Читать книгу Mords-Urlaub - Günther Dümler - Страница 6
Aufbruch
ОглавлениеVon Rödnbach nach Frankfurt/Main
Schon in aller Herrgottsfrühe fanden sich die beiden Ehepaare Kleinlein und Bräunlein, sowie deren Freunde, der Dorffriseur Lothar Schwarm und Michael „Iwan“ Kowalew mit gepackten Koffern auf dem Röthenbacher Bahnhof ein. Es nieselte unangenehm und ein kalter Ostwind machte klar, dass der Winter zwar kalendarisch dem Frühjahr gewichen war, aber auch nicht einmal ansatzweise daran dachte, sich kampflos, das heißt ohne gelegentliche Störmanöver zurückzuziehen. So freuten sich alle auf Ägypten und seine wärmende Sonne.
Die S-Bahn fuhr mit kreischenden Bremsen ein. Die Freunde bestiegen den hintersten Wagen, wo sie es sich in einem überraschenderweise völlig leeren Abteil gemütlich machten. Alle waren in prächtiger Laune und in großer Aufregung. Obwohl alle schon längst die fünfzig, teilweise sogar die sechzig überschritten hatten, benahmen sie sich wie eine Gruppe aufgeregt gackernder Schüler auf Klassenfahrt. Peter, als begeisterter Filmer hatte sowohl seine neue Digitalkamera, als auch den Camcorder eingepackt. Er bat den eben eingestiegenen Zugbegleiter darum, eine Gruppenaufnahme zu machen. Dazu hielt er ihm den Fotoapparat entgegen und gab ihm zudem genaue Anweisungen.
„Sie braung bloß in dess Fensterler hindn schauer. Woss dord seeng, is nachher auf dem Bild drauf. Und abdrücken müssens oben auf dem länglichen Knopf. Ja, genau dou“, ergänzte er, als der Bahnbeamte, der natürlich auch nicht aus dem letzten Jahrhundert stammte, schon längst ein perfektes Foto geschossen hatte.
Die Stimmung war prächtig. Nach einer knappen halben Stunde stiegen die Reisenden in Nürnberg um in den ICE nach Frankfurt am Main, genauer gesagt Frankfurt/Main-Flughafen. Während der folgenden guten zwei Stunden Fahrt tauschten sie Erinnerungen an frühere Erlebnisse und freudige Erwartungen auf die bevorstehenden Abenteuer aus. Iwan trug eine Menge Seemannsgarn aus seiner aktiven Zeit im Dienste der christlichen Seefahrt bei. Die Gruppe konnte auf einen Außenstehenden leicht den Eindruck der berühmten „Unbedarften im Ausland“ aus dem gleichnamigen Roman von Mark Twain machen. Reihum wurde nachgeprüft, ob auch alle benötigten Papiere, Reisegutscheine, Fahrkarten, Ausweise tatsächlich eingepackt waren. Nicht, dass diese Nachkontrollen nicht schon zuhause x-mal durch exerziert worden wären, aber sicher ist eben sicher. Lothar brachte unter schallendem Gelächter und dem Anlass entsprechend, den uralten Sketch von Herbert Hisel, dem Nürnberger Humoristen aus den sechziger Jahren, zu Gehör. Dessen Helden hatten an der Grenze festgestellt, dass sie alles eingepackt hatten, aber leider nur das heimische Küchenbuffet fehlte. Er kam eben zur Pointe der lustigen Geschichte.
„…. wieso nou äs Küchnbüffee, woss soll mer nou mit dem? Ganz einfach, wall dou drauf unsere Bersonaalausweise lieng!“
Schallendes Gelächter auf allen Plätzen. Doch so schlimm würde es bei unseren Röthenbacher Orientreisenden nicht kommen. Alle hatten das Notwendige eingepackt. Es war immer noch früh am Morgen, als der Zug in den Frankfurter Airport-Bahnhof einrollte. Bis zum Einchecken war noch eine gute halbe Stunde Zeit, die sie in der riesigen Abflughalle damit verbrachten, ihr mitgebrachtes zweites Frühstück, Leberkäsweckla aus dem Hause Bräunlein zu verzehren und dabei die anderen Reisenden zu beobachten.
„Hosd du denn dord driem gseeng, denn mit derer hellblauer Jeans und dem gelb-roudn Hemmerd. Mein Lieber, dou kummd Farbe ins Schbill. Der schaud aus wäi a Babbagei ausn Nämbercher Diergardn. Und mit derer Adlernasn konnsd ohne Weideres Nußknackn, wäi mitn Schnabl von an Raubvogl. Hoffentli ghärd der nedd zu uns, sunst gräichi von Ägybdn nedd vill mit, walli blous dauerd über denn lachn mou“, meinte Lothar.
Und Iwan fügte übermütig hinzu.
„Vielleich ist er ja tatsächlich ein Vogelfänger, der in Südamerika auf die Jagd geht und der deshalb schon mal seine Tarnkleidung angezogen hat. Der sieht ja selber wie ein Hyazinthara aus.“
Die Bezeichnung kannte er noch aus den bunten Sammelbildern „Flora und Fauna des Urwaldes“, die er als kleiner Junge so eifrig gesammelt hatte und derentwegen seine Mutter, obwohl klein Michael gar keine Haferflocken mochte, dieselben packungsweise kaufen musste. Der farbenprächtige Herr hatte schon mal seinen Namen weg, ob er nun mit nach Ägypten reiste oder nicht.
Peter war ein sportlicher, wenn auch schon im fortgeschrittenen Alter befindlicher Mann aufgefallen, der von einer hünenhaften blonden Walküre verabschiedet wurde, als ob es keine Wiederkehr gäbe, was dem elegant gekleideten Herrn offenbar eher unangenehm war, zumal sie ihn auch noch mit allerlei Vorsichtsmaßregeln zu überschütten schien. Die beiden standen unmittelbar vor dem Schalter der Egyptair, der gerade in diesem Moment für den Check-in geöffnet wurde. Schnell bildete sich eine lange Schlange vor der Gepäckabgabe. Es ging nur langsam voran. Einer der Passagiere hatte Übergewicht, das heißt natürlich nicht nur er selbst, sondern leider auch sein Gepäck und das war das Entscheidende. Bis endlich der fällige saftige Preisaufschlag geregelt war, verging eine Menge Zeit. Da Peter schon die ganze Zeit aufgefallen war, mit welchem Kraftaufwand Simon seinen stabilen altmodischen Koffer mit sich herum schleppte, begann er sich diesbezüglich Sorgen zu machen.
„Simon, hobbd ihr dran gedachd, dass mer bloß zwanzich Kilo pro Berson als Gebägg mitnehmer derf? Mir scheinds fasd, dass ihr eiern ganzn Haushald eibaggd hobbd, so schlebbsd du dich ab.“
„Brauchsd der kanne Sorgn machn, Beder, mir homm unsere Koffer derhamm nu schnell auf die Fleischwaag naufgstelld und dee gäihd aufs Gramm genau, dou konnsd di drauf verlassn“, gab Gisela dem besorgten Freund Bescheid.
Als die beiden endlich an die Reihe kamen, stellte sich tatsächlich heraus, dass auf das zulässige Höchstgewicht gerade einmal winzige dreiundzwanzig Gramm fehlten. Das war knapp. Doch da nun auch diese Hürde genommen war, konnten sich die Röthenbacher aufmachen, um die Personenkontrolle zu passieren. Alles ging glatt, bis Simon an der Reihe war. Er hatte, den Vorschriften entsprechend und wie er es von seinen Vorgängern abgeschaut hatte, seine kleine Tasche, die er als Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen wollte, ordnungsgemäß in eine dieser Plastikboxen auf das Förderband gelegt und stand jetzt bereit, den Test mit dem Metallscanner zu absolvieren, als ein durchdringend anklagendes Geräusch aus der Richtung seiner Reisetasche ertönte.
„Gehört dieses Gepäckstück ihnen?“, fragte der Abfertigungsbeamte. Als Simon bejahte wurde er an den Bildschirm gebeten, auf dem sich deutlich ein länglicher Zylinder abzeichnete.
„Was ist das hier in ihrem Handgepäck?“, wollte der sichtbar nervös gewordene Sicherheitsexperte wissen.
„Dou is nix anders drin, wäi dess, woss ich bis Kairo brauch und des sinn immerhin über drei Stundn!“, gab Simon patzig zurück. Es passte ihm gar nicht, dass er wie ein ertappter Betrüger dastand, ob wohl er sehr wohl um die Notwendigkeit der Kontrollen wusste.
„Wir machen das hier nicht zum Spaß“, entgegnete der Beamte gereizt, „der Form nach zu urteilen, könnte es sich hier durchaus auch um eine Bombe handeln.“
„Dou liegns gar nedd amol so falsch, Herr Inschbeggder, dess sinn sogar gewaldiche Bombn, Kalorienbombn. Dou drin sinn meine Broudworschdbüxn, wossn sunsd“, konterte Simon mit dem unschuldigsten Gesichtausdruck der Welt. „Eigene Herstellung, verstenners. Eins-A Qualidäd, Bräunleins Fränkische Broudwörschd, Goldmedaille 2012 des Bayerischen Metzgerhandwerks. Woss solln nern na mit denne sei?“
„Sie dürfen keine Lebensmittel nach Ägypten einführen und ins Flugzeug dürfen sie die auch nicht mitnehmen. Die müssen sie leider hier zurück lassen.“
„Von wegen leider, wahrscheinlich freid ihr eich scho die ganze Zeid auf die nächste Brodzeid. Abber von mir aus könnd ers behaldn. Sollt a nedd leben wäi die Hund“, brummte Simon enttäuscht zurück.
In der Folge zog sich die weitere Personenuntersuchung Simons überdurchschnittlich lange hin, bis er endlich doch als unbedenklich, jedoch etwas zurückgeblieben eingestuft und durch gelassen wurde. In der Wartehalle von Gate A324 war dieser peinliche Vorfall noch länger Thema einer angeregten Unterhaltung.
„…. nadürlich hobb ich a weng a Essn von derhamm midgnommer. Mer wass doch nedd, woss in den Ägybdn für a Zeich gibd. Dou brauchd mer villeichd scho ab und zu amol a Nodration, dass mer widder einichermaßn auf die Fäiß kummd“, rechtfertigte sich Simon. „Und außerdem homms ja nedd alles gfundn. Im Koffer hobbi scho nu einiche Boar greicherde Broudwörschd und an klann Schinkn, alles sauber in Folie verschweißd. Dou bassierd garnix!“
Das durfte man getrost wörtlich nehmen. Es passierte längere Zeit wirklich nichts mehr. Der Flug startete trotz des Zwischenfalls pünktlich, verlief ohne weitere Überraschungen und landete fast auf die Minute genau nach Plan in der ägyptischen Hauptstadt.