgrüßen wollte.

»Sehr wohl, Madam«, bestätigte Parker, »darf ich übrigens fragen, wohin zu fahren Sie gedachten?«

Sie nannte ihm eine Adresse, die Parker wiederholte.

»Ein Seitental ganz in der Nähe«, fuhr sie fort, »wir sind dort zu einer Party eingeladen …«

»Wenn Sie erlauben, Madam, werde ich Sie dorthinfahren«, sagte der Butler, »diesen kleinen Umweg werde ich mit Vergnügen in Kauf nehmen.«

»Schrecklich nett von Ihnen«, erwiderte Hazel, »ich fürchte, ich bin ohnehin schon zu spät…«

Sie schwieg einen Moment und redete dann weiter. Sie schien keine Minute lang ruhig bleiben zu können.

»Sie müssen wissen, daß es für mich eine sehr wichtige Party ist. Filmleute, Manager vom Fernsehen … Theaterproduzenten … Es ist nicht leicht, eine Chance zu bekommen.«

»Madam sind Künstlerin?« erkundigte sich Parker.

»Schauspielerin«, antwortete sie.

»Ich möchte mir erlauben, Madam viel Glück zu wünschen.«

»Glück! Das ist genau das, was ich brauche!« Sie seufzte. »Man kann sich anstrengen, wie man will, ohne Glück geht es einfach nicht. Schon gar nicht in meiner Branche.«

Sie plapperte und redete. Sie hatte nicht sonderlich viel Hemmungen, und sie erwies sich als naiv. Und sie merkte nicht, daß Parker die Schnellstraße längst verlassen hätte, und bereits im angegebenen Seitental war. Er verlangsamte das Tempo und suchte nach der Hausnummer, von der sie gesprochen hatte.

»Was ist denn?« fragte sie, als Parker plötzlich sein hochbeiniges Monstrum stoppte.

»Ich möchte melden, Madam, daß das gewünschte Ziel erreicht ist. Allerdings scheint mir, daß jenseits der Mauer wohl kaum eine Party stattfindet. Haus und umgebendes Grundstück machen einen ausgesprochen verlassenen Eindruck.«

Sie richtete sich auf und sah zur mannshohen Ziegelmauer, deren Kalkanstrich im Mondlicht seltsam bleich glänzte. Sie sah durch das reich verschnörkelte Gittertor hinüber zum Haus, von dem allerdings nur ein kleiner Teil zu sehen war.

Dieses Haus war nicht erleuchtet. In den Fenstern spiegelte sich nur das Mondlicht. Weder Stimmen noch Musik waren zu vernehmen.

»Sind Sie sicher, daß wir richtig sind?« fragte sie nervös.

»Vollkommen sicher, Madam, falls Sie mir die richtige Adresse nannten.«

Sie wiederholte sie noch einmal, und Parker nickte zustimmend.

»Demnach, Madam, müßte es hier sein. Wenn Sie gestatten, werde ich mich hinausbemühen und die Dinge in einen etwas näheren Augenschein nehmen.«

Parker verließ sein hochbeiniges Monstrum und ging hinüber zum Parktor. Nun konnte er das Haus voll überblicken. Auch hier kein Licht, keine Stimmen, keine Musik …

Parker ging zum rechten Torpfosten und legte seinen schwarz behandschuhten rechten Zeigefinger sehr nachdrücklich auf die Klingel. Obwohl er diese Tätigkeit noch verschiedentlich wiederholte, blieb das Tormikrofon stumm.

»Mir scheint, Madam, daß hier ein Irrtum vorliegt«, sagte Parker, der zurück zu der jungen Dame gekommen war, die inzwischen den Wagen verlassen hatte und nervös eine Zigarette rauchte.

»Bitte, tun Sie mir einen Gefallen«, sagte sie.

»Ich stehe, wie ich bereits sagte, Madam, zu Ihrer Verfügung.«

»Bringen Sie mich zurück zu Mister Colman! Sie wissen, meinen Begleiter.«

Während Parker zurückfuhr, hatte er das, was der Volksmund ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend genannt hätte. Er rechnete zumindest mit einer kleinen Überraschung …

»Falls meine Augen mich erneut nicht betrügen, Madam, scheint Ihr Begleiter den Wagen verlassen zu haben.«

Parker hatte den Buick erreicht und stieg aus. Er half der jungen Dame heraus und ging mit ihr hinüber zum Wagen, dessen platter Reifen noch immer nicht ausgewechselt worden war.

»Vielleicht holt Teddy Hilfe«, meinte Hazel Sharon und strich sich das lackschwarze Haar aus der Stirn.

»Wenn Sie möchten, Madam, werde ich gern zusammen mit Ihnen warten.«

Sie sah ihn unsicher an, schaute die dunkle und einsame Straße hinunter und schüttelte dann den Kopf.

»Lieber nicht«, meinte sie, »hier ist es mir nun doch zu unheimlich, Mister Parker. Ich würde gern zurück in mein Apartment fahren.«

»Sie brauchen erneut nur über meine bescheidene Wenigkeit zu verfügen.«

Bevor Parker zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum ging, untersuchte er den Buick. Hazel Sharon erklärte er, er suche nach einer eventuellen Nachricht ihres Begleiters.

So sehr Josuah Parker sich aber bemühte, er fand nicht den geringsten Hinweis. Teddy Colman, wie er hieß, schien es sogar darauf angelegt zu haben, keine Spuren zu hinterlassen. Der Wagen war säuberlich ausgeräumt worden.

Nach etwa fünf Minuten befanden Parker und Hazel Sharon sich auf der Rückfahrt. Bis nach Burbank (Los Angeles) waren es etwa zehn Meilen, die noch zurückgelegt werden mußten. Der Verkehr auf der Straße wurde in Stadtnahe etwas dichter.

»Ja, bitte?« fragte Hazel Sharon und zückte zusammen, als Parker sie angeredet hatte.

»Kennen Sie Mister Colman schon seit längerer Zeit?«

»Seit einigen Wochen. Wie das hier in Los Angeles eben so ist. Man sieht sich auf Parties, in Lokalen und wird miteinander bekannt.«

»Darf ich weiterhin fragen, Miß Sharon, ob Ihnen Mister Colmans Adresse bekannt ist?«

»Aber natürlich. Er wohnt in einem Apartmenthaus ganz in meiner Nähe.«

»Und ist beschäftigt wo?«

»Teddy ist Produktionsassistent bei einer privaten TV-Firma.«

»Sollten wir nicht bei Mister Colman vorbeifahren, Madam?«

»Von, mir aus. Gut, einverstanden. Aber sagen Sie, Mister Parker, warum stellen Sie all diese Fragen? Glauben Sie, daß irgend etwas nicht stimmt?«

»Man wird sehen, Miß Sharon. Mister Colman holte Sie also zu dem Zweck ab, Sie zur Party zu bringen?«

»Ja, natürlich. Wir waren schon einige Male zusammen aus. Ich hatte und habe da keine Bedenken, wenn Sie das meinen.«

Parker legte den Rest der Distanz schweigend zurück. Als das Apartmenthaus erreicht war, in dem Teddy Colman wohnte, hielt er an und stieg aus.

»Ich möchte mich für einige wenige Minuten entschuldigen«, bat er. »Würden Sie freundlicherweise im Wagen Zurückbleiben, Miß Sharon?«

Sie war einverstanden, und Parker ging hinüber zum Haus, drückte die Glastür zur Eingangshalle auf und sah sich einem mageren, kleinen Mann gegenüber, der sich als Hausmeister vorstellte.

Parker verwickelte diesen Mann in ein kurzes Gespräch, kam zurück zum Wagen und schüttelte bedauernd den Kopf.

»Mister Colman ist noch nicht zurückgekehrt und hat bisher auch keine Nachricht hinterlassen«, sagte er, »es dürfte zweckmäßig und angebracht sein, Sie jetzt nach Hause zu bringen.«

»Teddy kann sich auf was gefaßt machen«, sagte sie wütend, »was ist das für eine Art, sich einfach zu verdrücken! Man müßte ja glatt meinen, er hätte Dreck am Stecken.«

Parker ging auf diese Bemerkung nicht ein, fuhr um einen großen Wohnblock herum und hielt vor dem modernen Apartmenthaus, in dem die junge Dame mit dem lackschwarzen Haar wohnte. Sie bedankte sich erstaunlicherweise nur sehr sparsam bei Parker, schlüpfte aus dem Wagen und verschwand.

Vor dem Eingang blieb sie stehen und drehte sich zu Parker um, der sein hochbeiniges Monstrum bereits in Gang gesetzt hatte und losfuhr.

Hinter der nächsten Straßenecke hielt Parker seinen Wagen an. Er war keineswegs neugierig, doch er besaß eine äußerst gute Witterung für ungewöhnliche Dinge. Und diese Witterung sagte ihm, daß einige Dinge nicht so waren, wie sie sein sollten.

Gewiß, hier konnte es sich um die Verführungskünste eines jungen Mannes gehandelt haben, der seine Freundin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in seinen Wagen gelockt hatte, um mit ihr in einem der vielen Valleys nördlich von Burbank ein Schäferstündchen zu verbringen.

Dies konnte sein …

Parker mißfiel jedoch diese Deutung. Die junge Dame war sicher kein naives Mädchen vom Land, das man durch Tricks verführen mußte. Warum dann also diese aufwendige Geschichte mit der Party? Warum das Verschwinden des jungen Mannes, nachdem er sicher sein mußte, sie würde den Schwindel mit der Party durchschauen?

Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum verlassen und ging zurück zum Apartmenthaus. Worauf er wartete, hätte er zu diesem Zeitpunkt nicht sagen können. Es trieb ihn einfach zurück.

Vielleicht rechnete Parker insgeheim damit, daß der junge Mann auftauchen würde. Wo sollte er Hazel Sharon schon suchen? Logischerweise mußte sie nach dieser verunglückten Ausfahrt in ihr Apartment zurückgekehrt sein.

Als sich aber auch nach fünf langen Minuten immer noch nichts rührte, verließ der Butler die Dunkelheit der Straße und begab sich gemessen und würdevoll in den Lichtschein der Eingangshalle. Er studierte die vielen Namensschildchen und fand den von Hazel Sharon.

Parker läutete diskret, aber nachhaltig.

Das Türmikrofon blieb stumm. Hazel Sharon hatte sich wohl vorgenommen, nicht mehr zu reagieren. Vielleicht vermutete sie auch, ihr Freund Teddy Colman würde sich melden.

Nach einem letzten Läuten interessierte der Butler sich für das Schloß der zweiflügeligen Eingangstür und hypnotisierte es förmlich mit seinen geschickten Händen. Sekunden später öffnete es sich willig, und Parker konnte die Tür aufdrücken. Er durchmaß die Halle, ging hinüber zum Lift und fuhr hinauf in die vierte Etage.

Vor der gesuchten Apartmenttür blieb er stehen und genierte sich nicht, sein Ohr gegen die Türfüllung zu legen.

Keine Geräusche.

Totenstille!

Parker wurde von einer seltsamen Unruhe erfaßt. Er führte auch hier ein kurzes Zwiegespräch mit dem Türschloß, drückte dann die Tür auf und betrat auf diskrete Art und Weise den kleinen Flur.

»Miß Sharon?«

Keine Antwort.

Parker legte sich jetzt weniger Hemmungen auf und durchsuchte die kleine Wohnung, die außer dem Vorflur aus einem Wohnraum, einem Bad und einem kleinen Schlafraum bestand.

Aber selbst in den Garderoben- und Wandschränken war Hazel Sharon nicht zu finden. Auch unter der Dusche stand oder lag sie nicht, weder tot noch lebendig.

Sie war einfach nicht mehr da. Und nichts deutete in der kleinen Wohnung darauf hin, daß sie nicht freiwillig gegangen war!

»Na also«, sagte Anwalt Mike Rander eine knappe Stunde später und hob die Schultern, »worüber regen Sie sich eigentlich auf, Parker? Sie wird wieder gegangen sein, nachdem Sie sie vor dem Haus abgesetzt hatten.«

»Dies, Sir, liegt selbstverständlich durchaus im Bereich der Möglichkeiten.« Parker stand vor seinem Herrn, der gerade zurück ins Hotel gekommen war. Mike Rander hatte beruflich in Los Angeles zu tun, eine Arbeit, die ihn noch für knapp eine Woche in dieser Stadt festhielt. Als gesuchter Staranwalt vertrat er die Interessen einer Firma aus Chicago, die ins Fernsehgeschäft eingestiegen war und nun Ärger mit den neuen Geschäftspartnern hatte. Dieser Ärger sollte außergerichtlich beigelegt werden.

»Hören Sie, Parker«, redete Mike Rander weiter, »wenn Sie diesmal einen Kriminalfall wittern, so befinden Sie sich auf dem Holzweg! Sie sollten Ihrer Phantasie mal leichte Fesseln anlegen, Sie wittern ja überall Verbrechen.«

»Wie Sie meinen, Sir.«

»Ich kenne Sie doch, Parker!« Rander seufzte. »Sie sind also wieder einmal fest davon überzeugt, daß sich etwas zusammenbraut?«

»Ich räume dies freiwillig ein, Sir.«

»Und was vermuten Sie?«

»Die junge Dame namens Hazel Sharon sollte meiner bescheidenen Ansicht nach in eine Falle gelockt werden.«

»In welche Falle?« Rander wurde etwas ungeduldig.

»Dies, Sir, vermag ich zur Zeit noch nicht zu sagen.«

»Na, also! Warten Sie bis morgen! Rufen Sie dann diese Sharon an und lassen Sie sich bestätigen, daß sie auf ein Abenteuer aus war!«

»Ich werde Ihre Anregung dankbar aufgreifen, Sir.« Parker deutete eine leichte zustimmende Verbeugung an. »Haben Sie noch Befehle, Sir?«

»Ich bin unten in der Hotelbar. Es kann ein bis zwei Stunden dauern, Parker.«

»Ich wünsche einen angenehmen Zeitvertreib, Sir.«

Parker wartete, bis sein junger Herr gegangen war. Dann fuhr er mit dem Lift hinunter in das Tiefgeschoß des Hotels, wo er seinen Privatwagen abgestellt hatte. Er setzte sich ans Steuer und fuhr noch einmal hinaus in die Nacht.

Dank der recht leeren Straßen kam er gut voran und erreichte die nördliche Ausfallstraße, auf der er den Buick des jungen Mannes getroffen hatte. Er schaltete die Scheinwerfer seines Wagens voll ein und suchte nach dem Fahrzeug, das der Fahrer aus seiner Ansicht nach ominösen Gründen zurückgelassen hatte.

Irgendwie war Josuah Parker angenehm überrascht, daß dieser Buick jetzt nicht mehr zu sehen war. Man hatte in der Zwischenzeit das defekte Rad ausgewechselt und den Wagen weggeschafft.

Dafür gab es selbstverständlich eine mehr als einfache Lösung. Teddy Colman war zurückgekehrt, hatte das Rad ausgewechselt und war davongefahren.

Parker weigerte sich jedoch, diese Erklärung zur Kenntnis zu nehmen. Sie erschien ihm zu simpel. Er hatte sich darin verbissen, daß irgend etwas nicht stimmte. Und nun wollte er alles sehr genau wissen.

Was lag näher, als weiter hinauf in das Seitental zu fahren, wo die Party hatte stattfinden sollen?

In schneller Fahrt war auch dieses zweite Ziel erreicht. Parker fuhr an der Ziegelmauer entlang, passierte das Tor und stellte fest, daß das Haus nach wie vor dunkel war. Etwa hundert Meter weiter oberhalb der Ziegelmauer hielt er sein hochbeiniges Monstrum an und stieg aus.

Er wollte sich das Grundstück und das dunkle Haus etwas aus der Nähe ansehen. Parker war eben ein ebenso mißtrauischer wie gründlicher Mensch.

Der Rasen war völlig verwildert und reichte hoch bis zu den Waden. Im Mondlicht war zu erkennen, daß der Kiesweg hinüber zum Haus mit Unkraut durchsetzt war. Und das Haus selbst, aus der Nähe betrachtet, machte einen vergammelten Eindruck, die Farbe war abgeblättert und das Holz schrie förmlich nach einem neuen Anstrich. Es gab einige Fenster, die zerbrochen waren.

Parker benutzte das Licht einer seiner Kugelschreiber-Taschenlampen und durchstreifte die Räume im Erdgeschoß. Dicke Staubschichten ließen darauf schließen, daß sich hier seit vielen Monaten kein menschliches Wesen mehr bewegt hatte. Auch die Steintreppe, die hinauf ins Obergeschoß führte, war mit einer kompakten Staub- und Dreckschicht versehen.

In der geräumigen Küche jedoch sah alles anders aus, und Parker fühlte sich innerlich erleichtert, daß dem so war.

Auf einem Küchentisch hatten leere Bierkonserven die Staubschicht zerkratzt und zerstört. Auf einem Unterteller lagen die Reste eines Sandwiches, dessen Brot noch recht frisch wirkte. Auf dem Boden häuften sich Zigarettenenden und Asche.

Parker fand schnell heraus, daß sich zwei Personen in der Küche aufgehalten haben mußten. Die Spuren waren überdeutlich und ließen keinen anderen Schluß zu. Es mußte sich um Männer gehandelt haben, denn die Zigarettenenden wiesen keine Lippenstiftspuren auf.

Hatten Landstreicher hier ein paar Stunden verbracht? Waren sie durch das Auftauchen von Parkers Wagen verscheucht worden?

Der Butler verließ das Haus durch die hintere Küchentür und sah sich auf dem Gelände hinter dem Haus näher um. Er fand schnell, wonach er suchte.

Es handelte sich um Reifenspuren im Kies. Diese Spuren waren ebenfalls sehr frisch, führten durch den rückwärtigen Garten und endeten vor einem Holztor, das nur angelehnt war. Parker zog dieses Tor auf und blickte in einen schmalen Feldweg hinein. Hier führten die Reifenspuren weiter.

Nein, um Landstreicher konnte es sich nicht gehandelt haben. Sie fuhren keine Autos. Wer also mochten diese beiden Männer gewesen sein? Auf wen hatten sie gewartet? Auf Teddy Colman und seine Begleiterin?

Parker ging zurück ins Haus und sah sich noch einmal gründlich in der Küche um. Vielleicht entdeckte er noch weitere Spuren, die er bisher übersehen hatte? Nun, das war zu seinem Leidwesen nicht der Fall. Die beiden Männer hatten demnach nur Bier getrunken und Kette geraucht.

Eine halbe Stunde später tauchte der Butler wieder in einer bestimmten Eingangshalle zu einem Apartmenthaus auf. Nein, hörte er, Mister Colman sei noch nicht zu Hause, ob man etwas ausrichten solle?

»Ich werde später noch einmal vorbeikommen«, sagte Parker. »Mister Colman ist beim Fernsehen beschäftigt, wie ich hörte, nicht wahr?«

»Colman?« Der Hauswart schüttelte den Kopf, »wie kommen Sie denn darauf? Mister Colman ist Autovertreter. Firma Tuscon – Gebrauchtwagen und so …«

»Dann muß ich mich geirrt haben«, räumte Parker höflich ein, »Ich wünsche Ihnen noch eine erholsame und ruhige Nacht!« lüftete seine schwarze Melone und verließ die Eingangshalle.

Er wollte gerade hinüber zum Parkplatz gehen, wo er sein hochbeiniges Monstrum abgestellt hatte, als ein Buick vor dem Haus erschien.

Der gesuchte Teddy Colman stieg aus, rief noch etwas in den Wagen hinein und verschwand dann sichtlich gut gelaunt in der Eingangshalle.

Parker entschloß sich, den Buick zu verfolgen …

Nach etwa zwanzig Minuten hielt der Buick auf einem Parkplatz vor einem kleinen Hotel der unteren Mittelklasse. Ein junger Mann von schätzungsweise dreißig Jahren stieg aus und schlenderte zum Hoteleingang hinüber.

Er ging allerdings an diesem Eingang vorbei und verschwand auf den Stufen einer Kellerbar, die sich »Paradise« nannte. Da der Butler an Paradiesen stets interessiert war, folgte er dem Dreißigjährigen nach unten und entdeckte ihn auf einem Barhocker. Er ließ sich gerade einen Drink reichen und zündete sich eine Zigarette an.

Parker wußte genau, was er tat.

Er kümmerte sich keineswegs um die vielen Leute in der Bar, die zu einer aufpeitschenden Musik tanzten, die aus einer Stereoanlage kam. Er ignorierte die vielen offensichtlich verliebten Pärchen und übersah schließlich die erstaunliche Zahl von angetrunkenen Gästen, die überraschend schweigsam in ihren Nischen hockten und sich ihren Träumen hingaben.

Parker wußte, daß er hier in diesem Paradies Aufsehen erregte. Er gehörte ganz gewiß nicht zu den Gästen, die man hier unten erwartete. Würdevoll und gemessen schritt er hinüber zur Bartheke und blieb neben dem Buickfahrer stehen. Er lüftete höflich seine schwarze Melone.

Der junge Mann sah ihn irritiert an und grinste. Eine Erscheinung wie die des Butlers reizte normalerweise die Lachmuskeln. Das lag allein schon an Parkers schwarzer Dienstkleidung. Über korrekt gebügelten, gestreiften Hosen trug er einen schwarzen Zweireiher altmodischen Zuschnitts. Und der Eckkragen selbst mit dem altmodischen Binder, er allein gehörte schon in ein anderes Jahrhundert.

»Ich hoffe, Sir, der Reifenwechsel ließ sich bewerkstelligen«, sagte Parker zu dem jungen Mann, der, wie schon, gesagt, keineswegs identisch war mit Teddy Colman.

»Reifenwechsel?« Der junge Mann verlor sein amüsiertes Grinsen. Parker reagierte zufrieden, daß sich Wachsamkeit und Vorsicht in die Augen seines Gegenübers einschlichen.

»Sehr wohl, Reifenwechsel«, sagte Parker höflich. Dann erst schien er seinen Irrtum bemerkt zu haben, was Parker gekonnt deutlich machte. »Oh, ich bitte um Vergebung, Sir, mir scheint, daß ich Sie mit einem gewissen Mister Teddy Colman verwechsle.«

»Teddy Colman?« Mehr sagte der Dreißigjährige nicht.

»In der Tat«, antwortete Parker gemessen, »ich bot einem Mister Colman meine bescheidene Hilfe an, als er Schwierigkeiten mit einem Reifenwechsel hatte.«

»Aha!« Die Stimme wurde wieder neutral.

»Mister Colman, so erinnere ich mich, befand sich in der Gesellschaft einer reizenden jungen Dame.«

»Warum erzählen Sie mir das alles?« Der Dreißigjährige hatte sich von seiner Überraschung erholt.

»Entschuldigen Sie die Geschwätzigkeit eines alten, müden und relativ verbrauchten Mannes«, meinte Parker steif, »ich werde Sie selbstverständlich nicht weiter belästigen.«

Parker lüftete seine schwarze Melone und entfernte sich von der Theke. Er schritt durch den dichten Tabakqualm, bahnte sich seinen Weg durch die sehr innig miteinander tanzenden Pärchen und stieg über die Treppe hinauf zur Straße.

Er nahm sich viel Zeit, um zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum zu gehen. Und genau diese Zeit brauchte der junge Mann aus der Kellerbar auch, um seinerseits hinauf auf die Straße zu kommen. Der junge Mann beobachtete den Butler, den hochbeinigen Wagen und merkte sich mit größter Sicherheit das Kennzeichen.

Doch er tat noch mehr.

Er tat genau das, womit der Butler kaum zu rechnen gewagt hatte. Der junge Mann stieg in den Buick und folgte Parkers Monstrum durch die Straßen. Einige Stichworte, die Parker ihm geliefert hatte, mußten ihn wach und mißtrauisch gemacht haben.

Parker hatte überhaupt keine Bedenken, zu seinem Hotel zu fahren. Umständlich stellte er seinen Wagen in der Tiefgarage ab und fuhr mit dem Lift hinauf in die Hotelhalle, wo er sich den Schlüssel für sein Zimmer geben ließ.

Selbstverständlich machte er den jungen Mann aus, der es sich in der Hotellounge bequem gemacht hatte. Er saß in einem tiefen Sessel und blätterte in einer Zeitung. Er schien sich vergewissern zu wollen, wer Parker war und ob er auch tatsächlich in diesem Hotel wohnte.

Parker übersah selbstverständlich den jungen Mann, stieg in den Lift und fuhr nach oben.

Im ersten Stockwerk programmierte Parker den Lift um und fuhr wieder zurück in die Tiefgarage. Er hatte sich die Sache keineswegs anders überlegt. Er wollte nun seinerseits herausbekommen, wer der junge Mann war und wo er wohnte.

Aus Gründen der Tarnung benutzte Parker den Leihwagen seines jungen Herrn. Es handelte sich um einen völlig unauffällig aussehenden Ford, an dessen Steuer er sich setzte. Parker lenkte den Wagen hinauf auf die Straße und war sicher, daß er nicht allzulange zu warten brauchte.

Seine Rechnung ging auf.

Schon nach drei, vier Minuten erschien der Mann vor dem Hotel, ging hinüber zu seinem Buick und fuhr los. Parker folgte diesem Wägen in angemessener Entfernung und war gespannt, wo die Reise enden würde.

Nun, sie dauerte etwa zwanzig Minuten. Der Buick hielt vor dem Drahtzaun eines großen, umzäunten Freigeländes. Hohe Masten mit Firmenfahnen, die jetzt schlaff herunterhingen, und zahlreiche Reklametafeln verkündeten protzig und laut, daß es sich um die Gebrauchtwagenfirma Tuscon handelte.

Der junge Mann stieg aus, ging zu einem nahen Tor hinüber und klingelte. Wenig später surrte das Tor elektrisch auseinander und gab den Weg frei auf das Grundstück. Der Buick glitt in das Ausstellungsgelände, worauf das Tor sich wieder schloß.

Parker stieg nun aus und begab sich ebenfalls hinüber zum Tor. Es gab eine Sprechanlage, die seinen Wünschen und Zwecken durchaus freundlich entgegenkam.

Parker legte seinen schwarzbehandschuhten Zeigefinger nachdrücklich auf den Klingelknopf und wartete, bis es im Torlautsprecher verheißungsvoll knackte. »Ja, was ist?« fragte eine träge und verschlafen wirkende Stimme.

»Ich erlaube mir, einen sehr schönen Abend beziehungsweise eine angenehme Nacht zu wünschen«, erwiderte Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. »Läßt es sich einrichten, Mister Teddy Colman zu sprechen?«

»Wen!?«

»Mister Teddy Colman … Mein Name ist Parker, Josuah Parker.«

»Moment mal …!« Es knackte in der Leitung, die wohl sicher kurzfristig abgestellt wurde. Die verschlafene Stimme beriet sich jetzt wahrscheinlich mit dem jungen Mann, der gerade im Buick gekommen war.

Parker wartete das Ergebnis dieser Beratung aber erst gar nicht ab. Es gehörte zu seinem taktischen Konzept, nun das Tor zu verlassen. Er begab sich hinüber zum Leihwagen seines jungen Herrn und setzte sich ans Steuer.

Nur wenige Minuten verstrichen, bis das Tor vom Grundstück aus von den Scheinwerfern eines schnell näher kommenden Wagens bestrichen wurde. Der Wagen hielt vor dem geschlossenen Tor, zwei Männer traten in das Scheinwerferlicht und hielten Ausschau nach dem nächtlichen Besucher.

Sie entdeckten Parkers Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und verließen das Gebrauchtwagengelände. Sie hatten es sich wohl in den Kopf gesetzt, Parker einige indiskrete Fragen zu stellen. Als sie den Wagen fast erreicht hatten, fuhr der Butler kommentarlos an, und zwar sehr schnell.

Im Rückspiegel sah er die beiden Männer, die wahrscheinlich mehr als verdutzt waren. Ob sie zurück aufs Gelände gingen, konnte Parker schon nicht mehr feststellen, da er den Wagen in eine Seitenstraße gezogen hatte.

Parker stellte den Mietwagen seines jungen Herrn unauffällig am Straßenrand ab. Zwischen vielen anderen parkenden Wagen fiel sein Gefährt nicht auf. Zu Fuß lustwandelte Parker anschließend zurück zum Grundstück der Gebrauchtwagenfirma und interessierte sich für die Maschen des Drahtzaunes.

Die Lage zwang ihn dazu, Zuflucht zu einer kleinen, maßvollen Sachbeschädigung zu nehmen. Das Ergebnis dieser Sachbeschädigung war ein Zaunteil, der sich vor dem Butler türartig öffnete. Parker hatte die betreffenden Drahtmaschen mit einer Spezialfeile durchtrennt, die er mitsamt dem Bambusgriff aus dem Universal-Regenschirm hervorgezogen hatte.

Anschließend brachte er seinen Schirm wieder in Ordnung und schritt erwartungsvoll hinüber zu einem einstöckigen Steinbau, in dem sich seiner bescheidenen Schätzung nach die Büros und Aufenthaltsräume der Gebrauchtwagenfirma befinden mußten.

Er kam gerade zurecht.

Zwei Männer erschienen im Lichtkreis einer Türlampe, redeten leise, auch sichtlich aufgeregt miteinander und verschwanden dann in dem langgestreckten Steinbau.

Parker Süchte sich das passende Fenster aus und beobachtete die beiden Männer. Einer von ihnen war der junge Mann, der den Buick benutzt hatte. Der zweite Mann war untersetzt, stiernackig und sah aus wie ein Schläger, dessen gute Zeit allerdings seit einiger Zeit vorüber war.

Butler Parker, an Informationen stets interessiert, holte seine neueste Errungenschaft hervor. Es handelte sich um eine Sonnenbrille jener Dimension, wie sie von einem griechischen Tankerkönig benutzt wird.

Im breiten Bügel allerdings befand sich eine Miniatur-Tonverstärkeranlage mit einem Ohrclip. Diesen Clip schob Parker sich in das linke Ohr. Ein feiner Draht, beliebig lang abspulbar, stand mit einem Adapter in Verbindung, der nicht größer war als die Batterie für eine elektrische Armbanduhr.

Diesen Adapter klebte Parker an den unteren Rand der Fensterscheibe und war so in der Lage, etwas für seine Information zu tun …

»… klar, daß da was schiefgelaufen sein muß«, sagte der junge Mann gerade und zündete sich eine Zigarette an. »Teddy muß nicht richtig geschaltet haben …«

»Und ob er nicht richtig geschaltet hat!« Der Stiernacken riß eine Bierkonserve auf und nahm einen kräftigen Schluck. Er wischte sich den Mund mit dem breiten, behaarten Handrücken ab und redete weiter: »Diesem grünen Jungen hab’ ich sowieso nicht getraut. Der hat doch keine Nerven, Dave!«

»Aber er hat die richtige Masche, wie man an die Puppen rankommt, Joe«, erwiderte Dave. »Na, vielleicht nehmen wir diesen komischen Butler viel zu ernst.«

»Bist du sicher, Dave?«

»Nee, im Grunde nicht.« Dave schüttelte den Kopf, »es kann kein Zufall sein, daß er mich in der Kellerbar angequatscht hat. Und es kann auch kein Zufall sein, daß er hier vor dem Tor aufgetaucht ist.«

»Ob er was weiß?« fragte der Stiernacken.

»Schwer zu sagen …«

»Sollte man ihn nicht sicherheitshalber aus dem Verkehr ziehen, Dave?«

»Nur nichts überhasten! Wir wissen ja, wo er wohnt. Das hab’ ich rausbekommen. Wir müssen erst mal herausfinden, wer er eigentlich ist? Ein Spitzel, oder vielleicht nur ein neugieriger Bursche mit zuviel Phantasie.«

»Und woran glaubst du, Dave?« wollte der Stiernacken wissen.

»Ich laß mich überraschen. Hauptsache, wir werden nicht nervös.«

»Wir nicht, Dave! Aber was ist mit Teddy? Hält der dicht, falls man ihm Dampf macht?«

»Glaub ich nicht, Joe.«

»Dann sollte man dagegen doch was tun. Teddy ist schließlich zu ersetzen, oder?«

»Ich werde erst mal mit dem Chef reden, Joe, lang mir mal das Telefon rüber!«

Dave, der junge Mann, drückte seine Zigarette in einem bereits überquellenden Aschenbecher aus und wählte eine Nummer, die Josuah Parker sich erfreulicherweise einprägen konnte, da sein Blickfeld mehr als günstig war.

»Hallo, Chef«, meldete sich Dave, nachdem die Verbindung hergestellt worden war, »ich glaube, es könnte da wegen Teddy Schwierigkeiten geben. Wieso?«

Dave setzte es seinem Chef auseinander, doch an diesem Gespräch beteiligte Parker sich schon nicht mehr, was das Zuhören anbetraf. Er baute sein kleines Spezialgerät ab, verstaute es in einer Westentasche und begab sich zurück zu seinem Wagen. Er verschwand zwischen den ausgestellten Gebrauchtwagen, die in Reih und Glied zum Verkauf angeboten waren und blieb plötzlich stehen. Was er brauchte, war ein kleiner Vorsprung. Und für den mußte er schnell, gründlich und schließlich auch unauffällig etwas tun.

Parker ging also noch einmal zurück zur Steinbaracke und entdeckte den Buick, der neben einem Wohnwagen stand. Hier angekommen, zog er einen seiner vielen Spezialkugelschreiber aus einer der vielen Westentaschen. Er hatte die Absicht, den Hinterreifen des Buick mit einigen Tropfen einer klaren Flüssigkeit zu versehen. Erfahrungsgemäß weichte diese Flüssigkeit den Reifen derart auf, daß er nach schätzungsweise sechs bis acht Minuten seinen Geist aufgab.

Doch Parker nahm Abstand von diesem Plan, da seine Augen bereits ausgesprochen wohlwollend auf einem Drahtseil ruhten, das zusammengerollt neben dem Wohnwagen auf dem Boden lag.

Der Butler handelte schnell und geschickt, wie man es bei ihm nicht anders gewohnt war, verband das Drahtseil mit der Anhängerachse des Wohnwagens und schlang das freie Ende um die schwere Stoßstange des Buick. Das Seil selbst ließ er unausgerollt, damit die spätere Überraschung auch perfekt gelang.

Parker blieb in der Nähe, denn der Buick konnte ihm jetzt nicht mehr zuvorkommen.

Dave und der Stiernacken kamen aus der Steinbaracke und gingen auf den Buick zu. Sie sprachen schnell und leise miteinander und schienen sich über ihr taktisches Vorgehen auszutauschen. Sie setzten sich in den Wagen. Der Stiernacken übernahm das Lenkrad und ließ den Motor anspringen.

Parker, im Grunde seines Wesens kaum schadenfroh, verzog sein sonst so kontrolliertes Pokergesicht zur Andeutung, eines feinen Lächelns, als der Buick, fast wie er es erwartet hatte, mit einem Schnellstart nach vorn sprang.

Das Drahtseil wickelte sich ab und … stellte schließlich eine sehr plötzliche und durchaus zähe Verbindung zwischen Buick und Wohnwagen her.

Der Erfolg war frappierend!

Der große Wohnwagen, der hochgebockt und auf seinen Stützen stand, wurde durch einen harten Ruck aus dem Stand und Gleichgewicht gebracht. Er rutschte über das vordere linke Standbein und … stürzte krachend und polternd auf die Seite. Er verschwand in einem dichten Vorhang von Staub und Dreck.

Der Buick erlebte seine eigene Überraschung.

Als das Stahlseil sich strammte und Widerstand bot, dauerte es noch einige Zehntelsekunden, bis die hintere Stoßstange sich aus dem Wagen löste. Sie wurde aber nicht allein und ausschließlich gezogen, als würde ein riesiger Schneidezahn entfernt. Die Wurzeln dieses Zahns nahmen noch ein Stück des Blechs vom Kofferraum mit und deformierten das Wagenheck.

Der Buick, endlich gelöst und getrennt vom hinterlichen Blech, schoß zusätzlich wieder nach vorn. Der Stiernacken verlor die Kontrolle über das Steuerrad und ließ den Wagen in einen Chrysler hineinrauschen, der ahnungslos am Weg stand

Nach diesem Zwischenspiel hielt Parker es für angebracht, erst einmal das Feld zu räumen. Er wollte sich dem Unmut der beiden Männer nicht unnötig aussetzen …

Unhörbar öffnete der Butler die Tür zu Colmans Apartment, betrat den auch hier vorhandenen kleinen Korridor und sah sich interessiert um. Eine Tür führte ins Badezimmer, die nächste in eine kleine Küche, die übernächste in einen Wandschrank und die letzte schließlich in das eigentliche Apartment, in dem Colman wohnte und auch schlief.

Parker, dessen Lautlosigkeit wohl selbst eine erfahrene Katze erschreckt hätte, bewegte sich unhörbar ein Stück in das Apartment und beobachtete Colman, der auf einer ausgezogenen Bettcouch lag und leise schnarchte.

Im Zimmer roch es nach abgestandenem Bier und nach kaltem Zigarettenrauch. Teddy Colman hatte seine Kleider über einen Stuhl geworfen. Und auch sein Schulterhalfter, in dem ein kurzläufiger 38er stak.

Es war diese Waffe, die den Butler beruhigte. Sein Instinkt hatte ihn also doch richtig geleitet. Er hatte es im Falle Colman und Freunde offensichtlich mit Bürgern zu tun, die jenseits der Gesetzeslinie lebten und agierten. Parker brauchte sich wegen einiger Illegalitäten keine zu großen Sorgen zu machen.

Er nahm die Waffe an sich und entlud sie. Er steckte sie zurück ins Schulterhalfter und bemühte einen seiner Spezialkugelschreiber. Er führte ihn in die Nähe des Kopfendes der Couch, drückte auf den Clip und hörte gleichzeitig ein feines, angenehmes Zischen. Der Kugelschreiber versprühte ein Gasgemisch, das tiefen und erholsamen Schlaf garantierte, gesundheitlich aber keineswegs Schaden anrichten konnte.

Nachdem der Butler Colman auf diese Weise unschädlich gemacht hatte, begab Parker sich zurück in den kleinen Korridor und wartete auf weitere Besucher, die seiner Schätzung nach unbedingt erscheinen mußten.

Er brauchte nicht lange zu warten …

Dave und Joe, die beiden Mitarbeiter von Tuscons Gebrauchtwagengeschäft, hatten geräuschlos die Apartmenttür geöffnet und blieben abwartend im kleinen Korridor stehen.

»Dort!« zischte Dave seinem Partner Joe zu und deutete auf eine der Türen, »dort, Joe! Da schläft er!«

»Aber nicht mehr lange«, reagierte Joe grimmig und selbstverständlich leise.

»Ich geh mal vor«, schlug Dave vor und drückte vorsichtig die Türklinke herunter. Er öffnete spaltbreit die Tür und sah in das Apartment hinein.

»Er schläft«, sagte er völlig überflüssigerweise zu Joe, der gerade seinen Totschläger auspackte und ihn liebevoll in der Hand schwang. Nach dieser Feststellung pirschte Dave sich tiefer in den Raum.

Joe wollte sich gerade ebenfalls in Bewegung setzen, als er das sichere Gefühl hatte, daß sich ein harter Gegenstand auf seinen ungeschützten Hinterkopf legte.

Sein Gehirn nahm diese Meldung zwar noch auf, war aber nicht mehr fähig und in der Lage, diese Erkenntnis zu verwerten. Wie gelähmt blieb Joe starr und steif auf dem Fleck stehen. Dann sah er plötzlich einen äußerst bunten Sternenhimmel vor seinen Augen, kam sich wie ein Astronaut vor und … reckte sich wohlig. Er merkte schon nicht mehr, daß fürsorgliche Hände ihn auffingen und fast liebevoll und behutsam zu Boden gleiten ließen.

Dave war inzwischen weiter durchmarschiert und hatte die Bettcouch erreicht. Er sah auf den jetzt nicht mehr schnarchenden Teddy Colman hinunter und wandte sich an Joe, der seiner Schätzung nach ja hinter ihm sein mußte.

»Los«, sagte er leise und fast genußvoll, »lang zu, Joe!«

»Wie Sie meinen«, erwiderte Parker, der tatsächlich hinter Dave stand. Und während er sich äußerte, langte der Butler kurz und nachdrücklich zu.

Dave verdrehte die Augen, tat einen glucksenden Seufzer und legte sich zu Parkers Füßen nieder.

Butler Parker sammelte zwei diverse Handfeuerwaffen ein und stellte sie sicher. Anschließend kümmerte er sich um Teddy Colman, den er jetzt gern zu sprechen wünschte.

Colman hüstelte zuerst nur schwach, dann hustete er wie ein erkälteter Löwe und richtete sich steil im Bett auf. Er hatte einige Rauchschwaden von Parkers Zigarre mitbekommen und war sichtlich beeindruckt.

»Was … Was ist los?« fragte er mit heiserer Stimme und starrte auf den Butler, der steif und korrekt auf der Kante eines Sessels saß und eine seiner Spezialzigarren rauchte.

»Darf ich Sie bitten, Mister Colman, einen Blick auf diese beiden Herren zu werfen?«

Teddy Colman sah zu Boden und entdeckte erst jetzt Dave und Joe, die gerade langsam zu sich kamen.

Dieser Anblick schien Colman zu elektrisieren. Er hüpfte aus dem Bett und griff blitzschnell nach seinem Schulterhalfter. Er zerrte ein wenig ungeschickt den 38er hervor und richtete den kurzen, bulligen Lauf auf den Butler.

»Hände hoch«, befahl er dazu.

»Ich fürchte, Mister Colman, Sie machen sich ein wenig lächerlich«, bemerkte Parker und schüttelte vorwurfsvoll und andeutungsweise den Kopf, »können Sie sich nicht vorstellen, daß ich die Waffe sicherheitshalber entlud?«

Colman starrte auf den 38er, ventilierte Parkers Behauptung in seinem Kopf und warf die Waffe anschließend resigniert zu Boden.

»Was … Was ist passiert, was wollen Sie hier?« wollte er dann wissen. Da Parker gerade etwas Rauch ausgestoßen hatte und einige leichte Schwaden Colman erreichten, warf der junge Mann sich ängstlich zurück und hüstelte betreten. Er war dem Spezialaroma von Parkers Zigarren keineswegs gewachsen.

Butler Parker Box 12 – Kriminalroman

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