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Prolog

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Königin Celene Herakles,

Aufenthaltsort unbekannt

Sie wollten mich wohl verarschen. Aber weder der reichlich gedeckte Tisch, noch die heuchlerische Fratze des Mannes, der dabei war, sich völlig unbekümmert den Bauch vollzuschlagen konnte mich täuschen. Ich wusste, was Sache war und die warmen Klamotten und Schuhe, die sie mir vor ein paar Stunden gegeben hatten, ehe sie mich in diesen Speisesaal geführt hatten, würden mich auch nicht zum Reden bringen. Nicht mit ihm. Mit niemandem auf diesem verdammten Raumkreuzer. Sie hatten mir einen ReGen-Stift gegeben und mir ein warmes Bad erlaubt. Ich fühlte mich ganz gut … für den Moment.

Das hier war eine Geduldsprobe, eine Frage der Willenskraft. Wer würde länger durchhalten? Ein Kräftemessen des Glaubens, des Vertrauens, der Geduld. Schließlich waren siebenundzwanzig Jahre vergangen, seitdem ich Alera, meine Heimat, gesehen hatte. All diese Jahre war ich ihren Machenschaften entgangen, letztendlich aber hatten sie mich doch gefunden.

Ich bedauerte nichts davon. Adam musste sich große Sorgen um mich machen. Er war auf der Erde. Aber er kannte mich und unsere Töchter. Er hatte sich trotzdem für mich entschieden, trotz meiner Zukunft und der Vergangenheit, die uns irgendwann einholen würde.

Ich malte mir aus, wie er auf der Erde ungeduldig wartete. Wie er seine Töchter verabschiedet hatte. Es würde nicht leicht werden, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er zu uns stoßen würde. Er war früher ein Soldat bei den Marines, dann war er aufs College gegangen und hatte Jura studiert. Er hatte sich den Respekt seiner Kollegen erarbeitet und war Richter geworden. Auf ihn war Verlass. Er war mein Fels in der Brandung, mein Liebster. Sobald er eintreffen würde, würde er mit aller Kraft für unsere Töchter kämpfen – als Soldat und Richter. Die Stümper, die mich gefangen hielten, würden nicht mit ihm rechnen. Und sie hatten auch nicht mit Trinity, Faith und Destiny gerechnet. Sie zweifelten an meiner Stärke und sie bezweifelten die Willenskraft meiner Töchter. Auf der Erde mochte diese Denkweise typisch sein, aber auf Alera war sie sonderbar. Frauen regierten hier die Welt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und zwar schon immer.

Diese Söldner—und ihr Boss—hatten zwar die Königin entführt, aber sie hatten nichts erreicht. Sollte mein Turm erlöschen, dann würde Trinity den Thron besteigen. Meine Gefangenschaft, die Verhöre, dieses Festmahl, alles war umsonst. Siebenundzwanzig Jahre des Wartens, des Pläneschmiedens, der Organisation. Siebenundzwanzig Jahre, in denen ich meine Töchter darauf vorbereitet hatte, ihren rechtmäßigen Platz einzunehmen, würden nicht von einer Hackfresse und einem Gegner, der zu feige war, um sein Gesicht zu zeigen, ruiniert werden.

Ich war die Königin und damit das Oberhaupt von Alera, allerdings teilte ich jetzt die Macht mit drei Prinzessinnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es einsehen würden. Also übte ich mich weiterhin in Geduld. Und Durchhaltevermögen. Und in der Zuversicht, dass meine Kinder jene starke Anführerinnen sein würden, zu denen sie vorherbestimmt waren.

Ich hob ein Stück Fleisch an meine Lippen. Nicht aus Appetit, sondern weil ich Kraft brauchte, um meine Töchter wiederzusehen. Ich wollte nicht sterben. Natürlich nicht. Sollte ich aber sterben, dann würde ich mich wenigstens nicht um das Schicksal meines Volkes sorgen. Alera wäre in guten Händen. Trinity würde regieren, mit Faith und Destiny an ihrer Seite. Ich wollte leben, um ihre Regentschaft mit eigenen Augen zu sehen, um sie an meiner Seite auf dem Thron zu sehen.

Dieser Vollidiot hatte keine Ahnung, mit wem er sich da angelegt hatte. Wie Destiny gerne zu sagen pflegte, niemand würde den Jones-Frauen in die Quere kommen. Einschließlich mir. Ich hatte den Mädchen alles beigebracht, was ich wusste. Genau wie ihr Vater.

Bei dem Gedanken musste ich lächeln und blickte zu meinem Kidnapper rüber. Er war dabei sich vollzustopfen und hielt eine Karaffe Wein in der Hand. Er schenkte mir die dunkle Flüssigkeit ein und mein Glas lief fast über. Er schluckte, dann rülpste er laut. “Trink. Iss. Danach reden wir.”

Reden? Das glaubst auch nur du—wie meine Töchter sagen würden.

Ich ignorierte den Wein und griff stattdessen nach einem Glas Wasser. Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Das Essen war gar nicht so schlecht, eine große Auswahl an köstlichen Fleischsorten, Käsevarianten und Früchten. Einige davon hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr gegessen und ihre Aromen explodierten auf meiner Zunge wie eintausend längst vergessene Erinnerungen.

"Wo sind deine Töchter, Celene? Ich nehme an, alle drei sind von dir?" Er sprach mit vollem Mund, seine Zähne zermalmten das Fleisch und kleine Stücke flogen heraus und landeten auf dem Tisch. Ekelhaft.

“Ich dachte, zuerst wird gegessen und dann wird geredet,” konterte ich, dann schob ich mir eine Beere in den Mund. Ich würde mich nicht von ihm einlullen lassen, also ignorierte ich ihn, schloss die Augen und zerbiss das saftige Fruchtfleisch. Ich dachte, er würde ausholen und mich vielleicht schlagen, weil ich Widerworte gab, aber der Hieb blieb aus. Offensichtlich wollte er mich ganz, unversehrt und frohen Mutes. Warum genau, das wusste ich nicht.

Also genoss ich die süße Frucht. Mit meiner Großmutter war ich früher in den Bergen Beeren pflücken, damals bin ich lachend durch die hohen Gräser getobt, hatte Schmetterlinge gejagt, während sie mir mit einem Korb aus geflochtenem Silber in der Hand folgte. Die Zitadelle hatte ihr die Gabe der Natur verliehen, sie konnte Pflanzen sprießen lassen und schwarz verbrannte Erde wieder fruchtbar machen. Sie konnte sterbende Bäume mit bloßem Handauflegen retten.

Ich kaute langsam und fragte mich, welche Kräfte die Zitadelle meinen Töchtern mitgegeben hatte. Ihre Türme waren erstrahlt. Meine Entführer hatten es mir gesagt, sie hatten mir Videos gezeigt. Meine Mädchen waren von der altertümlichen Intelligenz in den Zitadellengemäuern auserkoren und gesegnet worden—genau, wie ich es immer schon gewusst hatte. Aber womit waren sie gesegnet worden? Ich war mehr als neugierig. Als ich von ihrem Erfolg erfahren hatte, hoffte ich, dass Destiny die Fähigkeit erlangen würde, mich in meinem Gefängnis aufzuspüren. Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, nämlich dass sie mich finden und ich diesem Arschloch den Mittelfinger zeigen könnte. Ich hatte meinen Töchtern viel beigebracht und sie hatten mich ebenfalls einiges gelehrt.

Seufzend öffnete ich die Augen und blickte auf den riesigen Bildschirm an der Wand gegenüber. Auf einer Dinnerparty wäre das Weltraumpanorama von Alera sicher fantastisch angekommen. Es war wunderschön. Der Planet sah wie die Erde aus, aber die Atmosphäre hatte mehr Grüntöne und weniger Wasser. Mehr Gebirge. Wie meine Heimat. Mytikas. Eine Heimat, die ich vielleicht nie wieder sehen würde. Hoffnung. Glaube. Vertrauen. Ich ballte die Hände zu Fäusten. Ich musste stark bleiben, aber für die Psyche gab es leider keinen ReGen-Stift.

“Wo sind die Kronjuwelen, Celene?”

Ich zuckte mit den Achseln und steckte mir ein paar Beeren in den Mund. So viel zu später reden wir. “Sicher sind sie jetzt bei meiner Tochter.”

“Nein!” Er schlug mit der Hand auf den Tisch und das Silberbesteck klirrte nur so. “Wo. Sind. Sie?”

Ich hatte den Mund voll und nahm mir Zeit, um ordentlich durchzukauen. Nur weil er ein primitiver Barbare war, musste er sich nicht wie einer aufführen. Ich war eine Königin. Oder? Er schien ein einfacher Söldner zu sein. Und kein besonders kluger. Er warf mir einen finsteren Blick zu, seine Augen wurden von einem langen, struppigen Durcheinander überschattet, das dringend einen Frisörbesuch nötig hatte. Er musste um die sechzig sein, die Furchen um seine Augen und seinen Mund herum waren tief und unansehnlich. Er war schlank und nicht übergewichtig, aber seine magere Statur bekräftigte die Falten in seinem Gesicht und schenkte ihm ein hartes, halb verhungertes und müdes Antlitz. Seine Haut war zu einem tiefen Rot gegerbt, als ob er ursprünglich einen hübschen braunen Teint hatte, der aber so viele Male von der Sonne versengt wurde, dass sein Körper sich nicht mehr regenerieren konnte. Dieses verdorrte Leder wurde von einer sichelförmigen, weißen Narbe unterbrochen, die von seinem linken Mundwinkel aus bis unter seinen Kiefer reichte, als ob man ihm mit einem Angelhaken die Wange aufgerissen hatte. Er trug eine nichtssagende Uniform, ohne Abzeichen oder Streifen, die auf seinen Rang hindeuteten. Aber er hatte eindeutig das Kommando auf diesem Schiff. Die anderen, jüngeren Soldaten duckten sich vor Angst, wann immer er in der Nähe war. Als ob sie sich auf Schläge gefasst machten.

“Sag deinem Boss, dass ich die Kronjuwelen seit fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen habe,” antwortete ich. “Sie könnten überall sein.”

“Du lügst nicht besonders gut.”

“Ich lüge nicht.”

Er lächelte übermütig, dann kniff er bedrohlich die Augen zusammen. "Trinity stellt sich gerade ziemlich zur Schau." Er wedelte mit der Hand und einer seiner Wachleute, die mich Stunden zuvor noch verprügelt hatten, betätigte eine Fernbedienung und das Panorama auf dem Bildschirm wechselte zu meiner Tochter. “Wie du siehst, trägt sie keine Juwelen. Sie hat auch nicht die Krone genommen, denn ihrer Meinung nach bist du die rechtmäßige Königin. Solange du lebst.”

Ich sah, wie Trinity auf den Stufen meiner alten Familienresidenz stand, dem Palast von Mytikas. Ich erkannte die Steinmetzarbeiten, die Bepflanzungen, den großen Eingang. Alles war unverändert. Sie allerdings hatte sich verändert. Ihre üblichen Jeans und T-Shirt waren einem atemberaubenden Kleid gewichen, es glitzerte wie weiße Flammen und Diamanten, der lange Rock war eine Kaskade aus dunkelrotem Blut und Macht. Mit ihrem langen, blonden Haar und Make-up sah sie einfach umwerfend aus. Da stand sie, erhobenen Hauptes und mit zurückgezogenen Schultern. Sie war durch und durch Aleranerin, Hoheitlichkeit war in ihrer DNA verankert. Sie sah aus wie eine Königin.

Wieder und wieder schaute ich mir die kurze Aufzeichnung an, es handelte sich offenbar um eine Endlosschleife, und mein Herz schmerzte. Stolz und Liebe überschwemmten mich, bis meine Augen zu tränen begannen. Ich hätte sie zurückhalten können, aber ich sah keinen Grund dafür. Das Arschloch neben mir würde sowieso nicht verstehen, was meine Tränen wirklich bedeuteten. Er würde annehmen, dass ich aufgewühlt war. Traurig.

Ganz im Gegenteil. Nie war ich dermaßen stolz gewesen, so voller Vertrauen in meine Töchter. Sie waren wehrhafte Königinnen. Stark. Clever. Alera brauchte mich nicht. Nicht mehr. Nicht, wenn sie mehr als bereit waren, die Führung zu übernehmen. Ich nahm einen Schluck Wasser und mampfte noch eine Beere, während mein Entführer mich anfunkelte wie eine Viper, die bereit war zuzuschnappen.

“Die Juwelen können deinem Boss jetzt auch nicht mehr helfen. Sie sind wertlos, jetzt nachdem Trinity den Thron bestiegen hat.”

Er lachte, was meine Stimmung kippen ließ. “So naiv. Du glaubst, dass deine Töchter uns stoppen können? Wir haben die gesamte royale Blutlinie eliminiert, jeden einzelnen von euch, der die Gaben der Zitadelle empfangen kann.”

Noch bevor ich mich sammeln konnte, riss ich schockiert die Augen auf und mein Kopf schnellte nach oben.

“Oh, ja, Celene. Wir wissen Bescheid über die geheimen Kräfte, die euch von der Zitadelle verliehen werden.”

Mein Herz raste, aber ich behielt meine königliche Reserviertheit. “Ich weiß nicht, wovon du redest.” Immer schön dementieren. “Was für Gaben? Das Licht der Türme ist ein Geschenk ans Volk. Das ist das einzige Geschenk.”

Vielleicht war das ein Bluff. Außerhalb der Familie sprach niemand über die übersinnlichen und telepathischen Fähigkeiten. Niemand. Es war streng geheim, also sollte niemand davon erfahren haben.

Er lehnte sich zurück und rieb über die filzigen Überreste von dem, was einmal ein Kopf voller Haare gewesen sein musste. Die fettigen Strähnen sahen aus, als ob sie wochenlang nicht gewaschen wurden. “Ich frage mich, welche Gabe deine Tochter wohl erhalten hat,” entgegnete er, ohne auf meine Worte einzugehen. Dann stand er auf und deutete auf den Wächter. “Schaff sie zurück in ihre Zelle.”

Ich stand auf; ich wollte nicht vom Stuhl gezerrt werden. Der Wächter packte meinen Ellenbogen und ich ließ mich von ihm abführen. Im Moment war ich unverletzt. Mein Magen war voll. Trinity war im Palast. Destiny und Faith waren bis jetzt auf dem Planeten unbekannt. Der Plan, den ich und meine Töchter vor Jahren ausgemacht hatten, schien aufzugehen. Geduld. Glaube. Vertrauen.

“Und, Celene?”

Ich drehte mich zu meinem Entführer um. Der Wachmann stoppte, damit ich ihm zuhören konnte.

“Es ist egal, welche Gabe sie bekommen hat. Die Gabe konnte deine Eltern nicht retten. Sie konnte deinen Mann nicht retten. Du konntest dich zwar jahrzehntelang verstecken, aber auch dich hat sie nicht gerettet. Und deine Töchter wird sie auch nicht retten.”

Ascension-Saga: 3

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