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Schichtwechsel
ОглавлениеNebelschwaden liegen wie Wattebäuschchen über der vor einigen Jahren im Auftrag der Stadt von Landschaftsarchitekten konzipierten und erschaffenen Emscher Aue.
Es ist ein trüber wolkenverhangener, regnerischer Novembermorgen: Aus dem Fluss entwich ein penetranter Geruch, der faulen Eiern ähnlich, die Luft verpestete.
In der Emscher Klause war trotz der frühen Morgenstunde schon so einiges los, es war Markttag, und die Marktbetreiber sowie ihre Kunden, nutzten die Gelegenheit gerne um dort den einen oder anderen Imbiss, respektive das eine oder andere Getränk zu sich zu nehmen.
Waldemar Malinowski ein ehemaliger Bergmann, der bis zu ihrer Stilllegung auf der Zeche Bismarck als Hauer gearbeitet hatte-stand zusammen mit seinem Ex Kollegen Werner Stresemann an der Theke, bestellte zwei Bier bei Hennes Wingenbach, dem Betreiber der Gaststätte und meinte: „ Man gönne sich ja sonst nichts.“
Hennes Wingenbach stammte vom Niederrhein: Er war der dritte Sohn eines niederrheinischen Gemüsebauern und wurde nach dem Tod seines Vaters mit einer Abfindung vom Hof gejagt. Denn: Bei Landwirten ist es traditionell üblich, dass in der Regel nur der erstgeborene Sohn den Betrieb übernehmen darf. Herbert Wingenbach war ein stattlicher Mann von vielleicht fünfundsechzig Jahren, den nichts aus der Ruhe brachte. Er bewirtschaftete zusammen mit seiner Frau Gisela seit mehr als fünfundzwanzig Jahren die Emscher Klause.
Inzwischen war auch der ehemalige Steiger der Zeche Zollverein, sowie Eigentümer zweier Mietshäuser, Heinz Willi Husemann eingetrudelt, begab sich zur Theke, begrüßte Waldemar Malinowski und Werner Stresemann mit gespielter Freundlichkeit-denn in Wahrheit war er ein impertinenter Intrigant- und bestellte bei Hennes Wingenbach scheinheilig drei Bier.
„Habt ihr in den nächsten Tagen etwas Zeit?“, fragte er, „ ich benötige zwei Männer die zupacken können, um meine Gärten auf Vordermann bringen.“
„Kommt drauf an was du zahlst“, meinte Waldemar Malinowski- und führte sein Bierglas zum Munde.
„Zehn Euro die Stunde, weil ihr es seid“, entgegnete dieser gönnerhaft.
„Einverstanden“, brummte Waldemar Malinowski nichtgerade begeistert, „ wann können wir anfangen?“
Wenn es nicht regnet, morgen früh um acht“, schlug Heinz Willi Husemann vor.
Werner Stresemann schmiss eine Lage Bier- und fragte welche Arbeiten denn zu verrichten seien: „Die Hecken schneiden, Bäume und Sträucher runterschneiden, sowie das Laub auffegen“, erklärte Heinz Willi Husemann.
Zwischenzeitlich war auch der SPD Ortsvorsitzende Günter Segerath eingetrudelt, stellte sich zu den dreien an die Theke, bestellte vier Pils, wandte sich an Waldemar Malinowski- und sagte: „ Ich habe gehört du bist jetzt Rentner: Jetzt hast du endlich Zeit und Muße deinen Neigungen nachzugehen.“
„Schön wär’s“, entgegnete dieser, „ aber dazu bin ich finanziell nicht gut genug ausgestattet.“
„Es ist eine Sauerei wie in diesem Land mit vielen Rentnern und älteren Harz vier Empfängern umgegangen wird. Dafür haben deine Partei und du ja auch bei der letzten Bundestagswahl die entsprechende Quittung bekommen“, empörte sich der ehemalige Hauer Werner Stresemann.
„Ich nehme deine Partei dafür in die Verantwortung, denn immerhin war es euer Bundeskanzler, der windige Gerhard Schröder, der damals die umstrittene Agenda 2010 in die Wege geleitet hat“, eschauffierte sich auch Waldemar Malinowski.
„Stopp!“- rief der SPD Ortsvorsitzende Günter Segerath, „ so geht das nicht: Altkanzler Gerhard Schröder hat sich um unsere Republik verdient gemacht. Er war einer der besten Kanzler, die Deutschland bisher regiert haben, er war beliebt bei vielen Menschen und nicht nur bei SPD Wählern. Deine infame Verunglimpfung dieses integren Staatsmannes, der zum Wohle unserer Volkswirtschaft die Agenda 2010 in die Wege geleitet hat, spottet jeder Beschreibung.“
„Ich bin jetzt fünfundsechzig “, äußerte Waldemar Malinowski, „ bis zu meinem Parteiaustritt vor fünf Jahren war ich vierzig Jahre Mitglied der Sozial- Demokratischen- Partei. Schon mein Vater- ihr kennt ihn alle-hat sich sein Leben lang -u. a. als Bezirksvorsteher- in der Partei für die Rechte der Armen, Schwachen, sowie der sozial Benachteiligten eingesetzt. Er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste was aus dieser Partei geworden ist. Immer mehr Arbeitnehmern wird betriebsbedingt gekündigt, oder die Arbeitgeber rutschen in die Insolvenz- und die Leute sitzen dann auf der Straße. Viele Menschen, vor allen Dingen Frauen arbeiten im Niedriglohnsektor- und haben trotz teilweise jahrzehntelanger Beschäftigung nur eine geringe Rente zu erwarten. Das gleiche gilt für Hunderttausende von Arbeitnehmern die zwischendurch, oder aber vor allem in den letzten Jahren vor ihrem Rentenanspruch Arbeitslosengeld zwei bezogen haben.
Immer mehr Arbeitnehmer sehen sich gezwungen, nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben das Sozialamt aufzusuchen weil ihre Rente nicht ausreicht. Von dieser Institution bekommen sie dann Grundscherung im Alter- wie es so schön heißt, es ist der gleiche Satz wie bei Hartz vier-rund vierhundert Euro im Monat für Alleistehende, bis dass der Deckel zugemacht wird. Von diesem Betrag gehen dann auch noch Energiekosten, Telefon, sowie andere Nebenkosten ab: Das ist entwürdigend und lächerlich.
In dieser Situation kommst du als SPD Würstchen daher- und redest die Sache schön. Hat euch die Klatsche bei der letzten Bundestagswahl noch nicht gereicht?“
Während Waldemar Malinowskis Monolog zum Thema: „Armut im Alter“, betrat Karl Heinz Dreiseitl-auch Pfand Kalli genannt, ein ehemaliger Tiefbauarbeiter und Kiosk Betreiber, mit einer Tüte voller Pfandflaschen die Stätte der Gastlichkeit. Er stellte sich neben dem sprachlosen Günter Segerath an die Theke, bestellte ein Pils- und meinte: „ Ihr seid so platt, dass man euch demnächst als Briefmarke benutzen kann.“
„Keine Angst wir kommen wieder“, entgegnete dieser hoffnungsvoll.
„Mit welchen Wählern denn?“, fragte Pfand Kalli sarkastisch, „ die sind euch doch in Scharen davongelaufen.“
Kalli war mit seinen Eltern zu Beginn der fünfziger Jahre aus dem Allgäu in den Pott gekommen. Sein Vater verdingte sich als Hauer auf der Zeche Auguste Viktoria in Marl. Der Familie ging es gut, sie wohnten in einem der vielen Zechenhäuser die es damals noch gab, bis eine Gasexplosion unter Tage- bei der sein Vater verschüttet wurde- die Familie auseinander riss. Der Tod des Vaters hatte das bis dahin so hoffnungsvolle und anmutige Glück der Familie zerstört. Kalli war neun Jahre als sein Vater starb. Seine gutaussehende Mutter Paula schlug sich als Kellnerin durch, um sich und ihren Sohn durchzubringen. Das Glück schien sich den beiden wieder zuzuwenden, als seine Mutter den selbständigen Fleischermeister Siegfried Radunski kennenlernte- und kurz darauf heiratete. Bald stellte sich jedoch heraus, dass dessen Beitrag zum Familienglück, in erster Linie darin bestand, die Kneipenwirte in der näheren Umgebung mit seiner Anwesenheit zu erfreuen. Im Laufe der Zeit kamen immer weniger Kunden in sein Geschäft, dafür aber umso mehr Gläubiger, die die Begleichung ihrer Forderungen verlangten.
An einem milden Frühlingsmorgen im Mai fand man ihn in seiner Wurstküche: Seine linke Hand um krampfte eine angebrochene Flasche Slibowitz, in seiner rechten hielt er die Pistole mit der er sich erschoss.
Einige Zeit nach diesem schrecklichen Ereignis starb auch seine Mutter Paula an einer unheilbaren Krankheit. Der inzwischen vierzehnjährige Kalli kam in ein Waisenhaus, indem er die Zeit bis zu seiner Volljährigkeit verbrachte.
„Da ist was dran“, meinte Hennes Wingenbach, „ die Partei muss sich neu aufstellen, und die soziale Komponente wesentlich stärker präferieren.“
„Nach meinem Schichtwechsel in die Rente beziehe ich Grundsicherung im Alter, das heißt: Ich bekomme den gleichen Betrag wie ein Hartz vier Empfänger, das ist zu wenig zum Leben- und zu viel zum Sterben“, empörte sich Karl Heinz Dreiseitl.
„Lohnt sich das denn?“, fragte mitfühlend Gisela Wingenbach, „ ich meine das mit dem Flaschen sammeln.“
„Mir bleibt keine Wahl“, meinte dieser resigniert, „ wenn ich wirtschaftlich überleben will, muss ich es tun. Der Markt ist heiß umkämpft, da muss man sich ranhalten. Es gibt unterschiedliche Arten von Sammlern: Veranstaltungssammler; Eisenbahnsammler, Bushaltestellensammler, motorisierte; sowie Normalsammler, zu letzteren gehöre ich.“
Inzwischen hatte sich auch Otto Meerkamp, stellvertretener Vorsitzender der Fraktion der Linken im Stadtrat, sowie Bundestagsabgeordneter in der Emscher Klause eingefunden. An der Theke angelangt, bestellte er eine Runde Pils, sowie für sich eine Frikadelle mit Senf.
„Was hältst du denn von dem jetzigen Format der Grundsicherung, sowie von Harz vier?“, erkundigte sich Pfand Kalli.
„Willst du wirklich meine ehrliche Meinung hören?“, fragte Otto Meerkamp, und biss dabei herzhaft in seine Frikadelle.
„In jedem Fall“, meinte Pfand Kalli, „ ihr seid doch die einzigen die den Bürgern noch ungeschminkt und schnörkellos die Wahrheit sagen.“
„Das deutsche Rentensystem ist ein einzigartiger Beschiss. Es handelt sich hier um ein „Zwei Klassensystem“. Während verbeamtete Pensionäre nach ihrem meist ruhevollen und stressfreien Arbeitsleben ihren Ruhestand freudig und entspannt genießen, ausgestattet mit einer oft stattlichen Pension, vegetieren die meisten Rentenempfänger- trotz eines oftmals bis an die physischen und psychischen Grenzen und darüber hinaus gehendem Erwerbsleben- in der Nähe der Armutsgrenze, oderunterhalb dieser würdelos dahin.
An eine über Steuern finanzierte Rente, die auch Einkommensschwachen Menschen ein würdevolles Leben im Alter gewährleistet geht kein Weg mehr vorbei.
Im Übrigen würden die Sozialämter der häufig klammen Kommunen- gerade hier im Ruhrgebiet- erhebliche finanzielle Mittel einsparen, die bisher als Grundsicherung für Armutsrentner fällig werden.
Was muss eigentlich noch alles geschehen, bevor unsere sogenannten Volksvertreter endlich die Beseitigung der Altersarmut in Angriff nehmen!
Lasst mich noch kurz die Agenda 2010 thematisieren. Der Vertragstext dieses im Volksmund auch als Hartz vier bezeichneten Trauerspiels- dass von den Initiatoren, unter der politischen Leitung des ehemaligen SPD Bundeskanzlers Gerhard Schröder den Lohnabhängigen Menschen übergestülpt wurde- ist nicht die Tinte wert mit der dieser unterzeichnet wurde. Scheinheilig wird hier von den Protagonisten dieses Gesetzes -von Hilfe zur Arbeit für erwerbslose Menschen gesprochen, in Wahrheit spielt dieses Gesetz nur dem Kapital in die Hände.“
„Wir sind auf einem gutem Weg“, meinte der SPD Ortsvorsitzende Günter Segerath, „ wenn wir erst die Rente mit siebzig erreicht haben, werden auch die nachrückenden Generationen genügend Rente zur Verfügung haben.“
„Wie wär’s, mit der Rente ab achtzig“, echauffierte sich sarkastisch Otto Meerkamp, „ dies hätte den Vorteil, dass aus biologischen Gründen nur noch wenige Erwerbstätige in den Genuss einer Rente kommen würden. Mir scheint du hast den Schuss immer noch nicht gehört: Wir brauchen ein steuerfinanziertes Rentensystem das allen gesellschaftlichen Strömungen gerecht wird- und den Menschen nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ein würdevolles Altern ermöglicht. Das jetzige Rentensystem ist dazu nicht mehr geeignet.“
Während die meisten Gäste interessiert der Rede von Otto Meerkamp lauschten, war von den Anwesenden fast unbemerkt der fünfundfünfzigjährige ehemalige Plattenleger und jetzige Harz vier Empfänger Hartmut Bienenstock-genannt Hardy- eingetroffen. Erstellte sich neben Karl Heinz Dreiseitl an die Theke, bestellte bei Hennes Wingenbach ein Pils, sowie eine Frikadelle- und entgegnete resigniert auf dessen Nachfrage nach seinem Befinden: „ Beschissen!“
„Wieso?“, mischte sich gehässig Heinz Willi Husemann ein, „ dir geht es doch gut, du legst den ganzen Tag die Beine hoch, und lässt dich auf unsere Kosten vom Staat durchfüttern.“
Während Hartmut Bienenstocks Gesicht eine tiefdunkelrote Farbe annahm, schrie er außer sich vor Zorn: „ Sag das noch mal!“
„Ichbleibe bei meiner Aussage“, entgegnete dieser kühl.
Der kräftige Hartmut Bienenstock stellte krachend sein halbvolles Bierglas auf die Theke- sodass man befürchten musste das Glas würde zerspringen, drehte sich um, und streckte den schmächtigen Heinz Willi Husemann mit einem gezielten Strafstoß ans Kinn zu Boden. Dieser rappelte sich benommen auf, schüttelte- während Blut aus seinem Mundwinkel rann- drohend seine knochige Faust- und krächzte: „ Das wirst du asoziale Krake bitter bereuen, ich bringe dich vor ein Gericht!“
„Hier hast du meine Antwort“, knurrte Hartmut Bienenstock, holte aus- und als er gerade ein zweites Mal hinlangen wollte, warf sich Hennes Wingenbach dazwischen, um die Streithähne zu trennen.
Nachdem dieser eine Lage Pils für alle, auf Kosten des Hauses spendiert hatte, beruhigten sich die Gemüter allmählich wieder.
Der Bundestagsabgeordnete Otto Meerkamp meinte: Emotionale physische Argumentationen wären eine nicht adäquate Form der politischen Auseinandersetzung, biss herzhaft in seine Frikadelle und spülte mit Bier nach.
Inzwischen hatten sich Heinz Willi Husemann sowie Hartmut Birkenstock wieder versöhnt, nachdem dieser sich bei ihm entschuldigt hatte.
„Wie bist du eigentlich in das Arbeitslosengeld zwei hineingerutscht?“, wollte Gisela Wingenbach von Hartmut Bienenstock wissen.
„Ich bekam schon ab Mitte vierzig berufsbedingt Rücken und Kniebeschwerden, sodass ich meinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben konnte. Danach vermittelte mir das Arbeitsamt einen Job als Paketauslieferer bei dem Subunternehmer eines Paketdienstes, für den ich im Niedriglohnbereich vier Jahre Pakete auslieferte, bis die Firma Pleite ging. Als mir dann ein weitläufiger Bekannter, mit dem ich einige Male ein Bier getrunken hatte, eine Stelle als Hausmeister in seinem Eros Center anbot, schien sich ein Schimmer von Hoffnung in Bezug auf meine weitere berufliche Karriere anzubahnen. Nach geraumer Zeit, ich hatte mich gerade eingelebt, sowie Gefallen an meiner Arbeit gefunden, geschah es: Ein Sondereinsatzkommando der Polizei stürmte das Etablissement, verhaftete meinen Freund- und ich saß wieder auf der Straße. Das Arbeitsamt vermittelte mir eine Stelle als Geldtransportbegleiter bei einem Sicherheitsunternehmen. Meine Tätigkeit dort war bedauerlicherweise nur von kurzer Dauer. Eines Tages, an einem dunklen Dezemberabend geschah das Unheil: Während ich in einer Bank Geld abholte, verschwand mein im Auto verbliebener Kollege mit dem Geldtransporter sowie dessen Inhalt im Dunkel der anbrechenden Nacht. Ihr müsst euch das einmalvorstellen: Ich stehe schwer bewaffnet mit dem Geldkoffer in der Hand auf dem Gehweg vor der Bank; und der Geldtransporter ist nichtmehr da. Ich rief meinen Chef an, der die Polizei, und die hat mich sofort verhaftet. Zwei Tage später wurde mein Kollege gefasst, legte ein Geständnis ab-er hatte hohe Spielschulden- und versicherte das ich mit der ganzen Sache nichts zu tun hätte. Daraufhin ließ mich die Polizei wieder frei, doch mein Chef schmiss mich trotzdem raus. Seitdem bin ich arbeitslos, und beziehe seit zwei Jahren Harz vier.“
Staunend hatten alle den Worten von Hartmut Bienenstock gelauscht, bis Karl Heinz Dreiseitl anerkennend meinte: „ Da hast du ja schon so einiges erlebt.“
„Sicher“, seufzte dieser, „ aber dafür kann ich mir nichts kaufen. Ich erhalte monatlich vierhundert Euro, davon gehen siebzig Euro für Strom drauf, sowie dreißig Euro für Versicherung und Telefon. Von dem mir dann noch verbleibenden dreihundert Euro, soll man auch noch Geld ansparen meint die Arge, falls einem der Kühlschrank, der Herd, oder die Waschmaschine kaputt geht. Das Ganze ist ein Witz. So kann man am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilhaben und wird in die Isolation abgedrängt. Ich habe mein ganzes Leben lang SPD gewählt, aber seit ich selbst vom Arbeitslosengeld Zwei betroffen bin, ist mir bewusst geworden, mit welch einer unverfrorenen und impertinenten Strategie von den damals politisch verantwortlichen Politikern- allen voran SPD Bundeskanzler Schröder- ein Mechanismus initiiert wurde, der die Kassen der Unternehmen und Wohlhabenden auf Kosten der ärmsten der Armen zum Klingen bringt.“
„Über alle Parteigrenzen hinweg, bestätigt auch von vielen Wirtschaft und Finanzexperten, hat die Einführung der Agenda 2010 mit dazu beigetragen, dass die wirtschaftlichen Wachstumsraten in Deutschland in den letzten Jahren jedes Jahr um ein bis zwei Prozent stiegen. Darüber hinaus wurde Dank der Agenda 2010, sowie wegen der erfolgreichen Politik der Sozialdemokraten auch in den großen Koalitionen, die Zahl der Erwerbslosen von einstmals fünf Millionen um mehr als die Hälfte reduziert“, erläuterte der SPD Ortsvorsitzende Günter Segerath seine Sicht der Dinge, in Bezug auf die Agenda 2010.
Inzwischen war die Emscher Klause brechend voll, auch Hennes Wingenbach war wieder da, er schleppte eine Kiste mit Wintergemüse herein, an seiner Seite Theodor Buttgereit-auch Gemüse Theo genannt –ein Gemüsebauer vom Niederrhein. Bevor sich Hennes Wingenbach in die Küche begab um den Mittagstisch zu bereiten-es gab heute Wirsingeintopf mit Mettwurst-, spendierte er dem Gemüsebauern einen Edelkorn, sowie ein Pils. Theodor Buttgereit ein etwa sechzigjähriger mittelgroßer schlanker Mann, mit dunklen Haaren und grauen Schläfen, hatte ein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht in dem zwei stahlblaue Augen blitzten, die seinem Antlitz eine Art von hypnotischer Verwegenheit verliehen. Theo Buttgereit nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas, wandte sich an Karl Heinz Dreiseitl,- den er flüchtig kannte-und meinte: „ Wenn du willst kannst du mir an den Markttagen am Stand helfen, darüber hinaus auch in der Erntezeit auf meinen Hof. Der Job und dessen Vergütung ermöglichen es dir wieder ein halbwegs anständiges Leben zu führen. Traust du dir das zu?“
„Ja“, sagte Flaschen Kalli, „ ich bin bereit.“
Dieses Arbeitsangebot offenbarte, wie auch schon bei anderen Gelegenheiten erkennbar, die außergewöhnliche soziale Kompetenz, sowie die philanthropische Lebenseinstellung von Theodor Buttgereit.
Otto Meerkamp schmiss eine Runde Pils, und äußerte anerkennend: „ Das du Karl Heinz einstellst, obwohl du es möglicherweise auch ohne ihn schaffen würdest, davor ziehe ich meinen Hut.“