Читать книгу Butler Parker Staffel 9 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 5

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»Parker, Sie sehen einfach unmöglich aus«, sagte Anwalt Mike Rander und schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf, »wir befinden uns schließlich in Afrika und nicht am Picadilly Circus in London.«

»Dieser Tatsache, Sir, bin ich mir voll und ganz bewußt«, gab der Butler gemessen zurück. Er rückte sich seine schwarze Melone zurecht und legte sich den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms korrekt über den linken Unterarm. Würdevoll wie ein orientalischer Herrscher schritt er dann über die Gangway des Jets hinunter auf die Betonpiste des Flugplatzes, um dort auf seinen jungen Herrn und dessen Sekretärin, Sue Weston, zu warten, die jetzt ebenfalls aus dem Jet stiegen und nach unten kamen.

Parker mißbilligte seinerseits die Kleidung seines Herrn, der sich im modernen Safari-Look präsentierte. Parker hielt diesen Anzug für nicht angemessen. Seiner bescheidenen Auffassung nach hatte ein Anwalt sich in allen Lebenslagen stets feierlich-korrekt zu kleiden.

An Sue Weston hingegen hatte Parker nichts auszusetzen. Sie erfreute wieder mal seine Augen und erwärmte sein Herz. Sue – langbeinig, gertenschlank und von pikant-exotischer Schönheit – trug Hot pants, über die sie einen leichten Mantel geworfen hatte.

Die Sonne stand bereits tief. Bis zum Einbruch der Dunkelheit konnte es nicht mehr lange dauern.

»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich jetzt um das Gepäck kümmern«, wandte Parker sich an Mike Rander.

»Und ich werde Ausschau nach Mister Maudling halten«, erwiderte der Anwalt, »er wollte uns am Flugplatz abholen.«

Zusammen mit den übrigen Touristen gingen sie hinüber zum nahen Flugplatzgebäude, wo sie sich trennten. Parker passierte auf dem Weg zum Zoll einen Afrikaner, der europäische Kleidung trug. Dieser Mann sah den Butler gleichgültig-zurückhaltend an und drehte sich langsam, wie unabsichtlich um, als Parker hinter der Glastür des Zolltrakts verschwand.

Der Afrikaner, der eine Sonnenbrille trug, obwohl sie eigentlich wegen der Lichtverhältnisse nicht mehr notwendig war, schlenderte durch die weite Empfangshalle nach draußen und zündete sich auf der Treppe fast umständlich eine Zigarette an.

Anschließend setzte er sich in einen Landrover und ließ den Eingang nicht mehr aus den Augen.

*

»Nairobi, die Hauptstadt der Safaris«, stellte Rander vor, als er mit Sue Weston die Empfangshalle verlassen hatte. Er deutete auf die breite Straße, auf die Hochhäuser im Hintergrund, auf die vielen weißen ein- und zweistöckigen Gebäude inmitten der Wald- und Parkanlagen und schließlich auf einen alten Bus, der hoffnungslos überbesetzt war und mit klappernden Ventilen in Richtung Stadt vorbeiratterte.

»Das wirkt alles sehr westlich«, meinte Sue enttäuscht.

»Abwarten«, gab Rander lächelnd zurück. »Sie werden noch auf ihre Kosten kommen, Miß Weston. Wo zum Teufel, steckt dieser Mister Maudling?«

Rander hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als dicht vor ihnen ein Landrover anhielt, aus dem der Afrikaner stieg, der jetzt seine Sonnenbrille absetzte. Er lächelte Rander und Sue Weston breit an.

»Mister Rander?« fragte er in fehlerfreiem Englisch.

»Okay«, bestätigte Rander erleichtert.

»Mister Maudling ist leider verhindert«, sagte der Afrikaner, »er läßt sich entschuldigen. Ich soll Sie abholen.«

»Wunderbar«, freute sich Rander und war erleichtert, »bleiben wir hier in Nairobi, oder geht’s sofort raus nach Tabora-Lodge?«

»Wir werden in anderthalb Stunden dort sein«, sagte der Afrikaner, »die Straße bis dahin ist sehr gut. Von ein paar Meilen abgesehen. Ist ihr Gepäck schon durch den Zoll?«

Wie auf ein Stichwort him erschien Josuah Parker. Hinter ihm karrte ein schwarzer Gepäckträger die Koffer und diversen Reisetaschen des Trios.

Das Verladen des Gepäcks dauerte knapp fünf Minuten. Nachdem Parker neben dem Afrikaner, Rander und Sue Weston auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, begann die Fahrt in die schnell einfallende Dunkelheit hinein.

Der Afrikaner, der sich als Joe Ugalla vorgestellt hatte, erwies sich als ausgezeichneter Fahrer, der seinen Wagen beherrschte. Er preschte durch die Straßen der Stadt und minderte erst das Tempo, als sie die große Ausfallstraße nach Südosten erreicht hatten. Diese Straße entpuppte sich recht bald als eine gepflegte Piste, auf der allerdings Asphalt und Beton fehlten. Dennoch ließ die Fahrt sich ertragen.

Joe Ugalla drosselte das Tempo noch mehr, als sich links und rechts der Straße hoher Busch ausbreitete, der im Licht der voll aufgedrehten Scheinwerfer magisch erhellt wurde.

»Wildwechsel«, sagte er erklärend, »hier muß man jeden Moment mit Überraschungen rechnen.«

Parker nickte zurückhaltend und ließ sich nicht weiter ablenken. Er dachte an den Zweck der Reise und an die Probleme des Mister Paul Maudling, der sie nach Kenia eingeladen hatte.

Maudling hatte erfreulicherweise von Mord gesprochen, ein Thema, das in Parkers Ohren stets einen guten Klang hatte. Mord, das klang nach einem neuen, interessanten Kriminalfall, den Parker sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Um was es sich genau handelte, war noch unbekannt. Parker und Rander wußten nur, daß dieser Mister Maudling sich bedroht fühlte und daß er glaubte, man habe seine Ermordung geplant. Warum dieser Mord durchgeführt werden sollte, hatte Maudling nicht geäußert, darüber wollte er an Ort und Stelle reden.

Mike Rander, sonst skeptisch, war auf Maudlings Vorschlag eingegangen, nach Kenia zu kommen. Der Hotelmanager bezahlte schließlich den Hin- und Rückflug und den Aufenthalt. Maudlings Finanzen wurden damit keineswegs überfordert, denn – und dies hatte Parker diskret erforscht – er war ein Mann, der über einige private Millionen verfügte. Er besaß eine Hotelkette in Kenia, Tansania und in Südafrika. Maudling hatte sich ganz auf den internationalen Tourismus eingestellt und machte damit sein Geld.

Parker schreckte aus seinen Gedanken hoch, als der Landrover plötzlich durch eine Kette von Schlaglöchern rumpelte.

»Abkürzung«, sagte Joe Ugalla erklärend und lachte beruhigend, »wir sparen so wenigstens dreißig Minuten.«

Parker nickte und versenkte sich erneut in seine Gedanken. Er überprüfte noch mal in seiner Vorstellung, ob er alle Reisevorbereitungen auch richtig getroffen hatte. Im vorhinein unterstellte er peinliche Zwischenfälle und versuchte, sich darauf einzustellen. Er hoffte, aus seiner privaten Bastelstube die Dinge mitgenommen zu haben, die man in Busch und Savanne möglicherweise brauchte.

Parker wurde erneut durchgeschüttelt.

Er hörte sofort, daß mit dem Motor des Landrovers etwas nicht stimmte. Er sah fragend zu dem Afrikaner hinüber, der ratlos die Achseln zuckte und dann den Motor ab stellte.

»Irgendwas mit der Hinterachse«, meinte Joe Ugalla und stieg aus.

»Ich biete Ihnen gern meine bescheidene Hilfe an«, rief Parker und wollte ebenfalls aussteigen.«

»Nicht nötig«, sagte Ugalla, »bleiben Sie besser im Wagen. Da ist es sicher.«

»Von der Straße kann hier aber keine Rede mehr sein«, rief Rander nach vorn zu seinem Butler, »das sieht mehr nach ’nem Wildwechsel aus.«

»Eine Beobachtung, Sir, die ich mit Ihnen zu teilen mir erlaube«, gab der Butler zurück und musterte die grünen Buschwände zu beiden Seiten der mehr als engen Piste. Sie war kaum breiter als der Landrover und erregte irgendwie sein Mißtrauen.

»Unheimlich«, stellte Sue Weston fest.

»Wir Städter und Pflastertreter haben eben jedes Verhältnis zur Natur verloren«, gab Rander lächelnd zurück.

»Wenn Sie erlauben, werde ich nach Mister Ugalla sehen«, sagte Josuah Parker. Ohne diese Erlaubnis allerdings abzuwarten, stieg er sofort aus dem Geländewagen und begab sich zum Heck des Rovers.

»Mister Ugalla …!« rief er, da er den Afrikaner nicht sah.

Keine Antwort.

»Mister Ugalla«, wiederholte Parker und verstärkte dabei seine Stimme.

Keine Antwort.

Josuah Parker war indigniert. Er fand es ungehörig, daß der Afrikaner den Wagen verlassen hatte, ohne dies anzukündigen. Dieser Mister Ugalla schien über schlechte Manieren zu verfügen. Er mußte doch schließlich wissen, daß er es mit Gästen zu tun hatte, die sich im Busch nicht auskannten, sich verloren vorkommen mußten und auch vielleicht ein gewisses Quentchen Unruhe verspürten.

»Was ist denn los?« erkundigte sich Mike Rander, der inzwischen ausgestiegen war und jetzt dicht hinter seinem Butler erschien.

»Ich fürchte, Sir, daß Mister Ugalla das gesucht hat, was man gemeinhin das Weite nennt.«

»Wie bitte?«

»Die Wagenpanne scheint meiner bescheidenen Ansicht nur vorgetäuscht worden zu sein.«

»Ausgeschlossen! Warum sollte er das getan haben?«

»Vielleicht im Zusammenhang mit Mister Maudling.«

»Der uns diesen Joe Ugalla schließlich geschickt hat.«

»Was Mister Ugalla behauptet hat, Sir.«

»Sie glauben …«

»Man sollte gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen, Sir.«

»Sie sehen Gespenster, Parker. Sie sehnen sich nach einem ersten Zwischenfall, also reden Sie ihn sich ein!«

Während Rander und Parker miteinander sprachen, gingen sie zurück zum Wagen, neben dem Sue Weston stand. Sie hatte sich eine Wollweste über die Schulter geworfen und fröstelte.

»Still!« Rander horchte plötzlich in die Dunkelheit hinein, die sie von Sekunde zu Sekunde immer bedrohlicher umgab. Erst jetzt merkte Parker, daß das Licht der Scheinwerfer immer schwächer wurde. Die Batterie schien in den letzten Zügen zu liegen.

»Jetzt höre ich es auch«, sagte Sue und rückte naher an den Anwalt heran.

»Ein gewisses Dröhnen des Bodens«, präzisierte Parker, dem die noch weit entfernten Geräusche ebenfalls nicht entgangen waren, »wie ein überdimensionales Hufgetrappel, wenn ich es so definieren darf.«

»Elefanten?« fragte Sue nervös.

»Nachtsüber?« gab Rander ungläubig zurück. Er sah sich nach Josuah Parker um, der sich aber die Zeit zu einer Antwort nicht nahm. Parker langte bereits nach hinten in den Wagen und zog seine beiden Spezial-Reisetaschen hervor.

»Wollen Sie etwa ein Picknick veranstalten?« wunderte sich Rander laut.

»Dazu, Sir, werden die Elefanten, von denen Miß Weston gesprochen hat, uns kaum die erforderliche Ruhe lassen.«

»Elefanten?« Randers Stimme wurde etwas schrill.

»Mit ziemlicher Sicherheit, Sir! Darf ich Ihnen die nächsten Gepäckstücke anreichen?«

»Da sind sie!« Sue Weston deutete nach vorn in das schwache Scheinwerferlicht. Sie hatte sich nicht getäuscht. Wie Kolosse der Urzeit tauchten die ersten massigen Tiere bereits auf dem Buschpfad auf. Sie schienen in Panik versetzt worden zu sein. Sie bewegten sich mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit auf den Landrover zu und ließen sich auch von den Resten des Scheinwerferlichts nicht aufhalten.

»Es dürfte ratsam sein, Sir, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen«, schlug der Butler gemessen vor, »wenn Sie erlauben, werde ich vorausgehen und den Weg bahnen.«

Womit der Butler nicht zuviel versprochen hatte. Er hatte vorn vom rechten Kotflügel des Wagens ein langes Haumesser aus der Halterung gelöst und entwickelte plötzlich eine Schnelligkeit, die man normalerweise bei ihm nie beobachten konnte. Und er entwickelte eine Kraft und Energie, die nur noch verblüffte. Das schwere Haumesser wurde mit leichter Hand betätigt. Parker schlug rechts vom Buschpfad einen Tunnel in die grüne Mauer und konnte nur still hoffen, daß die herantrabenden Elefanten auf der schmalen Piste blieben.

Wenige Minuten später war der wilde Spuk vorüber. Parker glaubte noch das Splittern von Glas und das reißende Bersten von Autoblech in seinen Ohren zu hören. Das Stampfen der wildgewordenen Elefanten entfernte sich. Doch war noch das wilde Trompeten der Tiere zu hören, die den Landrover einfach zertreten hatten.

Sue klammerte sich fest an Rander und schluchzte trocken. Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern. Rander redete beruhigend auf sie ein. Er mußte sich ordentlich zusammennehmen, um seine Nerven unter Kontrolle zu behalten.

Josuah Parker hingegen schritt vorsichtig zurück durch den schmalen Tunnel, den er in das Grün des Busches geschlagen hatte. Er wollte sich den Landrover aus der Nähe ansehen. Instinktiv verzichtete er darauf, seine Kugelschreiber-Taschenlampe einzuschalten. Er wollte sich auf keinen Fall als leichtes Ziel darbieten.

Der Landrover sah wirklich mehr als traurig aus. Parker hatte die Geräusche schon richtig eingeschätzt. Der solide Wagen war nur noch ein wirres Knäuel aus Blech und Reifen. Er schien frisch aus einer Schrottpresse zu stammen.

Plötzlich zog der Butler sich zurück in den schmalen Tunnel und bückte sich nach den Zweigen, die er abgeschlagen hatte. Geschickt und schnell baute er sie als eine Art Sichtblende vorn am Tunneleingang in die grüne Mauer ein.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Da waren Stimmen, gutgelaunt und durcheinander schnatternd.

Wenig später sah er im Licht einiger Handlaternen etwa drei oder vier Eingeborene in Landestracht, die den ehemaligen Landrover umringten und nach den geplatzten Koffern und Gepäckstücken suchten.

Parker machte sich indessen nicht bemerkbar, was in erster Linie wohl mit den Speeren zusammenhing, die die Eingeborenen mit sich trugen.

*

»Sie werden mit Sicherheit zurückkommen, Sir«, sagte Parker wenige Minuten später, als die Eingeborenen in der Dunkelheit verschwunden waren.

»Und nach uns suchen.«

»Davon sollte man in der Tat ausgehen, Sir. Man wird uns drüben auf der Hauptstraße nicht finden.«

»Können wir uns nicht weiter durchschlagen?« fragte Sue Weston ängstlich. Die Geräusche der Nacht fielen ihr verständlicherweise auf die Nerven. Nachttiere klagten, maunzten, röhrten und brüllten. Sue kam sich wie in einem überdimensional großen Zoo vor, in dem die Gitter fehlten, die die Tiere zurückhielten.

»Von einem Marsch in die Dunkelheit würde ich dringend abraten«, sagte Parker, »wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, so würde ich für den Wildpfad plädieren, den die Elefanten genommen haben.«

»Um der nächsten Herde in die Arme zu laufen?« meinte Rander skeptisch.

»Damit dürfte jetzt nicht mehr zu rechnen sein«, erwiderte der Butler gemessen. »Die Elefanten haben vorerst einmal alles Getier in die Flucht geschlagen.«

»Also gut«, entschied Rander, »beeilen wir uns aber.«

»Darf ich zunächst einige Handfeuerwaffen ausgeben?« fragte der Butler und öffnete eine der beiden schwarzen Reisetaschen. Er drückte Rander eine schwere 45er in die Hand und reichte Sue Weston einen 38er.

»Wie haben Sie denn das durch den Zoll bekommen?« wunderte sich der Anwalt.

»Ordnungsgemäß deklariert, Sir«, erwiderte Parker würdevoll. »Sie, Miß Weston und meine bescheidene Wenigkeit treten als Jagdgesellschaft auf. In diesem Fall ist das Mitführen von Waffen durchaus erlaubt.«

»Hauptsache, ich habe einen 45er in der Hand«, freute sich Rander, »plötzlich komme ich mir wesentlich sicherer vor. Gehen wir!«

Parker machte den Schlußmann.

Er ließ seinen jungen Herrn und Sue Weston ein gutes Stück vorausgehen, um Zeit und Gelegenheit zu haben, gewisse Vorbereitungen zu treffen, die für etwaige Verfolger gedacht waren. Parker ging es darum, einen gewissen Vorsprung herauszuschinden. Er konnte den Anblick der Wurfspeere verständlicherweise nicht vergessen. In der Hand von Könnern waren das tödliche Waffen. Und die Eingeborenen hatten seiner bescheidenen Ansicht nach durchaus wie erstklassige Profis ausgesehen.

*

Die vier Eingeborenen kamen sehr schnell zurück zum Autowrack und suchten hier intensiv nach Spuren. Sie fanden nach wenigen Minuten den schmalen Tunnel, den der Butler in die grüne Mauer geschlagen hatte. Und sie registrierten auf dem Boden die deutlichen Schuhabdrücke von drei Personen.

Damit war für sie alles klar.

Sie beratschlagten leise miteinander und nahmen dann die Verfolgung auf. Der Vorsprung der drei Weißen konnte nicht besonders groß sein.

Sie liefen in einem leichten, federnden Trab los und hielten ab sofort den Mund. Wie unheimliche Todesschatten zogen sie über den Wildwechsel, lautlos und zielstrebig. Dabei kamen ihnen die nackten Füße zugute. Die Eingeborenen waren kaum zu hören.

Bis einer von ihnen plötzlich einen erstickten Schrei ausstieß und auf einem Bein herumzutanzen begann. Mit seinen Händen griff er nach dem in der Luft schwebenden Fuß und bemühte sich, die langen, harten Dornen aus der Fußsohle herauszuziehen.

Da sein Stop etwas jäh ausfiel, prallten die anderen drei Verfolger mit ihm zusammen und gingen in einem unentwirrbaren Knäuel zu Boden. Dabei wurden erneute Schmerzensrufe laut, die mit weiteren Dornen zusammenhingen, in die sie mit diversen Körperteilen hineingeraten war.

Sie konnten zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht wissen, daß ein gewisser Josuah Parker diese Dornen von den entsprechenden Zweigen gelöst und auf den Wildwechsel geworfen und verstreut hatte. Parker hatte sich wieder mal der Mittel bedient, die von der Natur ihm so freigiebig dargeboten wurden.

Es handelte sich um Hartdornen, die im Durchschnitt etwa drei bis vier Zentimeter lang waren. Sie waren ungemein spitz und hielten jeden Vergleich mit Nadeln und Heftzwecken aus. Einmal in der Haut, konnten sie nur sehr vorsichtig herausgezogen werden, da diese Dornen über feine Widerhaken verfügten, die sich gegen das Abpflücken sträubten.

Die vier Eingeborenen leckten ihre Wunden und befreiten sich von den spitzen Eindringlingen. Dann berieten sie erneut und nahmen die Verfolgung wieder auf. Diesmal allerdings im Zeitlupentempo. Sie rechneten mit weiteren Überraschungen und waren ungemein vorsichtig.

*

Josuah Parker war noch weiter zurückgeblieben.

Er beschäftigte sich mit einem dünnen, aber sehr zähen Baum, der etwa vier bis fünf Meter hoch war. Parker zog diesen Stamm mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms herunter und dann zur Seite. Er griff mit seinen schwarzbehandschuhten Händen nach der Spitze des Stammes und zwang ihn so weit zu sich herab, bis er unter großer Spannung stand.

Dann wartete der Butler geduldig.

Schon nach knapp drei Minuten hörte er das vorsichtige Aufsetzen von nackten Füßen. Wenig später entdeckte er eine Lichtquelle. Es handelte sich um eine gut abgeschirmte Lampe, deren Schein den Boden nach weiteren Dornen und Fallen absuchte.

Parker ließ sich keineswegs nervös machen. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Er hatte sich vorher alles sehr genau ausgerechnet.

Und wie seine Rechnung wenig später stimmte!

Er ließ die Spitze des Baumstammes los und schloß unwillkürlich die Augen. Er wußte sehr genau, was jetzt passierte. Und zwar blitzschnell wie das Zuschlägen einer Peitsche.

Der dünne, biegsame Baumstamm fühlte sich von allen Hemmungen befreit und schnellte gleichzeitig nach vorn und nach oben, um seine alte Lage wieder einzunehmen.

Hinderlich dabei waren nur vier Eingeborene, die sich störend in den Weg gestellt hatten.

Sie wurden voll erwischt.

Der erste Eingeborene wurde an den Oberschenkeln getroffen und nach oben in die Luft katapultiert. Während seiner an sich nicht langen Luftreise stieß er immerhin noch einen langgezogenen Schrei aus.

Der zweite Eingeborene wurde bereits unterhalb der Brust in Mitleidenschaft gezogen.

Er schlug einen doppelten Salto, wobei er die restlichen beiden Mitläufer zu Boden riß.

Während der Baum endlich zurück in seine altgewohnte Lage schwenkte, blieben die vier Eingeborenen groggy auf dem Wildpfad liegen und spielten vorerst nicht mehr mit.

Parker war mit der Wirkung der Baumpeitsche durchaus zufrieden. Er spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, sich einen der Eingeborenen zu greifen, nahm dann aber davon Abstand. Von einer Unterhaltung war nicht viel zu erwarten.

Parker schritt zurück zu Mike Rander und Sue Weston, die er am Ende des Pfades an traf. Vor ihnen lag eine savannenartige Steppe, die vom milden Licht des Mondes beschienen wurde. Gegen den nächtlichen Himmel hoben sich vereinzelte Schirmakazien und Brotfruchtbäume ab.

»Alles in Ordnung?« erkundigte sich Rander.

»Durchaus, Sir«, sagte Parker, »ich war so frei, ein wenig unsere Spuren zu verwischen.«

»Und die vier Eingeborenen?«

»Meiner privaten Schätzung nach, Sir, werden sie von einer weiteren Verfolgung vorerst Abstand nehmen«, gab Parker würdevoll zurück. »Aus diesem Grund würde ich zu einem improvisierten Lager raten.«

»Vielleicht noch mit Lagerfeuer und Romantik, was?« Randers Worte klangen spöttisch.

»Durchaus, Sir. Gerade auf ein Lagerfeuer würde ich den größten Wert legen«, sagte Parker höflich. »Feuer zieht neugierige Menschen mit einiger Sicherheit an.«

»Ach so … Sie wollen bluffen?«

»Davon verspreche ich mir in der Tat einen gewissen Effekt«, gab der Butler zurück, »darf ich aus diesem Grund dort die Schirmakazie Vorschlägen? Sie bietet sich meinen Vorstellungen geradezu an.«

*

Die vier Eingeborenen waren längst nicht mehr so spannkräftig und elastisch wie zu Beginn ihrer privaten Safari. Sie humpelten und hinkten durch den Rest des Wildpfads und stützten sich dabei auf ihre Wurfspeere.

Als sie den Pfad hinter sich gelassen hatten, entdeckten sie auf Anhieb das kleine Feuer unter der Schirmakazie.

Sie gingen steifbeinig in die Knie und berieten leise miteinander. Sie hätten die Jagd auf die drei Weißen am liebsten sofort abgebrochen, doch sie hatten Angst vor noch größerem Ärger. Und den würden sie mit Sicherheit bekommen, falls sie jetzt aufsteckten. Ihr Auftraggeber ließ nicht mit sich spaßen.

Sie einigten sich darauf, in zwei Gruppen anzugreifen.

Sie wollten die Schirmakazie in die Zange nehmen und die drei Weißen dann mit ihren Wurfspeeren aus sicherer Entfernung aufspießen. Aber sie wollten sich Zeit lassen und sicher sein, daß ihre Opfer auch schliefen.

Nach einer halben Stunde begaben sie sich erneut auf Jagd.

Sie trennten sich und pirschten sich von zwei Seiten an die Schirmakazie heran. Je näher sie kamen, desto sicherer wurden sie. Eine Wache schienen die Fremden nicht aufgestellt zu haben. Neben dem Feuer waren drei Gestalten zu erkennen, die auf dem Boden lagen.

Meter um Meter näherten sie sich dem kleinen Lagerfeuer. Es war nur hoch eine Frage von Minuten, bis sie ihre Wurfspeere durch die Luft zischen lassen konnte. Bessere Ziele hätten sie sich gar nicht wünschen können!

Dann war es soweit.

Kraftvoll wurden die schweren Speere durch die Luft geschleudert und bohrten sich dann in die am Boden liegenden Gestalten. Sie hatten es geschafft. Sie hatten ihren Auftrag doch noch erfüllt und durften mit einer fetten Prämie rechnen.

Dachten sie …

Als sie mit erleichtertem Geschrei auf ihre Opfer zuliefen, schoß plötzlich aus dem heruntergebrannten Lagerfeuer eine Feuersäule hoch, die in einen roten Feuerpilz überging. Darüber war das dumpfe Dröhnen einer Stimme zu hören, die aus einer anderen Welt zu stammen schien.

Die Feuersäule und diese überweltliche Stimme, das war für die vier potentiellen Mörder einfach zuviel. Sie sahen plötzlich überall Dämonen und Gespenster. Sie fühlten sich umstellt und ausgeliefert.

Mit schrillen Schreien und langen Sätzen jagten sie zurück zum Wildpfad, stolperten übereinander, rafften sich wieder auf, wurden noch schneller und retteten sich keuchend zurück ins dichte Buschgrün.

»Ihre Fähigkeiten sind bemerkenswert«, stellte Rander lächelnd fest. Zusammen mit Sue saß er auf einem Ast der Schirmakazie oberhalb von Parker, der den Schrei ausgestoßen hatte.

»Eine gewisse Stimmverfremdung, Sir«, erwiderte Parker ohne jede Eitelkeit, »durch das Hineinrufen in meine Kopfbedeckung entstand so etwas wie ein improvisierter Halleffekt. Ich hoffe, Sie waren mit meiner bescheidenen Wenigkeit zufrieden.«

*

»Es ist noch nicht überstanden«, meldete Sue Weston in diesem Augenblick. Ihre Stimme klang aufgeregt. Sie deutete in die nächtliche Savanne hinaus, und jetzt erkannte auch Mike Rander die Scheinwerfer eines Autos.

Parker hatte das Ziel bereits aufgenommen.

»Bleiben wir hier auf der Akazie?« fragte Rander seinen Butler.

»Vorerst vielleicht, Sir«, gab der Butler zurück, »möglicherweise handelt es sich um Hilfe. Die Feuersäule scheint noch von anderen Savannenbewohnern bemerkt worden zu sein.«

Sie blieben auf der Schirmakazie und beobachteten den Wagen, der schnell näher kam und in einer Entfernung von etwa fünfzig Metern vor der Akazie anhielt.

Ein Suchscheinwerfer wurde eingeschaltet, der das Lagerfeuer kontrollierte.

Der Mann, der diesen Scheinwerfer bediente, kam erfreulicherweise nicht auf den Gedanken, die Äste der Akazie anzustrahlen. Rander, Sue Weston und Parker blieben daher erst mal unsichtbar.

Mit voll aufgedrehten . Scheinwerfern schob der Wagen sich jetzt zögernd vor und hielt auf das Lagerfeuer zu. Im Mondlicht waren die Insassen des Wagens zu erkennen. Neben dem Fahrer, einem Weißen mit einem Safari-Hut, saß ein zweiter Weißer, der ein Gewehr schußbereit in Händen hielt. Auf dem Rücksitz des Jeeps erkannte man einen dritten Weißen, dessen Kopf einen Stirnverband trug.

Knapp vor dem Lagerfeuer hielt der Jeep. Die beiden Männer stiegen von ihren Vordersitzen und pirschten sich an die drei scheinbar am Boden liegenden Gestalten heran und nahmen wohl an, sie hätten es mit wirklichen Leichen zu tun.

Was man ihnen nicht verdenken konnte, denn die Wurfspeere steckten nach wie vor fest und tief in den Rollen, die Parker improvisiert und angefertigt hatte.

»Hallo … Maudling! Kommen Sie doch mal her!« rief der Mann mit dem breitkrempigen Hut und drehte sich zum Jeep um. »Ihre Gäste sind es auf jeden Fall nicht. Die scheinen Lunte gerochen zu haben!«

Der dritte Mann stieg aus dem Wagen und ging schnell auf das Lagerfeuer zu.

Er war etwas über mittelgroß, massig und bewegte sich mit überraschender Geschmeidigkeit.

»Bitte, nicht erschrecken, meine Herren«, ließ Parker sich in diesem Moment vernehmen. »Wir befinden uns über ihnen im Geäst der Schirmakazie.«

Der Mann mit dem Safari-Hut reagierte sehr schnell und konzentriert. Er wirbelte schon beim ersten Wort des Butlers herum und riß seinen Revolver aus der Halfter.

Der Mann mit dem Gewehr war weniger geistesgegenwärtig. Er fuchtelte mit seiner Waffe und schoß erfreulicherweise nicht. Möglicherweise hätte er blindlings abgezogen und Unheil angerichtet.

»Kommen Sie runter«, sagte der Weiße mit dem Revolver zum Geäst hoch.

Parker stieg gemessen und würdevoll nach unten, half Sue Weston beim Verlassen des Baumes und bot anschließend auch Rander seine Hilfe an, die der Anwalt jedoch aus sportlichen Gründen verschmähte.

Man stellte sich vor.

Bei dem Mann mit dem Kopfverband handelte es sich tatsächlich um Paul Maudling, der das Trio nach Kenia eingeladen hatte. Der Mann mit dem breitkrempigen Hut hieß Les Patterson und war Großwildjäger und Safari-Unternehmer. Der Mann mit dem Gewehr hieß Robert Henlein und war ein Jagdtourist aus Westdeutschland. Er gehörte einer Gruppe an, die mit Gewehr und Fotoapparat Jagd auf Wild aller Art machte.

»Joe Ugalla kenne ich nicht«, sagte Maudling, nachdem er von den Abenteuern des Trios gehört hatte, »aber dieser Bursche scheint mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die mich auf der Fahrt nach Nairobi aus dem Hinterhalt abgeschossen haben.«

»Um Sie am Erscheinen auf dem Flugplatz zu hindern«, stellte der Butler fest.

»Was diesen beiden Schützen um ein Haar gelungen wäre«, sagte Maudling und griff unwillkürlich nach dem Kopfverband, »ich konnte mich gerade noch in den Busch retten.«

»Wo wir Mister Maudling fanden«, mischte sich Les Patterson ein, »ich war mit meiner Safarigruppe unterwegs und hörte die Schüsse.«

»Und ich habe die Feuersäule von unserem Camp aus gesehen«, sagte Robert Henlein schnell und fast stolz, »ich ahnte sofort, daß da was passiert sein mußte.«

»Ich schlage vor, wir setzen uns erst mal ab«, sagte Les Patterson und deutete zum Buschrand hinüber, »wer weiß, was da noch ausgekocht wird.«

»Sie haben riesiges Glück gehabt«, seufzte Maudling, »das dort drüben ist ein Elefantenpfad. Dieser Ugalla hat sie absichtlich dort hingelockt.«

»Und die übrigen Eingeborenen haben eine Elefantenherde aufgescheucht und durch den Pfad getrieben.«

»Warum denn?« wollte Robert Henlein wissen. Er wurde von Minute zu Minute unsicherer und schien sich nicht mehr wohl zu fühlen.

»Irgendein Mißverständnis«, sagte Maudling schnell, »machen wir, daß wir wegkommen.«

»Würde ich auch vorschlagen«, schaltete Robert Henlein schnell ein, »und dann sollten wir umgehend die Polizei alarmieren, finden Sie nicht auch? Das hier war doch ein Mordanschlag, oder etwa nicht?«

»Sieht so aus«, meinte Patterson lächelnd, »aber behalten wir das besser für uns, Mister Henlein. Machen Sie mir nur nicht die übrigen Safari-Teilnehmer verrückt!«

»Natürlich nicht«, versprach Henlein, doch ihm war anzusehen, daß er darauf brannte, seine Erlebnisse, weiterzureichen.

Im Jeep wurde es zwar sehr eng, aber der kleine Wagen faßte sie schließlich alle und transportierte sie hinüber in das Safari-Camp, das auf einem kleinen windgeschützten Plateau angelegt worden war.

Hier sah Sue Weston zum erstenmal einen gewissen Ron Maudling, was für sie nicht ohne Folgen bleiben sollte.

*

»Wer will Sie ermorden und warum?« erkundigte sich Mike Rander. Der Anwalt, Parker und Paul Maudling saßen vor einem Safari-Zelt und konnten sich ungestört unterhalten. Die Mitglieder der Patterson-Jagdsafari gruppierten sich um ein großes Lagerfeuer und störten nicht weiter. Sie unterhielten sich über die Dinge, die Robert Henlein ihnen brühwarm berichtet hatte. Dabei genossen sie Whisky auf Eis und ließen sich von den Boys verwöhnen.

»Auf beide Fragen kann ich Ihnen keine Antwort geben«, sagte Paul Maudling und hob ratlos die Arme, »ich weiß nur, daß seit einigen Wochen eine Art Treibjagd auf mich veranstaltet wird.«

»Die im Detail wie aussieht, Sir?«, fragte Parker konzentriert.

»Mordanschläge! Wie ich Ihnen das schon am Telefon in Chikago sagte. Es wird aus dem Hinterhalt auf mich geschossen. Giftschlangen liegen plötzlich in meiner Wohnung. Meine Wagen sind präpariert. Die Bremsen versagen. Dann wieder seltsame Unglücksfälle. Zum Beispiel mein Rasierapparat, der plötzlich unter Strom stand. Ich habe nichts Greifbares, Beweisbares, wenn Sie mich so fragen. Aber ich bin sicher, daß man mich umbringen will.«

»Wer würde davon profitieren?« stellte Rander seine nächste Frage.

»Mister Rander denkt in diesem Zusammenhang an Erbberechtigte«, präzisierte der Butler.

»Sie meinen Ron – meinen Sohn?« Maudling starrte den Butler überrascht an.

»Zum Beispiel«, sagte Parker trocken.

»Nun, Ron würde alles erben. Natürlich! Ich bin Witwer. Aber sie glauben doch nicht im Ernst daran, daß mein Sohn …«

Er brach ab und starrte trübe vor sich hin.

»Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Jungen?« erkundigte sich Mike Rander.

»Nun, nicht gerade sonnig«, gab Paul Maudling zurück. »Sie sehen ja, daß er zusammen mit diesem Patterson ein Safari-Unternehmen aufgezogen hat. Dabei brauchte ich ihn dringen für meine eigenen Geschäfte. Doch Ron spielt da nicht mit. Und vielleicht hängt das mit mir zusammen, ich bin nicht gerade geduldig oder tolerant …«

»Gibt es Konkurrenten, die Ihren Tod wünschen?« fragte Josuah Parker.

»Eine ganze Reihe. Und sie alle wünschen mir die Pest an den Hals«, sagte Maudling. »Ich besitze eine Hotelkette hier in Kenia und drüben in Tansania. Ich arbeite mit repräsentativen europäischen und amerikanischen Reiseunternehmen zusammen. Meine Häuser sind voll besetzt. Ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, daß ich es geschafft habe.«

»Sie besitzen auch in Südafrika Hotels?«

»Natürlich. Von dort aus habe ich mich ja ausgebreitet.«

»Wenn Sie von Mord sprechen. Maudling, denken Sie da an einen bestimmten Konkurrenten?« erkundigte sich der Anwalt.

»Nun ja. Einer ist mir ganz besonders gewogen. Will Hagerty.«

»Was ist mit ihm?«

»Ich übernahm seine Hotels, als er Pleite machte.«

»Hatten Sie je Streit mit diesem Hagerty?«

»Und ob! Er wirft mir noch heute vor, ich hätte ihn ausgetrickst und ausgebootet. Dabei war er nur unfähig und hatte sich übernommen. Seine Hotels fielen mir wie reife Früchte in den Schoß.«

»Wo befindet Mister Hagerty sich zur Zeit?«

»Wo genau, weiß ich natürlich nicht. Aber er hat auch ein Safari-Unternehmen. Er pendelt zwischen Kenia und Tansania.«

»Hat Hagerty Ihnen jemals gedroht?«

Maudling lachte trocken auf.

»Gedroht?! Erleben Sie Hagerty, wenn er wieder mal betrunken ist.«

»Darf ich mir erlauben, noch mal zurück auf Ihren Sohn zu kommen?« schaltete der Butler sich ein. »Ihr Verhältnis zu ihm kann man also keineswegs als gut bezeichnen!«

»Wir gehen uns gern aus dem Weg. Ich kann einfach nicht verstehen, warum der Junge nicht mit mir zusammenarbeitet. Kein Verantwortungsgefühl, verstehen Sie. Nichts als Liebschaften und kleine Abenteuer im Kopf. Er will es ohne mich schaffen. Was, frage ich mich immer wieder? Was will er allein schaffen?«

»Darf ich unterstellen, daß Sie ihm bereits mehrfach mit einer generellen Enterbung gedroht haben?« stellte der Butler seine nächste Frage.

»Natürlich. Ist ja auch zu verstehen. Ich habe ihm sogar ein Ultimatum gestellt. Wenn er bis September nicht bei mir einsteigt, werde ich mein Testament ändern.«

»Das sind noch gut zwei Monate«, warf Rander ein.

»Hören Sie, Rander, Sie glauben doch nicht wirklich, daß mein Sohn mich umbringen will«, entrüstete sich Maudling, »das traue ich Ron nun wirklich nicht zu. Nein, nein, der oder die Mörder sind aus Gründen hinter mir her, die ich mir einfach nicht erklären kann.«

Parker wollte gerade seine nächste Frage stellen, als ihn ein vielstimmiger Gesang unterbrach, der vom Lagerfeuer zu ihnen herüberdrang.

»Jetzt singen sie wieder«, sagte Maudling und verzog sein Gesicht, »typisch für unsere deutschen Touristen. Ich kenne das von meinen Hotels her.«

*

Es war ein vielstimmiger Gesang im Marschrhythmus. Dieses Singen war nicht gerade schön, dafür aber besonders laut. Es war durchaus geeignet, nächtliche Raubtiere nachhaltig zu verscheuchen.

Parker war aufgestanden und sah zum Lagerfeuer hinüber.

Die Touristen – es handelte sich um eine Reisegesellschaft aus Deutschland – hatten dem Alkohol zugesprochen und fühlten sich augenscheinlich wohl.

»Was singen sie da eigentlich?« erkundigte sich Rander bei seinem Butler, »scheint Deutsch zu sein, oder?«

»In der Tat, Sir«, erwiderte der Butler, »wenn ich richtig verstehe, preisen die Herrschaften am Lagerfeuer die Vorzüge des Rheins und fragen wiederholt, warum es dort so schön ist.«

»Komische Leute«, sagte Rander und schmunzelte, »sind in Afrika und träumen vom Rhein!«

»In diesem Augenblick, Sir, scheint das Interesse der Herrschaften sich einem Landstrich zuzuwenden, den sie Westerwald nennen«, meinte Parker, der aufmerksam zuhörte. »Sie stellen gerade entschieden fest, daß über die Höhen dieses besagten Landstrichs ein kalter Wind pfeift.«

»Wie interessant«, kommentierte Rander.

»Sind aber sonst ganz nette Leute«, meinte Maudling.

»Scheint sich um Heimweh zu handeln«, stellte Mike Rander lächelnd fest.

»Durchaus nicht«, sagte Josuah Parker etwas irritiert, »von Heimweh kann ich im Moment nichts hören. Man fragte sich jetzt allgemein, wer das bezahlen soll, wobei nicht herauszuhören ist, welche Leistungen sie meinen. In diesem Zusammenhang wird jetzt die Frage gestellt, wer Pinke-Pinke hat. Ich möchte meinen, daß es sich bei diesem Ausdruck um die vulgäre Umschreibung für Geld handelt.«

Parker, Rander und Maudling hörten schweigend zu.

Die Touristen am Lagerfeuer wurden immer lauter. Ihr Gesang steigerte sich und wurde unverständlicher. Rander sah seinen Butler noch irritierter an.

»Ich versuche zu ergründen, welchem Thema die Herrschaften sich gerade zugewendet haben«, sagte Parker, der seine Deutschkenntnisse zusammenkratzte. »Wenn mich nicht alles täuscht, erwähnen sie gerade einen Jungen, der möglichst bald wiederkommen soll, wobei nicht herauszuhören ist, um welchen Jugendlichen es sich handelt.«

»Singen Sie nicht wieder vom Rhein?« fragte Rander.

»In der Tat, Sir, von diesem Fluß scheinen die Touristen sich nicht losreißen zu können. Sie wiederholen ihre schon einmal geäußerte Frage, warum es dort so schön ist.«

»Also, ich kann es ihnen bestimmt nicht sagen«, meinte Rander lachend, »bleiben wir bei unserem Thema, Maudling. Wer wußte von Ihrem Anruf? Wer wußte, daß Sie uns nach Kenia holten?«

»Meine Assistentin, Joan Christie. Nur sie allein!«

»Wer ist das?«

»Sie war lange Zeit meine Privatsekretärin. Ein sehr tüchtiges Mädchen. Ich habe sie vor einem halben Jahr zu meiner Assistentin gemacht.«

»Sie vertrauen ihr rückhaltlos?«

»Unbedingt!«

»Würde sie an Ihrem Tod profitieren?«

Maudling schüttelte langsam den Kopf.

»Nein«, sagte er dann etwas zögernd, »das heißt – später vielleicht.«

»Könnten Sie uns das etwas näher erklären?« wollte Rander wissen.

»Ich – ich werde sie heiraten«, gab Maudling zurück. »Wie gesagt, ich bin schon seit vielen Jahren Witwer. Ich brauche einfach einen Menschen, dem ich rückhaltlos vertrauen kann.«

*

Joan Christie war etwa dreißig Jahre alt, groß und schlank. Ihre Augen waren katzenförmig geschnitten, und sie erinnerte irgendwie an eine ägyptische Prinzessin aus der Zeit der Pharaonen. Joan trug einen Hosenanzug im Safari-Look und lief dem Wagen entgegen.

Paul Maudling schien die Anwesenheit seiner drei Gäste total vergessen zu haben.

Er stieg aus seinem Fahrzeug, hastig und ungeduldig, lief seinerseits auf die junge Dame zu und schloß sie in die Arme. Dann beantwortete er einige Fragen, die sie ihm hastig stellte.

»Miß Christie«, stellte er Joan dann dem Trio vor. Rander stellte seinerseits vor und sah sich dabei neugierig im Lodge um.

Das Buschhotel konnte sich sehen lassen.

Es bestand aus einer Anzahl kraalförmig gebauter Hütten mit Strohdach. Sie gruppierten sich um einen langgestreckten Steinbau, in dem die Hotelküche und die Speise- und Aufenthaltsräume untergebracht waren. Alles sah sehr gepflegt und einladend aus. Und teuer dazu.

Tabora Lodge stand auf einem sanften Hütel, der zu einem kleinen See hin abfiel. Die Ufer des Sees waren von einem Busch- und Baumgürtel umzogen. Spuren an den Ufern zeigten deutlich, daß es sich hier um eine vielbesuchte Waldtiertränke handeln mußte.

Auf einer Art Hochebene gab es einen kleinen Flugplatz für Sportmaschinen. Paul Maudling hatte sein Buschhotel sehr gut geplant. Wer die strapaziöse Anreise per Auto meiden wollte, konnte sich auch per Flugzeug einfliegen lassen.

»Sie können sofort Ihre Bungalows sehen«, sagte Joan, sich an Mike Rander wendend. »Ich bin froh, daß Sie endlich hier bei uns sind.«

»Ist inzwischen wieder etwas passiert?« wollte Rander wissen.

»Nicht direkt«, gab Joan Christie zurück, »aber die Boys haben einen Wagen beobachtet, der nicht hierher gehört. Sobald sie auf ihn Zufuhren, setzte er sich ab, als hätte er etwas zu verbergen.«

»Sie glauben …?«

»Irgendwie habe ich Angst«, redete Joan Christie weiter, »ich bin froh, daß die Reisegesellschaft abgefahren ist. Jetzt sind wir unter uns. Jetzt kann den Touristen wenigstens nichts passieren.«

»Womit rechnen Sie?« schaltete sich Sue ein.

»Ich weiß es nicht. Es ist nicht zu greifen oder zu beschreiben. Ich spüre nur, daß irgend etwas in der Luft liegt. Sie werden Paul nicht in Ruhe lassen.«

»Denken Sie jetzt an irgendeine bestimmte Person?«

»Nein, ich meine das allgemein. Ich meine die Mörder! Sie werden nicht aufstecken. Sie werden es so lange versuchen, bis sie endlich Erfolg haben!«

»Dagegen läßt sich hoffentlich etwas tun«, meinte Rander beruhigend, »bis auf uns und die Boys ist das Camp im Moment also leer?«

»Erfreulicherweise«, sagte Joan Christie, die sich jetzt an Paul Maudling wandte, »und wir sollten Tabora Lodge ebenfalls so schnell wie möglich verlassen, Paul. Hier sind wir auf die Dauer nicht sicher.«

»Darüber kann man noch ausführlich reden«, schlug Rander vor, der sich wunderte, daß sein Butler sich nicht am Gespräch beteiligte. Josuah Parker schien von einem Wandertrieb erfaßt zu sein. Er schritt gemessen an den Bungalows vorbei und verschwand dann zwischen den strohbedeckten Rundhäusern. Er machte wahrscheinlich so etwas wie eine Bestandsaufnahme und sondierte das Terrain.

Was übrigens haargenau stimmte.

Butler Parker prägte sich die Lage der Rundhäuser ein und begutachtete die Chancen, sich hier verteidigen zu können. Er war längst zu einem Entschluß gekommen und wollte dafür eintreten, daß man blieb und hier im Camp auf den Angriff der Mörder wartete. Nach dem Abzug der Reisegesellschaft würden der oder die Mörder die günstige Gelegenheit nutzen, ihren Plan endlich zu vollenden. Dabei wollte Parker aber ein Wörtchen mitreden und die betreffenden Leute empfangen.

Er wußte nicht, was er von der Aufzählung Maudlings halten sollte. Kam Maudlings Sohn Ron als potentieller Mörder in Betracht? Oder Maudlings Konkurrenz Hagerty? Versprach sich diese Joan Christie einen Vorteil von der Ermordung des Mannes, der sie in den kommenden Wochen heiraten wollte?

Oder hatte Maudling ihnen etwas verheimlicht? Ging es um ganz andere Dinge? Waren politische Momente im Spiel? Hatte er nur daran gedacht, sich aus Chikago einige Leibwächter zu verschaffen?

Parker kam zu dem Schluß, daß ihr Gastgeber noch längst nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hatte. Irgendein Geheimnis mußte sich noch in einem seiner Rockärmel verborgen halten.

Als Parker dann den entsetzten Aufschrei aus Sue Westons Mund hörte, blieb sie stehen und ging etwas schneller als gewöhnlich zurück zum Wagen.

Weder von Sue Weston noch von Mister Rander war weit Und breit etwas zu sehen. Ganz zu schweigen von Paul Maudling und Joan Christie.

*

»Nur ein Gecko«, sagte Maudling auflächelnd und zeigte auf einen der langzüngigen Insektenvertilger, der an der Wand entlanghuschte und dann im Dachgebälk des Rundhauses verschwand.

»Ich dachte schon an eine Schlange«, sagte Sue aufatmend und löste sich etwas verlegen von Mike Randers Brust.

»Hier oben haben wir keine Schlangen. Meine Boys gehen das Camp pro Tag ein paarmal nach ihnen ab. Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, Miß Weston.«

»Ich werde Sie bei Gelegenheit daran erinnern«, gab Sue zurück, »das alles hier ist noch ziemlich fremd für mich.«

»Man gewöhnt sich an alles«, tröstete Joan die Sekretärin des Anwalts, »selbst an das Gebrüll der Löwen. Und an das Trompeten der Elefanten, wenn sie zur Tränke kommen. Das Camp ist völlig sicher. Unterhalb vom Hügel haben wir eine dichte Dornenhecke aufgebaut. Sie ist unpassierbar, wirklich.«

Parker hielt sich im Hintergrund, nachdem er herausgefunden hatte, warum Sue Weston aufgeschrien hatte. Er hielt sich ungewöhnlich zurück. Er studierte die Gesten der Gastgeber, ihre Sprache, Ihren Tonfall. Er suchte nach verräterischen Dissonanzen. Wie gesagt, er war nach wie vor fest davon überzeugt, daß Maudling ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.

Hatte wirklich nur Joan Christie von ihrer Ankunft gewußt? Hatte sie dieses Wissen möglicherweise weitergegeben? Arbeitete sie mit den Mördern zusammen? Diese Vorstellung erschien dem Butler geradezu grotesk, aber er wollte sie auf keinen Fall beiseite schieben.

Oder wurde Maudling von seinen Angestellten bespitzelt? Für wen arbeitete dieser Joe Ugalla, der sie auf den Elefantenpfad gelockt hatte? Gab es zwischen ihm und Joan Christie eine geheimnisvolle Querverbindung?

Parker legte seinen Universal-Regenschirm über den linken Unterarm und folgte einem Boy, der die beiden schweren Reisetaschen hinüber in ein Rundhaus trug. Parker war mit der Wahl dieses Bungalows vollkommen zufrieden.

Durch eines der Fenster konnte er hinunter zum See und zur Tränke sehen, durch ein zweites Fenster ließen sich die beiden Gebäude kontrollieren, in denen man seinen jungen Herrn und Sue Weston untergebracht hatte.

Als der Boy gegangen war, öffnete der Butler die beiden Reisetaschen und befaßte sich intensiv mit ihrem Inhalt. Er rüstete sich zusätzlich aus. Er glaubte fest daran, daß weitere Überraschungen nicht lange auf sich warten ließen.

*

Es war Abend geworden.

Nach einem erstklassigen Dinner im langgestreckten Gastraum saßen Paul Maudling, Joan Christie, Mike Rander und Sue Weston auf der überdachten Veranda, tranken Whisky auf Eis und beobachteten aus ihren bequemen Sesseln heraus die Tiere an der Tränke.

Zebras, Büffel, Gnus und Antilopen sorgten ausgiebig für ihren privaten Wasserhaushalt. Sie ließen sich vorerst nicht von einer Gruppe von Löwen stören, die noch weiter hinten in der Savanne lagen.

Giraffen stelzten gravitätisch heran. Eine Pavian-Herde zog mit Flankensicherung vorsichtig an den See. Gazellen standen auf dem Sprung und ließen das Löwenrudel nicht aus den Augen. Es herrschte Großbetrieb an der Wasserstelle. Dort war der See wahrscheinlich so flach, daß die Tiere ohne Furcht vor Krokodilen trinken konnten.

Bis plötzlich die Vogelschwärme aufstiegen und die Tiere für eine Art Riesengasse sorgten. Weit aus dem Busch stampften majestätisch die Elefanten heran, Kühe und Kälber in der Mitte. Mit einer Selbstverständlichkeit, die beeindruckend war, stiegen die Elefanten ins Wasser. Sie übersahen die übrigen Wildtiere ohne jede Arroganz, um mit menschlichen Begriffen zu sprechen.

Parker genoß dieses Schauspiel. Er befand sich am Rand des Camps und holte sich die einzelnen Tiergruppen mit einem Fernglas heran. Er achtete aber nicht nur auf die Tränke, sondern beobachtete zwischendurch immer wieder die Savanne und den dichten Busch an den Ufern des Sees.

Was sich auszahlte, wie sich nach zehn Minuten herausstellte. Parker ließ sein Glas am Seeufer entlangwandern, als er plötzlich für wenige Sekunden einen Landrover ausmachte, der Zebra-Look trug.

Rückte der geheimnisvolle Mörder an? Erschien vielleicht dieser Joe Ugalla mit seinen vier Helfershelfern? Parker griff nach seinem Universal-Regenschirm und versuchte etwas zu erkennen. Er hatte den Eindruck, daß die Tiergeräusche sich änderten. Das Nachtgetier schien aufgeschreckt worden zu sein. Einige bisher lärmende Vögel strichen ab und stießen dabei krächzende Schreie aus.

Der Mond war jetzt nur noch zu erahnen. Vom kalten, nächtlichen Himmel mit seinen ansonsten strahlenden Sternen war nicht mehr viel zu sehen. Wolkenbänke schoben sich auf und überlappten sich. Die Dunkelheit war fast vollkommen.

Dann machte der Butler plötzlich eine Bewegung aus, die links von der Energie-Station zu erkennen war. Es handelte sich um eine Art vagen Schatten.

Eine Sinnestäuschung?

Noch wartete der Butler, das Blitzlicht aufflammen zu lassen, bis vor der weiß gestrichenen Tür zum Transformatorenhaus ganz deutlich die Umrisse eines Menschen zu erkennen waren.

In diesem Augenblick zündete Parker das erste Blitzlicht.

*

Ein greller Schein erhellte die Nacht und nagelte die Gestalt vor der Tür fest.

Sie warf sich im Auflammen des Blitzlichtes völlig überrascht, aber immerhin sehr geistesgegenwärtig herum. Fast mit dem Lichtblitz war das Peitschen eines Revolverschusses zu hören.

Der Schuß saß ungewöhnlich genau.

Das Blitzgerät gab umgehend seinen elektronischen Geist auf und löste sich scheppernd und splitternd in seine Einzelbestandteile auf.

Parker war froh, daß er das Gerät so weit von seinem Versteck aus aufgebaut hatte. Mit dieser Schnelligkeit und Treffsicherheit hatte er nicht gerechnet. Diese Treffsicherheit deutete auf einen Profi hin, der sein Handwerk verstand.

Parker hielt bereits seinen Universal-Regenschirm wie ein Gewehr in den Händen. Er konnte die Gestalt vor der Tür zwar nicht mehr sehen, doch er rechnete sich aus, wohin sie flüchtete.

Fast lautlos, von starker Preßluft getrieben, jagte der Pfeil aus dem hohlen Schirmstock, der nichts anderes war als der Lauf eines Kleinkaliber-Gewehrs.

Wie richtig Parker die Fluchtbewegung des nächtlichen Besuchers vorausberechnet hatte, ließ der spitze und entsetzt klingende Aufschrei erkennen, der diesem Schuß unmittelbar folgte.

Parker griff nach einem seiner vielen Spezial-Kugelschreiber und schleuderte ihn in Richtung Aufschrei. Als dieser Kugelschreiber auf dem Boden landete, explodierte er als Lichtbombe, die einen grellen Schein durch die Nacht warf.

Jetzt konnte Parker schon wesentlich mehr erkennen. Nämlich einen Weißen, der auf dem linken Bein herumtanzte und mit der rechten Hand nach dem Blasrohrpfeil fingerte, der unterhalb seines Gesäßes im linken Oberschenkel steckte.

Parker sah aber noch mehr, nämlich einen zweiten Weißen, der ein Bündel Wurfspeere im Arm hielt.

Dann brach das Licht des Kugelschreibers in sich zusammen. Bis Parkers Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war der nächtliche Spuk verschwunden.

*

»Sind Sie sicher, daß es zwei Weiße waren?« erkundigte sich Paul Maudling aufgeregt. Er und Joan Christie befanden sich in Mike Randers Rundhaus, in dem sich auch Sue Weston und Josuah Parker eingefunden hatten.

Die Boys des Camps suchten das Buschhotel nach Spuren ab und verscheuchten mit ihrem aufgeregten Plappern und dem Licht der Blendlaternen jeden möglichen weiteren Angreifer. Die akute Gefahr schien vorerst mal gebannt zu sein.

»Ich bin mir meiner Sache vollkommen sicher«, gab der Butler gemessen zurück, »leider war ich allerdings nicht in der Lage, mir die Gesichter der beiden nächtlichen Besucher einzuprägen. Dies durfte ich in Anbetracht meiner Vorbereitungen auch dem Fotoapparat überlassen.«

Während der Butler noch redete, präsentierte er Maudling einen Fotoapparat, den er allerdings aus wohlerwogenen Gründen erst gar nicht installiert und benutzt hatte.

»Sie – Sie haben die beiden Kerle fotografiert?« sagte Maudling überrascht.

»Mit letzter Sicherheit, Sir«, gab der Butler zurück, »ich war so frei, den Fotoapparat mit dem Blitzlicht zu koppeln. Morgen werde ich den belichteten Film entwickeln!«

»Ausgezeichnet«, sagte Rander, der von Parkers Trick nichts wußte, »dann wissen wir ja, Maudling, wer hinter Ihnen her ist.«

»Ich könnte den Film sofort für Sie entwickeln«, bot Joan Christie ihre Hilfe an, »wir haben im Camp eine Dunkelkammer mit allen Einrichtungen.«

»Ich möchte Sie auf keinen Fall echauffieren, Madam«, bedankte sich Parker, »morgen ist noch Zeit genug.«

»Und der Aufschrei?« erkundigte sich Maudling.

»Vielleicht eine Reaktion der Überraschung«, erläuterte der Butler, der Maudling und Joan Christie bewußt verschwieg, um welch einen ungewöhnlichen Regenschirm es sich handelte. Mike Rander und Sue Weston hörten sofort heraus, daß Parker über diesen Schirm nicht sprechen wollte. Sie stellten keine weiteren Fragen.

»Für den Rest der Nacht dürften wir auf jeden Fall unsere Ruhe haben«, sagte Anwalt Rander und gähnte demonstrativ, »ich schlage vor, wir legen uns wieder hin.«

Parker brachte Maudling und Joan Christie hinüber zum Steinhaus und schritt dann gemessen zurück zu Rander und Sue Weston, die auf ihn gewartet hatten.

»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte der Anwalt mißtrauisch, »trauen Sie Maudling nicht über den Weg?«

»In etwa, Sir!«

»Er wird sich doch nicht Mörder engagiert haben, oder?«

»Diese Mordversuche können gestellt sein, Sir.«

»Und mit welchem Motiv, Parker?«

»Dies, Sir, wird zu ergründen sein«, sagte der Butler würdevoll, »man weiß zur Zeit zuwenig über Mister Maudling.«

*

Josuah Parker lag in seinem Bett und schlief tief und fest.

Das wenigstens mußte der nächtliche Besucher annehmen, der sich vorsichtig in das kleine Rundhaus des Butlers hineingestohlen hatte.

Dieser nächtliche Eindringling war ein Eingeborener, der Landestracht trug und einen Wurfspeer in der rechten erhobenen Hand hatte.

Der Eingeborene nahm sofort Maß und schleuderte den Wurfspeer auf Parker. Er griff nach dem Fotoapparat, der auf dem Tisch vor der Sitzgruppe stand, schaltete die kleine Nachtlampe aus, die über der Tür brannte und verließ dann lautlos wieder das Rundhaus.

Er besaß, wonach er gesucht hatte.

*

»Das war glatter Mord«, sagte Mike Rander betroffen und sah Sue Weston an.

»Mitten durch die Brust«, stellte die Sekretärin des Anwalts fest.

»Das Blitzlicht und der Fotoapparat scheinen echte Nervosität ausgelöst zu haben«, meinte Josuah Parker und zog den Wurfspeer aus der Brust jener Puppe, die er mit behelfsmäßigen Mitteln angefertigt hatte.

Parker hatte mit einem zweiten nächtlichen Besuch gerechnet und daher darauf verzichtet, sich ins Bett zu legen. Er hatte es sich im Kleiderschrank bequem gemacht und den Eindringling beobachtet.

»Haben Sie ihn erkannt?« fragte Rander.

»Mit letzter Sicherheit, Sir. Es handelte sich um Mister Joe Ugalla.«

»Woher wußte er von dem Fotoapparat?«

»Er könnte zum Beispiel von den beiden Weißen informiert worden sein«, antwortete der Butler nachdenklich.

»Denken Sie etwa noch an andere Möglichkeiten?« wollte Mike Rander wissen.

»Nur sehr vage, Sir«, gab der Butler ausweichend zurück, »Hauptsache dürfte sein, daß Mister Ugalla jetzt im Besitz des Fotoapparates ist.«

»Hauptsache?« wunderte sich Sue Weston.

»Ich war so frei, diesen Apparat ein wenig zu präparieren«, erklärte der Butler leise. »Wenn meine bescheidene Rechnung aufgeht, wird dieser Apparat uns einiges über den Aufenthaltsort der Mörder sagen.«

»Und deshalb dürfen wir nicht lange warten«, erwiderte Mike Rander ungeduldig, »die beiden Weißen werden schnell hinter den Schwindel kommen, wenn sie sich den Apparat genauer ansehen.«

»Haben Sie etwa einen Sender eingebaut?« fragte Sue Weston und lächelte verstehend.

»In der Tat«, sagte der Butler, »und diesen Peilzeichen sollte man jetzt umgehend folgen.«

*

Rander und Parker saßen in Maudlings Landrover und fuhren vorsichtig durch die Nacht.

Rander hielt ein kleines Kofferradio in Händen, das nichts anderes war als ein Empfänger für den Peilsender im Fotoapparat. Die Peilzeichen – Pieptöne in einem bestimmten Rhythmus – waren klar und deutlich zu hören. Sie wurden von Minute zu Minute immer lauter.

»Wir scheinen auf dem richtigen Kurs zu sein«, sagte Rander zufrieden.

»Die Mörder werden sich dort drüben in den Felsklippen versteckt halten«, erklärte Parker.

»Wo, bitte?« Rander sah nichts. Dunkelheit umgab sie. Parker hatte aus wohlerwogenen Gründen selbstverständlich die Scheinwerfer des Wagens nicht eingeschaltet.

»In südöstlicher Richtung, Sir«, erläuterte der Butler, der die Landkarte gut im Kopf hatte, »es scheint sich um die Ausläufer eines mittleren Gebirges zu handeln. Meiner bescheidenen Schätzung nach dürfte man diese Klippen in etwa einer halben Stunde erreicht haben.«

»Dann müssen wir aber rechtzeitig aussteigen und zu Fuß weitergehen«, warnte Rander.

»Und man sollte sicherheitshalber zusätzlich davon ausgehen, Sir, daß Sie und meine bescheidene Wenigkeit eine Falle erwartet«, fügte der Butler hinzu.

»Sie meinen …?«

»Der Peilsender könnte inzwischen schon entdeckt worden sein, Sir!«

»Okay.« Rander nickte und zündete sich unterhalb der Windschutzscheibe eine Zigarette an. Er wollte jeden verräterischen Lichtschein vermeiden. Er freute sich, daß sein Butler neben ihm saß. Ohne Parker wäre er sich in der Dunkelheit der Savanne verloren vorgekommen.

Es war schon frappierend, mit welcher Umsicht und Sicherheit zugleich Parker den Wagen durch die Nacht steuerte. Sie befanden sich schließlich nicht auf einer Straße, sondern in der Wildnis. Sie mußten jeden Moment mit aufgescheuchtem Wild rechnen, mit den Höhlen der Erdferkel und Schuppentiere.

Parker stieg sanft in die Bremsen des Wagens, als dicht vor dem Bug ein Rudel Schakale aufstob und sich erschreckt in die Dunkelheit verlief.

»Besser als ein Nashorn«, sagte Rander erleichtert.

»Von einem Elefanten mal ganz zu schweigen, Sir«, ließ Parker sich höflich vernehmen. Er behielt den Wagen völlig unter Kontrolle und steuerte plötzlich scharf nach rechts, wo eine Baumgruppe in Umrissen zu erkennen war.

»Was ist los?« erkundigte sich Rander.

»Der Mond, Sir«, erklärte der Butler, »wird in spätestens zehn Minuten ohne jeden Wolkenvorhang sein. Bis dahin sollte man den Wagen deckungssicher untergebracht haben.«

Parker hatte richtig geschätzt.

Sie standen gerade neben dem Wagen unterhalb der Schirmakazien, als der Mond sein Licht über die Savanne warf.

»Dort sind ja auch die Klippen«, sagte Rander und deutete nach vorn.

Es schien sich um den Ringwall eines längst erloschenen kleineren Kraters zu handeln. Der Mond warf lange Schatten und ließ die steilen Felsklippen noch schärfer werden.

»Der Peilsender hat sein Maximum erreicht«, stellte Rander fest, »drüben müssen sie sein. Wie lange brauchen wir, bis wir die Klippen erreicht haben?«

»Ich erlaube mir, mit einer guten, halben Stunde zu rechnen«, erwiderte Parker und stieß ein leichtes überraschtes Oh aus, als dicht in ihrer Nähe das dumpfe Brüllen eines Löwen zu hören war, der sich wohl in seiner Nachtruhe gestört fühlte.

»Drüben!« flüsterte Rander und deutete mit der freien Hand auf eine Bewegung unterhalb der Baumgruppe. Er hatte sich nicht getäuscht. Gegen den hellen Hintergrund war ein männlicher Löwe zu sehen, der interessiert und dennoch vorsichtig auf sie zumarschierte. Er hatte die feste Absicht, sich einen gewissen Josuah Parker näher anzusehen.

Parker ließ sich keineswegs verblüffen.

Er hielt bereits seine Gabelschleuder in der Hand und legte eine Tonmurmel in die Lederschlaufe.

Der Löwe kam mutig näher.

Hinter ihm erschienen weitere Rudelmitglieder, die sich an dem Mahl zu beteiligen gedachten. Es wurde höchste Zeit für Parker und Rander, zurück in den Wagen zu steigen. Oder sonst irgend etwas zu tun.

*

Der Löwe, ein altgedienter Kämpe im Rudel und so etwas wie der Boß der Großfamilie, zuckte plötzlich wie unter einem Peitschenhieb zusammen und setzte sich verblüfft auf seine Hinterläufe.

Was mit dem stechenden Schmerz zusammenhing, den er auf seiner Nasenspitze verspürte. Er hatte das Gefühl, sich einen zähen Dorn in das Riechorgan gerammt zu haben.

Mit der typischen Geste einer Katze nahm er den rechten Vorderlauf hoch und wischte sich vorsichtig über die Nase. Zu seiner Überraschung konnte er nichts Dorniges feststellen. Also mußten die beiden menschlichen Figuren ihm diesen Schmerz beigebracht haben.

Worüber er sich ärgerte.

Bisher hatte er es noch immer verstanden, sich Respekt zu verschaffen. Er fürchtete um sein Image im Rudel. Es gab da einige Junglöwen, die nur darauf warteten, seine Rolle zu übernehmen.

Der Altlöwe stellte sich also wieder auf seine vier Läufe und pirschte sich näher an die beiden Zweibeiner heran. Er wollte es ihnen jetzt mal nachdrücklich zeigen.

Nun, er kam nicht weit …

Wieder dieser stechende Schmerz – und jetzt auch in der Nase! Dazu fehlte jedes Schußgeräusch.

Der Löwe fegte sich mit der Pranke das Wasser aus den Augen und stieß ein gereiztes Brüllen aus. Dann hatte er nichts dagegen, daß zwei besonders kesse Junglöwen ihn überspurteten und die Jagd fortsetzten. Er gönnte ihnen die Nasentstüber, die mit Sicherheit zu erwarten waren.

Plötzlich grinste der Altlöwe verstohlen in sich hinein. Jawohl, er griente, fast wie ein Mensch.

Was mit den beiden Junglöwen zusammenhing, die ihre Treffer inzwischen voll kassiert hatten. Sie drehten sich nach dem Aufprall der Tonmurmeln jäh auf ihren Absätzen um und rannten ziellos in die schützende Nacht hinein.

Der Altlöwe verzog verächtlich sein Gesicht und versuchte es mit einem faulen Trick. Fast auf dem Bauch rutschend, machte er sich an die beiden Menschen heran. Er wollte sie überlisten und dann mit seinen Pranken zuschlagen. Es wurde höchste Zeit, daß man im Rudel wieder mal begriff, wer Herr im Hause war.

Der Altlöwe hatte nicht mit Parkers Wachsamkeit und mit dessen Treffsicherheit gerechnet.

Parker verschoß nacheinander und sehr schnell drei Tonmurmeln. In diesen Geschossen, die auf der Nase des Löwen verplatzten, befand sich eine Flüssigkeit, die stark nach Ammoniak roch.

Der Löwe kannte mit Sicherheit nicht die chemische Bezeichnung dieser Flüssigkeit, aber er roch sie nachhaltig, und das Wasser floß dabei förmlich aus seinen Augenwinkeln. Er kräuselte angewidert die Nase, verschluckte sich, hustete wie ein ausgepichter Asthmakranker und zog sich dann mit langen Sätzen zurück.

*

»Großwildjagd mal anders«, sagte Rander lächelnd. »Sie sollten sich auch dieses Verfahren patentieren lassen, Parker.«

»Ich fürchte, Sir, daß der durchschnittliche Jäger es ablehnen wird«, erwiderte der Butler gemessen, »hier muß er auf Jagdtrophäen grundsätzlich verzichten.«

»Was nicht gerade schlecht wäre«, gab Rander zurück, »werden die Katzen uns ungeschoren lassen oder Rache ausbrüten?«

»Man sollte es darauf ankommen lassen, Sir.«

Parker hielt seine Gabelschleuder schußbereit in der Hand, als er zusammen mit seinem jungen Herrn den Fußmarsch hinüber zu den Felsklippen antrat. Rander schaltete in gewissen Zeitabständen immer wieder das kleine Gerät ein und vergewisserte sich, daß die Peilzeichen richtig ankamen.

Nach einer halben Stunde erreichten sie ohne jede Belästigung den Fuß der Klippen. Parker deutete auf einen canyonartigen Einschnitt, der in ein kleines Seitental führte.

»Meiner bescheidenen Ansicht nach dürften die Herren sich dort im Tal befinden«, sagte er, »ich kann in diesem Zusammenhang auf die Reifenspuren eines Autos verweisen.«

Jetzt entdeckte auch Mike Rander die Reifenspuren im nassen Gras. Sie führten direkt in die kleine Schlucht und luden förmlich zum Nähertreten ein.

»Also gut, Parker, riskieren wir s«, sagte Rander und zog seinen 38er aus der Schulterhalfter, »vielleicht wissen wir schon in wenigen Minuten, wer Maudling umbringen will.«

*

Joe Ugalla hielt das mehrschüssige Jagdgewehr schußbereit in Händen. Er hatte sich knapp hinter dem Eingang zur Schlucht hinter eine Felsnadel gesetzt und hatte ein erstklassiges Schußfeld, das zusätzlich und freundlicherweise noch vom Mond ausgeleuchtet wurde.

Ihm gegenüber saßen und hockten seine vier Mitarbeiter, die darauf brannten, ihre Wurfspeere endlich mal richtig einzusetzen. Wer in das kleine Seitental wollte, mußte hier vorbeikommen. Und würde hier mit Sicherheit sterben.

Joe Ugalla, der an seine Prämie dachte, die man ihm versprochen hatte, wartete voller Ungeduld darauf, diese Prämie endlich kassieren zu können.

Er wartete und wurde immer ungeduldiger. Hatten seine Auftraggeber ihn verschaukelt? Sie hatten ihm doch hoch und heilig versprochen, daß es nicht lange dauerte, bis die Verfolger, angeführt von Maudling, hier erschienen. Woher sie diese Sicherheit nahmen, hatten sie ihm auch gezeigt.

Im Fotoapparat befand sich ein kleiner Peilsender, der von einer starken Mikrobatterie gespeist wurde. Der Fotoapparat war nichts anderes als eine raffinierte Falle, wie sie nur die Weißen zu bauen verstanden.

Die beiden Auftraggeber Ugallas hatten den Peilsender sehr schnell entdeckt und ihn praktisch umgedreht. Sie lockten damit die Verfolger jetzt ihrerseits in die tödliche Falle. Das alles war eine Frage von höchstens zehn Minuten.

Ugalla wartete.

Wo blieben Maudling und die Verfolger? Warum ließen sie sich nicht sehen? Hatten sie etwa Verdacht geschöpft? Drehten sie vielleicht den Spieß um?

Als seine Gedanken diesen Punkt erreicht hatten, drehte Ugalla sich unwillkürlich um und beobachtete die Klippen über und hinter sich.

Seine Augen quollen förmlich aus den Höhlen. Was er dort vage ausmachte, war durchaus geeignet, daß sein krauses Haar sich senkrecht in die Höhe stellte.

*

Die Paviane in den oberen Klippen waren regelrecht sauer.

Der Herdenboß hatte sich gerade zur Ruhe begeben, als er von einem steinähnlichen Gegenstand aufgeschreckt wurde. Dieser Gegenstand hatte ihn hart und schmerzhaft zwischen den Schulterblättern getroffen.

Worüber der Boß sich ärgerte und erst mal sicherheitshalber zwei männliche Jungpaviane verprügelte, die das schweigend und ergeben über sich ergehen ließen.

Anschließend hatte der Herdenboß seine erste Haremsdame gebissen und dann mit Steinen ziellos durch die Gegend geworfen. Dennoch war in der Herde keine Ruhe eingekehrt, wie sich schnell herausstellte.

Weitere Sternchen zischten aus der Dunkelheit der Klippen und bombardierten den Herdenboß mit der langen, dichten Schultermähne. Der Pavian merkte mit einiger Verspätung, daß seine Untertanen doch wohl schuldlos waren, und leitete eine leichte Fluchtbewegung ein.

Er stieg über die Klippen lautlos nach unten, ohne sich um seine Herde zu kümmern. Was auch gar nicht notwendig war, denn seine Untertanen folgten blindlings, womit sie menschliche Verhaltensweise praktizierten.

Diese zögernde Fluchtbewegung wurde immer schneller, denn der Herdenboß lag regelrecht unter Dauerbeschuß. Es handelte sich – was er aber nicht wissen konnte – um Tonmurmeln, die mittels einer Gabelschleuder verschossen wurden, die ihrerseits sich in den Händen eines gewissen Butler Parker befand.

Die Herde geriet in eine immer schneller werdende Bewegung und lief wellenartig aus, als der Herdenboß sich plötzlich aufrichtete und gegen den felsigen Boden stemmte.

Dies wiederum hing mit Joe Ugalla zusammen, der sich gerade in seinem Versteck erhoben hatte und sich zu seinem grenzenlosen Schrecken einem Pavian-Herdenführer gegenübersah.

Ugallas Angst war verständlich.

Als Bewohner dieses Landstrichs wußte er sehr genau, wie gefährlich und angriffslustig Paviane sein können. Mit ihrem Gebiß, das mit dem eines Leoparden zu vergleichen ist, wußten die Affen sich prächtig zu wehren, wie sie aber auch anzugreifen verstanden.

Der Herdenführer sah rot.

Der alte Pavian spürte die vielen Schmerzstellen auf seinem Körper und sah sich plötzlich einem verhaßten Menschen gegenüber.

Er schäumte und zeigte sein Gebiß. Dann stieß er ein Gebrüll aus, daß Ugalla fast das Gewehr aus der Hand fiel, und ging zum Angriff über.

Ugalla feuerte in sinnloser Angst und erfreulicherweise ohne jedes Zielen einen Schuß nach dem anderen ab.

Er hatte Glück.

Der Pavianboß drehte etwas seitlich ab, aber die Herde überrollte doch noch den Schwarzen, der das Gefühl hatte, unter eine Dampfwalze geraten zu sein.

Als die Herde Ugalla passiert hatte, sah der Schwarze nur noch Sterne und stöhnte. Kratz- und leichte Bißwunden zierten seinen fast entblößten Körper. Von seinem Anzug waren nur noch leichte Fetzen zu erkennen.

Die Herde war durch die schmale Schlucht geflüchtet und befaßte sich inzwischen mit Ugallas Helfershelfern. Diese vier Eingeborenen hatten auch sehr nachhaltige Erlebnisse und Eindrücke, denn sie befanden sich genau im Fluchtweg der aufgebrachten und ihrerseits in Panik geratenen Pavianherde.

Das Kreischen und Schreien der Affen erfüllte die Nacht. Dazwischen war das Gebrüll der verängstigten Schwarzen zu hören, die aus Angst und Schmerz ihre Kehle strapazierten.

Josuah Parker und Mike Rander standen zu dieser Zeit oben auf den Klippen und verfolgten den Fluchtweg der Pavianherde. Sie hatten einen kleinen Umweg genommen und oben vom Klippenrand aus die Lage sondiert. Dabei war Parker auf die Pavianherde gestoßen und hatte sie umgehend und prompt für seine Zwecke umfunktioniert.

Mit großem Erfolg, wie sich gerade gezeigt hatte. Parker durfte wieder mal zufrieden sein. Die Vorsicht hatte sich gelohnt.

»Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sir, so sollte man jetzt versuchen, einige der Fallensteller einzusammeln«, sagte Parker, »wobei ich betonen möchte, daß ein Kronzeuge schon reichen würde.«

Rander war selbstverständlich einverstanden.

Er stieg zusammen mit seinem Butler in die Klippen hinunter und entdeckte plötzlich links unter sich eine Gestalt, die sich müde und hinkend über einen Pfad nach unten in die Schlucht schleppte.

»Parker … Dort…!« flüsterte er seinem Butler zu.

Doch Parker reagierte bereits.

Aus dem hohlen Schirmstock zischte mittels Preßluft ein Blasrohrpfeil nach unten.

Worauf der Getroffene heiser brüllte, um dann in die Knie zu gehen.

*

»Er wird gleich zu sich kommen, Sir«, sagte Parker, der neben Joe Ugalla stand.

»Hoffentlich redet er auch«, meinte Rander skeptisch. Er hatte zusammen mit Parker etwa zehn Minuten gewartet. Solange brauchte das leichte Betäubungsgift, um vom Körper abgebaut zu werden. Der bewußte Blasrohrpfeil mit dem Betäubungsgift an der Spitze war von Parker inzwischen längst geborgen worden. Der Butler haßte unnötige Materialverschwendung.

Joe Ugalla seufzte leise und bewegte sich. Dann sprang er plötzlich ohne jede Vorwarnung auf und wollte weglaufen.

Parker rührte sich nicht.

Ugalla tat anderthalb Schritt, um dann wieder in sich zusammenzusinken. Er wirkte noch recht schwach auf seinen Beinen.

»So sieht man sich wieder«, sagte Rander und trat vor den Mann, der jetzt zögernd und unsicher den Kopf hob.

»Ich … Ich habe Sie noch nie gesehen«, behauptete Joa Ugalla mit schwerer Zunge.

»Auch nicht am Flugplatz von Nairobi?« fragte Rander lächelnd, »oder im Landrover. Und auch nicht auf dem Elefantenpfad?«

»Ich weiß nicht, wovon Sie eigentlich reden«, behauptete Ugalla aufgebracht. »Sie müssen mich verwechseln! Für Weiße sehen wir doch alle gleich aus.«

»Wer bezahlt Sie für die Mordversuche?« erkundigte sich Josuah Parker und ließ sich erst jetzt vor Ugalla sehen.

Der Schwarze schluckte und glaubte ein Gespenst zu sehen. Für ihn war Josuah Parker längst erledigt. Er selbst hatte doch den schweren Jagdspeer auf den Butler geworfen.

»Ich bin … Ich habe …« Mehr sagte Ugalla nicht. Dann erging er sich im heimischen Dialekt und rief seine Götter, an die er insgeheim immer noch glaubte. Er begriff nicht, wieso dieser Butler noch lebte. Er mußte einen unheimlich starken Zauber um sich haben.

»Wer bezahlt Sie für die Mordversuche?« wiederholte Parker seine Frage.

»Die Tarzan-Brothers«, gab Ugalla spontan und ohne jede Überlegung zurück.

»Wer, bitte?«

»Die Tarzan-Brothers«, Wiederholte Ugalla ehrlich. Er wollte es mit diesem Mann, der solch einen starken Zauber hatte, auf keinen Fall verderben.

»Was sind das für Menschen?«

»Zwei Weiße!«

»Die wie heißen?« schaltete sich Mike Rander ein. Endlich deutete sich hier eine heiße Spur an.

»Ich weiß es nicht«, gab Ugalla zurück, »wenn ich sie sah, hatten sie Masken auf.«

»Masken, Sir«, wiederholte Ugalla durchaus glaubhaft, »Masken von Menschenaffen. Sie nennen sich die Tarzan-Brothers. Mehr weiß ich wirklich nicht.«

»Wo trefft ihr euch?« stellte Rander seine nächste Frage.

»Immer woanders«, lautete Ugallas Antwort. Auch sie schien ehrlich zu sein. »Sie schicken mir einen Brief, und dann komme ich – mal hier in die Klippen – oder in einem Lokal in Nairobi – oder im Busch …!«

»Und wie lautet Ihr spezieller Auftrag?« fragte Parker gemessen. Ugalla sah kurz in das Gesicht des Butlers und senkte schnell wieder den Kopf. Er wollte nicht verzaubert werden.

»Wir sollen Mister Maudling umbringen. Und alle, die ihm helfen.«

»Warum habt ihr bisher nicht direkt geschossen?« wunderte sich der Anwalt.

»Das dürfen wir nicht, Sir«, sagte Ugalla schnell, »der Tod soll und muß wie ein Unfall aussehen.«

»Seit wann kennen Sie Mister Will Hagerty?« erkundigte sich Parker streng bei Ugalla. Er rechnete nicht mit einer Antwort und wunderte sich, als Ugalla eifrig nickte.

»Mister Hagerty«, sagte er hastig, »den kenn ich. Schon seit einem Jahr. Ich habe früher mal für ihn gearbeitet.«

»Wo kann man Mister Hagerty jetzt finden? Ich weiß, daß er hier in der Gegend ist.«

»Mister Hagerty wohnt in Nairobi. In einer Pension. Im Masai-House …«

»Kommen wir zu Mister Patterson und Mister Ron Maudling«, weitete der Butler seine Befragung aus. »Sie kennen sie …?«

»Nur vom Hörensagen«, gab Ugalla schnell zurück, »gesehen habe ich sie noch nicht.«

Daß Ugalla jetzt schwindelte, war ihm deutlich anzusehen. Zu Parkers Leidwesen konnte er seine Fragen nicht vertiefen, denn in diesem Moment fielen einige Gewehrschüsse, die unangenehm gut lagen und Rander und Parker veranlaßten, Deckung auf dem Boden zu suchen.

Ugalla nutzte seine Chance und rannte blindlings in die Nacht hinein.

Was sich für ihn allerdings kaum auszahlte, denn schon nach wenigen Schritten brach er getroffen zusammen und blieb nach einigen Purzelbäumen regungslos im hohen Gras liegen.

*

»Sobald er vernehmungsfähig ist, wird man uns verständigen«, sagte Maudling und sah der einmotorigen Maschine nach, die gerade von der Rollbahn hinter seinem Busch-Hotel abhob. In der Maschine befand sich außer dem Piloten ein Polizeiinspektor und Ugalla, der von zwei Gewehrschüssen getroffen worden war.

Ugalla war schwer verletzt worden und hatte es Rander und Parker zu verdanken, daß er überhaupt noch lebte. Sie hatten den Schwarzen zurück ins Lodge transportiert und von hier aus Nairobi per Funk verständigt.

Inspektor Moshi, ein Schwarzer, hatte sich die Geschichte, die man ihm vorgetragen hatte, fast schweigend angehört und sich nur Notizen gemacht. Bei dem Ausdruck Tarzan-Brothers schien es bei ihm allerdings leicht gefunkt zu haben, doch er hatte sich nicht näher dazu geäußert.

»Was halten Sie von Moshi?« fragte Maudling, sich an Rander und Parker wendend, während die Maschine bereits auf Kurs ging.

»Ein sehr intelligenter Mensch«, stellte der Butler nachdenklich fest.

»Finden Sie?« meinte Maudling etwas verächtlich.

»Mit Sicherheit«, gab der Butler zurück. »Inspektor Moshi dürfte mehr wissen, als er uns gegenüber verriet. Der Begriff Tarzan-Brothers scheint bei ihm Assoziationen ausgelöst zu haben.«

»Früher unter englischer Verwaltung wäre das alles nicht passiert«, mokierte sich Maudling.

»Was unter englischer Verwaltung alles passieren konnte, wollen wir lieber nicht diskutieren«, sagte Rander, der an die Kolonialzeit dachte.

»Ich möchte eindringlich hinzufügen, Mister Maudling, daß die Hautfarbe kein Kriterium für Intelligenz ist«, fügte der Butler würdevoll hinzu, »um es ganz deutlich zu sagen, ich kenne Angehörige unserer Hautfarbe, die nicht mal das Intelligenzminimum erreicht haben!«

Maudling preßte die Lippen zusammen und sah betreten zu Boden, er hatte gut verstanden.

»Wie soll’s jetzt weitergehen?« fragte er dann, das Thema bewußt wechselnd. »Ugalla ist nur eine Randfigur. Die wahren Mörder laufen noch frei herum.«

»Zwei Weiße, die mit Affenmasken auftreten, – falls man Ugalla Glauben schenken kann«, faßte Sue Weston zusammen.

»Klingt sehr unwahrscheinlich«, sagte Joan Christie spöttisch, »diese Afrikaner lügen, wenn sie nur den Mund auftun. Sie haben zuviel Phantasie.«

»Finden Sie?« fragte Rander lächelnd.

»Ich meine das natürlich allgemein«, sagte Joan hastig, »aber überlegen Sie doch mal! Tarzan-Brothers – Masken wie Menschenaffen … Das ist entweder handfest gelogen oder klingt nach einem Märchen!«

»Warum sollen sich zwei Weiße nicht Masken überstreifen?« gab der Butler zu überlegen, »zwei Weiße, die so bekannt sind, daß sie auf keinen Fall erkannt werden wollen!«

»Hagerty und Brooks«, sagte Maudling in einem Ton, als sei ihm plötzlich ein Licht aufgegangen, »Henry Brooks!«

»Wer, bitte, ist dieser Henry Brooks?« erkundigte sich Mike Rander.

»Brooks hat ein kleines, schmieriges Hotel in Nairobi. Er macht ziemlich undurchsichtige Geschäfte.«

»Heißt sein Hotel etwa Masai-House?« fragte Rander.

»Genau«, bestätigte Maudling.

»Worauf warten wir eigentlich noch?« sagte Rander zu seinem Butler, »wollten wir nicht ohnehin nach Nairobi?«

*

Als Mike Rander, Sue Weston und Josuah Parker aus ihren kleinen bungalowähnlichen Rundhäusern kamen und hinüber zum Landrover gingen, sahen sie die Staubwolke am Himmel, die schnell größer wurde.

»Sieht nach Besuch aus«, meinte Rander.

»Vielleicht die Reisegesellschaft, die Maudling für sein Hotel erwartet«, sagte Sue, »sie soll heute ankommen.«

Nun, es handelte sich nur um Les Patterson, der in einem VW-Bus erschien.

Nach ihm stieg zu Parkers Überraschung, die er sich allerdings nicht anmerken ließ, Ron Maudling aus, der Sohn des Hotelkönigs.

Zwei Weiße, dachte Parker unwillkürlich und beantwortete den schnellen Blick, den Rander ihm zuwarf. Auch sein junger Herr schien diese Gedankenverbindung gehabt zu haben.

»Wir haben einen Abstecher gemacht«, sagte Ron zu seinem Vater der aus dem langgestreckten Steinhaus gekommen war und seinen Sohn sehr distanziert ansah. »Die Buschtrommel hat uns was von einer Schießerei gesagt.«

»Die Buschtrommel?« Sue wunderte sich und sah Ron irritiert an.

»Oder Buschtelefon«, sagte Ron Maudling, ein großer, schlanker, sportlicher Mann, der fast zu gut aussah. Er mochte dreißig Jahre alt sein und hätte als Dressman in jedem einschlägigen Magazin Furore gemacht.

»Was auch passiert, es spricht sich mit Windeseile hier herum«, erläuterte Les Patterson lächelnd, »Geheimnisse bleiben nie ungenannt.«

»Wie ungemein erfreulich«, schaltete sich Josuah Parker in diesem Moment höflich ein, »demnach wird das von Ihnen erwähnte Buschtelefon mit Sicherheit auch in Erfahrung bringen können, wer die Tarzan-Brothers sind.«

»Die Tarzan-Brothers? Wer ist denn das?« fragte Ron Maudling überrascht.

»Zwei Weiße, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Ihren Herrn Vater umzubringen«, redete der Butler weiter und sah Ron an.

»Ach so … Die Geschichte«, meinte Ron lächelnd und etwas abfällig.

»Sie glauben sie nicht?« wunderte sich Mike Rander.

»Man kann sich auch eine Menge einbilden«, sagte Ron Maudling.

»Von Einbildung kann keine Rede mehr sein«, erklärte der Butler, »es handelt sich inzwischen um Tatsachen. Das erwähnte Buschtelefon wird Ihnen sicher auch mitgeteilt haben, daß ein gewisser Joe Ugalla nach Nairobi geflogen wurde. Schwer verletzt, wie ich hinzufügen möchte. Er legte bereits ein umfassendes Geständnis ab und erklärte glaubwürdig, daß er für die Tarzan-Brothers tätig war.«

»Man will mich umbringen! Und meine Gäste aus Chikago dazu«, sagte Paul Maudling nachdrücklich. »Zwei Weiße sind es, die hinter mir her sind.«

»Warum siehst du Patterson und mich so anzüglich an?« meinte Ron lächelnd.

»Ich will Sie auf keinen Fall umbringen«, sagte Les Patterson ironisch.

»Auch ich habe nicht diese Absicht«, fügte Ron hinzu.

»Lassen wir das Thema!« Paul Maudling legte seinen Arm um die Schulter von Joan Christie.

»Zumal dieses Mordthema sich ohnehin bald durch sich selbst erledigen wird«, fügte der Butler hinzu, »ich besitze erfreulicherweise einen Film, den ich in der vergangenen Nacht mittels Blitzlicht belichten konnte. Auf diesem Film sind die beiden Weißen immerhin in etwa zu erkennen. Wenigstens einer davon.«

»Ach nee!« Les Patterson wunderte sich sichtlich. »Sie besitzen Aufnahmen von den beiden Weißen?«

»Dann müssen Sie ja wissen, daß Patterson und ich nicht diese beiden Weißen gewesen sind«, fügte Ron Maudling hinzu.

»Selbstverständlich nicht«, sagte Parker höflich.

»Na also, dann sind wir ja wenigstens aus dem Schneider«, meinte Patterson lächelnd, um sich dann an Maudling senior zu wenden, »wenn man Sie wirklich ermorden will, Maudling, wer könnte ein Interesse daran haben? Die beiden weißen Mörder müssen dafür doch handfeste Gründe haben, oder?«

»Eben«, schaltete sich Ron Maudling ein, »warum sollst du umgebracht werden, Daddy? Wem hast du mal wieder auf die Füße getreten?«

Paul Maudling sah seinen Sohn starr an, drehte sich dann um und ging zurück zum Steinhaus. Joan Christie zögerte einen Moment, um ihm dann zu folgen.

»Tja, dann wollen wir mal«, unterbrach Rander das peinliche Schweigen und nickte seinem Butler zu.

»Sie verlassen Tabora Lodge?« erkundigte sich Patterson.

»Nur für ein paar Stunden«, sagte Rander, »wir werden in Nairobi erwartet. Wir wollen Inspektor Moshi die Aufnahmen meines Butlers übergeben.«

*

Sie waren etwa eine Stunde im Landrover unterwegs, als sie plötzlich das einmotorige Flugzeug ausmachten, das ihnen direkt entgegenkam.

Parker, der am Steuer des Wagens saß, hielt an und ließ das Flugzeug, das im Zebramuster gestrichen war, nicht aus den Augen.

»Warum fahren Sie nicht weiter?« fragte Rander, während Sue Weston sich vorbeugte, um besser sehen zu können.

»Dieses Flugzeug scheint uns anzusteuern«, stellte der Butler fest.

»Na und?«

»Könnten Sie freundlicherweise ermitteln, Sir, wie das Kennzeichen lautet?« bat der Butler seinen jungen Herrn.«

»Natürlich.« Rander griff nach dem Fernglas und versuchte die Registriernummer am Höhenleitwerk auszumachen.

Parker sah sich nach einer Baumgruppe um, nach einem Buschstreifen oder nach einer Geländefalte. Dieses Flugzeug, das schnell näher kam, gefiel ihm nicht.

»Nichts«, meldete in diesem Augenblick Mike Rander. »Kein Kennzeichen. Scheint alles überpinselt worden zu sein.

Parker nickte. Genau das hatte er irgendwie erwartet. Er legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung unten und wartete mit ruhigen Nerven ab.

Das einmotorige Flugzeug war jetzt sehr groß geworden. Es hielt nach wie vor auf den Landrover zu und wackelte mit den Tragflächen, als wollte es sich zusätzlich bemerkbar machen.

»Vielleicht irgendeine wichtige Nachricht für uns«, sagte Sue Weston arglos.

»Möglicherweise«, gab der Butler zurück und ließ den Motor des Landrover aufheulen. Dann rief er plötzlich mit überraschend scharfer Stimme: »Festhalten!«

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er die Kupplung ruckartig kommen ließ.

Der Landrover tat einen mächtigen Satz nach vorn und unterlief damit die Maschine, die noch tiefer tauchte. Bruchteile von Sekunden später zeigte sich, daß Parker wieder mal richtig kalkuliert hatte.

Aus der einmotorigen Maschine fiel eine Art Fußball nach unten auf den Boden. Und dieser Fußball hätte mit Sicherheit den Landrover voll erwischt.

Was sich als äußerst peinlich herausgestellt hätte, denn der Fußball explodierte und entpuppte sich als eine Bombe!

Parker schaltete blitzartig hoch und ließ den Landrover immer schneller werden. Rander, der inzwischen begriff, hatte sich hochgestellt, klammerte sich an der Windschutzscheibe fest und beobachtete die Maschine, die sich gerade in eine verwegene Steilkurve legte, um den Landrover erneut anzufliegen.

Dort, wo die Bombe explodiert war, erhob sich eine breite Staubwolke, die senkrecht zum Himmel stieg. Die Sprengladung mußte es in sich gehabt haben.

»Er kommt zurück!« rief Rander seinem Butler zu. »Aufpassen, Parker!«

Der Butler reagierte erstaunlich schnell und geschickt. Mit einem verwegenen Powerslide riß er den Landrover auf der Hinterachse herum. Der schwere Wagen schien sich auf Schmierseife zu befinden, so prompt drehte er sich.

Parker ließ die Kupplung kommen, schaltete wieder hoch und raste dann der Maschine entgegen, die Kurs auf sie genommen hatte und dabei noch tiefer ging.

»Festhalten!« rief Parker erneut und stieg derart scharf in die Bremsen, daß der Landrover sich fast überschlug, seitlich ausbrach und sich halb drehte.

Dieses Manöver stellte sich erneut als vollkommen richtig heraus.

Mit diesem Trick hatte der Pilot der Maschine nicht gerechnet. Er hatte sich auf die Höchstgeschwindigkeit des Landrovers eingestellt und seinen Abwurf daraufhin berechnet. Durch den jähen Stop überflog er den Wagen unter sich und löste seine zweite Sprengbombe erst etwa dreißig bis vierzig Meter hinter dem Landrover.

Eine zweite Staubwolke verpestete die Luft. Ein Druck folgte, der den Wagen durchschüttelte. Sue schrie leise auf. Sie hatte Angst. Rander hielt bereits seinen 38er in der Hand und preßte die Lippen wütend zusammen.

Es war fraglich, wie dieses Duell ausging. Der Pilot wußte jetzt, mit welchem trickreichen Gegner er es zu tun hatte. Er konnte sich darauf einstellen. Ein dritter Anflug würde womöglich erfolgreicher ausfallen.

Parker ließ den Landrover bereits wieder über die Savanne preschen. Er hatte die Maschine vor sich. Sie legte sich erneut in eine gekonnte Steilkurve, die an einen Messerflug erinnerte. Dann drückte er sie noch tiefer und ging zum dritten Anflug über.

»Das Abschleppseil, Sir«, rief Parker seinem jungen Herrn zu, »könnten Sie möglicherweise für etwas zusätzlichen Staub sorgen?«

Rander verstand sofort.

Er stieg nach hinten zu Sue, griff nach dem langen Abschleppseil und ließ es über Bord gehen. Er behielt das Ende in der Hand, während das Seil sich ausrollte und wie eine Riesenschlange über den staubigen Boden schlängelte.

Der Effekt, den der Butler angestrebt hatte, wurde voll und ganz erreicht. Innerhalb weniger Sekunden erhob sich eine zusätzliche Staubwand, die alles einhüllte.

Parker war selbstverständlich clever genug, um so schnell wie möglich in diese Staubwolke zurückzupreschen. Als er den Landrover herumriß, sorgte er für weiteren Staub. Dann befanden sie sich in einer nahezu undurchsichtigen Atmosphäre, die leicht zweihundert Meter im Quadrat betrug.

Parker bremste, kuppelte aus und horchte nach dem Flugzeug.

Es befand sich dicht über ihnen, kurvte herum und suchte nach dem Landrover. Wahrscheinlich hatte der Pilot nicht genügend Wurfbomben an Bord. Er wollte seine nächste Ladung unbedingt sicher setzen.

»Wer hat von unserer Fahrt nach Nairobi gewußt?« fragte Rander nachdenklich und halblaut.

»Die Herren Patterson, Ron und Paul Maudling sowie Miß Christie«, gab der Butler prompt zurück. Auch er schien sich mit dieser Frage beschäftigt zu haben.

Bevor Rander und Parker ihr Gespräch weiter vertiefen konnten, war das Dröhnen der nächsten Explosion zu hören. Der Pilot der Maschine hatte sich für einen Abwurf entschieden und sich dabei total verschätzt.

»Der Staub legt sich langsam«, sagte Sue Weston nervös.

»Dagegen, Miß Weston, sollte man in der Tat etwas tun«, gab der Butler zurück, kuppelte ein und ließ den Landrover wieder losmarschieren. Parker hatte sich eine ganz bestimmte Taktik zurechtgelegt, die auf den Tankinhalt der einmotorigen Maschine spekulierte, die ja immerhin noch einen gewissen Rückflug vor sich hatte.

*

»Und was haben Sie getan?« wollte Inspektor Moshi lächelnd wissen. Rander, Parker und Sue Weston befanden sich in seinem Büro und wirkten leicht angestaubt.

»Parker fuhr unentwegt im Kreis herum«, berichtete Mike Rander schmunzelnd weiter, »dabei weitete er diesen Kreis immer weiter aus, bis der Maschine wohl der Sprit ausging. Sie setzte sich plötzlich sehr schnell ab und gab uns damit den Weg frei.«

»Sie scheinen sich sehr unbeliebt gemacht zu haben«, meinte Inspektor Moshi, ein untersetzter, etwas rundlicher Schwarzer, der intelligente Augen besaß. Dann sah er hoch, als einer seiner Mitarbeiter hereinkam und ihm einen Zettel überreichte, den Moshi schnell überflog.

»Hier auf dem Flugplatz ist keine Maschine der von Ihnen beschriebenen Art gestartet oder gelandet. Wenigstens nicht innerhalb der vergangenen drei Stunden.«

»Die Maschine muß dann also von einem anderen Flugplatz gestartet sein.« Rander schob sich etwas vor.

»Das werden wir auch hoch herausbekommen«, sagte Moshi, »diese Tarzan-Brothers, von denen Ugalla gesprochen hat, sind nicht gerade arme Leute.«

»Zusätzlich scheint mir, Sir«, wendete sich Parker an Inspektor Moshi, »das es sich um einen Hintergrund handeln muß, der diesen großen Einsatz unbedingt lohnend erscheinen läßt.«

»Richtig«, bestätigte Moshi, »die Frage bleibt, warum man Mister Maudling unbedingt ermorden will.«

»Er will ihn angeblich nicht kennen«, sagte Rander.

»Was überhaupt nichts besagt«, meinte Moshi lächelnd, »Mister Maudling scheint einen Teil der Wahrheit ausgespart zu haben. Aus guten Gründen, von seiner Sicht aus gesehen.«

»Sie kennen ihn besser als wir«, tippte Rander an.

»Mister Maudling hatte bisher noch nie etwas mit den Behörden. Ich denke da an einen negativen Kontakt, Mister Rander.«

»Gibt es aber vielleicht doch irgendwelche Bedenken gegen ihn?«

»Er erfreut sich der Unterstützung des Amtes für Touristik«, redete Moshi weiter, »wir hier in Kenia sind am Tourismus sehr interessiert und unterstützen alle Bemühungen in dieser Hinsicht.«

»Was Sie da sagen, klingt wie eine offizielle Verlautbarung.«

»Genauso bitte ich meine Worte auch zu verstehen. Im übrigen möchte ich hinzufügen, daß Maudling meiner Ansicht nach über die Touristik hinaus gewisse Privatgeschäfte abwickelt.«

»Wir sind nicht Maudlings Leibwächter«, stellte Rander sicherheitshalber richtig, um bei Moshi keine vagen Vorstellungen aufkommen zu lassen.

»Das weiß ich längst«, antwortete der Inspektor lächelnd, »ich habe bereits Erkundigungen über Sie eingeholt. Was Sie verstehen werden.«

»Erkundigungen?« Rander staunte.

»Über private Kanäle«, präzisierte Moshi, »ich bin seinerzeit in England ausgebildet worden. Ich habe dort einige Freunde, die in hohen Dienststellen sitzen.«

»Falls Mister Maudling die Absicht hat, Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit zu mißbrauchen, dürfte er das erleben, was man im Volksmund ein blaues Wunder nennt«, schaltete der Butler sich ein. »Aber darf ich gerade deswegen noch mal auf jene Geschäfte zurückkommen, die Sie gerade angegeben haben, Mister Moshi?«

»Rohdiamanten«, erwiderte Moshi trocken, »nachweisen konnte ich ihm bisher nichts … Aber es besteht ein dringender Verdacht!«

»Also Diamantenschmuggel!« erkundigte sich Rander gespannt.

Moshi bestätigte das. »Vergessen Sie nicht seine Hotelketten! Er besitzt auch Hotels in der Südafrikanischen Union, dann in Rhodesien und schließlich in Tansania und hier in Kenia.«

»Wenn ich die afrikanische Landkarte richtig vor Augen habe, könnten diese Staaten eine Art Schiene darstellen, um Rohdiamanten zu schmuggeln!«

»Okay«, sagte Inspektor Moshi, »Sie haben die Landkarte vollkommen richtig im Kopf, Mister Parker.«

»Möchten Sie diesen Schmuggel unbedingt unterbinden? Ich meine, wäre das für Tansania wichtig?«

»Nur bedingt«, sagte Moshi, »aus verständlichen Gründen haben wir nichts dagegen, daß die Südafrikanische Union Federn lassen muß. Wir haben nur etwas dagegen, wenn zwei konkurrierende Schmuggler-Organisationen sich ausgerechnet hier in Tansania befehden.«

»Dann könnten die Tarzan-Brothers ebenfalls Diamantenschmuggler sein?« wollte Mike Rander wissen.

»Das sollte man unterstellen«, sagte Inspektor Moshi, »aber vielleicht sind Sie erfolgreicher, als ich es bisher gewesen bin. Vielleicht sind die beiden, Hagerty und Brooks, Ihnen gegenüber etwas unvorsichtiger, als es bei mir bisher der Fall gewesen ist!«

»Sie kennen Hagerty und Brooks?«

»Noch nicht gut genug«, schloß Inspektor Moshi, »aber seien Sie vorsichtig! Savanne und Busch sind groß und schweigen. Wer dort umgebracht wird, wird manchmal erst nach Monaten oder Jahren gefunden!«

*

Henry Brooks war etwa fünfzig Jahre alt, groß, dick und besaß kleine, listige Schweinsaugen. Er schwitzte unentwegt aus allen Poren und kam mit schnellen Schritten irgendwie lauernd auf unser Trio zu.

Brooks war der Besitzer des Masai-Hotels, das im islamischen Stil errichtet war und seine besten Jahre längst hinter sich hatte. Der Lehmputz an den Außenwänden war in großen Fladen abgebröckelt. Das Haus wirkte leicht verkommen und ungepflegt.

»Hagerty?« wiederholte er, als Parker die entsprechende Frage gestellt hatte, »tut mir leid, aber der ist schon seit ein paar Tagen unterwegs.«

»Sie wissen nicht, wo wir ihn finden können?«

»Tut mir immer noch leid! Aber kann ich Ihnen ein paar erstklassige Zimmer anbieten?«

»Wir wohnen draußen in Tabora Lodge«, sagte Mike Rander.

»Natürlich!« Brooks verzog sein Gesicht, »Maudling schnappt sich alles, was er bekommen kann!«

»Sie mögen ihn nicht, Mister Brooks?«

»Wer hebt schon einen Hai?« lautete Brooks’ Gegenfrage. »Fragen Sie Hagerty, wie er über Maudling denkt! Er ist von Maudling systematisch ruiniert worden.«

»Und warum?« wunderte sich Rander vorsichtig.

»Fragen Sie einen Hai oder ein Krokodil, warum sie automatisch zuschnappen, wenn sich ein Bissen anbietet. Reiner Reflex!«

»Sie wissen, wer wir sind?«

»Wie kommen Sie denn darauf?« wunderte sich nun Brooks vorsichtig.

»Weil Sie uns ungefragt Details über Maudling liefern«, meinte Anwalt Rander, »man spürt die Absicht förmlich heraus.«

»Gewonnen!« Brooks verzog sein Gesicht und wischte sich den Schweiß ab. »Gehen wir rüber an die Bar. Ich spendiere eine Runde. Dann werde ich Ihnen mal erzählen, was mit Maudling los ist. Und dann werden Sie schnell kapieren, daß Sie auf dem falschen Dampfer sind.«

Das, was Brooks die Bar genannt hatte, entpuppte sich als eine Kneipe mit einem hohen Tresen. Zum Hof hin gab es eine schmale Tür mit einem Vorhang aus Perlenschnüren. Unter der Decke drehte sich mühsam und ein wenig ächzend ein Ventilator mit zwei Propellerschrauben.

Brooks servierte kaltes Bier aus Flaschen, das sehr gut schmeckte. Dann setzte er sich keuchend zu seinen drei Gästen und beschäftigte sich wieder mal mit einem plötzlichen Schweißausbruch.

»Also, Maudling«, begann er, »ich weiß tatsächlich, daß er Sie aus den Staaten kommen ließ. Er hat Angst, daß es ihm an den Kragen geht!«

»Wer könnte daran ein Interesse haben?« kam Rander sofort zur Sache.

»Maudling hat eine Menge Feinde«, erwiderte Brooks, »das liegt an seinen Geschäftsmethoden.«

»Klingt sehr allgemein«, warf Mike Rander ein.

»Gegenfrage, was hat Maudling Ihnen denn erzählt?« wollte Brooks wissen.

»Er fühlt sich bedroht und glaubt, ermordet zu werden.«

»Kann ich mir verdammt gut vorstellen!« Brooks grinste.

»Und zwar von zwei weißen Herren, die sich Tarzan-Brothers nennen«, mischte der Butler sich gemessen in die Unterhaltung ein. Er beobachtete Brooks bei dem Ausdruck Tarzan-Brothers sehr genau.

Brooks’ Blick wurde für einen kurzen Moment lang starr. Der Name schien bei ihm so etwas wie eine Reaktion ausgelöst zu haben, die er aber auf keinen Fall zeigen wollte. Sekunden später hatte er sich bereits wieder in der Gewalt und lächelte spöttisch.

»Tarzan-Brothers«, wiederholte er dann, »das klingt nach einem Krimi.«

»Nach Ansicht vieler Kriminologen schreibt das Leben stets die besten Kriminalromane«, redete der Butler weiter, »so weiß ich zum Beispiel von einem Fall in Südafrika, in dem es um Rohdiamanten ging.«

»Und?« Brooks war sehr interessiert an diesem Thema. Er bemühte sich noch nicht mal darum, Desinteresse vorzutäuschen.

»Es ging, um genauer zu sein, um den Schmuggel von Rohdiamanten«, präzisierte der Butler aus dem Handgelenk heraus. »Zwei konkurrierende Schmuggelgruppen befehdeten sich bis aufs Blut und schreckten demzufolge auch nicht vor Mord zurück.«

»Warum … Warum erzählen Sie mir das?« Brooks hüstelte leicht.

»Überlegen Sie mal gründlich«, sagte Rander und stand auf. Er nickte Sue zu, die sich ebenfalls erhoben hatte, und verließ dann zusammen mit dem Butler die Bar.

Brooks blieb sitzen und schaute ihnen gedankenvoll nach. Er verzichtete auf jede Höflichkeit und trank dann ruckartig sein Bierglas leer.

»Eine Frage am Rande?« sagte Parker von der Tür her. »Seit wann besitzt Mister Hagerty seinen Pilotenschein?«

»Seit Jahren«, gab Brooks automatisch zurück. Dann biß er sich betreten auf die Lippen. Er hatte mit einiger Verspätung gemerkt, daß der Butler ihn praktisch hereingelegt hatte.

Als sie das Hotel verließen, trafen sie auf Inspektor Moshi, der gerade aus einem Jeep stieg. Als Parker das Gesicht des Inspektors sah, wußte er sofort, daß etwas Unangenehmes passiert war.

Er sollte sich wieder mal nicht getäuscht haben.

»Joe Ugalla ist ermordet worden«, sagte Moshi wütend und knapp zugleich. »Es hat ihn in seinem Krankenbett erwischt. Der Mann wurde erstochen.«

*

»Moment, Parker, lassen Sie mich raten«, sagte Rander, als Parker den Landrover angehalten hatte. Sie hatten Nairobi am späten Nachmittag verlassen und befanden sich dicht vor Tabora Lodge. Die Fahrt war bisher ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Parker hatte den Wagen angehalten, weil vom Buschhotel aus dröhnendes Singen zu hören war.

»Natürlich«, sagte Rander ein paar Sekunden später, »das Lied kenne ich. Die Sänger fragen wieder mal, warum es am Rhein so schön ist.«

»In der Tat, Sir«, bestätigte Parker, der den Motor jetzt wieder in Bewegung setzte, »es scheint sich um eine Nationalhymne der Westdeutschen zu handeln.«

»Dann ist bald das zweite Lied fällig«, ergänzte Sue Weston lächelnd. »Dieser Song von den Höhen, über die ein gewisser Wind so kalt pfeift!«

Sie parodierte Parkers Ausdrucksweise und war froh, daß sie die Fahrt hinter sich gebracht hatte. Sie hatte während der ganzen Zeit an den Mord an Ugalla und an die Tarzan-Brothers denken müssen. Ein Kriminalfall in Afrika war doch etwas anderes als ein Mordfall in den Steindschungeln einer Großstadt! Hier in den Weiten und in der Einsamkeit der Savanne kam sie sich hilflos und wie ausgeliefert vor.

Tabora Lodge hatte eine neue Reisegesellschaft erhalten. Es handelte sich um die Mitglieder einer Jagdsafari, die sehr viel Geld dafür bezahlt hatten, um aus sicherer Entfernung ein paar Stück Großwild abzuschießen.

Die Mitglieder dieser Jagdsafari – es handelte sich um etwa fünfzehn Personen – saßen im großen Aufenthaltssaal des Buschhotels und wirkten leicht angetrunken. Es handelte sich ausschließlich um Männer, die durchweg wohlbeleibt waren.

Sie wurden von den Boys im wahrsten Sinn des Wortes laufend mit harten Getränken versorgt und übertrafen sich gegenseitig in der Schilderung ihrer verwegenen Jagdabenteuer. Falls sie nicht gerade sangen und sich fragten, was es wohl zu bedeuten habe, daß sie im Moment so traurig seien.

Rander, Parker und Sue Weston verzichteten darauf, sich in dieser feuchten Runde sehen zu lassen. Als sie hinüber zu ihren Rundhäusern gehen wollten, kam ihnen Joan Christie entgegen.

»Ich soll Grüße von Mister Maudling ausrichten«, sagte sie, »er läßt sich entschuldigen. Er mußte dringend wegfliegen. Nach National Lodge, ein neues Buschhotel bei Kisumu.«

»Darf man erfahren, wo das hegt?« erkundigte sich Rander.

»Am östlichen Zipfel des Victoria-Sees«, antwortete Joan Christie.

»Und wann, wenn ich jetzt eine Frage stellen darf, begab sich Mister Maudling auf den Weg?« stellte Parker seine angekündigte Frage.

»Er flog etwa eine Stunde nach Ihrer Abfahrt los«, lautete Joans Antwort. »Mister Maudling hofft, in zwei Tagen wieder zurück zu sein.«

»Und er hat plötzlich keine Angst mehr, daß man ihn ermorden könnte?« wunderte sich Rander.

»Ich habe zumindest keine Angst«, gestand Joan Christie, »und Mister Maudling bestimmt auch … Aber es war derart dringend, daß er auf Sie nicht warten konnte.«

»Er flog nach Kisumu?« erkundigte sich Parker sicherheitshalber noch mal.

»Mit seiner Privatmaschine«, bestätigte Joan Christie, »er ließ sie von Nairobi kommen.«

»Darf man sich nach den Herren Patterson und Ron Maudling erkundigen?« Parker sah Joan aufmerksam und höflich an.

»Sind längst wieder weg«, sagte Joan Christie, »und ich bin froh darüber.«

»Warum?« wollte Rander wissen.

»Ich … Ich habe Angst vor Ron«, sagte Jean, »er ist so ganz anders geworden, seitdem er sich mit Patterson zusammengetan hat. Ich glaube, Patterson übt einen schlechten Einfluß auf Ron aus!«

»Sie kennen Patterson, Miß Christie?« erkundigte sich Mike Rander.

»Ich weiß, was man von ihm redet«, gab sie ausweichend zurück, »und das genügt mir vollkommen. Fragen Sie ihn selbst, was er in den vergangenen Jahren getan hat! Ich möchte mir nicht den Mund verbrennen.«

Sie nickte Rander, Parker und Sue Weston zu und ging hinüber zum Steinhaus.

»Ob er wirklich weggeflogen ist?« fragte Rander nachdenklich.

»Diese Fragestellung, Sir, halte ich für ungemein wichtig und richtig«, sagte Parker gemessen, »dieser Frage an sich sollte man einige Aufmerksamkeit schenken, wenn ich mir diesen bescheidenen Vorschlag erlauben darf.«

*

Die Jagdgesellschaft war ruhig geworden, nachdem sie ausgiebig gewisse landschaftliche Schönheiten ihrer Heimat ausgiebig besungen hatte.

Parker hatte sein kleines Rundhaus verlassen und lustwandelte durch die Dunkelheit. Sein Interesse galt dem Steinhaus, in dem sich die Räume von Paul Maudling und Joan Christie befanden. Parker wollte sich ein wenig um die junge Dame kümmern. Natürlich aus seiner gewohnten Distanz heraus. Er wollte endlich herausfinden, welche Rolle sie spielte.

Unten vom kleinen See her waren die Nachttiere zu hören. Ansonsten schien alles seine Ordnung zu haben, bis Parker plötzlich eine leise, krächzende Stimme hörte.

Sie kam aus dem Zimmer, in dem Joan Christie wohnte. Entweder hatte sie Besuch, hörte Radio oder unterhielt sich per Sprechfunk.

Parker pirschte sich ans Fenster heran und lauschte. Er hatte keine Gewissensbisse. Immerhin waren er und Mike Rander ja nach Kenia gebeten worden, um einen Mord zu verhindern.

Durch einen Spalt im Vorhang konnte der Butler erfreulicherweise sogar ins Zimmer sehen. Es handelte sich um einen mittelgroßen Wohnraum, der mit den üblichen Hotelmöbeln eingerichtet war.

Vor einem Wandtisch saß Joan Christie. Sie trug einen leichten Bademantel, hatte nackte Füße und sprach gerade in ein kleines Handmikrofon, das zu einem tragbaren Funksprechgerät modernster Bauart gehörte.

Was sie allerdings sagte, konnte der Butler leider nicht so recht verstehen.

Was verständlich war, denn ein ungemein harter Schlag trieb ihm die Melone über die Ohren und machte ihn für einige Zeit unfähig, sich an dem weiteren Geschehen zu beteiligen.

*

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schreckte Anwalt Mike Rander aus dem Schlaf hoch.

Er war sofort hellwach, verzichtete aber instinktsicher darauf, das Licht einzuschalten. Er atmete unbefangen weiter, als schlafe er tief und fest, und versuchte in der Dunkelheit seines Rundbungalows etwas zu erkennen und ausfindig zu machen.

Nach einigen Sekunden war er sich klar darüber, daß er sich getäuscht hatte. Im Zimmer bewegte sich nichts. Ein Alpdruck schien ihn aus dem Schlaf gerissen zu haben.

Rander wollte sich auf die andere Seite drehen und versuchen weiterzuschlafen, als er plötzlich aus nächster Nähe ein feines Zischen hörte.

Und dieses Geräusch war es, das sein Blut zu Eis werden ließ.

Eine Schlange!

Rander hielt nun doch unwillkürlich den Atem an. Vor Reptilien grauste ihm. Darin machte er gegenüber dem normalen Durchschnitt keine Ausnahme.

Eine Schlange!

Wo war sie? Und wie war sie in den Rundbungalow hineingeraten? Daß es sich nur um eine Giftschlange handelte, war ihm vollkommen klar.

Wenn er nur etwas hätte sehen können.

Der Anwalt wagte sich nicht zu rühren. Die Schlange mußte sich ganz in seiner Nähe befinden. Wahrscheinlich nahm sie bereits Maß, um ihre Giftzähne in seinen Körper unterzubringen.

Das gefrorene Blut in seinen Adern verwandelte sich inzwischen blitzschnell in flüssiges, heißes Blei. Rander schwitzte Blut und Wasser, wie es so treffend heißt. Er dachte an einschlägige Abenteuerfilme, in denen der Held mit solchen Situationen leicht fertig wird. Er bedauerte nur, daß er weder die Kraft noch den Mut hatte, es diesen Filmhelden gleichzutun. Er wagte nicht sich zu rühren. Er atmete so flach und vorsichtig wie möglich und spürte dann auf seinen Oberschenkeln einen leichten Druck.

Dieser Druck verschob sich in Richtung Unterbauch. Die Belastung war durch die leichte Zudecke jetzt deutlich zu spüren. Das mußte die Giftschlange sein, die jetzt langsam hochkroch und sich wahrscheinlich an seinem warmen Atem orientierte.

Rander sehnte sich nach seinem Butler. Er versuchte sich auszurechnen, wie Parker wohl mit dieser Schlange fertig werden würde. Wo blieb Parker nur?

Das Gewicht auf der leichten Zudecke wanderte weiter nach oben und hatte bereits Randers Bauchnabel erreicht. Es konnte nur noch eine Frage von Sekunden sein, bis das Reptil zuschnappte.

*

Als Parker wieder zu sich kam, fühlte er sich nicht besonders wohl.

Was einmal mit dem Schlamm zusammenhing, in dem er lag. Zum anderen paßte es ihm überhaupt nicht, daß man ihn an Händen und Füßen gefesselt hatte. Er hielt das für einen eklatanten Verstoß gegen die guten Sitten, hatte im Moment aber keine Möglichkeit, dagegen etwas zu tun.

Parker versuchte herauszubekommen, wohin man ihn gebracht hatte. Er erinnerte sich des gekonnten Niederschlags, als er Joan Christie beobachten wollte. Und nun lag er in einem feuchten, zähen Schlamm, der offensichtlich zu einem Flußufer oder zu einem See gehörte.

See, das war das Stichwort.

Man schien ihn hinunter ans Wasser befördert zu haben. Wollte man ihn den Nachttieren als schmackhafte Beute anbieten? Parker dachte in diesem Zusammenhang noch nicht mal an die großen Raubkatzen, sondern an zahnbewehrte Krokodile.

Worin er sich nicht getäuscht haben sollte, wie er schnell herausfand.

Ganz in seiner Nähe hörte er das schwerfällige Patschen von kurzen Füßen, dann ein Gebrüll, das er bisher nur aus den Zoos kannte: Krokodile vor und während der Fütterung!

Parker hatte keineswegs die Absicht, einer Panzerechse als Appetithappen zu dienen. Es wurde höchste Zeit, daß er etwas dagegen unternahm.

Der Mond war aufgegangen und lieferte ausreichend Licht, um jetzt die nähere Umgebung zu identifizieren. Der Butler hatte sich nicht getäuscht. Er lag hart am Rand einer Wasserfläche, die sich kaum bewegte. Es mußte sich also um einen See handeln. Um ihn herum gab es mannshohes Schilf.

Im Wasser trieben einige Baumstämme langsam heran. Doch Parker wußte es besser. Es handelte sich nicht um Treibholz, sondern da näherten sich die ersten Krokodile, um die überraschende Zwischen- und Hauptmahlzeit aus der Nähe zu beäugen.

Gerade in dieser Situation zeigte sich wieder mal die Klasse und die Kaltblütigkeit des Butlers.

Er geriet keineswegs in Panik, sondern handelte überlegt. Was wohl auch mit den Hilfsmitteln zusammenhing, über die er ja stets verfügte.

Da man ihm die Hände auf dem Rücken verschnürt hatte, brauchte er nicht lange zu überlegen. Immerhin verfügte er ja über Schuhe mit Absätzen, die nach seinem persönlichen Patent hergestellt worden waren.

Diese Absätze wiesen Schoneisen an den Kanten auf, die aus hochwertigem Spezialstahl bestanden, der seinerseits mit Sägezähnen versehen war. Daran scheuerte der Butler die Handfesseln auf, was ungewöhnlich schnell gelang. Innerhalb von dreißig Sekunden konnte er seine Hände frei bewegen.

Dazu wurde es allerdings auch höchste Zeit, denn die treibenden Baumstämme entpuppten sich tatsächlich als Krokodile, die jetzt langsam aus dem seichten Wasser stiegen und Kurs auf den Butler nahmen.

Parker handelte augenblicklich, als er die erste Panzerechse auf sich zukommen sah.

Er riß einen seiner Patent-Kugelschreiber aus der Westentasche und warf ihn in den gierig und drohend geöffneten Rachen.

Die Panzereckse glaubte an eine kleine genußvolle Vorspeise und schnappte fast automatisch zu. Der Kugelschreiber wurde augenblicklich von den Zahnreihen zerfetzt.

Doch das hätte das Krokodil besser nicht getan.

Der Kugelschreiber war nichts anderes als eine Art Rauchbombe mit Tränengaszusatz.

Die Wirkung war unglaublich.

Das Krokodil verwandelte sich augenblicklich in einen waagerecht liegenden Schornstein und dampfte wie unter Hochlast. Aus dem schreckhaft geöffneten Rachen quollen dichte Rauchwolken. Aus den beiden Nasenlöchern kringelte sich der Rauch. Dann hustete das Krokodil ausgiebig und vergoß die ersten Krokodilstränen.

Die Panzerechse war völlig irritiert.

Sie warf sich herum und wollte schleunigst zurück ins Wasser, um den inneren Brand zu ersticken. Doch da gab es andere Krokodile, die es daran hinderten und ihm den Weg versperrten. Die Panzerechse geriet in Panik und schlug mit ihrem Schwanz kraftvoll um sich.

Dadurch kam es zu gewissen Mißverständnissen. Die unbeteiligten Tiere fühlten sich angegriffen, entwickelten sofort Futterneid und hieben ihre Zähne in den Rückenpanzer des Flüchtlings, der sich dies natürlich nicht gefallen lassen wollte und konnte.

Das dampfende Reptil biß wütend zurück, worüber die ganze Gruppe den Butler erst mal vergaß.

Parker löste sich schleunigst die Fußfesseln und erhob sich. Dann schaute er aus sicherer Entfernung dem Kampf der Echsen zu, die verbissen miteinander rangen. Dazu wurden fast urweltliche Geräusche geliefert, die selbst den Butler beeindruckten. Das heisere Brüllen mußte in der Nacht meilenweit zu hören sein.

Wogegen Parker nichts einzuwenden hatte. Dieses Konzert der Panzerechsen lieferte schließlich die Musik zu seinem vermeintlichen Tod. Er ging nämlich von der Voraussetzung aus, daß seine Gegner sich irgendwo in der Nähe aufhielten. Sie wollten sicher später nachsehen, ob die Krokodile auch ihre Erwartungen voll und ganz erfüllt hatten.

Daraus ließ sich Kapital schlagen, fand Parker. Er traf seine speziellen Vorbereitungen und wechselte hinüber in den Schilfgürtel.

Die Panzerechsen waren inzwischen etwas ruhiger geworden. Das rauchende und immer noch aus allen Fugen qualmende Krokodil hatte sich abgesetzt und zog von dannen. Da es nach wie vor aus dem Rachen und aus den Nüstern Dampfwolken abließ, erinnerte es irgendwie an einen Einbaum mit Außenbordmotor.

*

Mike Randers Nerven wurden plötzlich ungemein rege.

Der Druck auf der Zudecke war noch weiter nach oben gewandert. In diesem Moment reagierte der Anwalt automatisch. Er fetzte die Zudecke samt Gewicht hinunter auf den Boden und sprang hoch, als sei er von einer Tarantel gestochen worden.

Auf dem Boden war ein wütendes Zischen zu hören. Die Schlange fühlte sich um ihr Opfer betrogen und reagierte ausgesprochen sauer.

Rander schaltete das Licht ein und sah sie.

Es handelte sich um eine mittelgroße schwarze Mamba, wie er glaubte. Um eine Schlange also, deren Giftigkeit nur noch mit der Kobra zu vergleichen ist, wie Fachleute sagen.

Diese schwarze Mamba hatte sich stoßbereit aufgerichtet und wartete auf ihren Gegner. Vor allem darauf, daß Rander seine nackten Füße auf den Boden stellte.

Diesen Gefallen konnte Rander ihr aber aus verständlichen Gründen nicht erweisen. Er handelte egoistisch und blieb im Bett stehen. Dann langte er nach dem schweren Aschenbecher auf dem Nachttisch und schmetterte ihn in Richtung Mamba.

Der Anwalt traf gut.

Die Mamba wurde am Unterkiefer getroffen und ging erst mal groggy zu Boden. Rander nutzte ihre begreifliche Verwirrung aus, warf ihr ein Kissen an den Kopf und hechtete sich dann aus dem Bett hinter das Kissen. Er langte nach einem Hocker und hämmerte damit wie ein überbeschäftigter Hufschmied auf das Kopfkissen. Rander arbeitete wie im Akkord, er drosch selbst dann noch auf das Kopfkissen, als sich darunter nichts mehr rührte.

Dann hob er vorsichtig das Kopfkissen an und stellte zufrieden fest, daß sich seine Schwerstarbeit gelohnt hatte. Die Mamba war keine Mamba mehr, sondern erinnerte an einen Autoschlauch ohne jede Luft.

Rander wischte sich den Schweiß von der Stirn und überlegte. Ihm war klargeworden, daß man die schwarze Mamba absichtlich in seinen Rundbungalow befördert hatte. Tod durch Unfall, das deckte sich mit der Aussage, die der ermordete Joe Ugalla gemacht hatte.

Aber wer hatte die Giftschlange aktiviert und ihm in den Rundbungalow hineinpraktiziert?

Rander hörte Schritte und reagierte augenblicklich.

Er ließ sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen und richtete es so ein, daß er die Tür im Auge behielt. Dann spielte er das Mamba-Opfer, das keine Chance mehr hatte.

*

Auch Josuah Parker hörte Schritte, die sich zögernd und leise der Schlammpfütze näherten.

Parker konnte diese Schlammpfütze von seinem Versteck im Schilf aus sehr gut beobachten. Er sah auch seine schwarze Melone, die er am Ufer im zerwühlten Schlamm zurückgelassen hatte, quasi als Beweis dafür, daß der gesamte übrige Rest seiner Existenz von den Krokodilen bereits verdaut wurde.

Die Schritte kamen näher und wurden lauter.

Plötzlich registrierte Parker den Mann, der sich für seine Melone so ausgiebig interessierte. Er sah ihn ganz deutlich und konnte das Gesicht in allen Einzelheiten ausmachen.

Dieser Mann war Ron Maudling, der Sohn des Hotelkönigs.

Ron hatte die schwarze Melone bereits in der Hand und drehte sie nachdenklich. Dann sah er auf das Wasser hinaus und wandte sich ab.

»Les«, rief er leise, »komm doch mal her!«

»Wir müssen verschwinden«, antwortete die Stimme von Les aus der Dunkelheit heraus, »ich höre einen Wagen. Los, komm schon, Junge!«

Ron Maudling warf die Melone zurück in die Schlammpfütze und verschwand wieder in der Dunkelheit, dabei einen sehr nachdenklichen Butler zurücklassend.

Natürlich hätte Josuah Parker eingreifen können. Es wäre ihm leichtgefallen, Ron Maudling zu stoppen. Aus bestimmten Gründen aber verzichtete er darauf. Jetzt wollte er nämlich noch herausbekommen, welches Fahrzeug sich näherte und wer in diesem Wagen saß.

Parkers Neugier kannte keine Grenzen, wie man aus Erfahrung weiß.

*

Joan Christie blieb in der geöffneten Tür stehen, sah sofort die Mamba auf dem Boden und schrie leicht auf. Dann lief sie zu Mike Rander hinüber und beugte sich zu ihm hinab.

»Mister Rander! Mister Rander!« sagte sie beschwörend, »Mister Rander, was ist denn? Antworten Sie doch!«

Rander reagierte nicht.

Er starrte Joan Christie aus weit geöffneten, starren Augen an. Er wollte ihr suggerieren, daß er bereits das Zeitliche gesegnet hatte.

Was sich auszahlte, wie schnell zu erkennen war.

Joan Christie verlor nicht viel Zeit damit, Rander weiter zu untersuchen.

Sie ging zur Tür, zog sie hinter sich zu und lief dann – über die Reste der Mamba und das Kopfkissen springend – hinüber zum Nachttisch, wo auf einem Kofferständer das Gepäck des Anwalts lag.

Sie öffnete die Reisetasche, wandte sich dann etwas planlos ab und kümmerte sich um Randers Jackett, das über einem Bügel am Kleiderspind hing.

Sie zog die Brieftasche hervor und ging deren Inhalt mit flinken Fingern durch.

»Kann ich Ihnen helfen?« machte Rander sich in diesem Moment bemerkbar.

Joan Christie fuhr entsetzt herum und starrte den Anwalt an, der sich gerade lässig erhob und den Staub von der Hose seines Schlafanzugs klopfte.

»Sie … Sie leben?« fragte sie völlig unnötigerweise.

»Hoffentlich stört Sie das nicht«, wurde Rander ironisch.

»Si … Sie glauben doch wohl nicht, daß ich …«

»Was, zum Beispiel?«

»Daß ich stehlen wollte«, sagte sie leise und schaute ihn immer noch ungläubig an.

»Aber nein!« Rander entrüstete sich mit ironischem Unterton. »Ihnen, Miß Christie, traue ich ganz andere Dinge zu!« Während Rander noch redete, deutete er auf die Reste der Mamba.

»Die Mamba … ich weiß … Sie nehmen doch nicht an, ich hätte die Schlange …« Sie redete nicht weiter und schien es überhaupt nicht zu fassen, daß man ihr so etwas zutraute.

»Aber nein«, wiederholte Rander lächelnd, »die Mamba kam regulär hier herein. Nachdem sie die Türklinke herunter gedrückt hatte!«

Joans Gesicht färbte sich rot vor Empörung. Sie warf die Brieftasche aufs Bett, dann den Kopf in den Nacken und rauschte an Rander vorbei zur Tür.

»Moment mal«, sagte der Anwalt und versperrte ihr an der Tür den Weg, »was wollten Sie denn hier? Irgendwelche Neuigkeiten?«

»Ja«, sagte sie wütend, »darum bin ich gekommen. Ob Sie das nun glauben oder nicht … Miß Weston ist verschwunden! Die Boys sind sicher, daß sie entführt worden ist. Hoffentlich nehmen Sie mir wenigstens das ab!«

*

Der Wagen war im Mondlicht deutlich zu sehen.

Er wurde etwa hundertfünfzig Meter vor dem Seeufer angehalten, die Scheinwerfer wurden auf Standlicht umgeschaltet. Dann stieg eine Gestalt aus dem Wagen und kam langsam auf das Ufer zu. Diese Person trug offensichtlich ein schußbereites Gewehr in der Hand. Als das Mondlicht sich im Stahl des Laufes spiegelte, war Parker sich seiner Sache vollkommen sicher.

Der Mann mit dem Gewehr lud durch und pirschte sich immer vorsichtiger an die Wasserstelle heran. Hinter ihm erschien jetzt eine zweite Gestalt, die ebenfalls aus dem Wagen gestiegen war. Wortlos schloß dieser zweite Mann zu seinem Vordermann auf, um dann ebenfalls durchzuladen.

Sie erreichten das Uferstück und schalteten sehr starke Lampen ein, die sich über ihrer Stirn befanden. Diese Lampen wiederum waren an Stirnreifen befestigt, die um den Kopf lagen. Eine Methode von Krokodiljägern, um beide Hände frei zum Schuß zu haben. Wenn sich das Grün der angestrahlten Krokodilsaugen im Wasser zeigte.

Waren es vielleicht die Tarzan-Brothers, die sich profihaft ausgerüstet hatten?

Parker nahm seine Gabelschleuder aus der Brusttasche seines schwarzen Zweireihers und setzte sie geschickt und schnell zusammen.

Dann schickte er nacheinander und gekonnt zwei seiner Spezialgeschosse auf die Luftreise, worauf die beiden Jagdprofis prompt zu Boden gingen und die Schlammpfütze ausfüllten.

*

Mike Rander rannte im Schlafanzug hinter Joan Christie her und stürzte sich förmlich in den Rundbungalow, in dem Sue Weston wohnte.

Er sah sofort, daß hier ein Kampf stattgefunden hatte. Das Kleinmobiliar war umgestürzt, das Bett schien gerade einen mittelprächtigen Wirbelsturm hinter sich gebracht zu haben.

»Wann haben die Boys die Entführung gemeldet?« fragte Rander und drehte sich zu Joan Christie um.

»Knapp drei bis vier Minuten, bevor ich zu Ihnen kam. Und noch etwas, ich bin sofort bei Ihnen eingetreten, weil ich so seltsame Geräusche in Ihrem Bungalow hörte.«

Rander hätte jetzt am liebsten nachgefragt, warum sie sich für sein Gepäck und für seine Brieftasche interessiert hatte, aber er unterließ diese Frage.

»Kann ich einen Wagen haben?« fragte er hastig.

»Natürlich. Aber wollen Sie jetzt in der Dunkelheit die Verfolgung aufnehmen? Das ist ausgeschlossen! Sie würden nicht weit kommen.«

Rander überlegte einen Moment und dachte endlich an seinen Butler. Er rannte an Joan Christie vorbei und jagte auf Parkers Rundhütte zu.

Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er von den beiden Scheinwerfern eines Wagens geblendet wurde, der knapp neben ihm hielt.

»Zu Diensten, Sir«, meldete sich Parker, der aus dem Wagen stieg.

»Wo … Wo kommen denn Sie her?« wunderte sich Rander und betrachtete sich die schlammverkrustete Kleidung des Butlers.

»Von einem nächtlichen Ausflug, Sir, den ich als vollkommen unfreiwillig bezeichnen möchte«, gab der Butler gemessen zurück, »wenn Sie erlauben, werde ich mich jetzt um meine beiden Fahrgäste kümmern.«

»Sue Weston ist verschwunden!« sagte Rander nervös, »wahrscheinlich ist sie entführt worden.«

»Dies, Sir, dürfte eine Entwicklung sein, die ich nun gar nicht sonderlich schätze«, erwiderte Parker, ohne seine Ruhe zu verlieren, »die Dinge scheinen ihrem Höhepunkt zuzutreiben.«

*

»Was sollen wir tun?« fragte Rander gedrückt. Er befand sich zusammen mit Parker in seinem Rundbungalow.

»Ich möchte mir den Rat erlauben, Sir, vorerst mal zu warten«, gab der Butler zurück, »wie schon Miß Christie sagte, ist in der augenblicklich herrschenden Dunkelheit nichts auszurichten. Zudem möchte ich annehmen, daß die Entführer sich früher oder später melden werden.«

»Mit welcher Absicht, Parker?«

»Um Sie und meine bescheidene Wenigkeit in eine tödliche Falle zu locken«, redete der Butler weiter, »ich darf auf die beiden Mordanschläge verweisen. Einmal die Mamba und dann die Krokodile. Diese beiden Versuche gehören zu einem Gesamtplan!«

»Warum ist man so wild hinter uns her?«

»Darf ich an die Rohdiamanten erinnern, von denen Inspektor Moshi gesprochen hat?«

»Sie glauben, man hält uns für eine Art Leibwächter von Paul Maudling.«

»In der Tat, Sir.«

»Welche Rolle spielt dann diese Joan Christie?«

»Dies, Sir, muß nun nachdrücklich festgestellt werden. Entweder ist sie loyale Mitarbeiterin unseres Gastgebers, oder aber sie steckt mit der Gegenseite unter einer Decke.«

»Bleiben noch Patterson und Ron Maudling.«

»Über die Rolle dieser beiden Herren bin ich mir leider noch nicht klar, Sir. Ich weiß auf jeden Fall, daß die beiden Safariteilnehmer, die ich an der Wasserstelle traf, harmlos sind.«

»Sind Sie sicher?«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.«

»Die genügt mir in diesem Fall nicht. Kommen Sie, gehen wir zu Miß Christie. Sie muß jetzt ihre Karten auf den Tisch legen. Hallo, zu Ihnen wollten wir gerade …«

Er stand auf und nickte Joan Christie zu, die soeben eintrat. Sie machte einen nervösen, abgespannten Eindruck.

»Irgendwelche Nachrichten?« erkundigte sich Parker höflich.

»Eine Funksprechdurchsage«, gab sie sofort zurück, »die Tarzan-Brothers haben sich gemeldet.«

»Und?« Rander konnte es vor Spannung kaum noch aushalten.

»Sie haben durchgegeben, daß sie Miß Weston entführt haben.«

»Irgendwelche Bedingungen?«

»Ja, Sir, Sie und Ihr Butler sollen sofort nach Kisumu fliegen. Man erwartet Sie dort am Flughafen. Sie sollen auf keinen Fall die Polizei verständigen, sonst würden Sie Miß Weston nicht Wiedersehen!«

»Kisumu?« Parker, der sich ebenfalls erhoben hatte, sah nachdenklich aus, »ist dort nicht Mister Maudling anzutreffen?«

Sie nickte nur.

»Haben Sie auch Nachrichten über Mister Maudling?« stellte Parker seine Frage.

»Ich … Ich habe keine Verbindung mehr mit ihm«, sagte Joan Christie leise und zögernd. Sie sah sich unwillkürlich zur Tür um, als fürchte sie, belauscht zu werden.

»Wie soll ich das verstehen?« fragte Rander ebenso leise.

»Ich versuche schon seit Stunden in Funkkontakt mit Mister Maudling zu kommen. Genau zu den vereinbarten Zeiten. Er meldet sich einfach nicht.«

»Während die Durchsage der besagten Tarzan-Brothers auf Mister Maudlings Frequenz erfolgte, nicht wahr?«

»Das ist es, was mir Sorgen macht«, gestand Joan Christie. Sie schlug plötzlich die Hände vor ihr Gesicht und schluchzte. Sie schien ehrliche Angst um Mister Maudling zu haben.

»Werden Sie fliegen?« fragte sie nach einer Weile.

»Selbstverständlich«, gab Rander zurück, »aber woher nehmen wir eine Maschine?«

»Ich rufe sofort die Charterflug an«, sagte sie, »bei Morgengrauen könnte sie von Nairobi herüberkommen und Sie aufpicken.«

»Wie lange werden wir brauchen?«

»Etwa dreieinhalb Stunden«, sagte sie, »das kommt auf die Maschine an, Mister Rander.«

*

Die Maschine machte einen guten Eindruck. Es handelte sich um eine Cessna, in der außer dem Piloten noch vier Personen Platz hatten.

Die Maschine war hereingeschwebt und kam jetzt langsam auf Rander, Parker und Joan Christie zu, die neben dem Hangar standen. Der Pilot, ein etwa vierzigjähriger Mann mit gegerbtem Gesicht und kühlen Augen – ein Weißer – stieg aus und kam auf Joan zu.

Sie kannten sich.

»Das sind Mister Rander und Mister Parker«, stellte Joan ihre Gäste vor, »das ist Mike Posters.«

»Hallo«, sagte Posters knapp, »ich tanke schnell auf, dann kann’s von mir aus losgehen.«

Während er zusammen mit einigen Boys das Auftanken besorgte, unterhielten sich Rander, Parker und Joan Christie. Rander und Parker hatten sich ein ganz bestimmtes Thema bis zu diesem Zeitpunkt aufgespart.

»Seit wann schmuggelt Maudling Rohdiamanten?« stellte Rander seine erste, gleich knallharte Frage an Joan Christie. Sie war derart überrascht, daß sie mehrmals schluckte. Dabei färbte ihr Gesicht sich leicht grau.

»Rohdiamanten?« fragte sie dann mit etwas heiserer Stimme.

»Reden wir nicht um den heißen Brei herum«, sagte Rander weiter, »Seit wann also? Und wer sind Mister Maudlings Konkurrenten in diesem Geschäft?«

»Wer hat Ihnen denn gesagt, daß Mister Maudling …«

»Wir wissen es eben!« Rander ließ sich auf nichts ein. »Also, was läuft nun wirklich?«

»Von Rohdiamanten und Schmuggel weiß ich nichts«, gab sie trotzig zurück.

»Aber Sie wissen von den Tarzan-Brothers, nicht wahr?«

Jetzt nickte sie.

»Was?« erinnerte Rander kühl.

»Das sind Mister Maudlings Gegner«, räumte sie ein, »ich kenne sie nur unter diesem Namen. Und den habe ich von Mister Maudling gehört. Warum sie Mister Maudling ermorden wollen, kann ich ebenfalls nicht sagen. Weil ich es nicht weiß.«

»Ron Maudling«, erinnerte Rander.

»Ich glaube, daß er hinter diesen Mordversuchen steckt. Zusammen mit Patterson.«

»Und warum?«

»Aus Geldgier«, sagte sie leise. »Patterson hat in England eine längere Zuchthausstrafe abgesessen. Das weiß ich genau. Ron steht, völlig unter seinem Einfluß. Sie wollen die Hotelkette an sich bringen.«

»Dann hätten wir es logischerweise ja mit zwei Mördergruppen zu tun«, stellte der Butler fest, der bisher fast gelangweilt zugehört hatte, »einmal die Tarzan-Brothers. Dann Mister Ron Maudling und Mister Les Patterson!«

»Die gehören doch zusammen«, entrüstete sich Joan Christie. »Mister Maudling sieht es ebenfalls so. Er hat mir zwar streng eingeschärft, niemals darüber zu sprechen, aber jetzt muß ich es einfach tun. Ron und Patterson sind die Tarzan-Brothers!«

»Eine interessante Hypothese«, sagte Parker nur.

»Und was ist mit Hagerty und Brooks?« wollte Rander zusätzlich wissen.

»Auch die arbeiten wahrscheinlich mit Ron zusammen.«

»Die Hypothese wird immer interessanter. Die Fronten scheinen sich zu klären«, ließ Parker sich gemessen vernehmen. »Ich darf also unterstellen, daß Mister Maudling die Zusammenhänge genau zu kennen scheint. Warum wandte er sich nie an die Polizei?«

»Diese Schwarzen!« sagte Joan verächtlich.

»Diese Schwarzen machen auf meine bescheidene Person einen vorzüglichen Eindruck«, sagte Parker verweisend, »ich denke in diesem Zusammenhang an Inspektor Moshi. Würden Sie ihn bitte umgehend informieren, daß Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit auf dem Weg nach Kisumu sind?«

»Natürlich«, sagte Joan und nickte.

»Wir können!« rief in diesem Moment Mike Posters von der Cessna herüber.

»Ich wünsche einen guten Flug«, verabschiedete sich Joan Christie von Rander und Parker, »und bitte, tun Sie alles, um Mister Maudling zu finden. Ich glaube, daß er bereits von den Tarzan-Brothers erwischt wurde.«

»Wollen Sie nicht mitkommen?« erkundigte sich Rander freundlich.

»Auf keinen Fall«, gab sie erschreckt zurück, »ich werde im Hotel gebraucht, sonst geht da alles drunter und drüber.«

»Irgendwelche Bedenken, in die Maschine zu steigen?« erkundigte sich Rander zu seinem Butler, als sie auf die Cessna zugingen.

»Auf keinen Fall, Sir, falls der Pilot keinen Fallschirm bei sich hat.«

*

Parker paßte sehr genau auf und fand schnell heraus, daß der Pilot tatsächlich über einen Fallschirm verfügte, der diskret auf seinem Pilotensitz lag. Als der Pilot sich anschnallte, übrigens wie seine Fluggäste, betätigte er auch die Gurte dieses Fallschirms. Er besorgte das mit einer Diskretion, die schon allein Argwohn hätte erregen müssen.

Parker tat so, als habe er nichts bemerkt. Rander, der hinter dem Piloten und Parker saß, hatte dieses Detail überhaupt nicht mitbekommen. Wahrscheinlich war er ahnungslos, wie Parker sicherheitshalber unterstellte.

Parker genoß den Start, da er das Fliegen durchaus schätzte. Als die Cessna in der Luft war, ihre Orientierungskurve geflogen hatte und dann auf Kurs ging, holte der Butler sein abgegriffen aussehendes Zigarrenetui hervor und präparierte eine der schwarzen Zigarren zum Brand. Dazu benutzte er eine kleine Schere, die sich im Etui befand. Es handelte sich um eine ungemein scharfe Schere, wie sich später heraussteilen sollte.

Der Flug über die Savanne war ein Erlebnis. Aufgescheucht vom Propellerlärm der Maschine und dem Schatten stoben Wildtiere aller Gattungen auf und flüchteten. Rander sah Elefanten, Giraffen, unübersehbare Herden von Antilopen und Gnus, Nashörner und sogar auch einige Löwenfamilien die träge verdauten. Später zog Mike Posters die Maschine höher und höher.

Worauf plötzlich der Motor zu husten und zu spucken begann. Er schien unter Schluckbeschwerden zu leiden.

»Muß man unterstellen, daß der Motor einen mehr oder weniger geringfügigen Schaden hat?« erkundigte sich Parker bei Posters.

»Keine Ahnung«, sagte der Pilot und ließ seine linke Hand über die Armaturenknöpfe- und -hebel spielen, »irgendwas mit dem Vergaser, schätze ich.«

»Sollte man dann nicht besser andrücken und hinuntergehen!«

»Ich werde schon hinkommen«, sagte Posters beruhigend, »kennen Sie sich in der Fliegerei aus?«

»Ich muß leider bedauern«, schwindelte Parker, der eine Maschine wie die Cessna durchaus zu fliegen verstand.

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als der Motor nach einem kräftigen Husten plötzlich seinen Geist aufgab. Schlagartig wurde es still. Nur das Pfeifen in den Verstrebungen war jetzt noch zu hören.

»Verdammt!« sagte Posters und sah seitlich hinaus.

»Für eine Notlandung scheint das Gelände nicht sonderlich geeignet zu sein«, stellte Parker fest, der ebenfalls nach unten schaute. Er hatte damit keineswegs übertrieben. Sie befanden sich über einem weitläufigen Höhenzug, der einen sehr zerklüfteten Eindruck machte. Bei einer eventuellen Notlandung würde die Cessna mit Sicherheit restlos zerschellen.

Parker lächelte, als Mike Posters nach dem Türgriff fingerte. So etwas hatte er sich fast schon gedacht. Und nicht umsonst hatte er sich eine Zigarre angezündet, die zwar schrecklich stank, um es einmal deutlich zu sagen, sich jetzt aber als segensreich erwies.

»Falls sie aussteigen wollen, Mister Posters«, sagte Parker, sich an den Piloten wendend, »falls Sie dies beabsichtigen, möchte ich Sie höflich darauf aufmerksam machen, daß ich die Gurte Ihres Fallschirms bedauerlicherweise durchtrennt habe. Sie würden also, um es ganz deutlich zu sagen, ohne Fallschirm nach unten schweben, was sich als peinlich heraussteilen wird!«

»Sie … Sie haben …!?« Posters redete nicht aus, sondern griff hastig nach den Gurten seines Fallschirms.

Er hielt sie nach wenigen Sekunden durchtrennt und damit los in Händen.

»Es kann nur beim Präparieren meiner Zigarre passiert sein«, entschuldigte sich Parker gemessen, »für den entstandenen Schaden werde ich selbstverständlich aufkommen, falls Sie das beruhigt.«

Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis der Motor wieder sauber und rund lief. Er schien Parkers Warnung begriffen zu haben und wollte seinem Piloten auf keinen Fall schaden.

Der Rest des Flugs verlief in voller Harmonie.

Die Maschine lag ruhig in der Luft, der Motor lief rund und munter, und man konnte dank Parkers Unachtsamkeit oder Vorsorge – ganz wie man will – sich den Schönheiten Kenias widmen.

Bis Parker erneut eine bedauerliche Unachtsamkeit unterlief. Er stach mit der Spitze seiner Krawattennadel in die Hüfte des Piloten, dem daraufhin augenblicklich schlecht wurde, so schlecht, daß er nach wenigen Sekunden sein Bewußtsein verlor.

»Was ist denn jetzt schon wieder?« erkundigte sich Rander leicht nervös.

»Die Einleitung einer Zwischenlandung, Sir«, gab der Butler zurück und übernahm die Maschine, »wenn Sie gestatten, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt die erforderlichen Erklärungen liefern.«

»Einverstanden«, sagte Rander, »Hauptsache, Sie bringen die Kiste heil zu Boden!«

*

Die Cessna brannte, und eine schwarze Rauchwolke schoß zum Himmel hoch. Die Maschine war nicht mehr zu retten, sie hatte sich auf den Kopf gestellt und wurde von den prasselnden Flammen jetzt völlig eingehüllt.

Einige Eingeborene, die etwa einen Kilometer entfernt auf einem Feld arbeiteten, fuhren zusammen, als das Benzin samt Tanks detonierte und somit einige Kanonenschläge lieferte, die die Trommelfelle malträtierten.

Die Schwarzen warfen ihr Arbeitsgerät weg und rannten zur Unglücksstelle, die hinter den Ausläufern eines dschungelartigen Buschgürtels lag. Sie orientierten sich anhand der schwarzen Rauchsäule, die immer schneller zum Himmel emporwuchs.

Als sie die Unglücksstelle erreicht hatten, erkannten sie sofort, daß hier nicht mehr zu helfen war. Sie berieten ausgiebig miteinander und entschlossen sich dann, hinüber nach National Lodge zu laufen, um dort Alarm zu schlagen.

*

»Laß die Finger von ihr«, sagte Hagerty gereizt zu seinem Freund Brooks.

Hagerty, etwa vierzig Jahre alt, mittelgroß, hager, mit einem ausgeprägten Fuchsgesicht, sah Brooks warnend an. Brooks, der ewig schwitzende Hotelier aus Nairobi, verzog sein Gesicht und ließ sich müde in seinen Safaristuhl plumpsen. Im Grund hatte er nichts dagegen, zur Untätigkeit verurteilt zu sein. Hier, hart am Rande des Victoria-Sees, herrschten Temperaturen, die er schon seit langem nicht mehr erlebt hatte.

Auch Sue Weston hatte nichts dagegen, in Ruhe gelassen zu werden. Sie lag auf dem einfachen Bett und schloß wieder die Augen. Man hatte sie an Händen und Füßen gefesselt.

Wer Hagerty und Brooks waren, wußte sie inzwischen. Sie hatte es mit den Tarzan-Brothers zu tun, wie die beiden Männer sich nannten. Nun, an den Tarzan aus den einschlägigen Filmen und Fernsehserien erinnerten Hagerty und Brooks sicher nicht. In keinem Fall aber stimmte ihre Psyche mit der des Filmtarzan überein: Hagerty und Brooks waren gerissene, kalte Gangster, die schnell und risikolos an Geld kommen wollten.

Sue Weston wußte überdies, warum man sie aus Tabora Lodge entführt hatte. Sie war das Lockmittel, um Rander und Parker in eine tödliche Falle zu bringen. Sue wußte, daß Rander und Parker bereits auf dem Weg hierher waren. Sie konnte nur hoffen, daß vielleicht Parker früh genug herausfand, was ihn und Rander erwartete.

Man hatte Sue mit einer Maschine hierher nach National-Logde gebracht, einem Buschhotel in der Nähe von Kisumu, direkt am Victoria-See. Man hatte sie neutral behandelt und jetzt in einem der Baum-Bungalows untergebracht. Es handelte sich um kleine, aber solide Hütten, die sich im Geäst riesiger Bäume befanden. Sie waren nur über treppenartige, bequeme Leitern zu erreichen. Von diesen Baum-Bungalows aus konnte man direkt auf die Tiere hinuntersehen, die sich allabendlich zur Tränke am See begaben. Darunter waren Krokodile und Flußpferde, und auch das Suhlen der schweren Kaffernbüffel im Schlamm fiel auf.

Sue hätte allerdings nicht viel registriert. Gleich nach ihrer Anlieferung durch einen weißen Piloten war sie von Hagerty und Brooks in Empfang genommen worden. Man hatte sie hinauf in eine der bequemen Baumhütten gebracht und auf dem Bett festgebunden.

Aus hingeworfenen Bemerkungen hatte Sue Weston weiterhin in Erfahrung bringen können, daß in National-Lodge auch der Hotekönig Paul Maudling festgehalten wurde. Er sollte zusammen mit ihr, Rander und Parker später bei einem Bootsunfall auf dem See umkommen. So wenigstens schienen Hagerty und Brooks das geplant zu haben. Die letzte Entscheidung hatte allerdings eine Gestalt, die von Brooks und Hagerty als Chef genannt wurde. Wer dieser geheimnisvolle Chef war, wußte Sue nicht.

Sie schrak hoch, als unten am Fuß der Treppenleiter plötzlich laute Rufe zu hören waren.

Hagerty und Brooks fuhren hoch und liefen dann schnell durch die Tür hinaus auf die äußere Plattform. Sie riefen in einheimischem Dialekt Fragen nach unten und kletterten dann sehr schnell nach.

Zum ersten Mal seit Ihrer Entführung war Sue Weston allein. Sie wußte nicht, wieviel Zeit ihr zur Verfügung stand, aber sie wollte diese Chance nutzen. Schließlich hatte sie ja von einem gewissen Butler Parker sehr viel gelernt.

*

»Warum ist dieses Rindvieh nicht in Kisumu runtergegangen?« schimpfte Hagerty und hielt sich die Hand schützend vor Augen, um die sengende Hitze abzuhalten, die das noch brennende Flugzeug ausstrahlte.

Hagerty war zusammen mit Brooks losgefahren und sah auf das Flugzeugwrack, dessen Reste in sich zusammenfielen.

»Posters kann’s uns bestimmt nicht mehr sagen«, gab Brooks achselzuckend zurück, »sollte er unterwegs nicht aussteigen?«

»Falls es geklappt hätte«, erwiderte Hagerty, »falls nicht, sollte er bis Kisumu durchfliegen. Irgendwas muß da schiefgelaufen sein!«

»Hauptsache, Rander und dieser komische Butler sind hin«, meinte Brooks zufrieden.

»Stimmt!« pflichtete Hagerty ihm bei, »aber ich hätte trotzdem gern gewußt, was da gelaufen ist.«

»Komm, sagen wir dem Chef Bescheid«, forderte Brooks seinen Partner auf, »jetzt können wir Maudling und dieses Mädchen schwimmen lassen. Ich bin froh, wenn wir’s endlich hinter uns haben!«

Sie stiegen zurück in den Jeep. Hagerty, der am Steuer saß, preschte los und fuhr zurück zum Baum-Hotel. Irgendwie fühlte er sich plötzlich sicherer. Und das hing mit einem gewissen Butler Parker zusammen, den es nun endlich erwischt hatte. Hagerty hatte Parker zwar noch nie gesehen, wenigstens nicht aus der Nähe, wenn man vom Flugplatz in Nairobi mal absah, wo er ihn aus der Entfernung hatte taxieren können. Dennoch hatte Hagerty sofort gewußt, daß dieser Mann gefährlich war.

Nun, das war vorüber. In ein paar Stunden konnte er auch Paul Maudling und diese Sue Weston ausschalten. Damit war dann endlich der Weg frei, um wieder schnell an das große Geld zu kommen.

*

Sue Weston hatte gerade ihre Hände frei und war dabei, die Fußfesseln zu lösen, als sie den Jeep hörte. Sie biß sich wütend auf die Lippen und arbeitete noch schneller. In fliegender Hast knüpfte sie die Stricke los, die ihre Beine zusammenhielten. Sie schaffte es, als unterhalb der Leiter die Stimmen von Hagerty und Brooks zu hören waren.

Sue schob sich leise aus dem Bett und sah sich nach einer geeigneten Waffe um. Sie wollte und mußte die beiden Tarzan-Brothers daran hindern, herauf in den Baum-Bungalow zu kommen. Und wenn es eben klappte, mußte sie erreichen, daß Hagerty und Brooks für eine gewisse Zeit ausgeschaltet wurden.

Sie fand an der Wand eine schwere Schöpfkelle, wie die Eingeborenen sie verwandten. Diese Schöpfkelle, ein Meisterwerk einheimischer Schnitzkunst, hing als Zierat an der Wand und ließ sich leicht lösen.

Sue baute sich vor der nur angelehnten Tür auf und wartete, bis sie mit dem Gerät zulangen konnte.

Sie brauchte ihre Geduld nicht lange zu strapazieren.

Am Beben und Zittern spürte sie, daß die Leiter benutzt wurde. Wenig später zeigte sich der Kopf von Brooks, der über der Plattform sichtbar wurde.

Das war für Sue das Zeichen zum Angriff.

Blitzschnell drückte sie die Tür des Baum-Bungalows auf, lief auf die Plattform und schlug mit der Kelle über Brooks Kopf.

Brooks gab einen erstaunt-erschreckten Kickser von sich und tauchte mit seinem Kopf weg. Dann herrschte für eine Sekunde Stille, die von einem wütenden Aufschrei unterbrochen wurde. Dieser Aufschrei wurde von dem Rütteln und Schütteln der Leiter begleitet.

Brooks hatte Glück.

Er war auf den breiten Treppenabsatz gefallen, der die beiden Leitern miteinander verband. Er rieb sich verdutzt den Schädel und faßte dann stöhnend nach seinem linken Bein.

»Verrückt geworden?« brauste Hagerty auf, der von dem herabsegelnden Brooks beinahe mitgerissen wurde.

»Dieses verdammte Biest«, schimpfte Brooks kläglich. »Sie hat mich geschlagen.«

»Hör auf mit der Whiskysauferei!« schrie Hagerty, der immer noch nicht ganz begriffen hatte.

»Sie ist frei«, schimpfte Brooks, »sie hat mich niedergeschlagen, begreif doch endlich!«

Hagerty griff sofort nach seinem 38er und entsicherte ihn. Dann stieg er katzenhaft geschmeidig nach oben. Knapp vor der oberen Plattform blieb er auf einer breiten Stufe stehen.

»Ich knall Sie ab«, warnte er gereizt, »los, Hände über die Plattform schieben. Und keine Dummheiten!«

Nichts geschah.

»Hände über die Plattform schieben«, wiederholte er seinen barschen Befehl, »ich warte nur noch ’ne Sekunde, dann drücke ich ab!«

»Hilfe! Hilfe!« hörte er sofort darauf eine erstickte Stimme, die nur dieser Frau gehören konnte. Der Hilferuf kam mit letzter Sicherheit aus dem Baum-Bungalow. Also mußte die Frau noch auf dem Bett liegen. Brooks mußte sich da etwas eingebildet haben.

Hagerty stieg schnell weiter und … handelte sich wenig später ebenfalls einen harten Schlag mit der Schöpfkelle ein. Er war auf Sue Westons Trick hereingefallen, die ihm nur etwas vorgetäuscht hatte!

Hagerty ging in die Knie und wäre um ein Haar ebenfalls nach unten gerutscht. Er konnte sich aber im letzten Moment noch festhalten, stieg ein paar Stufen abwärts und visierte dann mit seiner 38er den Rand der Plattform an.

Den Krokodilen konnte es nachher völlig gleichgültig sein, ob sie eine Tote zum Fraß vorgesetzt bekamen oder nicht.

*

Hagerty kickste überrascht auf, als er schießen wollte. Ein Blasrohrpfeil steckte plötzlich in seinem Handrücken. Der Schmerz war derart heftig, daß er die Schußwaffe sofort aus der Hand fallen ließ.

Er blieb auf der Leiter stehen und sah ungläubig auf den Blasrohrpfeil. Als Kenner des Landes wußte er, daß solche Pfeile hier in den Breitengraden nicht verwendet wurden. Sie gehörten seiner Ansicht nach an den Amazonas.

Unter sich auf der Zwischenplattform hörte er Brooks aufschreien.

Was seinen echten Grund hatte.

Brooks faßte gerade nach seiner rechten Hinterbacke und zog ebenfalls einen kleinen Blasrohrpfeil hervor, den er angewidert musterte und dann auf den Boden warf.

»Will… Will!« rief er dann nach oben, »komm runter! Hier stimmt was nicht.«

Hagerty befand sich in Zwiespalt. Sollte er aufstecken? Schön, diese Frau hatte ihm einen Pfeil in den Handrücken geschossen, aber welche Chancen hatte sie noch gegen ihn?

Hagerty preßte die Lippen zusammen und kletterte wieder nach oben. Das heißt, er begann damit, denn weit kam er nicht. Er brüllte plötzlich auf wie ein Urtier und faßte mit der rechten Hand nach seinem Gesäß.

Tief im Muskel steckte ein zweiter Pfeil, der heftig schmerzte. Entschlossen riß er ihn heraus und kletterte dann mit affenartiger Geschwindigkeit nach unten.

Brooks erwartete ihn bereits und zeigte ihm den Blasrohrpfeil.

»Kenn ich …« schnauzte Hagerty gereizt. »Los, volle Deckung! Hier stimmt doch was nicht.«

Was jetzt auf der unteren Leiter folgte, war schon grotesk.

Hagerty und Brooks lagen unter einem wahren Geschoßhagel von Tonmurmeln, die sie als solche natürlich nicht kannten. Sie spürten nur die harten und schmerzhaften Aufschläge und Treffer auf ihren diversen Körperpartien. Die beiden stöhnten und arbeiteten sich nach unten.

Brooks verzog sein Gesicht und weinte, als eine Tonmurmel seine fleischige Nase traf.

Hagerty reagierte sauer, als eine Tonmurmel in seinem Gehörgang landete.

Die Geschosse kamen mit einer Schnelligkeit, die an die eines Maschinengewehrs erinnerte. Völlig entnervt und geschlagen trabten Hagerty und Brooks anschließend über den Vorplatz zum Bootshaus, das sich am Ende eines langen Stegs befand. Aufatmend warfen sie die Tür hinter sich zu und brauchten lange Sekunden, bis sie sich von dieser Kraftanstrengung etwas erholt hatten.

*

»Ihre Treffsicherheit ist immer wieder überwältigend«, sagte Mike Rander, der neben seinem Butler auf dem Ast eines riesigen Baumes saß. Parker packte gerade seine Gabelschleuder zusammen und setzte sich die schwarze Melone zurecht. Auch er war mit seiner Arbeit durchaus zufrieden.

Parker und Rander hatten den Absturz, beziehungsweise die Bruchlandung der Cessna nur vorgetäuscht. Nach einer sicheren Landung war die Maschine von Parker in Brand gesetzt worden. Ihm war es darum gegangen, seinen und Mike Randers Tod vorzutäuschen. Zum anderen war er von der Erwartung ausgegangen, daß die Tarzan-Brothers sich dadurch in Sicherheit wiegen ließen.

Nach dem Legen des Brandes waren Rander, Parker und ihr unfreiwilliger Begleiter Posters dann in Richtung National-Lodge gezogen. Den genauen und nahen Weg dorthin hatte Parker aus der Detailkarte, die er Posters abgenommen hatte.

Nun saßen Rander und Parker also auf einem breiten, bequemen Ast und beobachteten das Bootshaus, in das Hagerty und Brooks sich zurückgezogen hatten.

Mike Posters, der Pilot, befand sich an sicherer Stelle. Er war von dem Butler gut und fest verschnürt worden und wurde im Moment nicht gebraucht.

»Nun sollten wir aber Miß Weston verständigen«, sagte Rander ungeduldig, »sie hat sich übrigens tapfer gehalten, finden Sie nicht auch?«

»In der Tat«, gab der Butler zurück, »wenn Sie erlauben, werde ich mich um Miß Weston bemühen. Darf ich Vorschlägen, Sir, daß Sie inzwischen das Bootshaus bewachen?«

»Dazu brauche ich Ihren Patent-Regenschirm«, gab Rander lächelnd zurück. Er nahm ihn aus Parkers Hand entgegen und nickte seinem Butler zu.

Was jetzt folgte, war schon recht erstaunenswert.

Parker hatte gerade eine Liane geprüft und stieß sich kraftvoll von seinem Ast ab.

Rander hielt unwillkürlich den Atem an.

Parker, an der bewußten Liane hängend, pendelte wie Tarzan höchstpersönlich durch die Luft in Richtung Plattform des Baum-Bungalows. Er befand sich dabei etwa zehn Meter über dem Erdboden.

Leider verzichtete der Butler aus Gründen der Höflichkeit darauf, den obligaten Schrei des Film-Tarzan auszustoßen, sonst wäre das Bild fast perfekt gewesen. Auf jeden Fall hatte es noch nie solch einen Tarzan-Darsteller gegeben wie Parker.

Immerhin hatte er die schwarze Melone auf dem Kopf, trug er diskret gestreifte Beinkleider und seinen schwarzen Zweireiher. Immerhin saß ein Eckkragen um seinen Hals und war der Binder korrekt geschlungen.

*

Sue Weston sah ihren Tarzan durch die Lüfte kommen und schlug vor Begeisterung in die Hände. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.

»Ich erlaube mir, einen guten Tag zu wünschen«, sagte Parker nach einer glücklichen Landung und zog höflich seine schwarze Melone, »darf ich mich nach dem Allgemeinbefinden erkundigen, Miß Weston?«

»Alles okay«, sagte sie dankbar, »Sie sind wieder mal im richtigen Moment aufgetaucht.«

»Wissen Sie zufällig, Miß Weston, ob und wo Mister Paul Maudling sich im Augenblick aufhält?«

»Er ist hier im Camp«, sagte sie, »aber wo, kann ich leider nicht sagen.«

»Dann sollte man sich die übrigen Baum-Bungalows mal aus der Nähe ansehen«, gab der Butler zurück, um dann seine linke Augenbraue aufsteigen zu lassen, was bei ihm den Ausdruck höchster Verwunderung darstellte.

Diese Verwunderung hing mit dem Geräusch eines Flugzeuges zusammen, das dicht über dem Lodge kreiste.

*

Sie fanden Paul Maudling tatsächlich in einem zweiten Baum-Bungalow.

Der Hotelkönig wirkte sehr erschöpft.

»Wasser«, bat er mit schwacher Stimme, »diese Teufel wollten mich verdursten lassen.«

»Hagerty und Brooks«, erkundigte sich Rander, während Parker für Wasser sorgte.

»Die Tarzan-Brothers«, bestätigte Maudling, »Hagerty und Brooks. Ich habe es die ganze Zeit über geahnt!«

»Uns aber nie etwas davon gesagt«, tadelte Rander. Maudling trank gierig und wischte sich dann den Mund.

»Ich hatte meine Gründe dafür«, meinte er müde, »bringen Sie mich so schnell wie möglich zurück nach Tabora-Lodge, Rander!«

»Das stellen Sie sich etwas zu einfach vor«, erwiderte der Anwalt, »ganz in der Nähe muß eine Maschine gelandet sein. Wahrscheinlich hat sie Verstärkung gebracht. Oder den Chef der Tarzan-Brothers.«

»Den es übrigens jetzt und hier zu fassen gilt«, warf der Butler gemessen ein.

»Bringen Sie mich weg!«

»Sie wollen nicht dafür sorgen, daß die Tarzan-Brothers der Polizei übergeben werden?«

»Schalten Sie sie aus! Wie, ist Ihre Sache! Ich zahle Ihnen …«

»Stop«, sagte Rander kühl, »Sie scheinen uns mit Killern zu verwechseln. Sie haben uns unter falschen Voraussetzungen hierher nach Kenia gebeten, Maudling … Wir klären Kriminalfälle auf! Und wenn es sein muß, auch gegen unsere ursprüngliche Auftraggeber.«

Maudling schwieg und senkte den Blick.

»Bleiben wir bei Ihnen, Maudling«, redete der Anwalt weiter, »nennen wir das Kind beim Namen! Sie haben uns hierher gebeten, weil Sie Ärger mit den Tarzan-Brothers hatte, die Sie umbringen wollen. Soweit, sogut! Aber Sie haben uns unterschlagen, daß Sie selbst Dreck am Stecken haben.«

»Wie, bitte ….?«

»Das Stichwort lautet: Schmuggel von Rohdiamanten«, schaltete der Butler sich kühl ein, »nach unseren bescheidenen Informationen sollen Sie nur deshalb umgebracht werden, weil Sie diesen Schmuggel an sich gerissen haben. Ihre Konkurrenten ließen sich das nicht gefallen und handelten dementsprechend.«

»Unsinn!« gab Maudling schwach zurück.

»Hagerty und Brooks sind Ihre Konkurrenten«, zählte der Butler weiter auf, »möglicherweise haben diese beiden Herren früher mal den Schmuggel aufgezogen. Möglicherweise sind sie aber auch nur dahintergekommen, daß Sie, Mister Maudling, diesen Schmuggel betreiben. Und zwar über Ihre Hotelkette. Ich kann mir vorstellen, daß die Rohdiamanten sich leicht schmuggeln ließen. Vielleicht als Küchenware oder Hoteleinrichtungsgegenstände. Die Einzelheiten interessieren in diesem Zusammenhang noch nicht besonders, um die wird Inspektor Koshi sich wohl kümmern. Kurz, um knapp zu bleiben, wie es meiner Art entspricht; zwei konkurrierende Schmugglerbanden wollen sich gegenseitig umbringen. Und da Sie im Lauf der Zeit es mit der sprichwörtlichen Angst zu tun bekamen, baten Sie Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit hierher nach Kenia …«

»Was verlangen Sie, wenn Sie das nicht an die große Glocke hängen?« fragte Maudling nervös.

»Inspektor Moshi weiß mehr, als Sie ahnen«, sagte Mike Rander lächelnd, »vertuschen können Sie nichts mehr!«

»Wem schade ich, wenn ich wirklich Diamanten schmuggle?« empörte sich jetzt Maudling.

»Das steht nicht zur Debatte«, erwiderte der Anwalt, »es geht darum, daß zwei Gruppen sich gegenseitig umbringen wollen und mit allen mörderischen Tricks arbeiten. Das ist ein Fall für die Polizei, mag sie nun schwarz- oder weißhäutig sein.«

»Ich lasse mir mein Geschäft nicht kaputtmachen!« brach es aus Maudling heraus, »hätte ich Sie doch bloß nicht kommen lassen!«

»Dann würden Sie mit Sicherheit in den Mägen einiger Krokodile landen«, mischte Sue Weston sich ein. »Welche Rolle spielt eigentlich Ihr Sohn Ron?«

»Er … Er ahnt, daß ich Diamantengeschäfte tätige«, sagte Maudling langsam und nachdenklich, »aber vielleicht weiß er viel mehr … Vielleicht ist er der Chef der Tarzan-Brothers? Ron traue ich alles zu!«

*

»Die Herren Hagerty und Brooks scheinen das suchen zu wollen, was man gemeinhin das Weite nennt«, schaltete Josuah Parker sich in diesem Moment ein und deutete mit seinem Regenschirm zur Bootshütte hinüber.

Er hatte sich nicht getäuscht.

Die Tarzan-Brothers waren gerade dabei, einen Außenborder flottzumachen, der am Ende eines Einbaums montiert war. Doch dagegen hatte Parker einiges einzuwenden. Er brauchte die beiden Männer noch.

Als Rander und Parker zum Steg laufen wollten, wurden sie von Brooks unter Beschuß genommen. Brooks hatte plötzlich ein mehrschüssiges Jagdgewehr in der Hand, konnte damit aber erfreulicherweise nicht sonderlich gut umgehen.

Dennoch mußten Rander und Parker sich schleunigst zurückziehen. Gegen einen Zufallstreffer waren auch sie nicht gefeit.

»Die hauen ab, wenn wir nicht schnell was unternehmen«, sagte Rander.

»Würden Sie die beiden Herren freundlicherweise etwas beschäftigen, Sir?«

»Natürlich. Aber was werden Sie tun, Parker?«

»Ich werde mir erlauben, Sir, eine Art improvisierten Luftangriff durchzuführen«, antwortete der Butler und verschwand seitlich im dichten Gebüsch.

Rander trat aus seiner Deckung hervor und provozierte Brooks, die nächsten Schüsse abzufeuern. Dann, nach etwa ein, zwei Minuten, sperrte Rander betroffen Mund und Nase auf.

Aus dem dichten Uferwald heraus schwang sich eine schwarzgekleidete Gestalt durch die Lüfte. Diese Gestalt hing an einer armdicken Liane und segelte majestätisch und unhörbar in Richtung Bootshaus.

Sekunden später war schon alles vorüber.

Parker, der an der Liane hing, hatte alles sehr genau vorherberechnet. Mit seinen Beinen und Füßen trat er gekonnt gegen den Außenborder, an dem Hagerty verbissen hantierte.

Boot und Motor verschwanden im Wasser, der Einbaum lief langsam voll.

Einige lauernde Krokodile in der Nähe nutzten ihre Chance.

Zwei Krokodile schnappten gierig nach dem kleinen Außenborder und bissen sich dabei selbstverständlich einige Zähne aus, was sie mit ohrenbetäubendem Gebrüll quittierten.

Zwei andere Krokodile entwickelten wesentlich mehr Instinkt und schossen auf Hagerty zu, der im Wasser herumpaddelte. Hagerty sah die drohende Gefahr und schnellte hinauf auf den Steg. Gerade noch rechtzeitig, denn der Absatz seines Stiefels blieb in den Zahnreihen eines Krokodils hängen.

Brooks, der erst jetzt merkte, was gespielt wurde, schoß wie verrückt hinter dem zurückschwingenden Parker her und … traf.

Nämlich die Liane, die sofort zerriß.

Parker fiel senkrecht nach unten, wobei seine steif-korrekte Haltung bemerkenswert war.

*

Sue Weston schrie auf.

Rander hielt den Atem an, rannte dann aber ohne Rücksicht auf Verluste zum Ufer. Er wollte sich ins Wasser stürzen und die Krokodile ablenken.

Was aber überhaupt nicht notwendig war, wie sich jetzt zeigte. Parker beherrschte wieder mal die Situation, wobei das Glück ihm selbstverständlich hilfreich zur Seite stand.

Mit den schwarzen Schuhen zuerst landete Parker auf dem Nacken einer Panzerechse, die erst mit einiger Spätzündung begriff, was man ihr antat.

Bevor sie aber wegtauchen konnte, hatte Parker sich bereits geschickt abgedrückt und federte durch die Luft hinüber auf die nächste Panzerechse.

Dieses Tier quiekte wie ein kleines Schwein, als Parkers Schuhe auf ihrer Nase landeten.

Bevor die Echse zuschnappen konnte, hatte der Butler bereits geistesgegenwärtig den nächsten Sprung getan und das rettende Ufer erreicht.

Er setzte sich die schwarze Melone zurecht, legte sich den Regenschirm korrekt über den linken Unterarm und schritt gemessen zurück zu Mike Rander.

»Wo waren Sie, Sir, und Mister Maudling stehengeblieben?« erkundigte er sich dann, »sollte man die allgemeine Unterhaltung nicht weiter vertiefen?«

»Hände hoch!« sagte in diesem Moment eine Stimme, die ihnen allen äußerst bekannt vorkam.

Maudling und unser Trio drehten sich langsam um und … sahen sich Joan Christie gegenüber, die ein Gewehr schußbereit in Händen hielt und sie alle katzenhaft anlächelte.

*

»Damit haben Sie nicht gerechnet, wie?« sagte Joan.

»Darf und muß man unterstellen, daß Sie der Chef der Tarzan-Brothers sind?« erkundigte sich Parker gemessen.

»Richtig«, bestätigte sie, »und damit haben Sie verspielt. Es wird nun doch noch zu der Bootsfahrt mit tödlichem Ausgang kommen.«

»Diese Bosheit traue ich Ihnen ohne weiteres zu«, sagte Parker höflich.

»Joan, sag, daß das nicht wahr ist«, stöhnte Paul Maudling auf.

»Und ob es wahr ist, du seniler Trottel«, fauchte sie ihn an, »darauf habe ich die ganze Zeit gewartet. Hast du wirklich geglaubt, ich hätte mich in dich verliebt? In ein altes Fossil? Ich habe nur mitgespielt, um hinter deine Tricks zu kommen. Jetzt kenne ich sie alle. Jetzt kann ich allein arbeiten!«

»Ohne die günstige Hotelkette?« erkundigte sich Parker. »Sie war und ist doch wohl das Rückgrat des Schmuggels!«

»Nach Maudlings Tod bin ich seine Alleinerbin«, sagte sie auflachend, »dafür habe ich schon gesorgt.«

»Testamentarisch?« wollte Parker wissen.

»Natürlich! Sag Ihnen, daß ich recht habe!«

»Es stimmt!« räumte Maudling gebrochen ein, »vor ein paar Tagen habe ich das Testament geändert.«

»Dann dürften die zuständigen Behörden mißtrauisch werden«, warnte der Butler.

»Nicht, wenn ich ihnen Ron als Mörder präsentiere«, gab Joan Christie zurück, »und dafür werde ich schon sorgen! Ron Maudling und Les Patterson, die Tarzan-Brothers, das wird dieser Moshi schon schlucken!«

»Darf man fragen, wie Sie auf den Gedanken dieser Unternehmung gekommen sind?« Parker wollte es wieder mal genau wissen.

»Sehr einfach«, gab Joan Christie zurück. »Maudling engagierte mich als Privatsekretärin und wurde prompt zudringlich. Ich ging darauf ein, denn ich hatte schnell herausgefunden, daß er Rohdiamanten schmuggelte. Ich schaltete Hagerty und Brooks ein. Sie traten dann als Tarzan-Brothers auf und schufen Verwirrung. Ich sorgte dafür, daß Maudling sich bedroht fühlte, daß er glauben mußte, ermordet zu werden. Ich hatte auch nichts dagegen, daß er Sie und Parker hierherholte. Das alles brauchte ich, um Ron und Patterson als Mörder abstempeln zu können. Und nun habe ich es geschafft!«

»Und wie schmuggelte Mister Maudling diese begehrten Rohsteine?« lautete Parkers nächste Frage.

»Über Frischobst«, war die verblüffende Antwort, »wer vermutet in roten Erdbeeren aus Südafrika schon Rohdiamanten, nicht wahr, Paul?«

Maudling senkte den Kopf.

»rüber ins Bootshaus«, kommandierte Joan Christie dann energisch, »die Krokodile warten schon!«

Aber auch Hagerty und Brooks warteten schon sehnlichst auf ihre Opfer, hatten sie doch endlich Gelegenheit, sich für gewisse Dinge zu revanchieren.

Als Joan Christie drohend ihr Gewehr hob, peitschte plötzlich ein Schuß auf, der aus dem Buschgürtel am Seeufer kam.

Fast synchron dazu war Joan Christie ohne Gewehr, was sie gar nicht sonderlich schätzte.

Sie entpuppte sich als eine wilde Furie, wogegen Parker erst mal nichts einzuwenden hatte. Er konnte diese Reaktion einer grenzenlosen Enttäuschung durchaus verstehen. Als sie sich aber dann nach dem Gewehr bücken wollte, rutschte ihm die Melone vom Kopf und fiel derart unglücklich auf den Hinterkopf von Joan Christie, das sie sofort und endgültig zu Boden ging.

Sie hatte nicht wissen können, daß die Melone mit Stahlblech gefüttert war.

*

»Seit wann sind Sie schon in der Nähe?« fragte Rander den Sohn des Hotelkönigs.

Ron Maudling lächelte sparsam.

»Seit etwa einer halben Stunde«, gab er zurück, »und Les und ich haben alles mitbekommen …«

»Stimmt«, mischte sich Les Patterson ein, »wir sind mit Volldampf unterwegs gewesen, als Joan sich im Flugzeug von Tabora Lodge absetzte. Wir ahnten gleich, daß sie hierher wollte.«

»Dann wissen Sie also, daß Ihr Vater …«

»Er hat eigentlich nie den Hals voll genug bekommen«, meinte Ron ohne Bitterkeit. Dann machte er eine abwehrende Handbewegung, als sein Vater antworten wollte. »Setz dich ab, solange noch Zeit ist! Inspektor Moshi muß auch bald hiersein. Wir haben ihn verständigt.«

»Du mußt mich verstehen, Junge! Im Grund habe ich alles für dich getan. Ich wollte, daß du …«

»Moshi muß bald hiersein«, sagte Ron. »Wie ich dich einschätze, wirst du irgendwo neu anfangen. Auch wieder mit unsauberen Geschäften und alles nur für mich.«

»Wirklich, Junge …«

»Wann wirst du endlich begreifen, daß ich längst auf eigenen Füßen stehe und Dinge anders sehe als du …«

»Inspektor Moshi!« mahnte Parker, »wenn mich nicht alles täuscht, ist bereits der Motor eines Jeeps zu hören.«

Paul Maudling senkte den Kopf.

»Ich … Ich bleibe«, sagte er dann, »ich will endlich meine Ruhe haben!« Während er noch sprach, sah er auf Joan Christie hinunter, die sich gerade wieder rührte. Dann blickte er Ron an und schloß leise. »Entschuldigung, Ron …«

*

Sie befanden sich wieder auf dem Flugplatz von Nairobi, aber sie waren nicht allein.

Ron unterhielt sich gedämpft mit Sue, die ebenso leise antwortete. Die beiden jungen Menschen schienen sich ausnehmend gut zu verstehen, wie Parker fand.

Neben dem Butler und Rander schritt Inspektor Moshi, der einen zufriedenen Eindruck machte.

»Warum wollen Sie so schnell zurück nach Chikago?« fragte er, »ich hätte da noch einige interessante Fälle, die man vielleicht gemeinsam löse könnte.«

»Wir werden zurückkommen«, bestätigte Rander lächelnd. »Hauptsache ist doch, daß die Tarzan-Brothers erst mal hinter Schloß und Riegel sitzen …«

»… und den Mord an Joe Ugalla gestanden haben«, sagte Inspektor Moshi. »Was Mister Maudling betrifft, so wird er wegen Schmuggels wohl mit einer empfindlichen Geldstrafe davonkommen. Zudem wird er unser Land verlassen müssen.«

»Er wußte, welches Risiko er einging«, kommentierte Rander, »und er kann von Glück sagen, daß Miß Christie es sich in den Kopf gesetzt hatte, den Mordversuch an ihm durch einen Unglücksfall zu tarnen … Maudling würde sonst schon nicht mehr leben!«

»Miß Christie ist nicht gerade erfreulich«, sagte Moshi, »sie erinnert mich an die Mamba, die man Ihnen ins Zimmer geworfen hat.«

»Ich bin sicher, daß Sie das richtige Gegengift gegen sie finden werden«, sagte Rander und wandte sich nach Sue Weston um, die sich nach wie vor leise mit Ron Maudling unterhielt.

»Ich glaube, Miß Weston würde gern hier in Kenia bleiben«, äußerte Inspektor Moshi lächelnd.

»Rufen Sie das nur nicht so laut«, gab Rander zurück. »Woher soll ich so schnell eine Sekretärin nehmen.« Dann sagte er laut in Richtung Ron und Sue: »Kommen Sie, Miß Weston, die Maschine wartet nicht!«

»Zumal wir dringend in den Staaten erwartet werden«, fügte der Butler gemessen hinzu, »genauer gesagt, am Golf von Mexiko …«

»Wie bitte?« wunderte sich Rander überrascht.

»Noch genauer, Sir, in Lemmon-Bay«, schloß Parker. »Dort erwartet man Ihre und meine sehr bescheidene Hilfe in einem Fall von krimineller Amtsanmaßung.«

»Was ist denn?« fragte Inspektor Moshi und stützte den in sich zusammen rutschenden Anwalt, der offensichtlich einen Schwäche- oder Hitzeanfall erlitt.

»Nur die übliche Reaktion auf einen neuen Fall«, sagte Parker würdevoll. »Mister Rander geht es dann immer durch und durch, wie der Volksmund es so auszudrücken beliebt.«

ENDE

Butler Parker Staffel 9 – Kriminalroman

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