Читать книгу Vom Kriegsende bis nach der Wende - So war es damals - Gottfried Lehmann - Страница 7
ОглавлениеEs war eine schwere Zeit
In Klaffenbach bin ich 4 Jahre, bis 1949 in die Schule gegangen.
Die ehemaligen Lehrer wurden alle wegen ihrer Nazi Vergangenheit entlassen und durch unerfahrene und unausgebildete Neulehrer ersetzt. Auch gab es damals kein richtiges Lehrmaterial. Die Klassenzimmer waren im Winter kalt und der Unterricht fiel sehr oft wegen fehlender Brennstoffe aus.
Diesen schlechten Unterricht in den ersten Schuljahren habe ich lebenslang negativ gespürt. Später habe ich immer meine Kinder beneidet, die sehr gute Bildungsmöglichkeiten hatten.
Weil es keine Schuhe gab, gingen wir im Sommer immer barfuss in die Schule, bis der erste Frost kam. Die Holzfußböden in der Schule waren geölt, die Füße waren nach der Schule immer schwarz. Es gab keine neuen Schuhe, natürlich auch kein Material, um Schuhe zu reparieren. In unserem Dorf hatte ein Mann die Idee, dass Oberleder von alten hohen Schuhen auf eine ca. 25-30 mm dicke Holzformsohle zu nageln.
Der Preis dafür war 20 Mark und ein Brot. Der Nachbarjunge, mein Schulkamerad Bernd, hatte welche. Wir hatten kein Geld und auch kein Brot dafür. Gern hätte ich auch so schöne laute Klapperschuhe gehabt. Die ersten Kunststoffschuhe die es wieder gab kann ich mich erinnern, es waren gelbbraune Igelitsandalen mit einem Weichmacher, der bei Wunden am Fuß giftig sein sollte.
Durch die Zerstörung der Wirtschaft im Krieg war alles Mangelware geworden. Man war und musste extrem sparsam sein. Socken stopfen, Teile von alter Kleidung wurden als Aufwaschlappen und Putztücher genutzt, als Klopapier wurden alte Zeitungen und Bücherseiten verwendet. In vielen Fällen nutzte man alles das, was man noch vor dem Krieg besaß. Besonders schwer war es für die Menschen, die alles durch Bomben verloren hatten.
Lange Hosen für Jungs gab es nicht es wurden Strümpfe getragen. Sehr unangenehm in Erinnerung sind mir die kratzigen Strümpfe mit Leibchen und Strumpfhalter. Ich war da sehr empfindlich und immer wenn durch Körperschweiß und Schmutz das Kratzen verträglich war, wurden die Strümpfe von der Mutter gewaschen und danach kratzen sie wieder wie vorher.
Das war damals die übliche Kleidung bei Jungen und Mädchen, auch im kalten Winter.
Mit zwei Schulkameraden aus der Nachbarschaft ging ich täglich von der Schule nach Hause. Beide hatten einen üblichen Ranzen auf dem Rücken und ich besaß nur eine Aktentasche für die Schulbücher. Mein Ranzen war ja in Adelsberg mit verbrannt.
Als wir auf dem Heimweg über den Dorfbach gesprungen sind, flog meine Tasche mit allen Schulbüchern ins Wasser.
Die Schreibhefte, damals mit Tinte beschrieben, waren völlig verwischt und verschmiert. Der Heimweg war für mich sehr beängstigend und unangenehm. Von der Mutter gab es zu Hause aber keine schlimmen Vorwürfe.
Das Haus, in dem wir wohnten, gehörte dem Onkel Paul und der Tante Elly. Onkel Paul war ein überzeugter fanatischer Nazi gewesen. Meine Mutter fand auf dem Dachboden noch eine Hakenkreuzfahne. Die war außergewöhnlich groß und sie hing früher am Hausgiebel von oben bis ganz runter. Die Fahne, deren Besitz auch noch sehr gefährlich war, hat dann unsere Mutter in ihrer Notlage verwertet. Aus dem roten Teil der Fahne entstand ein Rock, aus dem weißen Kreis eine Bluse und vom schwarzen Hakenkreuz die Verzierungen am Kleid und an der Bluse. Heute würde jedes Museum dieses Kleid als eine Besonderheit ausstellen.
Die Winter 1946/ 47 waren sehr kalt. An den schrägen Wänden der beiden Schlafzimmer im oberen Stockwerk glitzerten die Eiskristalle. Weil es aber nur eine Wärmflasche für 7 Personen gab, bekamen wir Kinder manchmal einen eingewickelten Ziegelstein ins Bett gelegt. Dieser Ziegelstein wurde vorher in der Backröhre des Küchenherdes heiß gemacht.
Es gab keine Brennstoffe fürs Kochen und zum Heizen. Den Markersdorfer Hochwald haben die Menschen illegal und vollständig abgeholzt, auch die großen Wurzeln wurden mühsam mit entfernt. Im Ort gab es eine kleine Benzinfabrik, das heutige Mineralölwerk. Ein Abfallprodukt, damals Benzinschlamm genannt, konnte man mit dem Handwagen dort kostenlos holen. Mit etwas Geschick, in Verbindung mit Holz oder den so genannten Presslingen, Braunkohlendreck in Ziegelform gepresst, wurde der Küchenherd geheizt. Wenn man nicht aufpasste, lief brennender flüssiger Teerbrei aus der Ofentür heraus. Es entstand danach auch viel Schlackeabfall und der Ofen sah fürchterlich aus.
Spielzeug hatte ich in Klaffenbach gar keins, das Einzige woran ich mich erinnern kann, war eine Fahrradfelge vom Schuttplatz. Mit einem Ast durch die Nabe, wurde dann dieses Rad mit einem Stock rennend geführt. Solches Spielzeug habe ich in der jetzigen Zeit nur bei armen Kindern in Afrika im Fernsehen gesehen. Hupfkästl spielen war bei den Kindern aktuell, es wurde die vielen Kästchen zum springen in den Straßensand geritzt. Wer als Kind von seinen Eltern Glasmurmeln aus der Vorkriegszeit hatte, besaß ein schon beneidenswertes kleines Vermögen, man zielte die Murmeln, mit anderen Kindern zusammen, in ein kleines Erdloch. Niemand hatte damals einen Ball zum Spielen, auch später als Jugendlicher hatte ich nie einen richtigen Fußball besessen.
Für uns Kinder gab es nur wenige Abwechslung:
Im Winter wurden die Straßen mit einem Holzschneepflug und einem Pferdegespann davor gezogen und beräumt. Den Schneepflug konnte man in der Breite verändern und je nach Schneehöhe zogen dann 4 oder 6 Pferde. Auf dem großen Podest sind oft viele Kinder mitgefahren und hatten ihren Spaß.
Man sagte damals die Ausarbeitung in der Winterpause ist gut für die Pferde.
Mit den beiden Schulkameraden aus der Nachbarschaft war ich oft am Schwemmteich, neben dem jetzigen Wasserschloss, dort spielten und tobten wir herum. In einem kleinen Wiesenbach, der in den Fluss Würschnitz fließt, haben wir soviel kleine Weißfische, Bartfetzen und Krebse mit der Hand gefangen, wie man sich das heute nicht mehr vorstellen kann. Sie wurden mit einem Eimer nach Hause geschafft, am nächsten Tag waren alle tot und es gab Ärger, weil es fürchterlich gestunken hat. Es gab damals auch noch viele Feldhasen, sie zeigten während der Paarungszeit ihre eindrucksvollen Kampfkunststücke.