Читать книгу Butler Parker Staffel 23 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 6
ОглавлениеPercival Bandersham saß allein im kleinen Salon und blickte den Butler betrübt an. »Sie ist einfach gegangen«, sagte er und deutete auf Agatha Simpsons leeren Sessel. »Dabei wollte ich sie nur um eine Gefälligkeit bitten. Immerhin ist Lady Agatha eine Cousine zweiten Grades meines Onkels Marmeduke.«
Der junge Lord schwenkte seine Blicke auf Josuah Parker. »Eine peinliche Lage, in der ich stecke. Ich hatte mir von diesem Besuch eine finanzielle Zuwendung versprochen, Mister Parker. Draußen wartet mein Taxi, und der Fahrer hat noch keinen Penny bekommen.«
»In der Tat eine unerfreuliche Situation, Mylord. Wären Euer Lordschaft geneigt, meiner bescheidenen Wenigkeit zu gestatten, den Chauffeur auszuzahlen?«
»Nett von Ihnen, alter Knabe. Doch der Fahrer ist meine geringste Sorge. Ich brauche zehntausend Pfund, sonst kann ich mir eine Kugel in den Kopf jagen.«
»Einem solchen Unterfangen wäre dringend abzuraten. Im allgemeinen sehen sich Leichen außerstande, größere Probleme zu lösen.«
»Das sagen Sie so, Mister Parker. Ich habe gespielt und gewettet, und meine Gläubiger warten nur noch bis Mittag. Wie spät ist es?«
Josuah Parker konsultierte seine Taschenuhr. »Noch zehn Minuten bis zwölf Uhr. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, daß die Zeit knapp wird, Mylord.«
»Wem sagen Sie das!« Bandersham blickte den Butler hoffnungsvoll an. »Sie haben wohl auch nicht zufällig zehntausend Pfund übrig, Mister Parker? Es handelte sich nur um ein mittelfristiges Darlehen.«
»Mylord wollen mein größtes Bedauern zur Kenntnis nehmen«, erwiderte Parker würdevoll. »Beträge dieser Größenordnung übersteigen die Möglichkeiten eines Butlers.«
»Es müssen ja nicht die vollen Zehntausend sein! Holen Sie mal Ihren Sparstrumpf, und wir werden nachsehen, was zusammenkommt.«
»In finanziellen Dingen folgt meine bescheidene Wenigkeit Myladys Beispiel. Beträge über zehn oder zwölf Pfund werden den Banken anvertraut. Gleichwohl ist man bereit, Eurer Lordschaft nach Kräften behilflich zu sein. Man weist auf die Möglichkeit, ... hm, Gläubiger durch mündliche Verhandlungen auf einen späteren Zahlungstermin einzustimmen.«
»Zwecklos, Mister Parker. Punkt zwölf Uhr muß ich zahlen«, sagte Percival Bandersham düster. »Ich frage mich, in was für einer Welt wir leben. Die Burschen haben versprochen, mir ein Ohr abzuschneiden, falls sie ihr Geld nicht pünktlich bekommen.«
»Angesichts der in Frage stehenden Summe ist Eurer Lordschaft Ohr bedeutend mehr wert«, erklärte Butler Parker. »Man darf hinzufügen, daß gewisse Kreise neuerdings gern zu derartigen Drohungen greifen. Demgegenüber sei die Bemerkung gestattet, daß ein abgeschnittenes Ohr nur ungern von den Banken revalutiert wird.«
»Sie sind ein Spaßvogel, Mister Parker! Ich würde das Ohr ja noch opfern, besonders das linke, auf dem ich schwerhörig bin! Aber was sollen meine Freunde sagen? Nächste Woche beginnt in Ascot die neue Saison. Beim Pferderennen ist der graue Zylinder Vorschrift. Das Ding würde mir halb über den Schädel rutschen, und ich würde aussehen wie ein Narr.«
Von diesem Zustand war Percival Bandersham ohnehin nicht weit entfernt. Josuah Parker vermochte bei aller Wertschätzung für den jungen Lord nicht gutheißen, daß ein Mitglied des britischen Adelsstandes das herrschaftliche Personal anpumpte.
»Da Mylady sich außerstande sehen, Eure Lordschaft aus der vorübergehenden Verlegenheit zu helfen, steht es meiner bescheidenen Person nicht zu, dem zuwiderzuhandeln, Mylord.«
»Zufällig weiß ich verdammt genau, daß zehntausend Pfund ein lächerlicher Betrag für Sie sind. Sie haben an der Börse verdient, als der Dollarkurs stieg. Und ich habe zur gleichen Zeit Dollars mit geliehenem Geld gekauft. Inzwischen ist der Dollar im Keller – genau wie ich.«
»Eine höchst bedauerliche Tatsache, Mylord. Es scheint ein Irrtum zu sein, ein Hunderennen mit Devisenspekulationen gleichzusetzen.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Mister Parker. Geben Sie mir wenigstens das Geld für mein Fluchttaxi.«
»Mit dem größten Vergnügen, Mylord. Meine Wenigkeit wird Sie hinausbegleiten und den Fahrer entlohnen.«
»So möchte ich das nicht, Mister Parker. Geben Sie mir hundert oder zweihundert Pfund. Es wäre mir peinlich, wenn der Fahrer dahinterkäme, daß ich von einem Butler ausgehalten werde.«
Josuah Parker verzog keine Miene, nickte würdevoll, wandte sich kurz beiseite, um seiner Brieftasche einige Banknoten zu entnehmen, und überreichte das Produkt seiner Hilfsbereitschaft. »Hier sind fünfzig Pfund, Mylord. Im Großraum London dürfte es unmöglich sein, an einem Vormittag an Taxigebühren mehr als diesen Betrag herauszufahren.«
»Das unterscheidet Sie von Tante Agatha, Mister Parker. Ich habe zwanzigtausend von ihr verlangt, in der Hoffnung, sie würde mir fünftausend geben, was ein Viertel ausmachen dürfte. Von Ihnen wollte ich zweihundert nehmen, und Sie bieten mir veritable fünfzig Pfund. Das ist sehr charaktervoll gehandelt, alter Knabe.«
»Mylord...«
»Keine Umstände«, sagte Percival Bandersham. »Ich finde schon allein hinaus.« Er lehnte ab, sich von Butler Parker zum Portal des Fachwerkhauses geleiten zu lassen.
Selbstverständlich brachte der Butler den Gast dennoch bis zum Eingang und reagierte auf Bandershams leutseliges Winken mit einer knappen Verbeugung.
Seine Lordschaft stolperte die Auffahrt hinab und schien dabei Parkers milde Gabe durchzuzählen. Am Gittertor befand sich allerdings kein Taxi. Dennoch – Bandersham hatte nicht gelogen. Das schwarze Gefährt mit dem typischen Aussehen eines Londoner Morris-Taxis hielt gegenüber. Die überdachte Gepäckabstellfläche links neben dem Fahrer war nicht zu erkennen, weil der Wagen in Fahrtrichtung Shepherd’s Market stand.
Der einzige Nachteil des Wagens bestand in der Tatsache, daß das Fahrgastabteil besetzt war. Sollte der Lord etwa Freunde zu seiner mißlungenen Inkasso-Tour eingeladen haben?
Josuah Parker dachte noch über die sonderbare Handlungsweise jenes Neffen dritten Grades seiner Herrin nach, als es von der Taxikabine her mehrmals aufblitzte. Die dumpfen »Plopps« folgten Sekundenbruchteile später. Parker identifizierte das Ereignis eindeutig als feindselige Handlung aus Feuerwaffen.
Percival Bandersham stürzte, rollte zur Seite und blieb auf der zu Lady Agatha Simpsons Besitz gehörigen Auffahrt liegen.
In diesem Augenblick bedauerte Josuah Parker, daß er nicht seinen vorsintflutlichen Colt zur Hand hatte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er es den Rowdies im Taxi schon gezeigt. So aber beschränkten sich Parkers Aktivitäten darauf, unter Ausnutzung der sich bietenden Deckung bis zu Lord Bandersham vorzudringen, um Hilfe zu leisten.
Josuah Parker mußte auf die Besatzung im Taxi wirken wie ein hin und her hüpfender riesiger schwarzer Vogel. Der Mann am Steuer aktivierte den Motor und brachte das Gefährt rasch außer Sicht.
Es gab noch zwei, drei dumpfe »Plopps« – dann herrschte Ruhe. Parker fand es bemerkenswert, daß nirgendwo Spuren von Geschoßeinschlägen erkennbar waren.
*
»Haben Euer Lordschaft sich verletzt?« erkundigte sich der Butler und beugte sich über den reglosen Adligen.
»Sind sie weg, Mister Parker?« Percival Bandersham blinzelte in die Helligkeit und gab es auf, sich tot zu stellen.
»Die sonderbaren Gentlemen haben es vorgezogen, sich zu verflüchtigen, Mylord. Ohnehin sollte und müßte erwähnt werden, daß es sich zweifelsohne um Platzpatronen handelte, mit denen geschossen wurde. Es dürfte der Verdacht naheliegen, daß es sich um einen Scherz handelte, inszeniert von Freunden Eurer Lordschaft?«
»Wer hier scherzt, sind Sie, Mister Parker... Helfen Sie mir auf. Ich muß mir den Knöchel verknackst haben, als ich mich hin warf. Verdammte Gangster!«
»Belieben Euer Lordschaft diesen Ausspruch auf die Gentlemen zu beziehen, die in menschenfreundlicher Absicht Knallkörper zur Detonation gebracht haben?«
»Ich kann nicht mehr laufen. Tante Agatha muß mich aufnehmen, bis ich körperlich wieder fit bin. Bringen Sie mich ins Haus zurück, Mister Parker. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Mylady dürfte wenig davon angetan sein, Verwandtschaft im Hause zu beherbergen.. Allerdings scheinen Euer Lordschaft in der Tat ernstlich verletzt zu sein. Mit Verlaub, das Fußgelenk ist angeschwollen.«
»Das hat nichts zu bedeuten, Mister Parker, aber behalten Sie das für sich. Ich bin beim letzten Polo-Match vom Pferd gefallen. Mit meinem Knöchel war’s schon vorher nicht zum besten, doch das muß meine Tante nicht unbedingt wissen. Ich rechne fest auf Ihre Verschwiegenheit, Mister Parker. Bringen Sie mich jetzt ins Haus – ich muß mich ein wenig ausruhen.«
»Wie Euer Lordschaft belieben. Die fünfzig Pfund scheinen in Anbetracht der eingetretenen Umstände nicht mehr vonnöten zu sein.«
»Welche fünfzig Pfund?« sagte der Lord in scheinbar ehrlichem Erstaunen.
»Ein typischer Fall von temporärer Amnesie«, äußerte sich Josuah Parker. »Falls Euer Lordschaft geruhen, in die rechte Seitentasche des Jacketts zu greifen, werden Mylord unschwer Banknoten im Gesamtbetrag von fünfzig Pfund entdecken, die dem Besitz meiner bescheidenen Wenigkeit entstammen.«
»Jetzt behaupten Sie nur noch, Sie hätten mir Geld geliehen!«
»Sollten Seine Lordschaft sich nicht mehr daran zu entsinnen vermögen, wird meine Wenigkeit den fraglichen Betrag unter ›Sonstiges‹ verbuchen.«
»Das dürfen Sie halten, wie Sie mögen, Mister Parker. Im Vertrauen – ich mag es nicht, mit Forderungen belegt zu werden, die ich nicht zu verantworten habe.«
»Ein gesundes Prinzip, Mylord. Es erleichtert mancherlei Rückzahlungsmodalitäten. Sind Euer Lordschaft in der Vergangenheit mit vergleichbaren Forderungen ähnlich verfahren?«
»Wie kommen Sie auf die Idee? Ich zähle mich zu den ehrlichsten Schuldnern des Vereinigten Königreichs. Sie haben ja erlebt, was einem Ehrenmann absolute Ehrlichkeit einbringt. Man hat auf mich geschossen.«
»Mit Platzpatronen, wie es den Anschein hatte, Mylord«, erwiderte der Butler. »Sollte es mal ernst werden, würde meine bescheidene Wenigkeit sich glücklich schätzen, in Mylords Nähe zu verweilen.«
»Sie sind eine treue Seele, Parker. Ich komme gerne auf Ihr Angebot zurück, denn die Kerle geben so schnell nicht auf. Sie sind gewissenlose Eintreiber, die sich den Teufel drum scheren, ob man flüssig ist oder nicht.«
»Nehmen Euer Lordschaft an, daß jene zweifelhaften Gentlemen sich der Mühe unterzogen haben, mit aufgeschraubtem Schalldämpfer zu feuern, obwohl es sich einwandfrei um Platzpatronen handelte? Das ergibt meines, wenn auch unmaßgeblichen Erachtens keinen Sinn.«
»Sie haben es doch erlebt, Parker. Es war die letzte Warnung! Beim nächsten Mal wird scharf geschossen, hol’s der Teufel. Ich verlange Asyl. Tante Agatha kann mir nicht abschlagen, mich so lange aufzunehmen, bis sich die Aufregung gelegt hat.«
»Myladys diesbezügliche Ansicht wird nicht in der gewünschten Art ausfallen, Mylord. Dies steht zu befürchten.« Josuah Parker hatte, seine Lordschaft stützend, den Eingang des herrschaftlichen Hauses erreicht.
»Das soll sie zahlen«, sagte Percy Bandersham. »Wenn sie mir die zwanzigtausend Pfund gibt, wird sie mich heute noch los.«
In der verglasten Vorhalle war Agatha Simpson inzwischen erschienen. Wie eine Walküre stand sie da, stattlieh und kampflustig. »Du schon wieder, Percy? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst mein Haus nie wieder betreten? Deine Bettelei ist widerlich. Jetzt redest du auch noch mit Mister Parker über deine finanziellen Torheiten.«
»Mit Verlaub, Mylady«, sagte der Butler. »Mylord wurde beschossen und hat sich verletzt. Mylady können Seiner Lordschaft nicht Asyl und Schutz verweigern.«
»So? Kann ich nicht?« Lady Agathas Stimme sank grollend ins Baritonale. »In diesem Haus bestimme ich!«
Parker und Bandersham reagierten gleichzeitig.
»Mylady?«
»Tante, was regst du dich auf? Zwanzig große Scheine sind für dich doch kein Problem, oder?«
»Ich schränke mich ein und existiere vom Allernotwendigsten, während du fremdes Geld verjubelst, Percy. Diese Leichtfertigkeit werde ich keinesfalls unterstützen. Von mir bekommst du keinen Penny. Wenn du darauf bestehst, hier zu bleiben, wird Parker dir eine Dachkammer anweisen. Für deine Beköstigung hast du selbst zu sorgen, Gott helfe mir.«
»Amen«, sagte Percival Bandersham erleichtert und grinste zufrieden. Immerhin hatte er es geschafft, in Agatha Simpsons viktorianischem Fachwerkhaus Logis zu bekommen.
*
Red Carboun war die Karriere eines erfolgreichen Bankiers versagt geblieben. Deshalb war er in einen anderen Zweig des Geldgeschäfts übergewechselt.
Er vergab kurzfristig Darlehen an die Besucher von Pferde- oder Windhundrennen, finanzierte illegale Pokerpartien und half auch gern dem Mittelstand mit Bargeld aus, zu einem Zinssatz von 1% – pro Tag allerdings.
Red Carbouns Geschäfte florierten. Alle drei Monate verdoppelte sich sein Kapital, wobei die Eintreibungskosten stets zu Lasten seiner Kundschaft gingen.
Red Carboun war das, was man in einschlägigen Kreisen als Kredithai bezeichnete. Er fühlte sich wohl in seinem selbstgewählten Beruf und genoß es, höchste Schichten der Gesellschaft zu seinen Kunden zählen zu dürfen und im Bedarfsfall unter Druck setzen zu können. Red Carboun beherrschte den Finanzmarkt, verlieh und ließ eintreiben, schacherte, wucherte und mehrte seinen Besitz.
Er verfügte über Eintreiberkolonnen, die jeweils zu dritt arbeiteten. In dieser wenig zu einem Gentleman passenden Tätigkeit fanden alte Freunde Carbouns ihr Ein- und Auskommen. Alle Mitarbeiter beherrschten die Kunst der abgestuften Eskalation.
Näherte sich der Zeitpunkt der vereinbarten Rückzahlung, wurde der betreffende Kunde aufgesucht und freundlich auf seine Terminverpflichtung hingewiesen. Dies war die erste Stufe. Carboun gewährte seinen Schuldnern in aller Regel eine Nachfrist von drei Tagen, und diese Großzügigkeit stellte die zweite Stufe dar.
In der dritten Stufe wurde der Kunde nochmals aufgesucht und ermahnt, seiner Verpflichtung binnen 24 Stunden nachzukommen. Fruchtete auch dies nicht, besaß Red Carboun eine ganze Palette von Möglichkeiten und Verfahrensweisen, den Schuldner zahlungswillig zu machen.
So auch im Fall Percival Bandersham. Ihm drohte der Verlust eines Ohres. Ehe man jedoch zu dem chirurgischen Eingriff schritt, wurde die monetäre Forderung gegen seine Person noch mal deutlich bekräftigt.
Man lauerte ihm auf und bediente ihn mit künstlich gedämpften Detonationen von unscharfen Geschossen.
Zumeist beeindruckte dies den Schuldner so stark, daß alles darangesetzt wurde, sich der Zahlungsverbindlichkeit nebst aufgelaufener Zinsen zu entledigen, selbst wenn dies die Verlegenheit einschloß, Freunde oder Verwandte um den fraglichen Betrag zu bitten.
»Wir sind Bandersham seit dem frühen Morgen nachgefahren, Boß«, erklärte Charles Fever, der Chef des auf seine Lordschaft angesetzten Eintreibungskommansos. Jimmy Pepper und Oleg Mashnikow vervollständigen das Trio.
»Bandersham hat wirklich erste Adressen aufgesucht, Boß«, fuhr Charles Fever fort. »Mit dem britischen Adel ist nichts mehr los.»Bandershams Gesicht wurde von Mal zu Mal länger. Zum Schluß war er bei dieser Mistreß Simpson.«
Carboun richtete sich in seinem Schreibtischsessel auf. Viel brachte das nicht, denn Carboun war von Natur aus kein Riese. Was ihn auszeichnete, war sein ausladendes Haupt, weshalb man ihn auf der Public School in Hammersmith auch »Wasserkopf« genannt hatte. »Mistreß Simpson hat mehr Kohle, als sie verbraten kann«, berichtigte er. »Außerdem ist sie eine Lady. Lady Agatha Simpson, Fever! Man muß die Form wahren, mein Junge.«
»Was soll’s, selbst wenn die Alte ’ne echte Lady ist, Boß. Bandersham kam so arm aus dem Schuppen raus, wie er reingegangen ist. Wir haben ihm ein bißchen eingeheizt, bis eine schwarze Vogelscheuche dazukam. Butler – oder so was. Bewegte sich, als hätte er einen Ladestock verschluckt.«
»Was ist passiert?«
»Nichts weiter, Boß. Die Vogelscheuche schleppte Bandersham zum Haus, und wir sind weitergefahren. Der Kunde bleibt uns erhalten, schätzungsweise. Scheint bei dieser Lady zu wohnen, Boß. Oleg hat das Haus noch eine Viertelstunde lang beobachtet, aber es tat sich nichts mehr.«
»Sehr gut, Bandersham ist bei Lady Simpson hervorragend aufgehoben. Die Frau ist schwerreich. Wieviel habe ich von Bandersham zu kriegen?«
»Das Darlehen belief sich auf fünftausend Pfund, Boß. Noch mal fünftausend für Zinsen, achthundert für Gebühren und der Einsatz heute. Macht runde zwölftausend. Wir hatten bei Bandersham verdammt hohe Auslagen.«
»Ich weiß«, erwiderte Carboun grinsend. »Wir treiben Bandersham noch bis Zwanzigtausend hoch, denn dafür ist Lady Agatha jederzeit gut. Und damit Bandersham nicht meint, wir hätten ihn vergessen, soll Mashnikow bei Gelegenheit vorbeifahren und dem Lord eine Glatze schneiden.«
»Nichts mit Ohr ab, Chef?«
»Nächste Woche startet in Ascot die Saison, du Dummkopf! Bis dahin muß Bandersham gelöhnt haben und mit beiden vorhandenen Ohren auftreten können. Er wird frisches Geld brauchen und Reklame für uns machen. Verstehst du!«
»Wie du meinst, Boß. Was ist mit unserer Prämie?«
»Die kommt, sobald Bandersham gezahlt hat. Ich bin kein Unterstützungsfonds für Kleinganoven, Fever. Seht zu, daß Bandersham seine Schulden erledigt, und ich werde nicht kleinlich sein.«
»Sonnenklar, Boß.«
*
Von der Verplanung seiner nicht vorhandenen Bonität ahnte Percival Bandersham nichts. Er saß bequem in Agatha Simpsons Wohnhalle, ließ sich von Kathy Porter die Umschläge mit essigsaurer Tonerde wechseln, trank von Myladys Brandy und war obenauf.
»Man muß diesen Burschen nur zeigen, wo es langgeht«, erklärte er Lady Agathas Gesellschafterin und Sekretärin. »Ich wäre dumm, mehr als das Doppelte zurückzuzahlen, wo ich doch nur lächerliche Fünftausend geliehen habe. Jede Bank hätte mir das Geld nachgeworfen – aber nein, man tut etwas für die notleidende Unterschicht und soll dafür auch noch bestraft werden!«
Kathy Porter wrang den Lappen aus und blickte zu Bandersham auf. »Mylady und Mister Parker haben das aber anders geschildert, Mylord. Die Abwicklung der Geschichte scheint ziemlich ungewöhnlich zu sein.«
»Davon rede ich doch die ganze Zeit! Dreißig Prozent Zinsen im Monat sind einfach Wucher! Ich habe mich in Lady Agathas Schutz begeben, und da sie es ablehnt, die Summe für mich auszulegen, verlange ich vom Personal, daß man die Kerle von mir fernhält, die mich in den letzten Tagen belästigt haben. Sollte einer von denen noch mal kommen, soll man ausrichten, ich wäre nicht da.«
»Wie Sie wünschen, Mylord. Mister Parker äußerte sich allerdings dahingehend, es sei schwer, die Vertreter Ihres Gläubigers noch mal abzuweisen, Mylord. Die Forderung bestünde zu Recht.«
»Das ist Unsinn, Miß Porter. Fangen Sie nicht auch noch davon an! Tante Agatha wird sich nolens volens von fünftausend Pfund trennen müssen, und als Gegenleistung verlasse ich dieses Haus. Bis dahin aber nehme ich sämtliche Rechte eines Asylanten in Anspruch.«
Josuah Parker, dem die letzten Worte des Gastes nicht entgangen waren, näherte sich würdevoll. »Mylady erließen die Anweisung, Seine Lordschaft in den oberen Gemächern weiterzubehandeln. Es soll nach Möglichkeit nicht zuviel essigsaure Tonerde verbraucht werden.«
»Sie soll sich nicht so haben«, brummte Bandersham. »Ich ersetze ihr alles, sobald ›First Flower‹ das Rennen gemacht hat. Ich habe auf Platz und Sieg gewettet. Eine sehr anständige Quote, Mister Parker. Eins gegen acht.»
»Demnach handelt es sich bei ›First Flower‹ um einen krassen Außenseiter, Mylord?«
»Unsinn! Der Name sagt’s ja schon ›First‹, verstehen Sie? ›First Flower‹ geht als erster über die Ziellinie. Ein prachtvoller Dreijähriger – nur wissen das die anderen nicht. Wenn es sich ergeben sollte, nehme ich Sie nach Ascot mit, Mister Parker. Sie können Haus und Hof auf ›First Flower‹ setzen.«
Josuah Parker räusperte sich. »Meine bescheidene Wenigkeit vertraut Erspartes nur ungern der Gunst des Schicksals an, Mylord. Nach meinen Informationen lahmte ›First Flower‹ beim letzten Rennen in Luton.«
»Luton ist finsterste Provinz. Ich merke schon, Sie verstehen nichts von Pferden! ›First Flower‹ wurde künstlich zurückgehalten, das ist es! Der Laie ahnt ja nicht, wie schwer es ist, einen Gaul gekonnt lahmen zu lasen. Ich kenne den Jockey – und ›First Flower‹ kommt aus dem Rennstall von Sir Arthur. Das erklärt wohl alles.«
»Dennoch, man rät davon ab, auf Sieg zu setzen, Mylord. Nach den Informationen meiner Wenigkeit nehmen am dritten Rennen acht Pferde teil. Für Eure Lordschaft dürfte es sich empfehlen, den Einsatz zu splittern und auf Platz zu setzen. Was jenen ›First Flower‹ betrifft, kämen die Plätze sieben und acht in Frage, Mylord.«
»Schwachsinn, Parker. Sie bestätigen mir nur, daß die ausgestreuten Gerüchte angekommen sind. ›First Flower‹ soll ja auch als Außenseiter laufen. Ich habe bereits zweihundert Pfund plaziert, was mir leicht verdiente Sechzehnhundert einbringt. Die setze ich im fünften Rennen auf ›The Ripper‹ bei einer Quote von eins zu drei und kann mir meine viertausendachthundert Pfund sofort abholen.«
Josuah Parker verzichtete auf eine Erwiderung. »The Ripper« war ein besseres Ackerpferd, das bei walisischen Turnieren mit Mühe und Not Vorletzter geworden war. Der Teufel mochte wissen, von welch dubiosen Gestalten Seine Lordschaft die Tips bezog.
»Um ehrlich zu sein«, sagte Bandersham, »ich würde statt der Sechzehnhundert lieber Zweitausend setzen, auf Sieg natürlich! Dann kämen glatte Sechstausend heraus. Sie haben wohl nicht zufällig vierhundert Pfund flüssig, Mister Parker? Sie bekämen das Geld zurück, sobald ›The Ripper‹ gelaufen ist.«
»Meine bescheidene Person entledigt sich Myladys Auftrag, indem darauf hingewiesen wird, die Halle als Ambulanz nicht zweckzuentfremden, Mylord. Mylady wünscht, Euer Lordschaft mögen die Räume unter dem Dach aufsuchen, die Eurer Lordschaft zugewiesen wurden. Der Klärung halber ist hinzuzufügen, daß Mylady Besuch erwartet.«
»Und sie will einen schwerverletzten Neffen nicht dabeihaben, ich verstehe. Nun okay, ich beuge mich dem Mangel an angelsächsischer Gastfreundschaft, Parker. Und ich weiß, wie sehr es Sie schmerzt, mich Lady Agathas Fehlverhalten spüren zu lassen...«
»Euer Lordschaft wollen meine bescheidene Wenigkeit entschuldigen«, unterbrach Parker. »Es hat geläutet.«
»Ich bin nicht da, Parker! Und wenn es der Teufel persönlich ist, der nach mir fragt.«
»Sehr wohl, Mylord. Einen solchen Besuch wird man wohl kaum erwarten dürfen. Indessen hat die Annahme geringe Chancen auf Wahrscheinlichkeit, daß der Besuch Eurer Lordschaft gilt. Mylady erwartet einen Mitarbeiter von Scotland Yard.«
»Lassen Sie den Mann rein, Parker. Der Knabe kommt mir gerade recht. Ich habe mit ihm zu reden – über gewisse Praktiken bei der Vergabe von harmlosen Darlehen. Carboun muß verrückt geworden sein, seine Eintreiberkolonne auf mich zu hetzen. Bin ich nicht der beste Schuldner des gesamten Vereinigten Königreiches?«
»Wie Eurer Lordschaft belieben«, sagte Parker mit dem glatten und ausdruckslosen Gesicht eines professionellen Pokerspielers und entfernte sich.
*
Chief-Superintendent McWarden witterte wie ein Jagdhund. »Ist das Brandy, Mister Parker?«
»Ihre Nase ist Spitze, würde der Volksmund sagen, Sir. Lediglich eine Maßnahme zur Ersten Hilfe. Der Betroffene weilt in der Halle und genießt Gastfreundschaft. Es handelt sich um einen entfernten Verwandten Myladys. Der junge Lord Percival Bandersham ist Ihnen sicher dem Namen nach bekannt, Sir.«
»Lord Percival, der Zocker? Wer kennt ihn nicht? Was hat er diesmal für Schwierigkeiten, Mister Parker? Es geht um Geld, nicht wahr? Wer ist hinter ihm her?«
»Dies vorwegzunehmen steht meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu, Sir. Mylady erwartet Sie.«
»Also hat die Dame des Hauses mich wegen Percival Bandersham hergebeten. Hör mich der Henker! Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich nicht vom Schreibtisch aufgestanden, Mister Parker. Lord Percival hat etwas an sich, was steten Ärger verursacht.«
»Seine Lordschaft befindet sich in der Halle, Sir«, wandte Parker ein, um die Stimmgewalt des Chief-Superintendenten zu dämpfen. »Man kann Sie weit hören.«
»Das ist mir gleichgültig, Mister Parker! Ich dachte, Mylady hätte mich wegen etwas Wichtigem herzitiert. Und nun handelt es sich bloß um einen verrückten Spieler und Schuldenmacher.«
Der Butler geleitete den Yard-Beamten in die Wohnhalle. Bandersham winkte matt, als McWarden eintrat. »Es wurde auch Zeit, daß die Polizei sich pflichtgemäß um Übergriffe bei der Vergabe von Kleinkrediten kümmert. Ehe Sie zu meiner Tante hinaufgehen, möchte ich mit Ihnen reden.«
»Gespräche zwischen uns dürften sich erübrigen, Euer Lordschaft. Bei allem Wohlwollen kann ich Ihnen nur empfehlen, vorsichtig zu wirtschaften. Sie überschätzen Ihre Vermögens Verhältnisse. Wenn das jeder Untertan Ihrer Majestät machen würde, hätte Scotland Yard nichts anderes zu tun, als obskure Kreditverträge auf ihren Einklang mit den Gesetzen zu überprüfen.«
»Was Ihre Pflicht und Schuldigkeit ist, McWarden! Ich kann verlangen, daß Sie Carboun und Konsorten das Handwerk legen, und zwar auf der Stelle.«
»Sie sind meiner Schätzung nach alt genug, um die Folgen abzusehen, wenn Sie Verträge unterzeichnen, Mylord. Mich entschuldigen Sie jetzt bitte. Ich habe zu tun.«
»Was denn?« rief Agatha Simpson von der Balustrade. »In meinem Haus haben Sie nichts anderes zu tun, als meinen Fahndungsergebnissen zu lauschen, McWarden.« Lady Agatha Simpson kam grazil wie ein Nilpferd die Treppe herunter und entbot dem Chief-Superintendent ihre Rechte.
McWarden übersah das nicht und nickte Lady Agatha zu. »Mein Taktgefühl verbietet mir, auf die Probleme Ihres Herrn Neffen näher einzugehen, Mylady«, sagte er. »Jedesmal ist es das gleiche Spiel, wenn Seine Lordschaft herumzieht, um ein bißchen Geld zu ergattern.«
»Ein bißchen? Percy verlangte von mir Zwanzigtausend, McWarden! Man muß dem Treiben endlich Einhalt gebieten! Deshalb habe ich Sie kommen lassen. Ist es nicht so, daß überhöhte Forderungen zur Unwirksamkeit eines Kreditvertrages führen? Und wer trotzdem solche Verträge unterzeichnen läßt, bricht geltendes Recht.«
»Sie kennen sich aber gut aus, Mylady.«
»Carboun hat nicht nur den Hochadel hereingelegt, McWarden. Ich habe meine Geschäftsbeziehungen zu diesem Mann natürlich sofort abgebrochen, als ich dahinterkam, welche Methoden er anwendet.«
»Geschäftsbeziehungen?«
»Nun ja, ich will nicht verhehlen, daß Mister Carboun mit wirklich erstklassigen Konditionen an mich herantrat. Er konnte mir vierzig Prozent Zinsen garantieren, zahlbar aufs Kapital im voraus. Aber so wie die Geschäfte nun zu laufen scheinen, kann ich nicht länger einverstanden sein. Ich habe sämtliche Beziehungen zur Firma Carboun abgebrochen. Es kommen nur noch ein paar Pfund an Prämien ein, mein lieber McWarden.«
»Sollten Sie zu denen zählen, die Carboun in seinen schmutzigen Geschäften finanziert haben, Mylady?«
»Heutzutage muß man scharf rechnen. Vierzig Prozent Zinsen werden kaum noch ausgeworfen ...«
»Carboun kassiert im Jahr weit mehr, Lady Agatha.«
»Da sehen Sie, wie unerfahren ich bin. Ich überlasse Carboun ein paar lächerliche Pfund zu seriösen Bedingungen, und dieses Subjekt holt beinahe das Zehnfache heraus!«
»Wieviel hatten Sie ursprünglich investiert, Mylady?«
»Darüber spricht man nicht, mein lieber McWarden. Lassen Sie den Hauptgesichtspunkt nicht aus den Augen. Es geht um die Probleme meines Neffen zweiten Grades.«
Percival Bandersham litt und traute seinen Ohren nicht. »Du hast Carboun finanziert, Tante Agatha?«
»Meine finanziellen Transaktionen brauchen dich nicht zu interessieren, mein Junge«, erwiderte die Lady. »Für seine Dummheiten ist jeder Mensch selbst verantwortlich.«
»Das kann man laut sagen«, meinte McWarden. »Was sagten Sie, Mylady, wie hoch sind Sie bei Carboun eingestiegen?«
»Ich nenne prinzipiell keine Zahlen, Superintendent. Carboun zählt nicht mehr zu den Leuten, mit denen ich Geschäfte mache. Es ist aber unter meiner Würde, mich mit weniger als der Hälfte der Maximalverzinsung zufriedenzugeben.«
»Aber Sie haben Beteiligungsgelder flüssig gemacht«, beharrte McWarden. »Das muß in den Einzelheiten überprüft werden.«
»Was ich sage«, warf Percival Bandersham ein. »Mein eigenes Fleisch und Blut beteiligt sich an räuberischer Erpressung. Nicht zu fassen! Ich bin enttäuscht.«
»Wer hat sich denn mit Carboun eingelassen? Wer ist denn so pleite, daß er keinen anderen Ausweg mehr wußte?«
»Sie schulden mir Geld, Tante Agatha. Sie sind kaum besser als Red Carboun! Mit zehntausend Pfund könnte die Sache abgetan sein, aber sagen wir vorsichtshalber fünfzehntausend, weil ich weiß, daß Sie immer herunterhandeln wollen.«
Myladys Miene gefror. Auch ihre Stimme hörte sich entsprechend an. »Ich beabsichtige keineswegs, etwas herunterzuhandeln, Neffe Percival. Von mir ist kein einziger Penny zu erwarten. Und mein Haus ist auch kein Asyl für leichtlebige Verwandte ...«
Der junge Lord stöhnte. Das war zuviel. Personal war anwesend – und der Yard-Beamte erlaubte sich zu grinsen. »Ich möchte mich verabschieden, verehrte Tante.«
»Nur zu, Percy! Miß Porter, Mister Parker und Mister McWarden dürfen hören, wie lieblos ich von meiner Verwandtschaft behandelt werde. Du bist ein undankbarer Mensch! Habe ich nicht alles für dich getan?«
»Wenn das alles war, möchte ich lieber nichts, Tante Agatha. Zweifellos wird man mich in den nächsten Tagen die Themse abwärts treibend auffinden. Wenn Sie das vor Ihrem Gewissen verantworten wollen?«
»Nun aber hinaus!« rief Mylady und grollte. »Bin ich vielleicht die Wohlfahrt?«
»Dies schlüssig zu beantworten«, schaltete sich Josuah Parker ungefragt ein, »bedarf tiefgreifender Überlegung, Mylady. Einerseits sind Mylady die nächste und erwiesenermaßen begüterte Verwandte seiner Lordschaft. Andererseits scheint Mylords Forderung ein wenig überhöht. Würden Mylady freundlichst erlauben, daß meine bescheidene Person eine zufriedenstellende Regelung mit dem Gläubiger Seiner Lordschaft zu erreichen sucht?«
»Sie können in Ihrer Freizeit tun und lassen, was Sie wollen, Mister Parker. Für mich ist der Fall erledigt. Ich weigere mich, noch mal den Namen Carboun zu hören.«
»Dies, Mylady, offenbart den Keim der herrschenden Situation. Das von meiner bescheidenen Wenigkeit gewählte Substantiv bezieht sich mehr auf lebende Individuen denn auf Situationen, stellt Pragmatismus doch jene philosophische Lehre dar, die im Handeln das Wesen des Menschen erblickt und Wert oder Unwert des Denkens danach bemißt.«
»Wollen Sie etwa unterstellen, mein Handeln und Denken sei unwert, Mister Parker?«
»Keinesfalls, Mylady. Die herrschende Situation erfordert Myladys Entschlossenheit. Es wäre zu prüfen, ob Mister Carboun nicht eine Falle zu stellen ist, um die Forderung an Seine Lordschaft zu befriedigen. Nimmt Carboun oder einer seiner Beauftragten den überhöhten Geldbetrag an, stehen Mylady sämtliche Rechtsmittel frei, auch jene, um Mister Carboun eine Klage anzuhängen.«
»Geben Sie sich keine Mühe, Mister Parker«, sagte Bandersham. »Ich verlasse ohnehin dieses ungastliche Haus. Ich bin schon so gut wie gar nicht mehr hier. Ihr Geld bekommen Sie zurück, sobald ›First Flower‹ und ›The Ripper‹ als erste über die Ziellinie galoppieren.«
»Haben Sie meinem Neffen etwa ohne mein Wissen Geld vorgestreckt, Mister Parker?« fragte Lady Agatha streng. »Schockierender Gedanke!«
McWarden hüstelte unbehaglich. »Wenn ich mich dann auch empfehlen darf, Mylady. Im Yard wartet noch Arbeit auf mich.«
»Habe ich Sie etwa hergebeten, mein Lieber?«
»Allerdings, Lady Agatha! Ihre Familienangelegenheiten müßten aber auch ohne mich zu regeln sein. Guten Tag!«
Parker brachte den Gast zur Tür, und Percival Bandersham schloß sich gleich an.
In der Halle herrschte eine drückende, aufgeladene Stimmung, wie vor einem Gewitter.
*
Percival Bandersham war erleichtert, den strengen Blicken und den Vorwürfen seiner entfernten Verwandten entronnen zu sein. Er hielt sich auch nicht lange mit Chief-Superintendent McWarden auf, sondern schritt auf ein Taxi zu, das unweit des Hauses am Bordstein parkte. Es handelte sich um den gleichen Wagen, der Seine Lordschaft zuvor schon zu diversen Adressen einer fruchtlosen Inkassotour befördert hatte.
»Wir wollen abrechnen, wenn’s recht ist, Sir«, sagte der Fahrer und addierte den Betrag des Taxameters mit den Gebühren für die Wartezeit zusammen. »Macht achtzehn Pfund und dreißig Pence. Tip nicht inbegriffen.«
»Mag sein«, erwiderte Lord Percival großmütig und dachte daran, die mühsam erworbenen Pfund auf irgendeine Weise zu sparen. »Sie fahren mich erst noch zu meinem Club, Mister. Grosvenor Place, Belgravia.«
»Sir, ich muß wenigstens eine Abschlagszahlung haben.«
»Unsinn. Sie bekommen Ihr Geld, sobald Sie mich beim Club absetzen. Fahren Sie endlich! Ich habe hier in Shepherd’s Market genug Zeit vertan.« Bandersham lehnte sich behaglich in die Polster zurück.
Notgedrungen folgte der Fahrer seiner Anweisung. Sollte der Fahrgast auch am Grosvenor Place sich als zahlungsunwillig erweisen, mußte er den geschuldeten Betrag vom Clubdiener fordern. Der Driver hoffte nur, daß der Gentleman überhaupt eingeschriebenes Mitglied war, sonst sah es schlecht aus mit der Kasse.
Percival Bandersham pochte mit dem Stock an die Trennscheibe zur Fahrerkabine und gebot Halt. »Dort drüben ist das Haus«, sagte er und wies auf das altehrwürdige Gebäude des Primrose Clubs. »Sie können mitkommen und Ihr Geld in Empfang nehmen, Chauffeur.«
In dem vornehmen Viertel herrschte wenig Verkehr. Botschaftsgebäude und Vertretungen internationaler Konzerne lösten sich entlang der breiten Straße mit seriösen Bauten ab, die konservative Herrenclubs beherbergten. Um so mehr fiel der heruntergekommene Landrover auf, der mit defektem Auspuff rechts neben dem Taxi dröhnend stoppte.
Lord Percival kümmerte dies wenig. Er stieg links zum Gehweg hin aus und blickte ungeduldig nach dem Taximann. Dieser indessen war blockiert. Der ratternde Landrover stand so dicht vorn rechts neben der Fahrertür, daß sie sich nicht öffnen ließ. Zur linken Seite hin gab es für den Fahrer keinen Ausstieg, da sich dort die Abstellfläche für Gepäck befand.
Der junge Lord war leicht irritiert und zögerte. Die TIMES berichtete fast täglich über rüpelhaftes Verhalten im Verkehr, doch die Stadtbezirke der oberen Zehntausend waren immer noch verschont geblieben.
Von der sonst stillen Straße her, um das Taxi herum, kamen zwei unangenehm wirkende Gestalten auf Bandersham zu, zweifellos die Insassen des lärmenden Farmer-Gefährtes.
»Bandersham?« fragte der eine Mann.
Empört wollte Percival Form und Anrede richtigstellen, als der zweite Kerl in die Tasche griff und mit einer Art Insektenspraydose auf Seine Lordschaft losging.
Percival Bandersham spürte das Gas. Er taumelte, stolperte und wurde von den beiden Verursachern aufgefangen. Sie nahmen ihn in die Mitte und schleiften ihn unbarmherzig zu ihrem röhrenden Landrover. Was weiter geschah, bekam Lord Percival nicht mehr mit, denn er versank in die dunklen Tiefen einer Bewußtlosigkeit.
Der Taximann jedoch verfolgte das Geschehen mit hellem Entsetzen: Menschenraub auf offener Straße! Er sah, wie sein Fahrgast hinter die Rücksitze des Landrovers verfrachtet wurde. Dann kletterten auch die beiden Geiselnehmer hastig hinein; der Wagen nahm Fahrt auf und entfernte sich mit ohrenbetäubendem Lärm in Richtung Knightsbridge und Kensington Road.
Eine Verfolgung schien sinnlos. Das Knattern und Dröhnen würde von sich aus schon die Polizei aufmerksam machen. Besser, man stieg aus und holte sich beim Club sein Geld ab, immerhin fast zwanzig Pfund, dachte der Driver.
*
»Das war Ihr Fehler!« sagte Agatha Simpson und blickte den Taxifahrer strafend an. »Was erdreisten Sie sich, hier in meinem Haus Gelder eintreiben zu wollen, die Ihnen niemand, der hier wohnt, schuldet.«
»Mein Fahrgast war in Ihrem Haus, Madam«, verteidigte sich der Chauffeur. »Ich habe stundenlang warten müssen. In der Zeit war auch schon irgendwas im Gang. Hörte sich an wie knallende Champagnerpfropfen.«
»Das scheint zwischenzeitlich geklärt zu sein, Mister«, schaltete sich Butler Parker ein und griff in die Tasche. »Mylady empfindet Ihren Besuch als ebenso aufdringlich wie Ihre geldliche Forderung unangemessen. Nehmen Sie die zwanzig Pfund und verlassen Sie das Haus.«
»Augenblick«, unterbrach Parkers Herrin und brachte die Banknote an sich. »Ich wünsche nicht, daß Sie den Mann auszahlen, Mister Parker. Da könnte jeder kommen und Geld kassieren, nur weil er vor meinem Haus gewartet hat. Dieser Mensch soll erst mal beweisen, daß es mit der Forderung seine Richtigkeit hat. Sagten Sie nicht, Sie hätten Percival bereits mit Geld ausgeholfen, Mister Parker?«
»In der Tat, Mylady. Meine Wenigkeit war so frei, Seiner Lordschaft aus einer vorübergehenden Verlegenheit zu helfen. Indessen schienen die Umstände Seiner Lordschaft nicht zu erlauben, die Taxirechnung zu begleichen. In Abwägung verschieden gelagerter Rechtsgüter ist es immer empfehlenswert, dem Droschkenfahrer den fraglichen Betrag zu überlassen, um Mylady von der Anwesenheit Fremder zu erlösen.«
»Wenn Sie meinen, Mister Parker?« Widerstrebend trennte Mylady sich von den zwanzig Pfund. »Dieser Mensch wird es in Percivals Club ein zweites Mal versuchen. Man kennt doch die Geldgier gewisser Leute.«
»Mit Verlaub und im besonderen scheint es richtig und erforderlich, Mylady, den Mann zu verabschieden.« Parker deutete zum Eingang. »Sie dürfen gehen, Mister.«
Lady Agatha blieb in der Vorhalle stehen, wo der Mann abgefertigt worden war. »So etwas öffnet betrügerischen Machenschaften Tür und Tor, Mister Parker«, sagte sie, als der Butler nach Schließen des Portals wieder auf seine Herrin zutrat.
»Wie meine bescheidene Wenigkeit bereits andeutete, schien es klüger, eine diesbezügliche Unterhaltung nicht vor Ohren jenes Taxilenkers weiterzuführen. Wenn Mylady freundlichst Platz nehmen würden, wird man sich um eine Klarstellung bemühen.«
»Percival hat sich mal wieder vor dem Bezahlen gedrückt, Mister Parker. Ich kenne doch diesen unzuverlässigen Gesellen! Bestimmt waren die Kerle in dem Landrover Freunde von ihm ... Und die angebliche Schießerei vor meinem Haus – das war auch nur ein Trick, um mich gefügig zu machen, Percival Geld zu geben.«
»Mylady sollten nicht nur diesen einen Aspekt berücksichtigen.«
»Ich weiß, was ich sage. Aber jetzt hat Percival erreicht, was er wollte. Sie waren zu nachgiebig, Mister Parker. Selbstverständlich verlange ich meine zwanzig Pfund zurück.«
Parker räusperte sich. »Unterliegen Mylady möglicherweise einem leichten Irrtum?«
»Ausgeschlossen, Mister Parker. Ich hatte die Banknote in der Hand. Also war sie mein Eigentum. Erst Sie haben mich überredet, sie dem Individuum zu überlassen.«
»Sehr wohl, Mylady. In Anbetracht der geringen Wichtigkeit sollte die Frage bezüglich der zwanzig Pfund zunächst ausgeklammert werden. Damit stellt sich jedoch eine andere, weitaus schwererwiegende Frage, Mylady. Was mag mit Seiner Lordschaft geschehen sein?«
»Fragen Sie mich das, Mister Parker? Ich sagte klipp und klar, daß Percival geblufft hat. Seine Freunde haben sich einen Ulk erlaubt. Und nun lassen Sie mich mit der Geschichte in Ruhe, Mister Parker. Der Besuch meines Neffen und die unerfreulichen Folgen haben mich aus einer Phase höchster Kreativität gerissen. Ich war dabei, an meinem Bestseller zu arbeiten.«
»Demnach gedenken Mylady nicht, sich der Verfolgung jener Straftat zu widmen?«
»Was reden Sie da! Straftat! Einfach lächerlich ist das, Mister Parker.«
Der Butler gab sich nicht geschlagen. »Wenn meine bescheidene Wenigkeit Myladys Augenmerk auf die Tatsache lenken darf, daß Seine Lordschaft den Namen Carboun erwähnte. Dieser Mann genießt keinen guten Ruf in Finanzkreisen, Mylady.«
»Das weiß ich inzwischen selbst, Mister Parker.«
»Mister Carbouns Methoden, Forderungen einzutreiben, stehen ebenfalls nicht im Ruf christlicher Barmherzigkeit, Mylady. Seine Lordschaft sprach von einem Eingriff in körperliche Unversehrtheit. Für den Fall ausbleibender Rückzahlung des fraglichen Darlehens drohte Mister Carboun damit, Seiner Lordschaft ein Ohr abschneiden zu lassen.«
»Das ist doch blühender Unsinn, Mister Parker. Als Percival hier war, hatte er noch seine beiden unübersehbar am Kopf.«
»Mit Sicherheit, Mylady. Doch steht zu befürchten, daß man Seine Lordschaft ergriffen hat, um Mister Carbouns Androhung in die Tat umzusetzen, zumal Seine Lordschaft keine Gelegenheit hatte, anderweitig an die geforderte Summe heranzukommen. Man sollte daher unverzüglich die Polizei alarmieren, Mylady.«
»Nicht die Polizei, Mister Parker. Ich will mich nicht lächerlich machen. Ein telefonischer Anruf bei diesem Caloun genügt, um Ihnen das Absurde Ihrer Annahme vor Augen zu führen. Also machen Sie mir eine Verbindung mit Candoun! Ich will ihn ohnehin sprechen, weil er mich kürzlich mit einem viel zu niedrigen Zinssatz betrogen hat.«
»Mylady meinen Mister Carboun, mit Verlaub«, stellte Parker richtig.
*
Der berüchtigte Kredithai wollte sich zunächst nicht sprechen lassen. Die passionierte Detektivin verlor die Geduld und riß Parker den Hörer aus der Hand.
»Wer auch immer Sie sein mögen – sagen Sie Ihrem betrügerischen Chef, Lady Simpson wäre am Apparat. Mister Caldoun hat zehn Sekunden Zeit, das Gespräch anzunehmen. Sonst komme ich selbst, nicht wahr, Mister Parker?«
»Mylady besitzen wieder mal Ihren unübertrefflichen Schneid«, erwiderte Parker.
Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Carboun in der Leitung war. »Lady Simpson ... Welche Überraschung!«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Sie sind ein widerliches Subjekt! Vor kurzem erfuhr ich von verschiedenen Seiten, mit welchen Zinssätzen Sie arbeiten. Und mich wollten Sie mit lächerlichen vierzig Prozent abspeisen, wie? Ich gebe Ihnen für die Nachzahlung genau vierundzwanzig Stunden Zeit. Und was erdreisten Sie sich mit meinem Neffen, Caldoun?«
»Ich verstehe nicht«, stotterte der Mann am anderen Ende der Strippe. »Wen meinen Sie, Lady Simpson?«
»Ich rede von Lord Percival, der sich bei Ihnen Geld geborgt hat. Dem Vernehmen nach fünftausend Pfund. Ich werde auf ihn einwirken, daß er das Geld an Sie zurückzahlt. Aber keinen Penny mehr als fünftausend, Candoun. Im übrigen verbitte ich mir, daß Lord Percival verfolgt und belästigt wird. Das ist in höchstem Maß ungehörig.«
»Meine Mitarbeiter haben Seine Lordschaft nur ermuntert, mit dem Geld herüberzukommen, Lady Simpson. Heute ist der Tag der vereinbarten Rückzahlung, und Lord Percival hat den Termin verstreichen lassen.«
»Das geht mich nichts an. Ich warne Sie, Caloun. Wenn noch mal so was passiert wie vor Percivals Club in Belgravia, schicke ich Ihnen die Polizei auf den Hals.«
»Belgravia? Ich habe niemand dort hingeschickt, Mylady.«
»Mitnichten, wie Mister Parker sagt. Ich habe die Aussage des Taxifahrers, der dabeigewesen ist, wie zwei Ihrer Handlanger meinen Neffen betäubt und in einem Geländewagen verschleppt haben. In fünf Minuten erwartet Mister Parker den Rückruf meines Neffen, daß alles in Ordnung ist. Regeln Sie das, Carloun. Bleibt der Rückruf aus, haben Sie das Schlimmste zu befürchten.«
Agatha Simpson warf den Hörer auf die Gabel. »So macht man das, Mister Parker. Sie werden es erleben: in wenigen Augenblicken klingelt das Telefon, und Percival meldet sich in alter Frische. Ihre Befürchtung ist lächerlich, Mister Caldoun hätte es auf eins von Percys Ohren abgesehen.«
»Mylady meinen natürlich Mister Carboun. Die Vermutung dürfte nicht zwingend zutreffen, daß Seine Lordschaft Handlangern dieser Firma in die Hände gefallen ist. Es kann sich auch um einen Fall handeln, bei dem Dritte an der Person Seiner Lordschaft interessiert sind.«
»Das sage ich doch! Dieser Carboun war es, der ein paar Mann auf Percival angesetzt hat, Mister Parker.«
»Wenn Mylady gestatten und es für nützlich halten, könnte meine bescheidene Wenigkeit die Örtlichkeiten am Grosvenor Place aufsuchen, um unauffällig Nachforschungen anzustellen.«
»Wozu? In wenigen Augenblicken wird Percival anrufen und melden, daß alles in Ordnung ist. Sie sollten etwas Nützliches tun, Mister Parker, und anschließend zu Carboun fahren und die Zinsen abholen, die dieser Betrüger mir schuldig geblieben ist. Ich hatte ihm seinerzeit fünfzigtausend Pfund zur Verfügung gestellt und zwanzigtausend sofort für die Zinsen davon einbehalten.«
»Hat Mister Carboun denn inzwischen gezahlt, falls Mylady diese Frage erlauben?«
»Nur meine fünfzigtausend zurück, Mister Parker. Wie der gute McWarden sagte, erzielt Caldoun aber leicht über dreihundert Prozent im Jahr, was bedeutet, daß ich mindestens die Hälfte für mich beanspruche. Wieviel macht das aus, Mister Parker?«
»Neunzigtausend Pfund, Mylady.«
»Da sehen Sie es! Carboun schuldet mir noch siebzigtausend Pfund, die ersten zwanzigtausend für die Zinsen schon abgezogen.«
»Die Ertragsrechnung scheint auf den ersten Blick etwas sonderbar, Mylady. Wie können Mylady hoffen, bei Mister Carboun noch Zinsen gutzuhaben?«
»Meine geschäftlichen Belange verstehe ich selbst am besten, Mister Parker. Beschaffen Sie mir mein Geld und sorgen Sie dafür, daß Percival keinen Penny mehr als diese unnötigen fünftausend Pfund zurückzahlen muß. Und noch etwas, Mister Parker: Ich werde nun in meiner schriftstellerischen Arbeit fortfahren.«
Josuah Parker verbeugte sich. »Wie Mylady belieben.«
»Die Welt verlangt nach meinem Bestseller. Nun ja, ich habe schon sehr klare Vorstellungen vom ersten Kapitel.«
Agatha Simpson schickte sich an, ihren Körper zum Studio hinaufzuwuchten. Parker blieb in der Halle zurück, um den Rückruf Seiner Lordschaft abzuwarten. Doch das Telefon blieb stumm.
*
Red Carboun logierte mit seiner Truppe in einem Hinterhaus in Lambeth. Viel Publikumsverkehr gab es wohl nicht, denn Josuah Parker mußte sich zum Büro Carboun durchfragen.
Schon Parkers Wortwahl bezüglich des Etablissements erregte Erstaunen. Der Butler fand seine schlimmsten Erwartungen bestätigt, nachdem er mehrmals energisch gepocht und man ihm geöffnet hatte.
Carboun prunkte nicht wie manche Bankiers mit edlem Interieur. Ein paar wacklige Stühle, ein ausgedienter Küchentisch, darauf das Telefon – das war die gesamte Einrichtung des Finanzmaklers.
Burschen lehnten an der Wand, tranken Flaschenbier und rauchten Kette. Parker wirkte zwischen Belegschaft und Mobiliar wie ein Wesen von einem anderen Stern. Er legte Handschuhe, Regenschirm und Melone sorgfältig auf den Tisch.
»Wer von den Gentlemen ist Mister Carboun, sei die Frage erlaubt.«
Jimmy Pepper, ein Ex-Catcher platzte vor Lachen. »So was hat noch keiner zu mir gesagt, Mann.«
»Im Prinzip waren Sie auch nicht gemeint, Mister... Führen Sie mich zu Ihrem Chef«, bat Parker.
»Der Boß ist nicht da und kommt heute auch nicht, Mann!«
»Eine höchst bedauerliche Tatsache, wenn sie zu Recht besteht. In diesem Fall wäre es wünschenswert, die Bücher einer Einsicht zu unterziehen. Von besonderem Interesse ist der Vorgang bezüglich Lady Agatha Simpson. Mylady entsendet mich, um gewisse Differenzen zu klären. Die Sache duldet keinen Aufschub, möchte meine Wenigkeit den Herren nicht verheimlichen.«
»Wer bist du denn?«
»Meine bescheidene Person hat noch nicht die Ehre und das Vergnügen, Ihr Duzpartner zu sein. Man steht dem herrschaftlichen Haushalt Lady Simpsons vor.«
»Hat der Boß je einer Lady Kohle besorgt?« erkundigte sich Pepper mit einem Blick in die Runde. »Davon wüßt’ ich aber. Ich war noch nie bei ’ner Lady eintreiben.«
»Halt dein Maul, Jimmy«, sagte Charles Fever. »Da lief mal was, aber genau andersrum. Vor ein paar Wochen brauchte der Boß dreißig Riesen zur Spitzendeckung. Irgendwer kam mit dem Tip, eine fette Lady in Shepherd’s Market machte solche Geschäfte mit Vorliebe.«
»Shepherd’s Market?« sagte Pepper. »Da waren wir doch heute. Hinter dem adligen Dummkopf her, der dann doch nicht löhnen wollte.«
»Es handelt sich mit Verlaub um Lord Percival Bandersham«, informierte Josuah Parker.
Zugleich hatte Fever die Faust geschwungen und Jimmy Pepper geraten, sein loses Mundwerk zu halten. Butler Parker überhörte das.
»In der Angelegenheit Seiner Lordschaft bedarf es ebenfalls gewisser Klärungen. Es wäre wünschenswert, Mister Carboun, den Leiter dieses Unternehmens, persönlich zu sprechen. Anderenfalls wäre meine Wenigkeit genötigt, den Aufenthaltsort Mister Carbouns zu eruieren und ihn unter womöglich für ihn mißlichen Umständen um ein Gespräch zu ersuchen.«
»Hör auf, Mann«, stöhnte Fever. »Dein Reden macht Kopfschmerzen.« Er wandte sich an den grinsenden Oleg Mashnikow. »Fahr los und bring den Boß her. Du weißt ja, wo der Alte steckt.«
»Ich weiß es, aber du weißt es auch. Und wir beide wissen, daß er Terror macht, wenn wir ihn da wegholen.«
Mashnikow pflückte den Zigarrettenstummel von den Lippen und schnippte ihn Jimmy Pepper vor die Füße. »Also mach’s selbst, wenn du meinst, daß es wirklich wichtig ist.«
Josuah Parker verstand nicht, warum Fever sich plötzlich so aufregte. Der Bursche ging mit wirbelnden Fäusten auf Mashnikow los, und Pepper wollte auch nicht untätig bleiben.
Im Handumdrehen war eine Prügelei im Gang, jeder gegen jeden, ausgenommen Josuah Parker, der nur verschiedentlich angerempelt wurde. Dies mißfiel Myladys Butler. Er hatte den Weg nach Lambeth nicht auf sich genommen, um an einer privaten Catchveranstaltung teilzunehmen.
Als Pepper sich einen Treffer einfing und rückwärts gegen Parker taumelte, war für den Butler das Ende des Hinnehmens gekommen. Jimmy Pepper wußte nicht, wie ihm geschah, als er gegen die anderen zurückkatapultiert wurde.
Pepper fiel auf Mashnikow und riß ihn mit zu Boden. Dies wiederum legte Fever offensichtlich als aggressiven Akt gegen seine Person aus, stürmte vor und griff Parker an.
Es geschah alles so schnell, daß es schwierig war, Parkers Aktionen zeitlich zu trennen. Die seit Newton geltenden Kraftgesetze schienen für Fever plötzlich nicht mehr verbindlich zu sein. Er hob ab, segelte durch die Tür in den Nebenraum, begrub aufgestapelte Gebrauchtmöbel unter sich und blieb ohne erkennbares Interesse am Fortgang der Auseinandersetzung liegen.
Ex-Catcher Pepper ließ ein böses Brummen hören. Er war wieder auf die Füße gekommen. Parker wich zurück, die offene Tür hinter sich wissend. Als Pepper in idealer Distanz war, klappte ihm die Tür vor der Nase zu, allerdings auf eine Weise, die die Pepper’sche Nase in arge Mitleidenschaft zog.
Aus humanitären Gründen öffnete Parker die Tür erneut, stieg über den Catcher hinweg und blickte Mashnikow ins schwellende Auge. »Nur eine Frage am Rand, Mister. Wo erreicht man Mister Carboun? Es wäre freundlich von Ihnen, rasch zu antworten, da dieser wohlgenährte Mensch hier Anstalten macht, sich wieder zu erheben.« Parker deutete auf den Fleischkloß Pepper.
Mashnikow schien keine Lust zu haben, Parkers Wunsch auf Auskunft zu befriedigen. Er drückte sich von der Wand ab, in der Faust ein Messer.
Mit einem Aufschrei wollte er sich auf Josuah Parker stürzen und die Waffe einsetzen, doch er rutschte an Parkers rechtem Arm wie an einer schiefen Ebene ab und landete auf dem Fußboden.
Inzwischen hatte sich Jimmy Pepper entschlossen, wieder nach Kräften mitzumischen. Das sollte sich als Überschätzung seiner Möglichkeiten erweisen, denn urplötzlich fühlte er sich angehoben und hochgeliftet, bis sein Schädel mit der Zimmerdecke Kontakt bekam.
Pepper brüllte wie ein Stier, worauf Parker ihn der Schwerkraft überließ. Im Nebenzimmer kam Leben in den eingepferchten Charles Fever. Er kroch auf allen vieren unter dem Gewirr aus Stuhl- und Tischbeinen hervor. Parker fühlte sich bemüßigt, die Melone ins Spiel zu bringen, die auf mittlere Distanz als Frisbee-Scheibe eine verblüffende Abwehrwaffe war.
Wie ein Ufo schoß die steife, stahlverstärkte Kopfbedeckung auf den ahnungslosen Fever zu, erwischte ihn knapp unter dem Ohr und schickte ihn zurück ins Land der Träume.
Auch mit Pepper war nicht mehr zu rechnen. Er lag am Boden und schnaufte wie ein Walroß. Mashnikow kroch hin und her und suchte nach seinem Messer. Parker half ihm dabei, indem er die Stichwaffe mit dem Fuß weiterstieß – immer gerade dann, wenn Mashnikow danach greifen wollte.
Nach einigen Spielzügen wurde es Parker zu eintönig. Sein Fuß blieb stehen, und das Knie war genau vor Mashnikows Nase. »Man wäre Ihnen zu gewissem Dank verpflichtet, wenn Sie sich entschließen könnten, Mister Carbouns derzeitigen Aufenthaltsort mitzuteilen, Mister«, sagte Parker mit undurchdringlicher Miene. »Die Umstände erfordern Ihre freundliche Mitwirkung, da Sie zur Zeit der einzige sind, der noch ansprechbar ist.«
Wie zufällig geriet Mashnikows Schädel zwischen Parkers Knie, der dezent den Druck verstärkte, bis das Gesicht des Burschen rötlich anlief.
»Eddies Club«, würgte er hervor. »Der Edelzockerladen an der Barrymore Street.«
Parker linderte den Druck seiner Kniegelenke, und Mashnikow wurde regelrecht mitteilsam, »Der Boß ist jeden Nachmittag da, um finanziell auszuhelfen. Ein Goldjob für Könner, Mister. Nicht nur ein Prozent pro Tag – zehn Prozent pro Viertelstunde...«
Nach Parkers flüchtiger Rechnung entsprachen diese zehn Prozent einem glänzenden Geschäft. Setzte man zum richtigen Zeitpunkt beispielsweise jene fünfzig Pfund Seiner Lordschaft ein, käme man in Jahresfrist zu einem Vermögen von 175.000 Pfund.
»Eddies Club?« wiederholte Parker. »In der Barrymore Street?« Er hatte Mashnikow noch nicht aus der Knieklammer entlassen.
»Barrymore, Ecke Fulham Road«, ächzte der Mann. »Aber nicht sagen, daß es von mir stammt.«
Parker warf einen Blick in die Runde. Das Zimmer sah wie ein Schlachtfeld aus. Von den wackeligen Stühlen war keiner mehr heil. Auch der Tisch hatte gelitten. Ihm fehlte ein Bein. Parker nahm Handschuhe und Regenschirm und schritt hinüber, um die Melone zu holen. Mit äußerster Sorgfalt reinigte er die schwarze Kopfbedeckung von anhaftenden Staubpartikeln, ehe er sein Haupt darunter barg.
Mit allgemein gültigen Wünschen für den Verlauf eines angenehmen Nachmittages fand Parker die Tür und schritt gemessen und würdevoll hinaus. Ihm war nicht allzu viel Erfolg beschieden, doch das wenige, was er forschend herausgebracht hatte, wollte er nutzen und anwenden.
Bis zur Barrymore Street war es ein Fußweg von sechs bis sieben Minuten. Josuah Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum, mit dem er gekommen war, im Schatten einer Reklametafel zurück.
*
Der Spielclub war luxuriös und illegal. Man erreichte ihn nur über eine Außentreppe, die vermutlich als Feuer-Notabstieg gedient hatte. Inzwischen war die Treppe mit einer Stahl-Acrylglas-Konstruktion überdacht worden. Josuah Parker hatte keine Schwierigkeiten, Mitglied zu werden und Zutritt zu erlangen.
Mit lächerlichen fünf Pfund war die Sache abgetan. Der Geschäftsführer äußerte sich dahingehend, daß er sich glücklich schätzte, einen wirklichen Gentleman zu den Clubmitgliedern zählen zu dürfen. Der Geschäftsführer schielte dabei seltsam, was Josuah Parker nicht im mindesten berührte.
Er kannte die Unterschiede zwischen scheinbaren und wirklichen Gentlemen. Nicht die Kleidung war bestimmend, sondern die innere Einstellung. Die äußere Erscheinung der anderen Spieler konnte hingenommen werden. Es gab Pullover-Typen, aber auch Gestalten im Tuxedo-Anzug, in England Smoking genannt.
Allen gemeinsam war nach Parkers Auffassung eine leicht überhöhte Lautstärke. Man redete zu laut und zu unverhalten. Gespielt wurden Roulette, Black Jack und Baccarat. Wenn jemand am Spieltisch gewann, verkündete er es sofort der gesamten Gemeinde. Die Verlierer beschränkten sich auf tierisches Brüllen.
Der Stil des Clubs und die Art des Gewinnens und Verlierens entsprachen nicht Parkers Geschmack. Nach der notwendigen Investition von fünf Pfund, um überhaupt zugelassen zu werden, war er nun mal hier und gedachte, so rasch wie möglich jenen zweifelhaften Mister Carboun ausfindig zu machen.
Er wollte sich nicht auffällig nach ihm erkundigen. Es mußte möglich sein, Carboun dem Verhalten nach zu erkennen. Parker stand in der dritten Reihe am Baccarat-Tisch und beobachtete das Spielgeschehen, als ihm jemand leicht auf die Schulter tippte.
»Lust zum Spiel, Mister?«
Josuah Parker wandte sich um und besichtigte die gedrungene Gestalt, die ihn angesprochen hatte. Das herausragende Merkmal des anderen war ein voluminöser Schädel, den man normalerweise auch als »Wasserkopf« bezeichnet hätte. Vereinzelte Reste roten Haares ließen die Hypothese zu, daß der Mann in einschlägigen Kreisen wahrscheinlich mit »Red« angesprochen wurde.
Da Mister Carboun ebenfalls auf den Rufnamen »Red« hörte, sprach einiges dafür, daß Parker die gewisse Person gefunden hatte.
»Chips, oder Bares, Mister... äh, Sir?«
»Sie überlassen meiner Wenigkeit die Wahl?« Josuah Parker blickte den mutmaßlichen Red Carboun intensiv an.
»Hier wird mit Spielmarken gesetzt, Sir«, sagte der Wasserkopf. »Natürlich kommt auch Bares auf den Tisch, was im Fall des Gewinns das Um wechseln erspart. Wie wär’s mit hundert Pfund, Sir? Sie werden mit Sicherheit gewinnen und die hundert Pfund verdoppeln. Dann zahlen Sie einfach hundertzehn Pfund an mich zurück, und wir bleiben Freunde.«
»Gesetzt den Fall«, erwiderte Parker, »die Karten erlaubten sich eine unglückliche Lage?«
»Gar kein Problem, Sir. Sie geben mir Ihre Karte, und Sie zahlen das Darlehen zurück, wann immer es Ihnen paßt. Es kommen lediglich geringe Zinsen dazu.«
»Was hat der gemeinhin normale Mensch unter geringen Zinsen sich vorzustellen?«
»Kaum der Rede wert, Sir. Zehn Prozent auf alle sechs Spiele. Bei einem halben Dutzend Spielen werden Sie mit Sicherheit einmal gewinnen. Sie kennen doch die Bedingungen? Zwei, maximal drei Karten mit der Wertung von eins bis zehn. Acht gewinnt, und die Neun ist unschlagbar. Zuerst spielen Sie gegen die Banque, also Ponte. Ich werde Ihnen ein wenig behilflich sein, Sir. Genügen hundert Pfund?«
»Mit Gewißheit«, sagte Josuah Parker in aller Kürze. Er beobachtete die Vorgänge auf dem grünen Spieltisch. Der Banquehalter, ein rotgesichtiges Individuum, hatte soeben vierzig Pfund eingesetzt und mit Sieben gegen die Vier gewonnen. Nach Abzug der Gebühren stand die Banque nun bei 75 Pfund.
»Banco«, erklärte Josuah Parker von seinem Standort in der dritten Reihe. Einige Köpfe wandten sich ihm zu. »Nach dem Schlitten«, fügte der Butler hinzu.
»Ihr Einsatz, Sir?«
Der Ponte-Einsatz lag schon auf dem Tisch. Da nach dem Schlitten gespielt wurde, nahm der Croupier für Parker die ersten beiden Karten auf. Der Banquehalter legte eine Zehn und eine Sechs auf den grünen Filz. »Karte...!«
Er bekam eine weitere Zehn. Somit blieb es bei der Sechs. Der Croupier offerierte in Parkers Vertretung die Fünf und die Zwei. »Sieben gewinnt. Die nächste Banque, bitte.«
Die Chips im Wert von hundertundfünfzig Pfund wurden Josuah Parker mit einem länglichen, dünnen Mahagonibrettchen zugereicht, das wie der Schwanz einer Fischotter aussah.
Der vermeintliche Carboun wollte nach dem Gewinn greifen, doch Parkers Handgriff hinderte hin daran. »Sie hatten freundlicherweise fünfundsiebzig Pfund für mich ausgelegt, Mister. Zusammen mit den von Ihnen beanspruchten zehn Prozent macht Ihr Anteil exakt zweiundachtzig Pfund und fünfzig Pence aus. Sie erhalten den Betrag bar.«
Während der im Uhrzeigersinn nächste Spieler am Tisch die Banque übernahm, zahlte Parker seinen Financier mit Bargeld aus und sagte »banco«, ohne die Erklärung des neuen Banque-Halters abzuwarten.
Der wiederum drehte sich zu Parker um. »Wie wär’s mit Dreihundert, Mister?«
Josuah Parker nickte. »Wie es Ihrem Belieben entspricht, Sir.« Diesmal wehrte er den Wasserkopf ab, der eilfertig den Einsatz plazieren wollte.
»Meine Wenigkeit zieht es vor, mit eigenem Geld zu gewinnen, Mister«, sagte er und reichte drei Banknoten zu je hundert Pfund hinüber.
»Wieder nach dem Schlitten, Sir?« erkundigte sich der Croupier.
»Gewiß«, sagte Parker. »Es erleichtert ungemein den Spielablauf.«
Der Banque-Halter erzielte mit den beiden ersten Karten eine Acht, während Parker mit Hilfe des Croupiers nur insgesamt die Fünf zustandebrachte. Damit blieb das Spiel bei der Banque, und Parkers Einsatz war verloren.
»Pech«, brummte der vermeintliche Carboun. »Jetzt müssen Sie dranbleiben und den Verlust wieder einspielen, Sir. Die Banque steht bei fünfhundertfünfundsechzig Pfund. Gestatten Sie?«
Der nicht nur vermeintliche, sondern auch wirkliche Red Carboun zauberte mit der Gewandtheit eines Frettchens Parkers Einsatz in Form von Chips auf den Tisch und erklärte halblaut, der Verlierer halte banco prime.
»Nur deshalb, Sir, damit Ihnen kein anderer Zock... äh, Spieler dazwischenkommt.«
»Man versteht durchaus«, reagierte Parker mit steinerner Miene. »Allerdings zieht meine bescheidene Person es vor, den Einsatz allein und aufgrund eigener Entscheidung zu tätigen. Nehmen Sie daher – mit Verlaub Ihr Geld zurück.« Parker zählte mit Bedacht sechs Banknoten zu je hundert Pfund ab und reichte sie dem erwünschten Buchmacher.
»Wieder nach dem Schlitten, Sir?« fragte der Croupier.
Parker schüttelte den Kopf. »Man zieht es vor, selbst zu entscheiden.«
Der Banque-Halter präsentierte mit überlegenem Grinsen seine Acht mit der Zehn und sagte: »Schlagkarte, Mister.«
»Wie Sie meinen«, erklärte Parker und drehte die Sechs und die Zwei um.
»En cartes!« verkündete der Croupier. »Was sagt die Banque?«
»Noch mal. Ab dafür, Mann!«
Auch Parker bekundete sein Interesse, erneut die Ponte zu halten. Es ging nach wie vor um 565 Pfund.
Der Banque-Halter drehte die erste Karte sofort um. Es war die unschlagbare Neun. Parker hatte nur eine Zehn und eine Zwei bekommen.
»Keine Karte«, bluffte der vierschrötige Banque-Halter.
Josuah Parker ließ sich nicht beirren. Hätte der Mann zu der Neun noch eine Zehn gehabt, so daß es bei Neun blieb, wären die Karten sofort aufgedeckt worden. Wahrscheinlich besaß die Banque zu der Neun noch eine Drei oder Vier, was im Ergebnis die Zwei oder die Drei ausmachen würde.
Gegen die Drei kam Parker nicht an, so daß er zu seiner Zwei die dritte Karte forderte.
»Sechs verkauft«, sagte der Croupier mitleidslos.
Der Banque-Halter griff schon nach dem Pott, als Parker zu der Sechs die Zehn und die Zwei vorzeigte.
Rund um den Tisch ging ein Raunen. »Acht in der Ponte ...«
Damit war Josuah Parker Eigentümer des Gesamteinsatzes von 1 130 Pfund, da bei Pontegewinn keine Abzüge gemacht wurden.
»Hundertunddreizehn Pfund für mich«, sagte Red Carboun drängend.
Parker neigte den Kopf. »Es scheint, daß Sie meiner Wenigkeit noch fünfunddreißig Pfund schuldig sind, Sir. Einen sofortigen Ausgleich sollte man diskret vornehmen.«
Carboun wurde erst rot, dann blaß. »Hundertunddreizehn Pfund, Mister! Es war vereinbart, daß ich von allen sechs Spielen zehn Prozent bekomme!«
»Sofern Sie jene Spiele auch finanziert hätten, Sir. Dies ist aber – mit Verlaub – nicht der Fall. Meiner Beobachtung nach erhielten Sie den voreilig getätigten Einsatz des letzten Spiels bar zurück.«
»Aber ich habe Sie beraten«, versuchte Carboun eine Begründung.
»Auch das dürfte nicht zu abschöpfenden Maßnahmen an dem von meiner bescheidenen Person erzielten Gewinn berechtigen. Vielmehr geht es um das Wechselgeld der übergebenen sechshundert Pfund. Muß man die Polizei benachrichtigen, oder erwägen Sie eine freiwillige Zahlung, Sir?«
»Polizei? Beim Allmächtigen – wer sind Sie denn, Mister?«
»Diese Frage stellte man auch schon seitens Ihrer verehrten Mitarbeiter in den Räumlichkeiten, die Sie als Büro und Unterkunft zu nutzen scheinen, Sir. Dort konfrontierte man mich mit unerwünschten Tätlichkeiten.«
»Sie müssen Parker sein, der Butler von Lady Simpson!«
»Ihr Gespür für die Realitäten des Lebens ist unschlagbar. Wäre es vermessen, der Vermutung Ausdruck zu verleihen, bei Ihrer bedingt werten Person handele es sich um den Geschäftsführer des Geldverleihdienstes, Mister Red Carboun?«
»Sie wollen mich wohl reinlegen, Parker.«
»Nicht im mindesten, Sir. Vielmehr führt mich ein Auftrag Myladys zu Ihnen, Sir. Es handelt sich um zwei Angelegenheiten.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Dies ist durchaus nebensächlicher Natur, doch da Sie Wert auf die Auskunft zu legen scheinen: ein Mister Mashnikow ließ sich überreden, Ihren Aufenthaltsort mitzuteilen, Sir. Kommen wir jetzt zur Sache. Lady Agatha Simpson wünscht eine Abrechnung des Ihnen gewährten Kredites.«
»Sie hat das Geld doch längst zurück. Fünfzigtausend für dreißigtausend!«
»Gewiß, das bestreitet Mylady auch nicht. Mylady beansprucht indessen auch, an den erwirtschafteten Zinsen zu partizipieren. Vierzig Prozent scheinen Mylady erschreckend gering.«
»So? Tut es das? Bestellen Sie der alten Schachtel, sie bekäme keinen Penny mehr von mir. Überhaupt, ich sollte Lady Agatha anzeigen! Was sie gemacht hat, ist purer Zinswucher!«
»Mylady dürfte da im Prinzip anderer Meinung sein, Mister Carboun. Da Sie für Darlehen mindestens ein Prozent Zins täglich fordern, verlangt Mylady, entsprechend beteiligt zu werden. Es wäre daher in Myladys Sinn, wenn Sie Ihre Bücher offenlegten und sich mit einer Prüfung einverstanden erklärten, Sir. Widrigenfalls sähe Mylady sich gezwungen, gewisse Behörden einzuschalten.«
Carboun schnappte nach Luft. »Das ist die größte Frechheit, die mir je ...«
Parker winkte ab. »Es empfiehlt sich, die Angelegenheit möglichst emotionslos zu bereinigen, Mister Carboun. Erst heute vormittag fand ein Gespräch statt zwischen Mylady und Mister McWarden, dem Chief-Superintendent von Scotland Yard. Es scheint, daß Ihre Finanzpraktiken in besagtem Haus nicht völlig unbekannt geblieben sind, Sir.«
»Zum Teufel mit McWarden! Ich lasse mich nicht unter Druck setzen. Und ich dränge mein gutes Geld niemand auf. Meine Kunden waren stets mit den Konditionen einverstanden.«
»Dem zu widersprechen steht meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu, Sir. Es könnte jedoch zu bedenken sein, daß ein Einverständnis nicht gleichzusetzen ist mit Zufriedenheit. In diesem Zusammenhang darf man erwähnen, daß Seine Lordschaft, der höchst ehrenwerte Percival Bandersham, gewisse Beschwerden hinsichtlich der Maßnahmen geführt hat, die Seine Lordschaft zur Rückzahlung des Darlehens bewegen sollten.«
»Bei manchen Kunden hilft nur etwas Druck, Parker.«
»Offensichtlich in vielen Fällen ein durchaus legitimer Vorgang, Sir. Man kann die heutige Aktion Ihrer Mitarbeiter in gewissem Maß verstehen, wenn auch nicht gutheißen, da lediglich Platzpatronen schallgedämpft zur Detonation gebracht worden sind. Der zweite Anschlag auf die ehrenwerte Person Seiner Lordschaft kommt jedoch einem Attentat gleich. Eine Anzeige wegen Menschenraubes dürfte größte Aussicht auf Erfolg haben. Man wird Ihre Mitarbeiter festnehmen und Sie als Rädelsführer anklagen, Mister Carboun.«
Wie ein Fisch auf dem Trockenen klappte Carboun den Mund auf und zu. Seine Augen quollen hervor. »Dieses dicke alte Pferd«, ächzte er. »Sie will mir was einbrocken ...«
»Sollte diese Äußerung der Person Lady Agatha Simpsons gelten, muß dies wegen des ungebührlichen Vergleichs ausdrücklich zurückgewiesen werden, Sir. Als Myladys Butler verwahrt man sich entschieden gegen eine solch beleidigende Herabsetzung. Myladys Erscheinung ist stattlich, und das Lebensalter ist im Bereich der vollen Blüte anzusetzen, weshalb der gezogene Vergleich zu einem Geschöpf aus der Tierwelt der sofortigen Zurücknahme bedarf.«
Josuah Parker blickte Carboun mit unbewegter Miene an.
Der Geldverleiher wand sich. »Na gut, ich nehm’s zurück. Ich hab’ nichts gegen Ihre Herrin, Parker. Sie soll sich nur nicht in meine Angelegenheiten einmischen.«
»Das ist auch nur bedingt Myladys Absicht. Lord Percival hat den Vorzug, ein Neffe zweiten Grades zu sein. Schon dies verpflichtet Mylady zu überlegten Gegenmaßnahmen. Man darf die gewaltsame Entführung Seiner Lordschaft keinesfalls hinnehmen.«
»Ich hab’ nichts damit zu tun, zum Henker! Fragen Sie doch meine Leute, Parker! Jeder kann bestätigen, daß ich dem Mann sogar noch eine Nachfrist eingeräumt habe. Dafür steigen die Zinsen weiter an, aber ich laß’ doch keinen meiner Kunden auf offener Straße abräumen.«
»Seine Lordschaft erwähnte Ihre Androhung, ihm im Fall des Zahlungsverzuges ein Ohr abzuschneiden, Mister Carboun. Zählen derartige Eingriffe etwa zu Ihren üblichen Gepflogenheiten? Mylady ordnete an, Seine Lordschaft unverzüglich freizulassen. Dies scheint nicht geschehen zu sein, denn Seine Lordschaft tätigte nicht den vereinbarten Kontrollanruf.«
»Wie sollte er auch! Ich hab’ mit seiner Entführung nichts zu schaffen, verdammt. Wie oft soll ich das noch sagen? Die alte Fregatte... äh, Ihre Herrin, meine ich, jedenfalls, sie hat einfach aufgelegt, ohne mich zu Wort kommen zu lassen. Paßt das vielleicht zu einer Lady?«
»Nicht Myladys Verhalten steht zur Debatte, sondern das Ihre, Mister Carboun. Es kann nur zum wiederholten Mal bekräftigt werden, daß Sie mit der Vollstreckung polizeilicher Zwangsmaßnahmen zu rechnen haben, sollte Seine Lordschaft nicht innerhalb der nächsten Stunde auf freien Fuß gesetzt werden.«
»Ich hab’ ihn nicht und weiß auch nicht, wo er steckt!«
Butler Parker ließ sich nicht beeindrucken. »Der Auftrag meiner Wenigkeit geht dahin, Sie wissen zu lassen, daß es Myladys Wunsch ist, Seiner Lordschaft die Zinsen zu erlassen. Dem Vernehmen nach macht das Darlehen einen Betrag von fünftausend Pfund aus. Über die zins- und spesenfreie Rückzahlung dürfte verhandelt werden können, sobald die Bedingungen erfüllt sind, Mister Carboun.«
»Was für Bedingungen denn noch?« heulte Carboun auf.
»Sie kennen sie bereits, Sir. Sofortige Freilassung seiner Lordschaft, Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wegen erlittener Unbill, Verzicht auf jegliche Zinsen und Nebenkosten aus dem gewährten Darlehen und schließlich Ausgleich der Restforderung, die Mylady an Sie zu stellen hat, Mister Carboun.«
»Sie muß verrückt sein, Ihre Lady! Ihr alle müßt verrückt sein! Ich kann keine einzige Bedingung erfüllen. Der Teufel weiß, wo Percy steckt. Irgendein Schmerzensgeld geht mich daher auch nichts an. Auf meine Zinsen und Spesen kann ich nicht verzichten, und was das Geld betrifft, das Ihre Herrin bei mir abziehen will, so kann ich nur sagen, sie tickt nicht richtig. Agatha Simpson hat für sechs Wochen vierzig Prozent kassiert. Im voraus! Aufs Jahr umgerechnet wären das ...«
»Dreihundertsechsundvierzig vier Zentel Prozent«, sagte Parker ohne nachzudenken oder mit der Wimper zu zucken. »Da Sie bekanntlich nicht unter ähnlicher Zahl einnehmen, Sir, verbleibt noch eine Differenz zu Myladys Gunsten. Umgerechnet auf den Betrag von fünfzigtausend Pfund ergibt dies eine Restforderung von rund neuntausend Pfund, um deren Zahlung Mylady Sie dringend ersucht. Dessen ungeachtet wird die Polizei über die Entführung Seiner Lordschaft in Kenntnis gesetzt. Die Konsequenzen dürften Ihnen bekannt sein, Mister Carboun.«
»Ihr wollt mich fertigmachen.«
»Ein Ausdruck der Gosse, wie der Volksmund sagt. Aber dies liegt weder in Myladys noch in meiner Wenigkeit Absicht, Sir. Ihre Geschäfte und Aktionen sind nicht Gegenstand dieses Gesprächs, sondern lediglich berechtigte Forderungen, die im Einklang stehen mit der sogenannten Praxis von Recht und Gesetz. Man wünscht Ihnen noch einen wunderschönen Tag, Sir!«
»Halt! Warten Sie, Parker!«
»Sir?«
»Es bleibt dabei: ihr wollt mich fertigmachen. Himmel und Hölle, ihr zwingt mich, das schmutzige Spiel mitzumachen, wenn ich nicht in Teufels Küche kommen will.«
»Ihre Äußerung verrät ein gewisses Maß an Einsicht, wenn auch die Formulierung sachbezogener hätte ausfallen dürfen, Sir. Meine Wenigkeit kann Mylady also melden, daß Myladys Wünsche lückenlos erfüllt werden?«
»Melden Sie dem alten Schlachtroß, was Sie wollen, Parker. Aber lassen Sie die Polizei aus dem Spiel.«
»Wie es Ihnen beliebt, Sir. Sie haben noch neunundvierzig Minuten und dreißig Sekunden Zeit, Myladys vordringlichste Forderung zu erfüllen. In gewissen Situationen muß der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden, Mister Carboun. Zweifellos werden Sie Verständnis dafür haben, wenn von seiten Myladys flankierende Maßnahmen eingeleitet werden, um das derzeitige Schicksal Seiner Lordschaft zu erhellen.«
»Gegen Sie und Ihre Chefin muß der Teufel ein armer Wicht sein, Mister Parker.«
»Im Meinungsspektrum betroffener Kreise wurde bisweilen Ähnliches geäußert, Sir, aber der Zweck heiligt die Mittel. Diese Volksweisheit dürfte insbesondere Ihnen von Nutzen gewesen sein, als Sie die Laufbahn des Bankräubers aufgaben und sich scheinbar solideren Geschäften zuwandten, Mister Carboun.«
Josuah Parker konsultierte seine Taschenuhr. »In genau achtundvierzig Minuten wird in Ihren... hm, Geschäftsräumen das Telefon anschlagen. Meine bescheidene Wenigkeit wird von Ihnen Auskunft über den Verbleib Seiner Lordschaft verlangen. Es dürfte allein an Ihnen liegen, ob nach Ablauf der Frist unverzüglich die Polizei eingeschaltet wird, Sir. Nochmals wünscht man einen guten Tag.«
*
Josuah Parker kehrte ins herrschaftliche Fachwerkhaus in Shepherd’s Market zurück und erstattete Mylady Bericht.
»Sie hätten Carboun noch weiter in die Enge treiben müssen, Mister Parker«, rügte die ältere Dame. »Ich kann mir denken, wie er triumphiert, daß er Sie billig losgeworden ist. Carboun hat den armen Percival in den Klauen und wird ihn als Faustpfand und Geisel behalten.«
»Wollen Mylady gütigst die Voraussetzung berücksichtigen, daß Mister Carboun zwecks Geiselnahme Seine Lordschaft erst mal in die Hand bekommen muß. Man kann kaum davon ausgehen, daß dies am heutigen Tag geschehen ist, Mylady. Das Geländefahrzeug, in welches einzusteigen Seine Lordschaft genötigt worden ist, zählt nicht zum Wagenpark Mister Carbouns.«
»Solche Wagen kann man doch auch leihen. Carboun wird nicht so dumm gewesen sein, ausgerechnet für eine Entführung ein eigenes Fahrzeug einzusetzen.«
»Mit Verlaub, Mylady, Leihfahrzeuge pflegen zumeist in verkehrstüchtigem Zustand zu sein. Der betreffende Landrover hingegen wies nach Aussage des Taxichauffeurs erhebliche Mängel am Auspuff auf.«
»Und was schließe ich daraus, Mister Parker?«
»Nun, wie Mylady völlig richtig erkannt haben, kann das fragliche Gefährt weder Mister Carboun, noch einem Leihwagenunternehmen zugeordnet werden. Daraus dürfte folgen, daß nunmehr auch Dritte ein gewisses Interesse an der hochwohlgeborenen Person Seiner Lordschaft bekunden.«
»Aber wer denn?«
»Um hier Klarsicht zu erlangen, wäre es vonnöten, die jüngsten prägenden Ereignisse im Leben Seiner Lordschaft zu durchleuchten, Mylady. Die Vermutung ist naheliegend, es könne sich um einen weiteren ungeduldigen Gläubiger Seiner Lordschaft handeln.«
»Was sonst? Aber wozu diese spektakuläre Entführung, Mister Parker? Percival ist doch nichts wert. Ich wüßte keinen Menschen, der auch nur einen Penny für Percivals Freilassung zahlen würde.«
»Mylady wollen sich auf die Eigenschaft als Seiner Lordschaft Tante besinnen. Es dürfte Grund zum Erstaunen geben, daß noch keinerlei Forderungen an Mylady herangetragen worden sind.«
»Woher wollen Sie das wissen, Mister Parker? Sie haben sich ja den halben Nachmittag in Lambeth herumgetrieben, während ich bemüht war, mein wichtiges Buch zu beginnen. Zweimal wurde ich gestört.«
Josuah Parker hob die Brauen. »In der Tat, Mylady?«
»Wenn ich’s sage! Erst war ein Bote an der Tür und klingelte Miß Porter heraus, kurz darauf wurde ich per Telefon belästigt.«
»Geruhen Mylady meiner bescheidenen Wenigkeit Grund und Inhalt beider Belästigungen mitzuteilen?«
»Der Wisch, den der Bote brachte, muß noch drüben auf dem Tisch liegen, Mister Parker. Und am Telefon war nur ein flehendes Gestammel zu hören, zweifellos ein Versuch, Percivals Stimme zu imitieren, um mich für unerhörte Zahlungen weichzuklopfen.«
»Seiner Lordschaft Stimme?«
»Eben nicht, Mister Parker. Percival kann es nicht gewesen sein, denn die Stimme war ganz anders als gewohnt. Heiser. Außerdem nannte man mich ›Tante Agatha‹! Unerhört. Ich habe sofort eingehängt.«
»Was wurde denn, mit Verlaub, Mylady zu Gehör gebracht?«
»Gestammel, wie ich schon sagte. Es ging natürlich um Geld. Den Betrag habe ich sofort wieder vergessen. Percival soll sich hüten, solchen Unfug noch mal zu machen.«
»Vor wenigen Atemzügen erläuterte Mylady, es könnte sich in keiner Weise um Seine Lordschaft gehandelt haben«, erinnerte der Butler.
»Ach, was weiß ich ... Ich unterhalte keinen Unterstützungsfonds zugunsten bedürftiger Verwandtschaft. Wenn Sie unbedingt Ihre Neugier befriedigen müssen, Mister Parker, klemmen Sie sich hinter Carboun und verhelfen Sie Percival wieder zur Freiheit. Ich will von diesen Dingen nichts mehr hören. Was meine berechtigte Forderung an Carboun betrifft, sind neuntausend Pfund geradezu lächerlich.«
»Es wäre die Differenz zwischen den bereits gezahlten Zinsen und dem Zinssatz hochgerechnet auf ein Jahr, Mylady. Mister Carboun war mit dieser bescheidenen Forderung ohnehin nicht einverstanden. Es dürfte Mylady schwerfallen, Ihre Forderung gerichtlich durchzusetzen, da ein Zinsfuß von mehr als zwei Prozent über dem Diskontsatz der Bank von England als unredlich gilt.«
»Unsinn! Carboun verlangt von Percival ja auch mehr als das Doppelte. Und ich denke nicht daran, dafür aufzukommen.«
Josuah Parker verneigte sich. »Wenn Mylady meiner bescheidenen Wenigkeit erlauben, einen Blick auf jenes Schriftstück zu werfen, das der Bote überbrachte ...«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Mister Parker. Ich will, wie gesagt, von dieser Angelegenheit nichts mehr wissen. Ein Jammer, daß Mister Rander nicht im Land ist, der gute Junge wäre mit Carboun und Konsorten anders umgesprungen.«
»Mister Rander weilt zur Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika«, erwiderte Parker. »Es handelt sich um die Verfolgung ureigener finanzieller Interessen Myladys.«
»Das weiß ich selbst. Sie sollen mich nicht belehren, Mister Parker, aber ich möchte Percivals Verschwinden im Handumdrehen aufklären. Muß ich mich denn da um jede Kleinigkeit selbst kümmern? Ich erwarte von Ihnen die Erfolgsmeldung zur Teezeit, Mister Parker.«
»Wie Mylady wünschen«, sagte der Butler. »Mylady geben meiner bescheidenen Wenigkeit freie Hand?«
»Tun Sie, was Sie für nötig halten, Mister Parker. Und vor allem: vermeiden Sie weitere Ausgaben. Ich muß die Haushaltskosten einschränken, wenn Carboun mir gerechte Forderungen vorenthält. Ein Verlust in dieser Höhe wird schwer zu verkraften sein.«
Parker schwieg mit der glatten und ausdruckslosen Miene eines professionellen Pokerspielers. Nach seinem Dafürhalten waren bei einem Einsatz von 50.000 Pfund rasch erzielte 20.000 kein eigentlicher Verlust im Sinn der Bedeutung des Wortes.
Taktvoll wartete er, bis die Hausherrin sich ihrer Tätigkeit wieder zugewandt hatte. Dabei wies er die Aussicht weit von sich, Lady Agatha sei dabei, ein Plagiat zu verfassen, obwohl Material, Recherchen und Grundlagen zum größten Teil aus Buchexemplaren einer berühmten Schriftstellerin stammten.
Josuah Parker nahm das Schriftstück in Augenschein, das der Bote gebracht hatte. Es handelte sich um einen Bogen billigen Papiers mit aufgeklebten Buchstaben, die aus einer Zeitung ausgeschnitten sein mußten.
LORD BANDERSHAM GEHT ES GUT. NOCH!
Es war weniger die Kürze der Nachricht als die unterschwellige inhaltliche Androhung, an der Kontinuität im Wohlbefinden Percival Bandershams könnte sich bald etwas ändern und Parker motiviert werden, die Lösung des Problems nunmehr ernsthaft und unverzüglich voranzutreiben.
Er begab sich in seine Räume im Souterrain des Hauses und nahm telefonisch Verbindung auf mit einem Gentleman, der trotz höchster Ehrenhaftigkeit gewisse Kontakte zur Unterwelt nicht leugnete: Mister Horace Pickett.
*
»Dieser Landrover führt uns nicht viel weiter, Mister Parker«, äußerte sich Horace Pickett. »Allein in London sind schätzungsweise fünftausend solcher Fahrzeuge registriert.«
»Gewiß, Mister Pickett. Jedoch kann von der Hypothese ausgegangen werden, daß nur ein verschwindend geringer Bruchteil der registrierten Landrover mit defekter Auspuffanlage betrieben wird. Mich wundert ohnehin die Dreistigkeit, mit einem Geländewagen durch Stadtbezirke wie Belgravia zu kreuzen.«
»Die Leute hatten wohl keine andere Wahl, wenn sie hinter Seiner Lordschaft her waren, Mister Parker.«
»Man könnte diesen Gedanken auch noch weiter ausspinnen und die These vertreten, die Auspuffanlage sei manipuliert worden, um polizeiliche Verfolger in die Irre zu führen.«
»Wie darf ich das verstehen?« fragte Pickett.
»Sie sind doch ein überlegener Fachmann, Mister Pickett, wenn das in dieser Form mal gesagt werden darf. Und als solcher wissen Sie, daß der Erfolg eines kriminellen Deliktes davon abhängig ist, sich ungehindert ab setzen zu können. Die Entführung seiner Lordschaft, die bekanntermaßen vor unbeeinflußten Zeugen stattfand, erforderte ein absolut gebrauchstüchtiges Fahrzeug.«
»Sollte man annehmen, Mister Parker. Ein dröhnender Geländewagen ist nicht gerade das, was man unter einem unauffälligen Fluchtfahrzeug versteht. Jeder Constable würde bemüht sein, ein solches Fahrzeug zu stoppen und den Mann am Steuer zu verwarnen.«
»Mister Pickett, Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wie der Volksmund sagt. Diesen Effekt haben sich die Entführer Seiner Lordschaft offensichtlich zunutze gemacht. Während die Polizei nach einem dröhnenden Landrover fahndet, rollt das gesuchte Fahrzeug unbeanstandet durch sämtliche Kontrollen, weil die Auspuffanlage nicht mehr defekt ist.«
»Ich verstehe, Mister Parker. Wirklich genial, das Ganze. Der auffälligste von fünftausend Landrovers wird plötzlich wieder zum unauffälligsten. Man braucht praktisch nur eine zusätzliche Klappe einzubauen, um das Knattern abzustellen. Ich denke da an Smitty Georges, den man ›die Glatze‹ nannte, obwohl er prächtiges Haupthaar besaß.«
»Der Fall ist mir bekannt, Mister Pickett. Der Mann wurde schließlich doch überführt.«
»Auch große Verbrecher vergessen mitunter die primitivsten Gesetze des Überlebens, Mister Parker.«
»Im vorliegenden Fall dürfte der Fehler darin bestehen, wegen des Umbaus der Auspuffanlage einen Reparaturbetrieb aufgesucht zu haben. Gezielte Nachfragen meiner bescheidenen Person bei derartigen Unternehmen könnten falsch verstanden werden. Eine solche Modifikation einer Auspuffanlage dürfte aus dem Rahmen üblicher technischer Dienstleistungen fallen.«
»Und ob, Mister Parker! Sie haben Ihre Finger genau auf dem Punkt. Eine anständige Werkstatt läßt sich auf so etwas nicht ein. Das machen nur linke Vögel, die auch gestohlene Autos umfrisieren. Ich kenne einige solche Hinterhofbetriebe. Geben Sie mir eine halbe Stunde Zeit, und ich denke, ich kann mit Erfolgen aufwarten.«
»Das wäre ein erster Lichtblick in der Düsternis um das Schicksal Seiner Lordschaft, Mister Pickett. Im voraus schon den Dank meiner Wenigkeit für Ihre wertvollen Bemühungen. Man weiß Ihre freundliche Unterstützung in vollem Umfang zu schätzen.«
»Schon gut, Mister Parker. Ich bin nach wie vor tief in Ihrer Schuld, seitdem Sie mich auf den Pfad der Tugend zurückgeführt haben. Sie hören von mir. Ich melde mich in einer halben Stunde.«
*
Wer sich meldete, kaum daß Josuah Parker den Hörer aufgelegt hatte, war Red Carboun.
»Ich schaffs nicht, Mister Parker«, sagte er mit einem Anklang beginnender Hysterie. »Eine Stunde lang hab’ ich mich umgehört, aber keiner will’s gewesen sein. Die Sache mit Percy ist nicht mal einschlägig bekannt. Da müssen ganz neue Leute dran sein, Parker. Ich geb’s auf.«
»Sie sollten Ihr Naturell zügeln und nicht so hastig sein, Mister Carboun. Man bedarf auch weiterhin Ihrer Hilfe, oder wünschen Sie die Polizei im Haus?»
»Zum Henker, nein! Jetzt wollen Sie mich erpressen, obwohl Sie verdammt gut wissen, daß ich mit der Sache wegen Percy nichts zu tun habe.«
»Sie sollten Seine Lordschaft in anständiger Form erwähnen, Mister Carboun. Wer gibt Ihnen das Recht, Lord Percival auf unschickliche Weise als ›Percy‹ zu bezeichnen?«
»Schon gut, Parker. Also ›Lord Percival‹, wenn soviel davon abhängt. Was soll ich noch tun, damit Sie die Polizei aus dem Spiel lassen?«
»Abgesehen von den bekannten Bedingungen, die zu erfüllen sind, erwartet meine Wenigkeit von Ihnen Unterstützung beim Auffinden eines speziellen Fahrzeuges. Seine Lordschaft wurde in einem Rover entführt, genauer gesagt in einem sogenannten Landrover.«
»Weiß ich. Ich kenne diese Kutschen, aber ich habe noch nie eine besessen. Man kommt sich damit vor wie damals im Krieg. Die Rover-Limousine ist mir lieber.«
»Wir haben es augenblicklich nicht mit Geschmackstendenzen bezüglich Automobilkauf zu tun, Mister Carboun. Die Entführer Seiner Lordschaft benutzten einen Landrover, wie bereits zur Kenntnis gebracht wurde. Setzen Sie Ihre Leute auf die Klärung der Frage an, welche Kreise Fahrzeuge des Typs Landrover verwenden.«
»Meine Leute kann ich vergessen, Parker. Meine beste Eintreiberkolonne will nicht mehr, seit Sie zugeschlägen haben. Fever fürchtet um sein Leben und will aus wandern; Jimmy Pepper hat sich nachgemessen und festgestellt, daß er nach Ihrer Behandlung einen halben Zoll kürzer geworden ist, und Mashnikow sitzt brütend herum, wie er Ihnen am einfachsten die Gurgel durchschneiden kann, Parker.«
»Ihren Mitarbeitern fehlt es offensichtlich an der beruflichen notwendigen Gelassenheit, Mister Carboun. Nach dem Dafürhalten meiner Wenigkeit übertreibt Mister Fever, der noch am günstigsten davongekommen ist. Man erwartet von Ihren Leuten rasche Ergebnisse. Der Auftrag ist klar. Die Herren Mashnikow, Fever und Pepper sollten ausschwärmen und sich nach dem Landrover umhören. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, da man sonst genötigt sein könnte, die Polizei einzuschalten.«
»Sie sind kein netter Mensch, Parker.«
»Ein solcher zu sein, ist im vorliegenden Fall schwerlich die Aufgabe meiner bescheidenen Wenigkeit, Mister Carboun.«
*
Percival Bandershams Augen brannten höllisch und sonderten Tränenflüssigkeit ab. Nachdem er mit Agatha Simpson telefoniert hatte, waren ihm bescheidene Wünsche erfüllt worden, einen Schluck zu trinken oder ein frisches Taschentuch zu nehmen.
Lord Percival war an die Pfosten eines eisernen Bettgestells gefesselt und fand seine Lage entwürdigend. Man hatte ihm jede Auskunft verweigert, warum der Überfall auf ihn verübt worden war.
»Ich brauche noch etwas zu trinken«, forderte er und blinzelte seine Bewacher an.
»Gib ihm Tee«, sagte der Hagere zu seinem Kumpan. Die beiden Kerle vermieden es, einander mit Namen anzusprechen. Ab und zu unterhielten sie sich in einer Sprache, die Percy nicht verstand. Jedenfalls hatte er solch kehlige Laute in Eton nie gehört.
»Ich will keinen Tee, zum Teufel«, beschwerte er sich. »Erstens ist es noch zu früh dafür, und zweitens verlange ich ein großes Glas schottischen Whisky.«
Die Kerle lachten. »Whisky will er ... Welche Marke darf’s denn sein? White Horse, Johnnie Walker, oder vielleicht einen Dimple, Euer Lordschaft?«
»Mir ist alles recht.«
»Leider hast du Pech. Außer Wodka ist nichts da, und den hat der Boß weggeschlossen.«
»Wer ist das, euer Boß?« verlangte Percival zu wissen. »Er wird mächtig Ärger bekommen, denn Tante Agatha ist eine berühmte Kriminalistin und verfügt über erstklassige Kontakte zu Scotland Yard. Ihr werdet alle hängen!«
»Spuck nicht so dicke Töne«, brummte der Kumpan des Hageren. Sein starker Akzent verriet seine osteuropäische Herkunft. Kraftausdrücke beherrschte er jedoch wie ein gebürtiger Cockney. »Wenn der Boß kommt, wirst du noch mal mit deiner Tante telefonieren. Wehe dir, du machst es dann nicht besser.«
»Lady Agatha rückt keinen Penny heraus, das habe ich schon gesagt. Erst heute vormittag habe ich sie eindringlich um Geld gebeten.«
»Das wissen wir, Percy. Wir wissen viel mehr, als du denkst. Und Agatha Simpson wird trotzdem zahlen – mit Freuden! Verlaß dich drauf.«
Bandersham rieb sich die brennenden Augen, doch er konnte die Gesichter der Kerle nicht klar erkennen. Außerdem war das Fenster mit schmutzigem Stoff abgedunkelt.
»Chief-Superintendent McWarden vom Yard ist ein guter Bekannter von mir«, versuchte er es aufs neue. »Ihr werdet eurer gerechten Strafe nicht entgehen.«
»Sprüche. Nichts als dumme Sprüche, Percy. Dir kann niemand helfen außer der reichen Lady, wenn sie dich auslöst. Natürlich kann sie’s auch bleibenlassen, aber dann ist sie schuld an deinem frühen Abflug in die Ewigkeit.«
Die Lage war recht desolat. Man konnte nur hoffen, daß der Boß der Bande vernünftiger reagierte, den Fehler einsah und die Entführung aufhob. Keine Macht der Welt brachte Lady Agatha dazu, für nichts Geld auszugeben. Und in ihren Augen war er ein solcher Nichts, das hatte sie ihm nicht vorenthalten.
Seine Lordschaft stöhnte. Nie zuvor war seine Existenz vom Geiz einer entfernten Verwandten abhängig gewesen.
Als letzter Träger des Namens Bandersham und des damit verbundenen Titels hatte er zwar Anspruch auf einen Sitz im Oberhaus, aber er hatte sich nie viel aus Politik gemacht. Es war Arbeit genug gewesen, Erbteil und Besitz unter die Leute zu bringen.
Auch eine standesgemäße Ehefrau war ihm bislang versagt geblieben, da der britische Hochadel allgemein kaum noch aus dem vollen lebte und mehr auf das Bankkonto geachtet wurde als auf die lange Ahnenreihe. Vielleicht war es gut, wie es gekommen war. So hinterließ er zumindest keine trauernde Witwe, wenn man ihn wegen Tante Agathas Geiz wirklich killen sollte ...
Lord Percival gönnte sich ein zweites Mal den Luxus, tief zu stöhlen.
»Mach nicht so’n Lärm!« fuhr der Hagere ihn an. »Sollen die Leute nebenan denn denken, hier würde einer abgemurkst?«
Das plötzliche Wissen um die Nachbarn verlieh Bandersham frischen Mut. Er holte tief Luft und schrie aus Leibeskräften.
»Hilfe! Polizei! Mörder!«
Eine schwitzende Hand verschloß ihm Mund und Nase, so daß er weder ein- noch ausatmen konnte. Beinahe schwanden ihm die Sinne.
»Noch ein Laut, und du hast es hinter dir«, vernahm er wie von fern die Stimme seines Peinigers.
Seine Lordschaft nickte beteuernd.
»Laß ihn leben«, sagte der Kumpan des Hageren. »Er soll doch noch mal mit der Alten telefonieren. Erst wenn das nichts bringt, schmeißt der Boß ihn weg.«
Es folgte ein Schwall dunkler, gutturaler Laute, mit denen Lord Percival nichts anfangen konnte. Er ahnte nur, daß von ihm die Rede war, denn der Kerl zeigte gestikulierend auf ihn.
Womöglich berieten sie die einfachste Art, ihn vom Leben zum Tod zu befördern. Wenigstens war nun die Handfläche von seinem Mund fort. Schon immer mochte er nicht den allzu engen Kontakt mit dem einfachen Volk.
*
Red Carboun fühlte sich unwohl. Seit er durch Butler Parker erfahren hatte, daß Percivals Entführer einen Landrover benutzt haben sollten, spürte er aufkeimende Furcht vor Oleg Mashnikow.
Und in bezug auf Mashnikows Zeitvertreib hatte Carboun schlichtweg gelogen. Mashnikow wetzte keineswegs das Messer. Er war überhaupt nicht da. Das Schlimmste von allem war, daß Mashnikow einen Landrover fuhr.
»Ist was, Boß?« erkundigte sich Jimmy Pepper, während er sich die Schädeldecke massierte.
»Wo steckt Oleg, dieser Gauner?«
»Längst weg. Schon bevor du zurückgekommen bist, Boß«, sagte Pepper. »Oleg hatte für heute noch was vor...«
»Du redest schon wieder zu viel, du Schnorrer«, behauptete Charles Fever.
»Was geht’s dich an, was Oleg treibt.«
»Aber mich geht’s was an. Ich bin der Boß. Und dulde nicht, daß einer verschwindet, ohne sich abzumelden.« Carboun richtete sich zu voller Größe auf, was auch nicht viel brachte.
»Lange bist du nicht mehr der Boß, Carboun«, sagte Fever mit boshaftem Grinsen. »Die Kunden springen ab, du kannst uns nicht auszahlen, und nun haben sie dir auch noch den Lord geklaut, den dicksten Fisch, den du hattest.«
»Halt dein loses Maul, Fever. Du schuldest mir noch acht Riesen, weil Limhouse sich deinetwegen erhängt hat. Sprich du also nicht von abspringenden Kunden!«
»Ein bißchen Verlust hat man immer, Carboun. Aber du bist Weltmeister im Verlieren. Sollte mich nicht wundern, wenn Mashnikow ’nen neuen Laden aufmacht. Nicht als Eintreiber, sondern als sein eigener Chef. Als wir am Vormittag hinter dem Lord her waren, hat Mashnikow sich noch verdammt lange beim Haus dieser Lady Dingsbums herumgetrieben.«
»Das war auch in Ordnung«, entgegnete Carboun zögernd. »Ich hatte ihm aufgetragen, sich gründlich umzusehen. Lady Agatha ist weit und breit die einzige, die Bandersham aus der Patsche helfen könnte.«
»Wo er jetzt noch dicker drinsteckt ... Und was deine Aufträge angeht: Mashnikow pfeift drauf. Der macht sowieso, was er will.«
»Ja, das tut der«, bestätigte Jimmy Pepper.
»Du hältst dein Maul«, tobte Carboun plötzlich. »Mashnikow ist ein guter Mann mit dem Messer, und Fever kennt sich in der Psychologie von Schuldnern aus. Aber du, Pepper, bist einfach nur behämmert. Läßt sich von einem mageren Gestell wie Parker fertigmachen!«
Fever schüttelte sich, weil er an seinen Tiefflug dachte. »Wie ich schon sagte, Carboun: Bei Parker kommt man leicht zu dem Irrtum, der Mann wäre nicht viel wert. Dabei hat er sogar Oleg in die Mangel genommen. Parker ist gefährlich.«
»Parker kocht auch nur mit Wasser«, gab Carboun zurück und wünschte sich dabei, es wäre so. Was er zu Oleg Mashnikow hatte hören müssen, ließ ihn frösteln. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Parker auf den Boß der Kidnapper stieß – ohne Zweifel Mashnikow.
»Kann sein, daß Parker nur mit Wasser, kocht«, schnaufte Fever. »Bei dem kommt dann aber Nitroglyzerin heraus. Ich will ihm nicht noch mal begegnen und verschwinde.«
»Darf ich auch weg, Boß?« bettelte Pepper. »Mir ist so komisch im Kopf.«
»Klar. Du brauchst auch nicht mehr wiederzukommen, Pepper. Auf Leute wie dich kann ich verzichten. Geh mir aus den Augen!«
Red Carboun blieb gedankenschwer allein inmitten der Trümmer zurück. Seit dem Fehlschlag mit Percy Bandersham stand die Firma auf dem Spiel. Wenn die anderen Eintreiber von Mashnikows Alleingang erfuhren, konnte man den Laden wegen Mitarbeitermangel dichtmachen.
Ohnehin war es schwierig, gute Leute zu bekommen, denn die Konkurrenz schnappte die besten weg. Kein Wunder eigentlich, daß Mashnikow aussteigen wollte. Wenn der bei Lady Agatha zum Zug kam, war er erst mal saniert. In dem Geschäft brauchte er nicht zu teilen, und vor allem hatte er nichts zu investieren...
*
»Ich habe die Werkstatt, aber mir fehlt noch der Mann, der den Auftrag für den Auspuffumbau erteilt hat, Mister Parker. Der Kunde war unbekannt und hat bar bezahlt. Sein Name wurde nicht notiert.«
Josuah Parker, der auf Picketts Anruf gewartet hatte, stand am Fenster. Mylady ließ sich von ihrer Gesellschafterin durch den Garten führen. Die späte Nachmittagssonne verzauberte das herbstliche Laub.
»Konnte man Ihnen eine Beschreibung des Kunden geben, Mister Pickett?«
»Nur eine sehr vage, Mister Parker. Der Mann wirkte slawisch und sprach mit leichtem Akzent. Das bringt Sie kaum weiter, wie?«
»Meine Wenigkeit ist für jede Einzelheit dankbar, Mister Pickett. Die Anhaltspunkte mehren sich und formen nach und nach Konturen. Es ist zu erwägen, ob meine bescheidene Person nicht selbst zu jener Werkstatt fahren sollte, um nähere Ermittlungen durchzuführen.«
»Kein schlechter Gedanke, Mister Parker. Ich bin schon hier und telefoniere vom Büro aus. Die Werkstatt liegt neben einer stillgelegten Fabrik in Lambeth. Genauer gesagt, an der Barrymoore Street.«
»In einer halben Stunde können Sie mit meiner Anwesenheit rechnen, Mister Pickett. Darf Ihre kostbare Zeit so lange noch in Anspruch genommen werden?«
»Die Sache beginnt mich zu interessieren, Mister Parker. Darf ich fragen, warum sich die Polizei nicht stärker einsetzt? Immerhin handelt es sich um Menschenraub.«
»Meine Wenigkeit möchte zur Vorsicht mahnen, Mister Pickett. Die Örtlichkeiten, von denen aus Sie anrufen, könnten so konstruiert sein, daß die Wände Ohren haben. Um Ihre Frage zu beantworten, es handelt sich zwar um Freiheitsberaubung, was Seiner Lordschaft widerfahren ist, doch dürfte die Angemessenheit der Mittel nicht außer acht gelassen werden. Seine Lordschaft ist ein Verwandter Myladys. Sein Privatleben ist nicht ganz von der Art, daß er sich dessen rühmen könnte. Man sollte einen Skandal vermeiden.«
»Ach, daher weht der Wind?«
»Mißverstehen Sie meine Wenigkeit nicht, Mister Pickett. Seine Lordschaft hat sich selbst in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Mylady könnte das Problem mit Leichtigkeit lösen, aber Lady Agatha lehnt dies aus naheliegenden Gründen ab.«
»Weil sie auf ihrem Geld zu sitzen beliebt, das ist es.«
Josuah Parker sah seine Herrin zum Haus zurückkehren. Ihm schien es nicht angebracht, daß Mylady Bruchstücke des Telefongesprächs mithörte. Sie hatte ihn durchs Fenster erkannt.
»Die Umstände zwingen meine Wenigkeit, das Gespräch zu beenden, Mister Pickett.«
Er hatte kaum aufgelegt, als Mylady läutete. Parker schritt würdevoll zum Portal, das erstaunlicherweise offen stand.
»Mylady wünschen, eingelassen zu werden?«
»Ich habe die Tür absichtlich offen gelassen, Mister Parker. Durfte ich denn sicher sein, ob die Zeit meines Spaziergangs für Ihr Gespräch reichte? Sie sollen mir Percival herbeischaffen. Von Dauergesprächen kann keine Rede sein.«
»Der Anruf erreichte meine Wenigkeit von außen, Mylady.«
»Das ist schließlich gleichgültig. Gehen Sie nun in den Garten und helfen Sie Miß Porter bei den Azaleen.«
»Wenn Mylady die Bemerkung erlauben, man erwartet ein weiteres wichtiges Telefongespräch.«
»Man spürt Vermißte oder Entführte nicht per Telefon auf! Sollte wirklich der Anruf kommen, gehe ich an den Apparat und kläre die Sache im Handumdrehen, Mister Parker. Und nun gehen Sie zu Miß Porter.«
Der Butler wußte aus Erfahrung, daß Widerspruch bei Mylady zwecklos war. Vielleicht hatte Kathy Porter ein Einsehen und kam allein zurecht...
Kathy Porter blickte dem Butler entgegen. »Wir haben das Telefonklingeln im Garten gehört, Mister Parker. Mylady war die Unruhe selbst. War es ein wichtiger Anruf? Wie steht es um Seine Lordschaft?«
»Noch äußerst ungewiß, Miß Porter. Mister Pickett rief an, um Informationen bezüglich des entführenden Fahrzeuges zu übergeben.«
»Dieser Landrover?«
Parker nickte. »Mister Pickett hatte Erfolg darin, die Werkstatt ausfindig zu machen, in der das Fahrzeug umgebaut wurde. Es handelt sich um Modifikationen der Auspuffanlage.«
»Ich weiß. Dieser Taxifahrer sprach davon, daß der Wagen ungeheuer gedröhnt hat, nicht wahr, Mister Parker?«
»An diesem Punkt setzen meine Ermittlungsbemühungen an, Miß Porter. Unerfreulicherweise ist der Name des Fahrzeughalters nicht bekannt geworden, da der Umbau bar bezahlt wurde, wie Mister Pickett erläuterte... Das Telefon! Wollen Sie meine Wenigkeit bitte entschuldigen, Miß Porter.«
»Gehen Sie nur, Mister Parker.«
Josuah Parker blieb gemessen. Würdevoll näherte er sich dem Haus und fand das Portal geschlossen. So war er genötigt, den Umweg über den Dienstboteneingang zu wählen.
Mylady hatte den Anruf zweifellos schon entgegengenommen. Dies bestätigte sich, als Parker in seinen privaten Räumlichkeiten den Hörer abnahm und zugleich das Bandgerät zuschaltete.
Am Apparat war Red Carboun. Mylady reagierte unwirsch.
»... nein, jetzt rede ich, Mister Carboun. Was fällt Ihnen ein, meinen Neffen gefangenzuhalten! Ich weiß, was für ein Subjekt Sie sind. Wer eine Lady um Zinsen betrügt, begeht auch leichten Herzens Menschenraub. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Carboun schien es die Sprache verschlagen zu haben. Er stotterte. »Ich, äh ... ich ... ist Mister Parker nicht zu sprechen?«
»Erst sprechen Sie mit mir, Carboun. Ich warte auf Ihre Erklärungen. Was haben Sie mir zu sagen?«
»Ihnen? Nichts. Ach ja, Sie bekommen noch ein paar Pfund von mir, vorausgesetzt, Lord Percival kommt ebenfalls seinen Verpflichtungen nach. Deshalb muß ich Mister Parker sprechen. Ich hab’ so eine Ahnung, wo Percy... äh, ich meine, Lord Percival stecken könnte.«
»Sagen Sie es mir, Carboun. Wo halten Sie Percival gefangen?«
»Ich sage doch, ich hab’ ihn nicht! Aber ich kann mir denken, wer sich den Lord geschnappt hat, Mylady.«
»Heraus mit der Sprache.«
»Jede Ware hat ihren Preis. Ich wäre ein Narr, wenn ich etwas verschenken würde. Ich hatte hohe Verluste. Ihr Butler hat meine Mitarbeiter vergrault. Allein kann ich die Firma nicht führen, oder ich müßte mich total umstellen. Ich stehe kurz vor dem Ruin, und Sie verlangen noch von mir, Ihnen einfach zu sagen, wo Seine Lordschaft abgeholt werden kann, wie?«
»Werden Sie nicht dreist, Carboun! Ich bin unter Umständen bereit, die fünftausend Pfund zu verrechnen, aber dafür müssen Sie mir Percival herschaffen.«
»Für fünftausend Pfund, Lady Simpson?«
»Ich rede von dem Darlehen, das Percival bei Ihnen aufgenommen haben will. Fünftausend Pfund – das stimmt doch, oder? Sie können sie von dem Geld abziehen, das ich noch von Ihnen zu bekommen habe. Doch dafür will ich Percival unversehrt und vor allem noch vor Sonnenuntergang sehen.«
Red Carboun legte eine Pause ein, als ob er nachdenken müßte. Nach mehreren Atemzügen ließ er sich wieder hören. »Okay, der Handel gilt, Mylady. Meine Forderungen gegen den Lord werden mit Ihren, wenn auch zweifelhaften Forderungen gegen mich verrechnet. Mister Parker kann zu mir kommen. Geben Sie ihm Vollmacht. Wenn damit alles klargeht, bekommt Parker von mir eine Adresse, wo er Percival Bandersham abholen kann. Okay?«
»Ihr Vorschlag widerspricht zwar der Vernunft, aber ich beuge mich«, erklärte Mylady. Sie hatte sich gut unter Kontrolle, so daß kaum zu merken war, wie sehr sie triumphierte.
Butler Parker legte erst auf, als die Leitung tot war. Sonderbarerweise ließ er das Bandgerät weiterlaufen, trat vor den Spiegel, um seine Erscheinung zu überprüfen, und wandte sich gemessen an seine Herrin.
»Mylady haben einen Wunsch?«
»Ich habe einen Auftrag für Sie.«
Agatha Simpson saß vor einem Briefbogen und warf ein paar Zeilen aufs Papier. Geduldig wartete der Butler, bis die ältere Dame schwungvoll Unterzeichnete und den Bogen faltete.
»Mister Carboun rief an«, sagte sie wie nebenbei. »Ich habe eine Notiz verfaßt, die Sie ihm überbringen sollen, Mister Parker. Wie hoch beläuft sich meine Restforderung gegen diesen Halsabschneider? Ich will es auf den Penny genau wissen.«
»Dies mit letzter Gültigkeit festzustellen, dürfte ein schwieriges Unterfangen werden, Mylady. Es scheint auf die Laufzeit anzukommen, für die Mylady jenem Mister Carboun einen gewissen Betrag zur Verfügung gestellt haben.«
»Ersparen Sie mir banktechnische Details, Mister Parker. Wieviel hat Carboun noch an mich zu zahlen?«
»Neuntausenddreihundert Pfund, Mylady. Bei Zugrundelegung des bekannten Zinssatzes und einer Laufzeit von sechs Wochen ergibt sich bei einem Kapital von fünfzigtausend Pfund die genannte Verzinsung nach Mister Carbouns Rechenart. Mister Carboun hat sich jedoch geirrt, wenn auch anscheinend den Betrag von neuntausenddreihundert Pfund akzeptiert. Er legte die Berechnungsmethode eines Gläubigers zugrunde.«
»Was ändert das, Mister Parker?«
»Mit Verlaub – alles, Mylady. Tatsächlich können Mylady nur einundzwanzigtausend Pfund beanspruchen, von denen zwanzigtausend bereits durch Vorabzug gezahlt worden sind.«
»Das kann nicht sein. Mister Carboun selbst hat doch zugestanden, mir über die zwanzigtausend Pfund hinaus noch neuntausend Pfund zahlen zu müssen.«
»Mister Carboun fiel einem Irrtum anheim, Mylady.«
»Aber Sie sagten doch, er hätte meine Restforderung trotz dieses Irrtums akzeptiert, Mister Parker.« Lady Agatha war den Tränen nahe.
»Mister Carboun trachtete danach, meine Wenigkeit bei der Berechnung zu verunsichern, indem er wie Mylady dreihundertfünfundsechzig Zinstage zugrundelegen ließ. Tatsächlich handelt es sich jedoch nur um zweiundvierzig Zinstage und um einen Zinsfuß von vierzig Prozent, Mylady. Dies zusammengenommen dürfte den Unterschied erklären.«
»Ich bin ruiniert! Warum treibt Carboun dieses teuflische Spiel mit mir? Ich kann ihm doch nicht knapp achtzehntausend Pfund zurückzahlen!«
»Damit dürfte Mister Carboun sich auch nicht zufriedengeben, Mylady. Die Vermutung meiner Wenigkeit geht dahin, daß Mister Carboun für jeden Tag Zinsen berechnet. Wann hatten Mylady Termin für diese Rückzahlung?«
»Ungefähr vor einem Monat«, erwiderte Agatha Simpson tonlos. »Was habe ich denn eigentlich noch daran verdient, Mister Carboun dieses Darlehen einzuräumen?«
»Nichts, Mylady haben zugesetzt, indem Mylady Mister Carboun ein Darlehen gewährten. Mit jedem weiteren Tag erhöht sich Myladys Schuld.«
»Das heißt, ich kann mir den Strick nehmen, Mister Parker.«
»Von dieser Handlungsweise ist ernsthaft abzuraten, Mylady. Niemand wäre damit gedient, wenn Mylady eine Entleibung vornehmen würden. Mister Carboun scheint derartige Transaktionen bereits mehrfach praktiziert zu haben. Ein Geniestreich wäre der angemessene Ausdruck dafür, den Darlehensgeber zum Schuldner zu machen. Mister Carboun scheint die Geldgier seiner Zeitgenossen in bare Münze für sich umzusetzen.«
»Was soll ich tun, Mister Parker?«
»Da Mylady meine bescheidene Wenigkeit um Rat fragen, wäre Mylady zu empfehlen, den Fall Carboun meiner Wenigkeit zu überlassen. Es werden sich Mittel und Wege finden, Mister Carboun zur Vernunft zu bringen.«
»Oh, ja«, sagte die ältere Dame erleichtert. »Sie bekommen Vollmacht, Mister Parker. Sie bekommen alles von mir, wenn ich nur nicht ruiniert werde.«
»Dem anzufügen wäre, daß Beträge unter fünfundzwanzig Pfund Mylady keineswegs zu ruinieren vermögen.«
»Das können Sie gar nicht wissen, Mister Parker!«
Der Butler verbeugte sich gemessen und würdevoll. Er behielt für sich, was Myladys Vermögensverwalter Mike Rander sicher bis in alle Einzelheiten kannte.
*
Josuah Parker trug einen Brief Myladys bei sich, als er seinen Privatwagen zunächst zu der Autowerkstatt an der Barrymore Street lenkte, um Auskünfte ein- und den ehrenwerten Horace Pickett abzuholen.
»Zwecklos«, meinte Pickett, der auf Parker gewartet hatte. »Ohne Namen und Adresse dieses Kunden kommen wir nicht weiter, Mister Parker.«
»Möglicherweise doch, Mister Pickett. Man bittet darum einzusteigen. Die Beschreibung des Landrover-Halters könnte von Nutzen sein, um Einzelheiten mit Mister Carboun durchzusprechen, den meine Wenigkeit aufzusuchen beabsichtigt.«
»Halten Sie es denn für wahrscheinlich, daß ausgerechnet der Kredithai die Entführer Seiner Lordschaft kennt, Mister Parker?«
»Zumindest sollte Mister Carboun den Eigner des betreffenden Landrovers kennen«, erklärte Parker und ließ sein hochbeiniges Monstrum auf Touren schießen. »Man dürfte es gleich in Erfahrung bringen. Es ist einem Zufall zu danken, daß ein Landrover in der Nähe des Hinterhauses abgestellt worden ist, in dem Mister Carboun seine dubiosen Kreditgeschäfte abwickelt. Einer von diesen Eintreibern hört auf den Namen Mashnikow, was ebenso slawisch klingt wie die Beschreibung jenes Kunden. Der Zufall ist der beste Freund des Kriminalisten, Mieter Pickett.«
»Durchaus«, erwiderte der ehemalige Eigentumsumverteiler. »Leider stellen sich solche Zufälle nur selten ein.« Er mußte sich festhalten, weil Parker mit unverminderter Geschwindigkeit nach links abbog.
»Man wird sehen, Mister Pickett«, rief der Butler durch die heruntergelassene Trennscheibe in den Fond. »Mister Carboun erwartet einen Beauftragten Myladys und scheint den derzeitigen Aufenthaltsort Seiner Lordschaft zu kennen.«
Pickett nickte und stemmte sich nach vorn ab. Parker nahm Carbouns Hofeinfahrt im powerslide und stellte die Hochleistungsmaschine ab, die Uneingeweihte niemals unter der Haube des ehemaligen Londoner Taxis vermutet hätten.
Außer der Maschine gab es noch andere hilfreiche Dinge, die in keinem Taxi sonst anzutreffen waren. Korrekt mit Melone, Regenschirm und schwarzen Handschuhen begab sich Josuah Parker in Carbouns Wohnbüro, gefolgt von Horace Pickett.
»Er haust wirklich in diesem Stall, dieser Carboun?« wunderte sich der ehrenwerte Mister Pickett. »Kaum zu glauben, da Carboun doch nachgesagt wird, er würde mit seinen Würgekrediten riesige Geschäfte machen.«
»Der Schein trügt, wie der Volksmund sagt, Mister Pickett. Der Häuserblock in seiner ganzen Länge ist Carbouns Eigentum. Außerdem dürfte es sich um ein gutes Geschäftsprinzip handeln, sich mit Armut und Vernachlässigung zu umgeben. Das Opfer ahnt erst von seinem Schicksal, wenn die Verträge unter Dach und Fach sind. Bisher müßte und sollte Carboun sein Kapital alle drei Monate verdoppelt haben.«
Der Butler pochte an Carbouns Außentür zum Treppenhaus, wartete nicht lange und trat ein.
Red Carboun machte seinem Namen alle Ehre. Um ihn herum war alles rot. Er lag in seinem Blut, atmete aber noch ...
Josuah Parker ging in die Hocke, um den Verletzten zu untersuchen. Viele Schnittwunden waren über den ganzen Körper verteilt. Zum Glück waren sie nicht tief und hatten nur zu einigem Blutverlust geführt.
»Wer war dieser Mensch, den man einen Kannibalen nennen könnte?« fragte Parker.
»Der Mann gehört in die Klinik«, drängte Pickett. »Soviel Verbandsstoff gibt es gar nicht, um ihn rundum zu versorgen. Man müßte einen Krankenwagen bestellen, denn Carboun ist nicht transportfähig.«
Während Horace Pickett die Feststellung treffen mußte, daß das Telefonkabel aus der Wand gerissen und der Apparat unbrauchbar war, bemerkte Parker, daß Carboun die Lippen bewegte.
»Ein wenig Wasser wäre von Nutzen, Mister Pickett. Mister Carboun will etwas sagen, aber der Mund scheint ihm wie ausgedörrt zu sein.«
»Wasser«, stammelte Carboun und verdrehte die Augen.
Pickett brachte eine gebrauchte Teetasse mit Leitungswasser. Gierig nahm Carboun das belebende Naß auf. Es rann ihm an beiden Mundwinkeln hinab.
»Hat Mashnikow Sie so zugerichtet, Mister Carboun?« Josuah Parker füllte vorsichtig Wasser nach.
»Ja. Oleg... Er hat auch... die Schlüssel...«
»Welche Schlüssel, Mister Carboun?«
»Safe ... Das ganze Firmenka ... kapital...«
»Ein Überfall auf Sie, nachdem Sie mit Mylady telefoniert hatten, nicht wahr?«
»Oleg ... hat den Lord ...« Damit wurde Red Carboun endgültig bewußtlos.
»Klarer Fall, Mister Parker«, sagte Pickett. »Wir schaffen den Mann selbst in die nächste Klinik, und dann fahren wir zu diesem Mashnikow und befreien Seine Lordschaft.«
»Es müßte eine Selbstverständlichkeit sein, Mister Carboun vorrangig zu versorgen«, stimmte Josuah Parker zu. »Sie sollten hinunterlaufen und die Polizei benachrichtigen, Mister Pickett. Es dürfte zu riskant sein, den Verletzten in einem normalen Kraftwagen zu transportieren. Mister Carboun braucht sofort Blutkonserven. Meine Wenigkeit wird bei ihm warten, bis Notarzt und Polizei eintreffen.«
»Dann wird wohl nichts mit der Befreiung Seiner Lordschaft?«
»Das dürfte kaum anzunehmen sein, Mister Pickett. Mashnikows Adresse ist nicht bekannt. Von Mister Carboun wird sie nur schwer zu erfahren sein. In dieses Menschen Absicht lag es, noch ein Geschäft daraus zu machen, den Aufenthaltsort Seiner Lordschaft an Mylady zu verkaufen. Doch Mister Carboun wird nun für längere Zeit des Sprechens nicht mächtig sein.«
»Eine verdammte Teufelei, ihn so zu zermetzeln.«
»Sie haben völlig recht, Mister Pickett. Meine Wenigkeit würde es schätzen, wenn Sie das Notwendige veranlaßten.«
Josuah Parker hörte den Eigentumsumverteiler die Treppen hinuntergehen. Er erhob sich und unterzog beide Räume einer kurzen, prüfenden Besichtigung. Von einem Safe war nichts zu sehen, weder im Vorraum, wo Red Carboun lag, noch nebenan im Raum, der Charles Fever kürzlich als Landebasis gedient hatte.
Als Kenner der Materie gab Butler Parker nicht so schnell auf. Das demolierte Altmobiliar im Nebenraum stand anders als nach Fevers Landeanflug. Quer zu den Fugen der Dielenbretter im Fußboden gab es Linien, die wie Sägeschnitte aussahen.
Parker hebelte mit seinem Universalbesteck hinein und brachte die Platte dazu, sich zu heben. Er griff mit beiden Händen nach und klappte das Fußbodenstück seitlich hoch.
Genau darunter befand sich der Safe. Man mußte sich flach legen, um an ihn zu kommen. Die Panzertür war zu, das Zifferncoderad verstellt. Für Josuah Parker eine leichte Übung, mit dem linken Ohr auf der Panzertür und der rechten Hand am Einstellrad die Codefolge neu einzustellen.
Wegen dieses Zifferncodes hatte Oleg Mashnikow wahrscheinlich auf Red Carboun eingewirkt. Carboun mußte sich lange geweigert haben, die Zahlenkombination zu nennen. Jede Weigerung hatte ihm wohl eine Wunde mehr zugefügt.
Dabei war jedermann mit gesunden Sinnen imstande, den Code minutenschnell herauszufinden.
Parker brauchte weniger als eine Minute, bis er die Panzertür am Schloßrad öffnen konnte. In der Eile mußte Mashnikow vergessen haben, zuzuschließen. Hätte Mashnikow den Schlüssel gedreht, wäre es schon schwieriger gewesen, den Safe zu öffnen, selbst für einen Spezialisten wie Horace Pickett. Und Josuah Parker stand ihm vom Können her nicht viel nach.
Der Safe war leer, ausgeräumt bis auf das letzte Stück Papier. Hier zumindest hatte Mashnikow komplette Arbeit geleistet. Carbouns Geschäftsunterlagen mußten so gut wie Bargeld sein. Myladys Vertrag war sicher auch unter dem geraubten Material.
Parker kehrte zu Carboun zurück und traf ihn unverändert bewußtlos. Man durfte ihm jetzt nicht noch mehr Wasser einflößen. Carboun konnte daran ersticken.
Draußen auf der Straße heulten Polizeisirenen. Hastige Tritte mehrerer Einsatzleute polterten die Treppe hoch. Hinter den Uniformierten drängten sich Sanitäter durch die Tür.
»Beeilung wird den Herren empfohlen«, sagte Parker. »Mister Carboun hat viel Blut verloren. Außer einer mäßigen Wassermenge hat er nichts bekommen.«
»Was können Sie uns zum Tathergang sagen, Mister ...?«
»Parker, Sir, Josuah Parker«, erfuhr der einsatzleitende Sergeant. »Meine bescheidene Person steht dem Haushalt Lady Simpsons als Butler vor. Mein Begleiter, Mister Horace Pickett, hat Sie wohl verständigt. Wir fanden das Opfer hier vor und haben nichts verändert.«
»Wer ist der Mann, Mister Parker?«
»Es handelt sich um Mister Red Carboun, seines Zeichens ein Geldverleiher, Sergeant. Die Telefonzuleitung wurde zerstört, so daß die Polizei nicht schneller verständigt werden konnte. Man möchte nicht stören, wenn die Spurensicherung mit der Arbeit beginnt. Zweifellos benötigen Sie meine Aussage, Sergeant.«
»Später, Mister Parker. Fahren Sie jetzt nach Hause und halten Sie sich anschließend zur Verfügung. Das gleiche gilt für Mister Pickett.«
»Meine Wenigkeit dürfte diesem Vorschlag entsprechen und Mister Pickett wird in Myladys Haus in Shepherd’s Market in Bereitschaft bleiben. Chief-Superintendent McWarden ist mit Mister Carbouns Geschäften vertraut. Es wäre sicher nicht falsch, ihn hinzuzuziehen, wenn auch in seinem Amt nicht Raub und versuchter Totschlag verfolgt wird.«
»Was sagen Sie da, Parker? Raub?«
»Der Safe ist nebenan – mit Verlaub zu besichtigen, Sergeant. Die gähnende Leere spricht eine allzu deutliche Sprache.«
*
»Mister Parker soll rangehen«, sagte Lady Agatha, als das Telefon klingelte. »Wozu leiste ich mir den Luxus eines Butlers?«
»Mister Parker ist noch nicht zurück, Mylady«, erklärte Kathy Porter. Das Telefon klingelte beharrlich weiter.
»Dann gehen Sie ran, mein liebes Kind. Wer auch immer am Apparat ist: ich bin nicht da.«
Kathy Porter schlugen undefinierbare Geräusche entgegen, als sie den Hörer aufgenommen hatte. Stimmen im Hintergrund waren überlagert von einem technischen Heulton.
»Hallo, wer spricht?« rief Myladys Gesellschafterin irritiert.
»Sind Sie das, Miß Porter?« Die Frage kam von Lord Percival. »Ich muß meine Tante sprechen. Sagen Sie ihr, es ist kein Scherz, daß man mir das Messer an die Kehle gesetzt hat.«
Kreidebleich winkte Kathy Porter ihre Chefin an den Apparat. Agatha Simpson ignorierte das und blickte ostentativ weg. »Ich bin nicht da.«
Kathy Porter legte den Hörer neben den Apparat und ging zu der älteren Dame hinüber. »Es ist Seine Lordschaft, Mylady. Lord Percival hat angeblich ein Messer am Hals.«
»Dummes Zeug, Kindchen. Mit so etwas kann Percival mich nicht beeindrucken. Sagen Sie ihm, falls er Geld verlangt, ich wäre selbst ruiniert.«
»Mylady, bitte.«
»Nein.« Agatha Simpson schüttelte den Kopf. »Außerdem kann es gar nicht mein Neffe sein, Kindchen. Mister Parker wird ihn längst bei der Adresse abgeholt haben, die dieser Red Carboun mir verkaufen wollte.«
Kathy begriff kein Wort. »Aber... man ...«, stotterte sie.
»Es ist genug, Kindchen. Keine weiteren Worte.« Sie stemmte sich vom Stuhl hoch und verließ den kleinen Salon wie ein Seemann auf Landgang.
Die Sekretärin nahm den Hörer wieder auf. »Hallo? Mylady ist nicht zu sprechen, Euer Lordschaft. Soll ich etwas ausrichten?«
Eine fremde Stimme antwortete. »Verdammt! Als wäre Percy nicht die Kosten für die Beisetzung wert! Richten Sie der alten Schachtel aus, sie hätte die Wahl: Fünftausend für einen toten Percy – oder Zehntausend für einen leicht angekratzten Lord. Wir rufen nicht mehr an. Das Geld soll bar hinterlegt werden. Sie kennen den Rosengarten am Tower?«
»Ja«, sagte Kathy matt.
»Westlicher Zugang und dann nach rechts. Der dritte Papierkorb auf der rechten Seite, haben Sie das verstanden?«
»Ja.«
»Die Zehntausend sollen in eine Zeitung eingepackt in den Korb geworfen werden. Dazu haben Sie eine Stunde Zeit. Und keine Polizei, Miß! Wenn auch nur eine einzige Uniform auftaucht, hat Percy alles hinter sich, verstanden?«
»Ich habe gehört, was Sie gesagt haben«, erwiderte Kathy Porter. »Aber ich glaube nicht, daß Mylady soviel Bargeld im Haus hat. Die Banken haben längst geschlossen.«
»Ist das mein Problem, Miß? Zu schade, wenn Percy dran glauben müßte, bloß weil die Banken dichtgemacht haben. Zufällig weiß ich, daß in Shepherd’s Market Bargeld gehortet wird. Ich hab’s sogar schriftlich.«
Es knackte, als auf der anderen Seite aufgelegt wurde. Dann war nur noch ein Rauschen in der Leitung. Auch Kathy Porter legte den Hörer auf die Gabel zurück.
Sie war wie benommen. Zehntausend Pfund für das Leben Seiner Lordschaft... Methoden wie im finstersten Mittelalter. Und Mylady würde sich weiterhin weigern, ihren Neffen auszulösen.
Wie Musik drang das unverwechselbare Geräusch des hochbeinigen Monstrums an Kathys Ohren. Josuah Parker kehrte zurück. Das umgebaute schwarze Taxi rollte die Auffahrt hoch.
Kathy Porter eilte nach unten zur Vorhalle, um dem Butler zu öffnen. Parker indessen hatte das herrschaftliche Haus bereits durch den Seiteneingang betreten. Er war nicht allein. Horace Pickett begleitete ihn.
»Dem Himmel sei Dank, daß Sie da sind, Sie beide«, rief Kathy Porter. »Er hat wieder angerufen.«
»Seine Lordschaft wohl?« fragte Josuah Parker und wandte sich an Pickett. »Das beweist immerhin, daß Seine Lordschaft noch leben.«
»Aber nicht mehr lange«, entfuhr es Kathy Porter. »Man verlangt ihn freizukaufen, innerhalb der nächsten Stunde. Für zehntausend Pfund, Mister Parker... Wenn das Geld nicht pünktlich und bar überbracht wird, muß Lord Percival sterben.«
»Hat Seine Lordschaft sich solchermaßen ausgedrückt, Miß Porter?«
»Nein, jemand anders. Er hat seinen Namen nicht genannt. Er sprach so komisch.«
»Mit einem leichten Akzent, Miß Porter?«
Sie nickte. »Einen Akzent hatte er, aber es war eigentlich mehr seine Wortwahl, Mister Parker. So spricht ein Ausländer, der Englisch erst erlernen muß.«
»Es dürfte sich um Mister Mashnikow handeln«, sagte Josuah Parker. »Mister Pickett, wir sollten uns das ganze Gespräch noch mal anhören.«
»Wie denn?« staunte die junge Dame. »Ich habe doch schon aufgelegt.«
»Die Segnungen der Technik machen es möglich, Miß Porter«, erwiderte der Butler. »Zuweilen kann ein vermeintliches Versehen recht nützlich sein. Wo befindet sich Mylady?«
»Oben im Studio, Mister Parker.«
»Dann bitten Sie höflich um Myladys Besuch in den meiner bescheidenen Wenigkeit zur Verfügung stehenden Räumen. In der Zwischenzeit wird man bemüht sein, das Band an seinen Ausgangspunkt zu bringen.«
»Was?«
»Zufälligerweise übersah man, das Magnetophongerät abzuschalten, Miß Porter. Insofern ergibt sich die nützliche Gelegenheit, jenes Gespräch noch mal von Anfang bis Ende abzuhören.«
»Lady Agatha wird es ablehnen, mit diesen Dingen konfrontiert zu werden«, sagte Kathy resignierend.
»Dann richten Sie Mylady aus, in kurzer Zeit käme die Polizei ins Haus«, mischte sich Horace Pickett ein. »Die Polizei von der Wache Fulham Road ermittelt in Sachen Carboun wegen versuchten Totschlags.
Sollte Mylady sich weiterhin verhalten wie bisher, könnte dies als Beihilfe zur Tat verstanden werden. Bei Seiner Lordschaft wird Mashnikow nicht den Fehler begehen, ihn am Leben zu lassen.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Sie haben durchaus recht, Miß Porter.«
*
Wie eine Walküre betrat Lady Agatha Simpson die bescheidenen Gemächer ihres Butlers. Begleitet von Miß Porter traf sie Josuah Parker und Horace Pickett vor dem Bandgerät.
Man hörte Percivals angstvolles krächzende Stimme. »Es ist kein Scherz, daß man mir das Messer an die Kehle gesetzt hat.«
»Purer Unsinn ist das. Ich lasse mich nicht erpressen. Und überhaupt dies ist nicht Percivals Stimme!«
»Meine bescheidene Wenigkeit möchte Mylady nur ungern widersprechen«, äußerte sich Parker. »Die Wiedergabe mag durch fernmeldetechnische Einflüsse ein wenig verzerrt sein, doch handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Stimme Seiner Lordschaft. Inzwischen getätigte Ermittlungen haben ergeben, daß Lord Percival sich in der Hand eines ehemaligen Mitarbeiters Mister Carbouns befindet, einem slawischen Volksangehörigen namens Oleg Mashnikow.«
»Ich kenne keinen Mashnikow. Derartige Subjekte zählen nicht zu den Kreisen, mit denen ich zu verkehren pflege. Das sollten Sie wissen, Mister Parker.«
»Sehr wohl, Mylady. Mister Mashnikow dürfte durchaus nicht als Mitglied der Gesellschaft gezählt werden, doch er hat sich der Person Seiner Lordschaft bemächtigt und übt den nachhaltigsten Druck aus.«
»Ich will nichts davon hören«, reagierte Agatha Simpson unwirsch.
»Nur noch eine bescheidene Erwähnung, Mylady: Mister Mashnikow dürfte nach dem Stand der Dinge nicht mehr auf jene geforderten zehntausend Pfund angewiesen sein. Es kann unterstellt werden, er versuche, auf seine Weise Ordnung in die Verhältnisse zu bringen. Mashnikow wird Seine Lordschaft loswerden wollen, ehe er zum Kontinent flüchtet.«
»Er will absahnen«, erklärte Pickett. »Die Zehntausend nimmt Oleg Mashnikow noch mit, Mylady. Mir scheint es, als böte er Seine Lordschaft zum Sonderpreis an. Mylady sollten zugreifen und Seine Lordschaft vor dem Schicksal bewahren, als unnütze Belastung liquidiert zu werden.«
»Ich soll also zehntausend Pfund opfern?«
»Das Leben Seiner Lordschaft sollte dieser Betrag wert sein, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Mister Mashnikow dürfte den Punkt erreicht haben, wo es ihm auf Seine Lordschaft nicht mehr ankommt. Mister Pickett und meine Wenigkeit haben am Zustand Mister Carbouns erlebt, zu welchen Taten Mister Mashnikow imstande ist.«
»Sie wollen diesen Menschen mit meinem Geld bereichern, Mister Parker.«
»Gewissermaßen ja, würde meine bescheidene Person erwidern, Mylady. Die Banknoten sollten gültig sein, die Mister Mashnikow in jenem Papierkorb des Rosengartens am Tower vorzufinden hofft. Bei Dunkelheit wird es möglich sein, die Beute nicht nur wieder abzujagen, sondern den gewissen Herrn der Polizei zu übergeben.«
»Wie denn?«
»Mister Mashnikow beging den Fehler, seinen Aufenthaltsort zu verraten. Wenn Mylady geruhen wollen, das Band abzuhören... Als Miß Porter den Hörer niederlegte, um Mylady an den Apparat zu bitten, gab der ehrenwerte Herr ungewollt Einzelheiten preis, die es nun ermöglichen, Seine Lordschaft zu befreien.«
»Wozu brauchen Sie dann noch meine zehntausend Pfund, Mister Parker?«
Die Antwort gab Horace Pickett. »Mister Parker ist entschlossen, Oleg Mashnikow in seinem Unterschlupf aufzusuchen, Mylady. Sollte man dabei vorzeitig ertappt werden, ist es günstig, Mashnikow mit echtem Geld zufriedenzustellen. Zurechtgeschnittenes Papier wird diesem Kriminellen nicht gefallen. Mister Parkers Leben wäre in Gefahr.«
»Er braucht ja nicht hinzugehen. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.«
»Mit Verlaub, Mylady«, sagte Parker. »Es ist nicht nur die Theorie meiner Wenigkeit, anzunehmen, Mister Mashnikow würde Seine Lordschaft in jedem Fall beseitigen.«
Pickett nickte. »So oder so, Mylady. Mister Mashnikow hat vor, die Zehntausend noch mitzunehmen, ehe er sich absetzt.«
»Dem müßte man zuvorkommen«, pflichtete Parker dem ehrenwerten Mister Pickett bei. »Man sollte Mister Mashnikow unvermutet aufsuchen. Wenn Mylady nunmehr geruhen wollten, jene zehntausend Pfund dem Safe zu entnehmen. Es besteht berechtigter Grund zu der Hoffnung, daß Mylady den ausgelegten Betrag unbeschadet zurückerhalten werden.«
»Ein doppelter Trick, wenn Sie so wollen, Mylady«, sagte Pickett. »Zum einen erwartet Mashnikow nicht Mister Parkers Besuch, und zum zweiten wird ihn umwerfen, daß echtes Geld gebracht wird. Dies zusammengenommen sichert Mister Parkers Leben ebenso wie das Leben Seiner Lordschaft. Sobald sich Oleg Mashnikow absetzt, wird er der Polizei in die Hände geraten, die das Haus umstellt hat.«
»Und woher will man wissen, wo dieser Mashnikow haust?«
»Der Mitschnitt des Telefongespräches offenbart es, Mylady. Besonders die Passage, als Miß Porter den Hörer ablegte.« Josuah Parker schaltete die Bandmaschine ein.
Stimmengewirr und von fern das Heulen eines Preßlufthorns war zu hören.
»Ohne Zweifel dürfte es sich um das Horn der Larmingdale-Werft handeln, womit das Ende der Tagschicht angekündigt wird«, sagte Parker. »Die fragliche Werft hat ihren Platz direkt am Fluß bei den Docks, Mylady. Keine fünfhundert Yards von der Tower Bridge entfernt. Mister Mashnikow scheint den kurzen Weg zum Rosengarten des Tower zu bevorzugen.«
»Ruhe!« verlangte die ältere Dame. Sie hörte Percivals krächzende Stimme. »... mir das Messer an die Kehle gesetzt hat...« Ein Rauschen, und dann Myladys baritonal gefärbtes Organ. »Ich bin nicht da!« Ein Knacken erfolgte, als der Hörer auf den Tisch gelegt wurde. Kaum noch hörbar: »Es ist Seine Lordschaft, Mylady.« Kathys Stimme war das. »Lord Percival hat ein Messer am Hals.« Und dann kam es. »Dummes Zeug, Kathy. Mit so etwas kann Percival mir nicht...« Über Myladys Protest hinweg ertönte ein Fluch.
»Die verdammte Hexe!« Es folgte ein unverständlicher Wortschwall in einer fremden Sprache, kaum hörbar vermischt mit dem, was Mylady auf Kathys Bitte zu erwidern hatte. »... belästigen Sie mich nicht.«
Horace Pickett übersetzte. »Die Sirene. Das Ding verrät uns. Hier bei der Werft gibt’s kein anderes Wohnhaus.«
»Wie war das?« Lady Agatha blickte Pickett an. »Was für ein anderes Wohnhaus, Mister Pickett?«
»Ich habe nur übersetzt, was Mashnikow sagte, Mylady. Der Mann sprach in einem mit dem Russischen verwandten Dialekt.«
»Sie können russisch, Mister Pickett?«
»Unter anderem, Mylady. Leider bin ich etwas aus der Übung. Man trifft nur noch selten auf Weißrussen. Die Information, die Oleg Mashnikow ungewollt abgab, führt uns jedoch weiter. Ich kenne mich bei den Docks aus.«
»Sie müßten eigentlich hierbleiben, Mister Pickett«, sagte Josuah Parker, »und sollten die Polizei verständigen. Mister Sergeant wartet auch noch auf Ihre Aussage bezüglich Mister Carbouns.«
»Haben Sie ihm nicht dasselbe versprochen, Mister Parker?«
Der Butler schüttelte den Kopf. »Mitnichten. Man ersuchte mich nach Hause zu fahren, und meine Wenigkeit entsprach diesem Wunsch. Der Sergeant hat meine Zusage, Sie, Mister Pickett, würden in Myladys Haus in Shepherd’s Market in Bereitschaft bleiben. Geben Sie in fünfzig Minuten Alarm, Mister Pickett. Miß Porter wird Mylady dann zum Safe begleiten und den fraglichen Geldbetrag entgegennehmen.«
»Das gefällt mir nicht, Mister Parker«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Wenn nun etwas schiefläuft, und ich werde meine zehntausend Pfund auf Nimmerwiedersehen los?«
»In diesem nicht zu erhoffenden Fall könnten Mylady von sich behaupten, nichts unversucht gelassen zu haben, Seiner Lordschaft das Leben zu erhalten. Die Zeit drängt, mit Verlaub gesagt.« Parker blickte seine Herrin mit undurchdringlicher Miene an.
»Dann hole ich jetzt das Geld«, seufzte Agatha Simpson. »Es braucht niemand mitzukommen. Mister Parker, die zehntausend Pfund sollen also in eine Zeitung eingepackt werden?«
»Dies entspricht durchaus Mister Mashnikows Forderung, Mylady«, bestätigte der Butler.
*
Auf dem Weg zu den Londoner Docks im Osten der Stadt kam Josuah Parker nicht mehr ohne Licht aus. Er nahm die Route entlang den Embankments, was den Vorteil mit sich brachte, daß nur geringer Verkehr herrschte.
Er hatte sich ausgerüstet und fühlte sich gegen alle Eventualitäten gewappnet. Angesichts der auf ihn zukommenden Situation war der Überraschungseffekt von höchstem Wert.
Oleg Mashnikow würde keinesfalls damit rechnen, vor Ablauf der eingeräumten Frist und dazu noch in jenem Haus nahe dem Werftgelände mit einem Abgesandten Lady Simpsons Kontakt zu bekommen.
Parker lenkte sein hochbeiniges Monstrum in die tunnelartige Durchfahrt der London Bridge und sah die dunklen Anlagen rings um den Tower schon vor sich. Der tagsüber von Touristen belagerte Park würde um diese Zeit ebenso geschlossen sein wie der Rosengarten.
Nach Anbruch der Dunkelheit war die Umgebung des Tower bewacht. Nicht allein wegen der legendären Kronjuwelen, sondern um Penner und Stadtstreicher daran zu hindern, die Umzäunung zu übersteigen und die gepflegten Parkbänke zu benutzen.
Josuah Parker kam nicht dahinter, wie Mashnikow sich die Übergabe der zehntausend Pfund vorgestellt hatte. Das Geldpäckchen in einen Abfallbehälter zu versenken, mußte schon am geschlossenen Tor des Rosengartens scheitern.
Womöglich wußte Mashnikow nichts von der Schließung der Anlagen nach Anbruch der Dunkelheit. Oder er wollte den Überbringer des Lösegeldes draußen vor der Umzäunung abfangen, da der Bote wegen des Zeitungspäckchens leicht zu identifizieren war.
Josuah Parker lenkte seinen Privatwagen an den Tower Gardens vorbei, passierte die königliche Münzanstalt und hielt auf das an der Themse gelegene Industriegebiet und die Docks zu.
Auf dem Werftgelände ruhte die Arbeit. Ohnehin war Larmingdale der letzte größere Schiffsbaubetrieb der »Docklands«. Die früheren Hafenanlagen wurden saniert und zum Teil in Wohngebiete umgewandelt. An den ehemaligen Docks und Verbindungskanälen waren moderne Häuserzeilen entstanden, die eines Tages einen eigenen Stadtteil bilden würden.
Unweit der Larmingdale-Werft war ein freies Areal entstanden, nachdem die früheren Silos, Speicher und Lagerhäuser abgebrochen worden waren. Nur ein Gebäude stand noch da, einsam wie ein letzter Zahn. Erleuchtete Fenster in verschiedenen Stockwerken bewiesen, daß dieses Haus noch bewohnt wurde. Es mußte Mashnikows Domizil sein.
Um nicht vorzeitig auf sich aufmerksam zu machen, ließ Parker sein hochbeiniges Gefährt mit abgestelltem Motor ausrollen und erreichte so beinahe lautlos den Kai, an dessen Rückseite das fragliche Gebäude angrenzte.
Im Brackwasser dümpelte ein morscher Holzkahn. In der Dunkelheit verborgen mußten weitere Wasserfahrzeuge festgemacht sein. Parkers Interesse galt einem Geländewagen, der auf dem nördlich angrenzenden planierten Grundstück abgestellt war. Es handelte sich zufälligerweise um einen betagten Landrover.
Parker unterzog das Fahrzeug einer kurzen Prüfung. Dabei traf er die kaum verwunderliche Feststellung, daß das Rohr der Auspuffanlage manipuliert worden war. Durch einen nach innen geführten Bowdenzug und eine Klappe ließ sich das Abgas ohne Schalldämpfung direkt nach außen leiten, was das von jenem Taxifahrer erwähnte Dröhnen zur Folge haben mußte.
Die Sinnfälligkeit der Auspuffanlage wurde Parker vollends klar, als er sich ein Bild von den übrigen Umbauten gemacht hatte. Man wollte das Eindringen von Wasser in das Abgasrohrleitungssystem verhindern. Der Motorraum nämlich war nach unten und zu den Seiten hin abgeschottet und dicht wie ein Bootsrumpf.
Treibstoffeinspritzung und Zündanlage waren ebenfalls wasserdicht gemacht worden, was Parker durch einen Blick unter die Motorhaube und im Licht seiner Kugelschreiberlampe unschwer feststellte.
Zum ersten Mal hatte Josuah Parker einen Landrover vor sich, der zum Amphibienfahrzeug umgebaut worden war. Eine Schiffsschraube war nicht nötig, da das Stollenprofil der Bereifung im nassen Element Antrieb genug war und die Kraft auf alle vier Räder übertragen wurde.
Ein hochgelegter Auspuff hätte die universelle Verwendbarkeit des Landrovers offenbart. Deshalb war Mashnikow auf den Gedanken gekommen, das Abgas direkt und nicht durch das unter dem Wagen befindliche Rohrsystem abzuleiten.
Der Butler schloß lautlos die Motorhaube und verriegelte sie mit den nachträglich angebrachten Gummihalterungen. Die Kabine war abgeschlossen und schien leer zu sein.
Die Überprüfung des Landrovers hatte kaum eine Minute Zeit in Anspruch genommen. Bis zu der von Mashnikow gesetzten Frist der Lösegeldübergabe blieben noch vierzehn Minuten. Der Rosengarten beim Tower war in der Hälfte der Zeit bequem zu Fuß zu erreichen.
Butler Parker entschloß sich, das Gebäude zu betreten, in dem Percival Bandersham auf baldige Rettung und Befreiung wartete.
Der bauliche Allgemeinzustand erlaubte die Hypothese, daß die Parteien mietfrei wohnten. Wenn sie überhaupt Besuch erhielten, dann keinesfalls von einem Butler in Covercoat mit Melone und Regenschirm.
Parkers Erscheinung konnte Aufsehen erregen. Der altväterliche Überzieher barg nützliche Utensilien, auf die Parker keinesfalls verzichten wollte.
Das einzige Zugeständnis an den Charakter des heruntergekommenen Hauses stellte jenes Päckchen in armseligem Zeitungspapier dar, das der Butler unter dem linken Arm trug. Die zehntausend Pfund hatte Mylady sorgsam in eine ältere Ausgabe der TIMES eingepackt.
*
»Zehntausend Pfund«, begehrte Agatha Simpson auf, mir ihrer baritonalen Stimme. »Zehntausend Pfund sind nicht dazu bestimmt, in die Hände dieses Kalaschnikows zu gelangen.«
»Mylady meinen Mister Mashnikow«, erwiderte der höchst ehrenwerte Mister Pickett mutig. »Ich hätte es ahnen sollen! Haben Sie Mister Parker etwa mit Papierschnipseln losgeschickt?«
»Natürlich nicht. Ich setze doch nicht leichtfertig das Leben Mister Parkers aufs Spiel. Aktien im Nennwert von ungefähr achtzigtausend Dollar führt er mit sich. Ich konnte die Bögen nicht durchzählen, aber ich habe die Anweisung an diesen Kalaschnikow beigefügt, daß er Parker die Differenz in britischen Pfund zurückgeben muß.«
»Der Mann heißt Mashnikow, Mylady.«
»Sagte ich doch! Was machen achtzigtausend Dollar in britischen Pfund aus, Mister Pickett?«
»Ziemlich genau zweiundfünfzigtausend Pfund, Mylady.«
»Sollte es danach meinem Butler wahrhaft nicht gelingen, Percival ohne Zahlung dieses Lösegeldes freizubekommen, steht mir eine schöne Differenz zu.«
»Sie haben sich auf eine gefährliche Strategie eingelassen, Mylady. Mashnikow hat ausdrücklich Bargeld verlangt. Darf ich fragen, um was für Papiere es sich bei diesen US-Aktien handelt?«
»Wer behauptet, daß es US-Aktien sind, Mister Pickett?«
»Sind sie es nicht, Mylady?«
»Würde ich erstklassige Papiere aus der Hand geben? Es sind Aktien der Caledonian Oil Prospecting Corporation, die am Breat Bear Lake in Kanada nach Öl sucht. Dollars sind Dollars, amerikanische wie kanadische. Mister Kalaschnikow soll das Paket im Nennwert von achtzigtausend Dollar übernehmen und den Rest gegen Pfund umwechseln. Ich besitze noch viele solcher Aktien und könnte das ganze Haus damit tapezieren lassen.«
»Demnach sind sie also nichts Wert, Mylady?«
»Aber sicher. Auf jeder Aktie steht der Nennwert aufgedruckt: hundert Dollar. Ich konnte das Paket durch einen Glücksfall günstig übernehmen.«
»Wie günstig für Sie, Mylady?« fragte Pickett mit angehaltenem Atem.
»Meine geschäftlichen Transaktionen dürften Sie nicht interessieren, Mister Pickett. Trotzdem bin ich geneigt, Sie wissen zu lassen, was ich gezahlt habe. Neun Pence das Stück.«
»Wertlose Uraltpapiere«, stöhnte Horace Pickett. »Und damit soll Mister Parker Seine Lordschaft befreien ...?«
»Ich wünsche nicht eine solche unkundige Einschätzung meiner Wertpapiere, Mister Pickett. Wie oft hat man schon davon gehört, daß unvermutet Öl gefunden wurde. Die Caledonian Oil prospektiert seit vierzig Jahren im nördlichen Kanada. Es wird allmählich Zeit, daß die Gesellschaft fündig wird. Es handelt sich um ein australisches Unternehmen, dessen Bestrebungen größte Zuversicht gelten darf. Mit meinen Aktien wird Kalaschnikow eines Tages Multimillionär sein.«
»Mashnikow, Mylady, bitte ...«
»Korrigieren Sie mich nicht dauernd, Mister Pickett! Sie geben also zu, daß dieser Kalaschnikow mit meinen Wertpapieren sein Glück machen wird? Es tut mir leid, daß ich Mister Parker sinnlos ein Vermögen mitgegeben habe. Man muß diesen Russen sofort einkreisen. Ich will dabei sein, wenn er meine Wertpapiere gegen britische Pfund umwechselt. Melden Sie der Polizei, der Mann soll nach seiner Festnahme zu mir ins Haus gebracht werden.«
Horace Pickett ging zum Telefon. Er konnte Josuah Parker nachempfinden, was man bei Agatha Simpson durchzumachen hatte. »Die Polizei, ja, ja. Wenn das noch was nützt! Man wird Mister Parker aus einem der oberen Stockwerke werfen. Ich kenne das Haus. Es steht an einem Hafenbecken, dicht unter der Wasseroberfläche findet man T-Träger, Moniereisen und Schutt. Wahrhaft kein schöner Tod, Von einem alten Gasrohr aufgespießt zu werden.«
»Es war Ihr Plan, Mister Pickett. Beklagen Sie sich nicht bei mir. Ich war von Anfang an dagegen, diesem Kasamarow auch nur einen Penny zukommen zu lassen. Das ist der Fluch der bösen Tat, die immerwährend Böses muß gebären.«
»Dann ruf ich jetzt mal die Polizei an, Mylady.«
»Das kann ich verlangen, Mister Pickett. Sie setzen unnütz das Leben Mister Parkers aufs Spiel!«
*
Myladys Butler blieben zwölf Minuten, um das Stockwerk ausfindig zu machen, in dem Oleg Mashnikow sich mit Seiner Lordschaft verkrochen hatte. Josuah Parker war taktisch so klug wie möglich vorgegangen, indem er die unteren Räume sorgfältig überprüft hatte.
Das Erdgeschoß links stand bei fehlender Korridortür leer, rechts wohnte auch niemand mehr, denn der Stromzähler war gestohlen und die Kabel hingen aus der Wand.
Im zweiten Stock links schien eine Großfamilie aus Ostasien zu hausen. Der Guru war dabei, Frauen und Kinder durchzuprügeln. Rechts übte jemand Dudelsack.
Auf der dritten Etage war es ruhiger. Gedämpft stiegen Schmerz- und Übungsgeräusche von unten hoch. Josuah Parker hatte die freie Wahl zwischen der rechten und der linken Flurtür. Nach oben ging es nur noch zur Dachluke weiter.
Listiges Pfeifen verriet, daß auch dort oben lebendige Wesen wohnten. Ratten, wie Josuah Parker an der Widerspiegelung des vagen Lichtes in engstehenden Augen erkannte.
Der Butler überwand sein angeborenes Taktgefühl und legte sein Ohr lauschend an die rechte Tür. Im Innern der Behausung zischte ein Samowar, was an sich recht gut zu einer russischen Seele paßte – nicht jedoch zu Oleg Mashnikow, der kaum Zeit hatte, für Seine Lordschaft Tee aufzubrühen.
Wie sehr er irrte, erfaßte Parker nach kurzem Lauschen an der linken Tür. Zwar war auch diese Etagenhälfte belegt, doch nicht von Geiselnehmern und ihrem Opfer.
Der umgebaute Landrover seitlich des Hauses verriet, daß Oleg Mashnikow Aufenthalt in diesem Gebäude genommen hatte. Die Guru-Sippschaft und der dudelnde Schottennachfahre schieden ebenso aus wie ein liebendes Paar zu Parkers Linken.
Also durfte der Samowar doch dem slawischen Ex-Mitarbeiter Red Carbouns zugeordnet werden. Wie zur Bestätigung gellte aus der Wohnung rechts ein Schrei. Er kam aus dem Mund des zu Tod erschrockenen Lord Percival.
»Nein! Nicht! Ich will keinen Tee mehr...«
Etwaige Einwände gingen in den Geräuschen eines wilden Handgemenges unter.
Josuah Parker warf sich gegen die Tür, die sofort nachgab und krachend aufflog. Der Butler taumelte in einen unbeschreiblich schmutzigen Flur.
In dieser Atmosphäre konnte der Einsatz einer dosierten Menge Tränengas keinen weiteren Schaden anrichten. Josuah Parker lüftete die steife Melone und zog die mitgebrachte Atemschutzmaske über. In der Folge betätigte er das Ventil eines unter dem Covercoat mitgeführten Druckbehälters und ließ ein bis zwei Kubikmeter des Gases in die Mashnikow’schen Räumlichkeiten strömen.
Der Effekt trat sofort ein. Mit geröteten Augen torkelten zwei Subjekte in den Flur und gerieten prompt unter Einwirkung des Tränengases. Parker erlaubte sich, einen der Gentlemen mit entschuldigenden Worten an einen stabil wirkenden Wandhaken zu hängen. Der Mann zappelte und stieß wüste Drohungen aus, ohne sich jedoch aus seiner Lage befreien zu können.
Das zweite Individuum floh fluchend ins Treppenhaus. Josuah Parker sah davon ab, diesen Helfershelfer weiter zu verfolgen. Der Universal-Regenschirm tat bessere Dienste.
Der Butler drückte den Knopf am Schaft des Schirmes und erwischte den Flüchtenden noch vor Erreichen des tiefer gelegenen Stocks mit einem Betäubungspfeil.
Josuah Parker verschaffte sich erneut Zutritt zu Mashnikows Räumen und behielt vorsichtshalber die Gasmaske auf. Es galt, Oleg Mashnikow den Rückweg abzuschneiden.
Parker entnahm dem Universal-Regenschirm etwas Längliches, das sich mit einer weiteren Gasdruckpatrone riesig aufplustern ließ.
Ähnliches wurde in Automobilen als Prallsack zur Vermeidung körperlicher Schäden bei Auffahrunfällen verwendet. Die Ausdehnung des von Parker benutzten Luftsacks übertraf jedoch die Ausmaße der handelsüblichen Produkte. Die druckgasgefüllte Folie riegelte bis zur Decke ab und blähte sich noch reichlich.
Den Rückweg hinter sich abgeschnitten wissend, stieß der Butler unerschrocken weiter vor.
Oleg Mashnikow frönte seiner Lieblingsbeschäftigung, als Parker den vermeintlichen Wohnraum erreichte. Seine Lordschaft hingegen genoß das zweifelhafte Vergnügen, wieder ein scharfes Messer am Hals zu haben.
»Das war nicht besonders klug, Parker«, würgte er. »Ich kann mich entsinnen, daß das Lösegeld für mich anderswo übergeben werden sollte. Nicht hier ...«
»Eure Lordschaft haben uneingeschränkt recht«, gab Parker zu bedenken. »Die Verhältnisse zwangen jedoch zu einer Änderung der Verfahrensweise. Mit Verlaub – das floristische Areal wird bewacht, um unbefugtes Betreten zu unterbinden.«
»Verdammter Idiot!« zischte Mashnikow. »Jetzt muß ich den Lord in die Ewigkeit schicken.«
»Eine solche Reise dürfte noch keineswegs in Ihrem Sinn liegen, Sir«, gab Josuah Parker zurück. »Unter dem angewinkelten Arm meiner Wenigkeit ist das Paket mit dem geforderten Lösegeld befindlich. Eine Übergabe jener zehntausend Pfund sollte und müßte die sofortige Freilassung Seiner Lordschaft erzwingen.«
Mashnikow lachte gehässig. »Das Leben des Lords ist teurer geworden, Mister Parker. Ich habe die Unterlagen studiert, die ich in Carbouns Tresor fand. Die alte Krähe schwimmt im Geld. Ich verlange jetzt eine Million! Und weil die nicht zu bringen ist, muß Percy leider dran glauben. Ich werde nicht die Preise verderben.«
»Man war der Meinung, Ihnen wäre die Flucht angenehmer als eine noch so aufwendige Bereicherung, Mister Mashnikow.«
»Logisch, Parker. Ich verschwinde auch gleich, aber den Lord lasse ich nur als Hülle hier. Für lumpige Zehntausend würde ich ihn weit unter Preis verschleudern. Wenn ich nichts mehr mit ihm anfangen kann, soll Ihre alte Fregatte ihn auch nicht haben.«
Percival Bandersham saß dabei und litt. Wie nach unsachgemäßer Rasur wies Seiner Lordschaft Hals winzige Kratzer auf, die jedoch nicht von einem stumpfen Rasiermesser herrührten.
»Her mit meinem Geld, Parker!« befahl der Osteuropäer. »Ich kann mich auf dieser Insel nicht mehr blicken lassen. Was soll ich mit Carbouns Sechzigtausend? Die Zehntausend zugerechnet, die Sie gebracht haben, ist es für Südamerika zu wenig – und für meine Heimat zu viel.«
»Gangster haben im allgemeinen keine Heimat, Mister Mashnikow«, äußerte Parker.
»Ich werde mir eine Heimat kaufen. Gulbenkian hat mit einem Handkarren angefangen und zählt zu den reichsten Männern der Welt.«
»Dafür hat der erwähnte Nabob den Karren auch gezogen – und nicht andere davorgespannt«, sagte der Lord, wofür er sofort bestraft wurde. Ein weiteres Schnittchen verunzierte den ohnehin strapazierten Hals.
Der Butler brachte den Universal-Regenschirm in die Lage, um Mashnikow mit einem Betäubungspfeil zu beruhigen. Mashnikow wollte dem zuvorkommen. Sein Messer wirbelte auf Parker zu, verfehlte ihn knapp und zischte weiter in den Flur, wo der Prallsack unter Einwirkung der Klinge platzte.
»Was war das?« begehrte der Überraschte zu wissen.
»Eine kleine Nichtigkeit mit optimaler Wirkung«, sagte Josuah Parker und bereitete den dritten und letzten Pfeilschuß vor.
Oleg Mashnikow hatte es eilig und wartete Parkers Ladevorgang nicht ab. Mit einem gewaltigen Sprung warf sich der Russe vor, wurde flüchtig mit der Schirmspitze abgewehrt und schaffte es dennoch, den verschmutzten Zugang zum Treppenhaus zu erreichen.
Der dritte Blasrohrpfeil traf den Lord. Parkers ausgiebige Entschuldigung fruchtete nicht, da Percival Bandersham glücklich lächelnd zu Boden sank. Ihm tränten die Augen unter der Einwirkung des Gases; doch Mashnikow, seinen Bedränger, losgeworden zu sein, rechtfertigte die heitere Miene des Edelmannes.
Augenblicklich schien es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das Befinden Seiner Lordschaft zu bessern. Josuah Parker kannte die Wirkung seiner Betäubungsgeschosse. Nach fünfzehn Minuten würde der junge Mann, wieder wie neugeboren sein.
Mashnikow hatte sich inzwischen des in Zeitung eingeschlagenen Lösegeldes bemächtigt. Mit dem bewußten Paket stürmte er zur Tür und geriet unter Einfluß des Lachgases.
Der Flüchtende verfehlte etliche Stufen und landete bäuchlings auf dem Podest der zweiten Etage.
Parker wurde Zeuge, wie Mashnikow sich aufraffte und mit weiten Sprüngen den restlichen Weg zum Erdgeschoß hinter sich brachte.
Das Haus war von Polizei umstellt.
Parker bahnte sich den Weg zu dem gestarteten Landrover. Die Abschirmung der Polizisten war weit gegliedert, und der Butler fand nicht die Zeit, den Einsatzleiter entsprechend aufzuklären. Mashnikow steuerte sein Fahrzeug auf die Kaimauer zu, unter der mit geringem Höhenunterschied das Brackwasser schwappte.
Parker konzentrierte sich ganz darauf, Mashnikow zu stoppen. Er setzte dem Amphibienfahrzeug nach, entnahm den Tiefen seines Covercoats ein Seil und schwang es wie nach Cowboyart.
Die Schlinge erreichte den ins Wasser eintauchenden Rover in dem Augenblick, als sich das Wagenheck aufrichtete. Parkers Lasso verband sich fest mit dem Schlepphaken des Gefährtes. Unter Zurücklassung von Melone und Universal-Regenschirm fand sich Josuah Parker im trüben Wasser wieder.
Sein Körper zog eine Kiellinie wie der zum Wasserfahrzeug gewordene Geländewagen vor ihm. Die von der Polizei errichteten Lichtbäume blieben zurück, ebenso das Verhallen entrüsteter Schüsse, die dem unvorhersehbaren Verschwinden des Rovers und seines Fahrers galten.
Josuah Parker hielt mit einer Hand das lassoartige Seil. Mit der freien Hand betätigte er den Aufblasmechanismus des gummierten Innenfutters seines Covercoats, warf sich auf den Rücken und genoß es, sich wie in einem ärmligen Beiboot zu befinden. Mit mäßiger Geschwindigkeit gondelte er über das nachtdunkle Wasser zum Kanalanschluß der Themse.
Parker befreite sich noch vor Erreichen des strömenden Flusses aus der Enge der aufgeblasenen Ärmel und brachte sich kniend in Fahrtrichtung. Der Butler wählte sorgfältig das geeignete Geschoß für seine Gabelschleuder. In diesem Fall war es eine Stahlkugel, um die Heckscheibe des Antriebsfahrzeuges zu durchschlagen.
Parker kam zu einem Treffer. Das Sicherheitsglas zerbarst in winzige Partikel. Mashnikow trat das Gas bis zum wasserdichten Bodenblech durch. Er schien anzunehmen, ein Geschoß vom Land her habe ihn doch noch erreicht. Von dem Beiboot mit Josuah Parker darin ahnte er nichts.
Parker nutzte die Unkenntnis des Mannes. Als zweites Objekt legte er eine Ampulle in die Zwille der Astgabel, ein kleines geschlossenes Glasbehältnis, das mit dem Aufprall eine bewußtseinsverändernde Substanz freisetzte.
Im Labor hatte der Butler die Flüssigkeit als Größenwahntinktur eingetragen. Sie verfehlte auf Mashnikow auch nicht die erhoffte Wirkung.
Der Russe schaltete hoch und beschleunigte die an sich schon wirbelnden Räder aufs äußerste. Spritzende Fontänen netzten Parkers sorgsam aufgebügelten schwarzen Anzug. Hand um Hand holte er die Leine ein und brachte sich immer dichter an Mashnikow heran.
Inzwischen hatte die Strömung den Rover erfaßt. Ungesteuert trieb das Land- und Wasserfahrzeug zur Mitte der Themse. Achtern voraus kreuzte die hell erleuchtete Bermondsey-Fähre. Der River-Rover schwamm ohne Positionslichter flußabwärts. Parker war dicht am Kupplungshaken des Mehrzweckgefährtes angekommen. Eine letzte Kraftanstrengung, und der Butler zog sich am Heck hoch.
Der ersetzbare Covercoat trieb davon, der Themsemündung und Margate entgegen, während Parker durch die zerstörte Heckscheibe ins Innere des Fahrzeuges drang.
Mashnikow hatte das Steuerrad losgelassen und sang altrussische Weisen. Es war beeindruckend, hingegen nicht die Tatsache, daß das Gefährt gefährlich nahe an die Bermondsey-Fähre getrieben wurde.
Parker entfernte Mashnikow mit entschlossenem Griff vom Platz des Steuermannes und übernahm selbst die Führung des Schwimmwagens.
Begünstigt durch die Strömung im Flußbogen, erreichte er das südliche Ufer und damit die Landestelle der Fähre, die nach Hamlets und Stepney unterwegs war.
Parker überwand das Ufer, passierte die Jamaica Road und das nächtliche Southwark bis zur Westminster Bridge und war kurze Zeit später in der Auffahrt des herrschaftlichen Hauses in Shepherd’s Market.
Die ältere Dame schien noch auf zu sein, da sämtliche Lichter brannten. McWardens schwarzer Dienst-Jaguar hinderte Parker daran, bis zur Remise vorzufahren und Mashnikow in der ehemaligen Pferdebox anzuketten. Der Butler nahm deshalb den Gewalttäter kurzerhand mit ins Souterrain und verbrachte ihn in einen dafür vorgesehenen Raum.
*
»Mister Parker, wir haben Besuch bekommen«, sagte Agatha Simpson. »Wo steckt Percival?«
»Dies zu beantworten, übersteigt die derzeitige Phantasie meiner bescheidenen Wenigkeit, Mylady. Als man Seine Lordschaft das letzte Mal sah, lag Seine Lordschaft am Boden und machte einen glücklichen Eindruck.«
»Betrunken, wie?«
»Mitnichten, Mylady. Betäubt, um es genauer zu sagen.«
»Was denn? Wer hat meinen Neffen Percival betäubt? Unerhört!«
»Der Betäubungspfeil galt Mister Mashnikow, Mylady, doch jener entzog sich durch einen seitlichen Ausfall dem Treffer und ließ es zu, daß Seine Lordschaft in Mitleidenschaft gezogen wurde. Man hat ihn der Not gehorchend im Waschraum der Gäste untergebracht.«
»Wen? Percival? Warum sagen Sie das nicht gleich, Mister Parker?«
»Es handelt sich um die Person jenes Oleg Mashnikow, Mylady. Seine Lordschaft befindet sich höchstwahrscheinlich in der Obhut des Polizeiarztes, während Mister Mashnikow an den Wasserzulauf des Klosetts gefesselt ist.«
»Warum erfahre ich das jetzt erst? McWarden treibt meine Telefonrechnung hoch, weil er pausenlos mit dem Yard spricht. Mclntosh gilt als vermißt – wahrscheinlich ist er ertrunken.«
»Dem dürfte nicht so sein, Mylady. Wenn Mylady von Mister Mashnikow sprechen – dieser zweifelhafte Gentleman weilt hier im Haus. Gestatten Mylady, daß meine bescheidene Wenigkeit Mister McWarden um die Festnahme jenes Gesetzesbrechers ersucht?«
»Ich möchte erst wissen, was mit meinem Geld geschehen ist, Mister Parker. Ich gab Ihnen den Gegenwert von achtzigtausend Dollar mit, um Percival auszulösen.«
»In der Tat, Mylady? War ursprünglich nicht die Rede von zehntausend Pfund?«
»Ich weiß, was ich sage. Natürlich möchte ich auch die Beträge, die man aus Carbouns Safe entwendet hat. Das steht mir zu, weil ich den Fall geklärt habe. Mister Pickett ist übrigens der gleichen Meinung.«
Horace Pickett kam gerade mit McWarden die Wohnhalle hinab. »Ich habe die größten Ängste ausgestanden, Mylady. Zum Glück ist Mister Parker wohlbehalten zurück. Wie steht es? Mashnikow ist ertrunken, wie?«
Josuah Parker schüttelte den Kopf.
»Hol mich der Henker, Parker«, sagte McWarden. »Sie sind naß wie eine Katze. Was war los? Von der Einsatzleitung erfährt man ja nichts. Mashnikow hat entweder die Themsemündung erreicht, oder er ist ertrunken, wie?«
»Keines von beiden, Sir. Man wäre Ihnen zutiefst verbunden, wenn Sie die Freundlichkeit hätten, Mister Mashnikow formell festzunehmen. Er befindet sich im Waschraum nahe der Vorhalle.«
»Auf der Toilette?« staunte der Yard-Beamte.
»Mister McWarden, es tut Ihrer Statistik bestimmt gut, wieder mal einen Erfolg nachweisen zu können.« Lady Agatha stemmte die Hände in die Seiten. »Wenn Sie schon unterwegs sind, können Sie gleich mein Geld sicherstellen, Chief-Superintendent. Ich nehme an, Mister Parker hat die Beute im Wagen liegen.«
»In der Tat, Mylady. Mister Mashnikow verbrachte die Banknoten in jenen Landrover, den man auf Myladys Grundstück sicherstellte. Das sonst von meiner Wenigkeit genutzte Fahrzeug befindet sich noch immer bei den Docks.«
»Was war denn eigentlich los, Mister Parker?« fragte McWarden. »Kann man sich nicht mal hinsetzen und den Ablauf der Ereignisse der Reihe nach erfahren?«
»Unbedingt. Sobald ich mein Geld habe und Mister Parker freigebe.«
Der Butler verbeugte sich. »Sehr wohl. Mylady hatte einen langen und harten Tag.«
»Wenigstens ein Mensch, von dem eine alleinstehende und hart arbeitende Lady verstanden wird. Sie dürfen jetzt gehen, Mister McWarden, und nehmen Sie Kasamarow und Mister Pickett gleich mit.«
Die ältere Dame sprach es in einem Atemzug aus.
»Mylady ...?« Parker war auf dem Weg gewesen, den Landrover zu entleeren.
»Ach, ja. Natürlich, Mister Parker. Gut, daß Sie mich daran erinnern. Sollte sich mein Neffe Percival über Nacht einfinden, geben Sie ihm eines von Ihren Zimmern. Ich will ihn nicht in meinen Räumen haben. Hinauswerfen kann ich ihn wohl nicht – als einzige Verwandte, die er noch hat. Ich hatte seinetwegen erhebliche Unkosten, und Percival soll alles abarbeiten.«
»Welche Form werden Mylady dabei wählen?«
»Wenn sich morgen früh der Hilfsgärtner einfindet, sagen Sie ihm meinetwegen, ich hätte anderes Personal für den Park.«
»Sehr wohl, Mylady. Wen hat man, mit Verlaub, in Aussicht genommen?«
»Percival, wen sonst? Ein wenig Arbeit an der frischen Luft kann ihm nur nützen. Er muß lernen, daß nichts auf der Welt umsonst ist. Darlehen bei Kredithaien wie diesem Carboun sind auch keine Lösung.«
»Wie Mylady wünschen«, sagte Parker. »Eine angenehme Nacht, Mylady!«
»Ich habe noch zu arbeiten, Mister Parker. Wie soll sonst das Geld hereinkommen, das alle Welt mit vollen Händen ausgibt. Ich muß an meinem Bestseller weiterschreiben...