Читать книгу Als DDR-Auslandskader in Mosambik (1979 – 1982) - Günter Mosler - Страница 5
VOR DEM NEUEN AUSLANDSARBEITSEINSATZ
ОглавлениеNach einem langem Kadergespräch im Ministerium für Bauwesen der DDR, liegt meine Bereitschaft zum weiteren Auslandarbeitseinsatz vor.
Im arabischen Raum, wie in Syrien, Irak oder Kuwait wäre der nächste Arbeitseinsatz möglich. Helene an meiner Seite, Dollarscheine zum Leben, Rest transferieren, aber auch ein arabisches Land kennenlernen - das alles hat seinen Reiz. Denkbar wäre ein Einsatz in Syrien. In Aleppo werden Stahlbetonsilos im Gleitbauverfahren von der DDR gebaut. Über Bau-Exportleistungen im NSW erfährt man nichts, in der Kombinatsleitung ist das ein geschütztes Geheimnis. Danach zu fragen, könnte für einen Reisekader böse Folgen haben. Der „Dollar-Kuchen“ ist längst unter einigen Genossen und Nichtgenossen verteilt.
Seit dem 2. Mai 1978 bin ich wieder im VEB Bau- und Montagekombinat „Chemie“ im Einsatz, aber nicht in Zeitz, sondern im Betriebsteil Leuna. Die Oberbauleitung hat von meiner Bereitschaft zum weiteren Auslandeinsatz Kenntnis genommen und versetzte mich daraufhin in die Baubetriebsleitung.
Es wäre nicht böse gemeint, aber verständlich: Für langfristige Aufgaben bin ich für eine Oberbauleitung ungeeignet.
Also muss ich die bittere Pille schlucken, jeden Morgen 4:00 Uhr aufstehen, um ca. 4:50 Uhr zur Bushaltestelle rennen und am späten Nachmittag gegen 17:30 Uhr zu Hause sein.
Als Technologe wälze ich Bauzeichnungen, stelle Baumaterial, Arbeitszeiten und Baumaschineneinsätze zusammen, erarbeite Bauablaufpläne, löse Aufträge und Bestellungen aus, bin auf Baustellen zu Arbeitsberatungen oder Erläuterungen bestimmter Details einer technologischen Ausarbeitung.
Wenn ich in einer Oberbauleitung erscheine, betrachtet man mich als Exot: „Ach du bist der Mosler, der in Vietnam und Sibirien war.“
„Haben die Amerikaner den Vietnamesen großen Schaden angerichtet?“
„Ist es dort wirklich so schwülwarm? “
„Was habt ihr dort gebaut? “
„Gibt es in Vietnam nur Reis zum Essen?“
„Habe gehört, Vietnamesen essen Hundefleisch. Stimmt das?“
„Sind Vietnamesinnen scharfe Weiber?“
„Habe gehört, Vietnamesinnen haben kleine Tüten. Stimmt das? “
Andere stellen Fragen zu Sibirien:
„Ist dort wirklich so kalt, dass die Spucke wie ein Stein zu Boden fällt?“
„Mein Alter erzählt, dass ihm bei den Russen, in der Gefangenschaft, der Arsch an der Latrine festgefroren ist und beim Pinkeln, im Freien, kam am Ende eine dünne Eisstange heraus, aber weißt du, wenn mein Alter was gesoffen hat, erzählt er Stories über sein Leben in der Gefangenschaft.“
„Wie kann man bei -40 °C/-30 °C arbeiten?“
„Gibt es spezielle Technologien zur Herstellung und Verarbeitung von Beton bei den sowjetischen Freunden?“
„Der Boden ist doch gefroren, wie kann man darauf bauen?“
„Scheint auch dort die Sonne?“
Sie stellen diese Fragen und ich gebe bereitwillig Auskunft. Meine Dia-Vorträge im Baubetrieb, Schulen, Hausgemeinschaften kommen gut an. Von Schülern kommen ebenfalls interessante Fragen: „Wie weit ist der Kommunismus in der Sowjetunion fortgeschritten?“
„Ob ich in Moskau Leonid Breschnew begegnet bin oder ob ich im Lenin-Mausoleum war.“
„Liegt dort tatsächlich der Leichnam Lenins oder eine Wachspuppe?
„Gibt es in Sibirien auch Sommerferien oder nur Winterferien?“
Auch solche Fragen beantworte ich ausführlich.
Obwohl die Tätigkeit in der technischen Abteilung interessant ist, füllt sie mich nicht aus. Acht Stunden lang im verqualmten Raum sitzen, schmeckt mir nicht. Unter beliebigem Vorwand, mit einer Englischvokabelliste in der Hand, verlasse ich den Raum, gehe ins Freie und pauke Englisch.
Mein Parteisekretär kommt auf mich zu und sagt: „Günter, von der Kreisparteileitung wurdest du für den kommenden Kreisparteilehrgang und anschließend für die Bezirksparteischulung in Ballenstedt nominiert. Für deine verantwortungsvolle Auslandstätigkeit brauchst du theoretische Kenntnisse über Marxismus-Leninismus, damit du standfest in Diskussionen mit Andersdenkenden bist. Aus deinen Akten geht hervor, du hast an so wichtigen Lehrgängen noch nicht teilgenommen.“
Mein Gehirn wird immer hellhöriger und denkt: ‘So ein Scheiß passt doch nicht in mein Berufsumfeld.’ Doch ich antworte meinen Parteisekretär: „Oh, das ist nett, dass die Kreisparteileitung an mich denkt. Warum nicht? Wenn das in meinen Zeitplan passt, bin ich sofort bereit, meine marxistisch-leninistischen Kenntnisse zu vertiefen. Die Kreisparteileitung hat recht, wertvolle Argumente für Diskussionen mit Andersdenkenden sind eine gute Waffe, Genosse Parteisekretär.“ Bei dieser Lüge werde ich gar nicht rot im Gesicht.
Über zwei Wochen bin ich schon in Leuna, die tägliche Fahrt hin und zurück. Es wird immer langweiliger. An das Kramen in verstaubten Zeichnungen und Akten kann ich mich nicht gewöhnen. Ich bewundere die Kollegen, die täglich viele Stunden den Stuhl oder Sessel drücken, Frühstück, Mittag und Kaffeetrinken pflegen, dazwischen arbeiten und den Feierabend erwarten. In der Baubetriebsleitung gibt es auch Kollegen, die meinen Ehrgeiz, Mut, Risikobereitschaft hoch schätzen. Sie stellen sachliche Fragen zur Verständigung, zum Zusammenleben und -arbeiten mit Menschen fremder Kulturen, besonders in der Anfangszeit eines Auslandeinsatzes. Meine Erzählungen werden mit Interesse verfolgt, ich muss versprechen, bald einen weiteren Dia-Vortrag zu halten.
Während des Mittagessens sagt mein Parteisekretär: „Hätte ich gewusst, dass sich dein Einsatz weiter verzögert, dann hätte ich dich zum Kreisparteilehrgang delegiert, du stehst auf der Dringlichkeitsliste.“
Ich zucke mit den Schultern und will den Spruch meiner Großmutter wiederholen: Der Mensch denkt und Gott lenkt, aber mein Parteisekretär sprach plötzlich einen vorbeigehenden Genossen an.
Ich werde zum Betriebsdirektor gerufen. Bestimmt geht es darum, in seinem Auftrag eine Baustelle aufzusuchen oder zum Nachauftragnehmer zu fahren. Mein oberster Chef schaut mich lächelnd an und sagt: „Hier ist ein Dienstreiseauftrag, morgen musst du dich beim Ministerium für Bauwesen in der Kaderabteilung melden.“
Mein Blutdruck und Kreislauf pulsieren immer höher, ein Gedanke löst den anderen ab. Ein neuer Einsatz steht bevor! Aber wo? Syrien, Irak, Kuwait?
Der Direktor sagt weiter: „Wir werden dich bald verabschieden müssen“, und fragt: „Hast du eine Ahnung, welches Land das sein wird?“
„Nein“, antworte ich.
Am nächsten Morgen ziehe ich meinen Ausgangsanzug an und binde die Krawatte um. Helene sucht und findet zwischen Knöpfen und Nadeln mein Parteizeichen. Ich bringe es am Jackenrevers an, aber muss lange überlegen ob links oder rechts. In einer alten Zeitung entdecken wir Erich Honecker mit seinem Parteizeichen auf der Seite des Herzens. Dann frühstücken wir gemeinsam, anschließend bringt mich Helene zum Bahnhof.
Im Ministerium für Bauwesen werde ich von Helga, der Sekretärin zum Chef der Kaderabteilung, begleitet.
Nach einer flüchtigen Begrüßung, kommt er sogleich zur Sache: „Genosse, wir brauchen dich dringend in Mosambik! Bist du dazu bereit?“
Eine neue Situation ist entstanden. Ich überlege kurz und sage: „Für einen weiteren Auslandeinsatz halte ich mich seit März bereit, in Brandenburg-Plaue habe ich meine Englischkenntnisse vertieft. Aber aus der Länderkunde ist mir bekannt, Mosambik war eine portugiesische Kolonie, dort wird Portugiesisch gesprochen.“
Darauf bemerkt mein Gesprächspartner: „Genosse, das ist zutreffend – und für diesen Einsatz wirst du zum Portugiesisch-Sprachlehrgang delegiert. Mit Helga fährst du zur Schwarzen Pumpe und dort erfahrt ihr alles Weitere. Übrigens: Die Schwarze Pumpe ist der Generalauftragnehmer für das Vorhaben in Mosambik.“
Danach verabschieden wir uns freundlich.
Was bauen wir in Mosambik? Nichts Konkretes konnte mir der Kaderchef sagen. Oder wollte er nicht?
„Wir unterstützen dort den mosambikanischen Bergbau“, war seine kurze Antwort.
Tief in Gedanken versunken trete ich an meine Rückreise nach Zeitz. Um mich abzulenken, gehe ich zum Mitropa-Wagon, bestelle ein Radeberger Bier und unterhalte mich mit anderen Reisenden im Gang.
Am Bahnsteig in Zeitz steht Helene mit Buffy. Unterwegs berichte ich über die neue Lage.
Auch Helene sagt: „Mosambik war doch eine portugiesische Kolonie, dort wird Portugiesisch gesprochen. Heißt das, unser Englischpauken ist für die Katz gewesen?“
„Mit Englisch kann man sich überall verständigen. Aber du hast recht, in Mosambik wird Portugiesisch gesprochen und ich werde in nächster Zeit zum Sprachlehrgang delegiert“, antworte ich. So richtig können wir uns mit der neuen Lage noch nicht abfinden. In bester Stimmung ist Buffy. Unser kleiner weißer Pudel springt um mich herum, will gekuschelt werden, kommt auf meinen Schoss, wackelt mit der Rute und freut sich.
„Ob wir Buffy mitnehmen dürfen?“, fragt Helene.
„Wir werden uns darum bemühen“, antworte ich.
Im Baubetrieb spricht sich meine Afrika-Delegierung schnell herum. Kollegen stellen Fragen über Fragen, die ich nur oberflächlich beantworten kann. Abwimmeln möchte ich die Kollegen nicht, sonst würde man mich als Hochnäsigen betrachten. In Gruppengesprächen, besonders auf Baustellen, höre ich blöde Bemerkungen. „Da wirst du schwarze Weiber mit hängenden Tüten sehen. ... Diesmal bekommst du harte Währung, da könnt ihr im Intershop einkaufen. ... Du musst gute Beziehungen haben, dich schicken sie ständig ins Ausland, jetzt sogar nach Afrika, dort kommt kein Schwanz von uns hin.“ Einer klagte: „Meine Oma ist vor kurzem verstorben. Mein Alter wollte zu Beerdigung seiner Mutter in den Westen und hat keine Ausreisegenehmigung bekommen. Es war nichts zu machen, obwohl er gute Einschätzungen vom Betrieb und Anglerverein bekam. In Höxter hat die Verwandtschaft auf ihn gewartet, ohne Erfolg, mit fünf Tagen Verspätung und ohne die Anwesenheit meines Vaters, wurde Oma beerdigt.“
Ein Witzbold schaltet sich ein und fragt: „Uwe, du trauerst doch nicht um deine Oma, nur um die D-Markscheine, die euch beiden durch die Lappen gegangen sind!“
Heute fahre ich mit Helene mit unserem Wartburg zur „Schwarzen Pumpe“. Eine Genehmigung der Baubetriebsleitung liegt vor. Helga vom Ministerium für Bauwesen ist schon da. In der Kaderabteilung werden wir freundlich begrüßt, Helga stellt mich als erfahrenen Auslandskader für den Einsatz in Mosambik vor. Mein Gesprächspartner ist sehr freundlich, stellt mir Fragen zu meiner Berufsentwicklung, zur Partei- und Organisationszugehörigkeit und zur Familie. Er schaut von Zeit zu Zeit in einen Aktenhefter, lauscht dabei meinen Antworten. Anschließend frage ich beiläufig, ohne meine Neugier zu demonstrieren: „Was baut denn die Schwarze Pumpe in Mosambik und welche Aufgaben habe ich dort zu erfüllen?“
Darauf antwortet mein Gesprächspartner: „Wir helfen unseren mosambikanischen Freunden bei der Entwicklung des Steinkohlenbergbaus. Es fehlen Bergbauspezialisten vor Ort. Du bist dort als Leiter für den Wohnungs- und Sozialbau vorgesehen. Ein Portugiese ist als Bauabteilungsleiter vor Ort beschäftigt. Nach deiner Ankunft reist er nach Portugal zurück. Für diese Aufgabe musst du einen Portugiesischlehrgang absolvieren. Der findet in der Zeit vom 27.11.1978 bis zum 19.1.1979 in Oppach statt.“
Der Arbeitseinsatz in Mosambik ist in greifbarer Nähe, vielleicht schon nach dem Sprachlehrgang in Oppach, denke ich. Auf den Baustellen in Zeitz werde ich sofort umringt und mit Fragen belegt. Die Kunde von meiner nächsten Tätigkeit in Afrika kam auch hier längst an.
Ich denke viel an das weite afrikanische Land Mosambik. Im Grunde genommen freue ich mich, im Wohnungs- und Sozialbau tätig zu werden. Harte Währung bekomme ich auch, Mosambik gehört zum Hartwährungsgebiet. Und die afrikanische Kultur kennenzulernen, reizt mich.
27.11.1978. Mit der Reichsbahn fahre in Richtung Süd-Ost nach Oppach, nahe der tschechoslowakischen Grenze, im Bezirk Dresden. Meine letzte Etappe muss ich mit dem Bus reisen. An der Bushaltestelle wartet ein Herr mit gleichem Ziel, er muss zum Portugiesischsprachlehrgang nach Oppach. Wir machen uns bekannt. Es ist Dr. Armin Krauße, Bergbauingenieur, und zufällig wohnt sein Bruder auch in Zeitz.
Am späten Nachmittag sind alle Kursanten angereist. Im Speisesaal treffen wir uns zu Begrüßung. Es sind Mitarbeiter der Schwarzen Pumpe mit Spezialisten für Maschinenbau und Instandhaltung, Elektriker, Laboranten, Ökonomen, dann Mitarbeiter vom VEB Steinkohlenkokereien August Bebel Zwickau und Bergbauspezialisten aus dem ehemaligen Kohlerevier Ölsnitz. Im Saal sehe ich die Familie Ingrid und Peter Höhl, beide wohnen, wie ich, in Zeitz-Ost. Wir freuen uns bei dieser Begegnung. Auch sie wollen portugiesische Sprachkenntnisse erwerben, für Aufgaben in der Hauptstadt von Mosambik. Peter soll von Maputo aus die Steinkohle-Tagebau-Erschließung in Moatize vorbereiten, Ingrid wird als Arzthelferin in der Botschaft arbeiten.
Der Unterricht beginnt am Montagnachmittag und endet am Freitag zur Mittagszeit. Unterrichtet wird auch am Nachmittag, anschließend folgt Selbststudium. Studenten der Leipziger Universität unterrichten uns. Sie wohnen in Bungalows und stehen uns zur Seite. Das Lernregime ist sehr locker, jeder von uns muss Mosambikaner anleiten können, dazu brauchen wir portugiesische Sprachkenntnisse.
Wir lernen Redewendungen wie:
Bom dia | = Guten Tag (bis Mittag) |
Boa tarde | = Guten Tag (ab Mittag bis zum Dunkelwerden) |
Boa noite | = Guten Abend; Gute Nacht |
Ate logo | = Auf Wiedersehen |
Ate ja | = Bis gleich |
Ate manha | = Bis morgen |
Por favor | = Bitte |
Muito obrigado | = Vielen Dank |
Sim | = Ja |
Nao | = Nein |
und vieles anderes. Wir lernen Substantive, Artikel, Grundzahlen usw. Wir hören Vorträge von Vertretern der „Schwarze Pumpe“ und dem VEB Steinkohlenkokereien „August Bebel Zwickau“ über Moatize. Anschließend werden Delegierungsverträge für den künftigen Arbeitseinsatz in der Volksrepublik Mosambik unterzeichnet und ausgehändigt.
Am Wochenende, beim Gassigang mit Buffy, pauke ich laut Vokabeln und Redewendungen. Meine gute Buffy erschreckt, kläfft, wenn ich laut portugiesische Sätze ausspreche. Das arme Luder versteht doch kein Portugiesisch.
19. Januar 1979: Ich erhalte das Zeugnis der Bildungseinrichtung mit dem Vermerk: Am Grundlehrgang Portugiesisch mit 300 Unterrichtstunden teilgenommen zu haben. Wir verabschieden uns mit einem: „Auf Wiedersehen in Moatize“.
Sehr interessant waren die Vorträge über Moatize und Tete von Mitarbeitern der Abteilung „M“ (Moatize) „Schwarzen Pumpe“, die den Entwicklungsprozess des mosambikanischen Steinkohlenreviers studierten und von Anfang an, seit 1977/78, das Engagement der DDR in Mosambik verfolgten und ihm dann beiwohnten. Einige Kursteilnehmer waren bereits in Moatize.
Aus den Vorträgen und Erzählungen erfahre ich interessante Dinge über Tete und Moatize: Tete ist eine dünn besiedelte Provinz, 8,3 Einwohner kommen auf einen Quadratkilometer. Der Fluss Sambesi, übrigens der viertlängste Fluss Afrikas, durchquert die Provinz und mündet im Indischen Ozean. Am unteren Sambesi, in der Provinz Tete, steht der Cahora-Bassa-Staudamm. Der Stausee speist das größte afrikanische Wasserkraftwerk. Der Sambesi ist reich an Krokodilen und Flusspferden. Bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1975 war die Kohleförderung im Raum Moatize um das Mehrfache gestiegen. Aus Belegen geht hervor, dass es im Jahr 1945 ca. 12.000 Tonnen und im Jahr 1975 ca. 570.000 Tonen waren.
Mit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1975 und der gewählten politischen Richtung, konnten sich bestimmte Kreise im In- und Ausland nicht abfinden. Es kam zu einer Massenflucht von Europäern und von ausgebildeten einheimischen Facharbeitern. Leitungspersonal verließ die Produktionsstätten und die Gruben. Die Steinkohlenfördermenge wurde rückläufig, die Gefährdung der Sicherheit in den Gruben stieg zunehmend. Im September 1976 kam es in der Grube Chipanga VI zu einer verheerenden Schlagwetterkatastrophe. Achtundsechzig mosambikanische Kumpels verloren dabei ihr Leben. Die mosambikanische Regierung sah eine weitere Entwicklung des Moatize-Kohlereviers erheblich gefährdet und bat das Ausland, darunter die DDR, um Unterstützung. Noch im gleichen Jahr flog eine hohe Bergbauexpertengruppe nach Moatize, untersuchte den technischen und materiellen Umfang der Katastrophe und erarbeitete ein sicherheitstechnisches Minimalprogramm für die anderen Gruben. Schon neun Monate später, im August 1977, kam es erneut zu einer verheerenden Schlagwetterkatastrophe. Dabei verloren sechsundfünfzig Kumpels ihr Leben. Es kam zu gewaltigen Unruhen im gesamten Kohlerevier. Mehrere Menschen wurden umgebracht, darunter auch der Direktor der Companha Carbonifera de Mocambique. In dieser schrecklichen Zeit wandte sich die mosambikanische Regierung erneut an das Ausland und bat um Unterstützung für den Bergbau. Die VR Rumänien entsendeten 12 Bergbauexperten und die DDR im Januar 1978 schon 50 Bergbaukumpel und Material nach Moatize. Ein Bild des Grauens fanden unsere Bergleute im Stollen: Verweste Leichen der Verunglückten lagen über Monate bei über 40 °C in der Tiefe. Eine Grabstätte wurde für die toten Bergleute in einem der Stollen errichtet. Unsere Bergleute brachten die Bergbausicherheit weitgehend in Ordnung, bauten einen Posto de Medico (medizinischen Stützpunkt) für einheimische Bergleute auf und besuchten täglich die Gruben. Bald daraufhin verständigten sich die Regierungen der Volksrepublik Mosambik und der DDR in einem Abkommen vom 24.04.1978 zum weiteren Betreiben – mit voller Unterstützung der DDR – des Steinkohlereviers in Moatize, welches seit der letzten Schlagwetterkatastrophe nicht mehr vollständig im Betrieb war.
Am 12. Mai 1978 wurde die Steinkohlegesellschaft verstaatlicht und bekam den Namen: Empresa Nacional de Carvao de Mocambique „CARBOMOC“.
Vor Ort weilen bereits mehrere Bergbauspezialisten, Elektriker, Maschinen- und Instandhaltungsspezialisten, medizinisches Personal und Geologen, die die DDR-Delegation bilden. Bungalows für DDR-Cooperanten befinden sich im Bau.
Zu bedenken geben mir Gespräche mit vorgehaltener Hand in den Pausen, denn ich erfuhr auch die unerfreulichen Dinge. Nach der Verstaatlichung des Kohlereviers von Moatize folgten Anschläge auf Hochspannungsleitungen. Verübt wurden Anschläge auf die Eisenbahnlinie Moatize-Beira. In den Dörfern wurden FRELIMO-Aktivisten verschleppt und grausam ermordet. Ausländische Zulieferer verweigerten Lieferungen von Ersatzteilen für Grubenausrüstungen. Eine Grubenwehr wurde gebildet, man befürchtete Anschläge auf Gruben und nicht zuletzt auf unsere Spezialisten. Es gab große Probleme mit der Energieversorgung und Engpässe in der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung.
Ich dachte mir jedoch, wenn es wirklich so gefährlich wäre, würde man uns nicht in dieses Land schicken.
15. Februar 1979: Die DDR-Bürger erfahren aus Medienberichten, dass eine hochrangige Partei- und Staatsdelegation der DDR, unter Leitung von Erich Honecker, vom 15 bis 24. Februar 1979 die Sozialistische Libysche Volksjamahiriya vom 15. bis 17. Februar 1979, die Volksrepublik Angola vom 17. bis 20. Februar 1979, die Republik Sambia vom 20. – 22. Februar 1979 und die Volksrepublik Mosambik vom 22. bis 24. Februar 1979 besucht. Die DDR-Medien berichten ständig über den Staatsbesuch. In der „Aktuellen Kamera“ flattern Bilder von Maputo über den Schirm. Ich verfolge aufmerksam den Besuchsverlauf. Aber in offiziellen Dokumenten kommt der Begriff Steinkohle, Moatize oder Tete nicht vor. Vielleicht habe ich auch etwas übersehen oder überhört?
Erich Honecker und Samora Moises Machel (Bild aus DDR-Medien)
In unseren Medien erscheinen nur lobende Kommentare. Die Deutsche Demokratische Republik hat die Beziehungen zu den vier besuchten Staaten sowie zu den Befreiungsbewegungen qualitativ ausgebaut.
Es ist Montag früh: Mit ernstem Gesichtsausdruck kommt der sonst witzige Parteigruppenorganisator in unser Büro und fragt: „Habt ihr gehört, was passiert ist?“ - „Nein“, unsere Antwort, „erzähle!“ Darauf Herbert unser Kampfgenosse: „Das Flugzeug mit Erich Honecker ist abgestürzt.“ „Was ist passiert?“, fragen mehrere neugierige Stimmen. Herbert, ohne auf unseren blöden Gesichtsausdruck zu achten, setzt fort: „Erich hing mit seinem Fallschirm an einem Baum. Nach mehreren Stunden kam ein Engel geflogen und fragte: ‘Erich soll ich dir helfen?’ - ‘Nein, meine Genossen werden mir helfen!’, antwortete Erich erbost auf das himmlische Angebot. Nach 24 Stunden kommt der Engel wieder geflogen und fragt: ‘Erich du hängst ja immer noch, soll ich dir helfen?’ - ‘Meine Genossen sind bald vor Ort!’, so seine widerwillige Antwort. - Nach weiteren Stunden kommt der Engel erneut, fliegt vorbei, ohne auf Erich zu achten. Erich genervt ruft: ‘Engel, jetzt kannst du mir helfen!’ Und der Engel antwortet sehr erfreut: ‘Erich, ich bin Genosse geworden.’“ – hahahaha …
Ich studiere Zeichnungen, Leistungsbeschreibungen, Bewehrungszeichnungen und -listen, prüfe Maßketten und stelle Materiallisten zusammen. Mein unter Zeichnungen verborgenes Telefon am Schreibtisch klingelt. Ich denke mir nichts dabei. Es klingelt mehrmals während der Arbeitszeit. Irgendwann nehme ich den Hörer ab und am anderen Ende der Leitung ist Helgas Stimme zu hören. Ich spüre meine Herzschläge, die Beine kommen wanken, nein, nicht wegen der zarten Stimme Helgas, aber wegen dem, was sie mir vielleicht sagen wird. Eine förmliche Begrüßung folgt und anschließend sagt sie: „Genosse, wir haben einen dringenden Auftrag für dich. Eine mehrwöchige Dienstreise nach Angola. Melde dich unverzüglich beim Ministerium für Handel und Versorgung der DDR, in der Abteilung Gaststätten und Hotelwesen. Dort bekommst du weitere Informationen.“