Читать книгу Aus gutem Haus - Grace Madisson - Страница 4

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Mrs. Threody war erhitzt und außer Atem. Ihr Korsett engte sie ein, als steckte sie in einem mittelalterlichen Foltergerät, das ihr die Luft aus den Lungen quetschen sollte. Ihr ausladendes Kleid mit Rüschen und der Tournüre verlieh Mrs Threody von hinten das Aussehen eines Shire Brauereigauls.

»George Clarence Threody!«, rief Mrs. Threody wütend aus.

Ihr Sohn der achtjährige Clarence, ein blonder gelockter Engel im Matrosenhemd hörte nicht auf sie, er jagte weiter durch die Unterführung des Eisenbahntunnels in der Backchurch Lane als seien die Buren hinter ihm her. Es war eine unheimliche dunkle Gegend, in der es abscheulich stank, Mrs Threody verzog die Nase, es stank nach Urin, nach menschlichen Abwässern.

»Clarence! Sofort kommst du hierher! Du hörst, wenn deine Mutter dir etwas befiehlt!«

Aber Clarence, der Engel dachte nicht daran mit einem Ast in der Hand stürmte er von Pfeiler zu Pfeiler und seine Schritte knallten auf dem feuchten Pflaster wie Pistolenschüsse dabei machte er so komische summende Geräusche das Mrs Threody sich unwillkürlich fragte, ob ihr Sohn geistig zurückgeblieben sei. Mrs. Threody war leicht verärgert, wo gab es denn das eine Mutter ihren Sohn in aller Öffentlichkeit an sein Benehmen erinnerte. Musste an Mr Threody, liegen er war kein Gentleman und das vererbte sich ja bekanntlich in der Familie. Ihre Mutter hatte schon recht gehabt sie hatte weit unter ihrem Stand geheiratet ihre Mutter war immerhin Haushälterin bei einem Bischof gewesen eine Lordschaft. Aber Mister Threody war ein Gentleman geistlichen Standes ein Sprengelvikar, auch wenn die wenige Arbeit mit einem hervorragenden Gehalt ihm zu viel Zeit ließ, an seinem Geschichtswerk die Geschichte der schmutzigen Witze zu arbeiten. Es war nicht immer angenehm ihren Mann allein im Arbeitszimmer sitzend zu wissen und sein Lachen durch das Haus schallen zu hören. Was sollten um Gotteswillen die Dienstboten von ihm denken?

Sie keuchte und wedelte sich mit der flachen Hand Luft ins breite Gesicht. Ihr breiter Hut mit der Straußenfeder hielt ihre Augen beschattet. Ein Lächeln huschte verstohlen über ihr Gesicht, Clarence gehorchte. Zumindest hatte er seine Raserei beendet und stand mit offenem Mund vor der Mauer zu einem Werkhof der London Railway und pikste mit seinem Ast nach einem in Stoff und Zeitungspapier gewickeltes Bündel. Clarence machte dabei hysterische glucksende Geräusche, es klang besorgniserregend, ob sie mit ihm nicht doch lieber einmal zu einem Arzt ging?

»Ughh ... Ughh ... Ughh!«

Und dann schrie der Knabe, wie Mrs Threody noch nie zuvor ein Kind hatte schreien gehört. Sie Pfiff auf die Würde raffte ihre Röcke und rannte zu ihm. Es hatte geregnet und das Paket war aufgeweicht, ein übler Geruch wehte durch die Eisenbahnunterführung. Es war braunes Packpapier, wie man es in den billigen Lebensmittel Läden verwendete. Darum war eine rote Hanfschnur gebunden.

»Aus Clarence sonst gibt es heute kein Nachtisch und du magst doch Stachelbeertorte!«, befahl Mrs. Threody ihrem Jungen.

Clarence ignorierte sie. Der Ast in Clarence Faust riss ein großes Stück Papier ab und vergrößerte die Öffnung, braun wie von getrocknetem Blut. Sie sah genauer hin, tätowierte Haut von einem Menschen, weiß und weich es konnte keine alte Haut sein. Sie schrie, nachdem langsam und grauenhaft klar wurde, was der verdammte Clarence gefunden hatte.


Inspektor Pontius Lestrade sah vom Schreibtisch der Wache in Aldgate auf, der von Papieren übersät war. Er suchte nach Fällen, die in den Bereich des Yards gehörten, ihn interessierten nicht die Festnahmen der Betrunkenen.

»Was gibt es?«

Police Constable Hutt stand im Türrahmen, das Gesicht blass und die Augen ein bisschen rot unterlaufen auf dem steifen Kragen stand in goldenen Lettern seine Dienstnummer 447-H. Er sah das glänzende, strohfarbene, über seiner fliehenden Stirn glatt zurückgekämmte Haar, die unschöne, dünne gebogene Nase und das etwas einfältige Lächeln. Hutt blinzelte mit den Augen und räusperte sich.

»Es tut mir leid, Sir, aber vielleicht haben wir etwas für sie, wir haben eben eine Meldung über Ruhestörung in der Backchurch Lane, den Eisenbahnaquädukten in Spitalsfield erhalten. Eine Person ganz offenbar weiblichen Geschlechts hat einen hysterischen Anfall. Eine respektable Erscheinung und bekannte Persönlichkeit in Spitalsfield. Die weibliche Person ist offenbar nicht betrunken und eine große wachsende Menschenansammlung ist bereits dort versammelt. Ihr Ehemann ist Mister Threody der Vikar der Gemeinde.«

Lestrade versuchte daraus schlau zu werden, er zuckte mit den breiten Schultern, »Vielleicht ist sie krank? Oder vielleicht säuft sie heimlich? Dafür braucht man nur einen Constable und nicht das Yard, oder?«

»Nun, Sir.« Hutt wirkte verlegen. »Sieht so aus, als sei ihr Junge gelaufen und hat ein Paket hinter den Eisenpfeilern gefunden, und jetzt glauben, die Leute da wäre ein Mensch drin. Deswegen ist es auch bestimmt zur Ruhestörung durch ihren hysterischen Anfall gekommen vermute ich, Sir.«

»Was? Was meinen Sie verdammt sie haben einen Menschen gefunden?«, Lestrade war gereizt. Er mochte den abendlichen Routine Gang durch die Reviere des H-Bezirks, solange es Routine blieb.

»Was ist in diesem Paket?«

»Nun, Sir Inspektor. Der Constable, der dort Streife geht, sagt, er will nichts anrühren, bevor nicht Sie und der Polizeichirurg eintreffen. Aber nach seiner Meldung, die so eben mit einem Boten kam, ist es der Oberkörper einer Verstorbenen. Gewickelt in Papier und Stoff.«

Hutt wirkte ganz offensichtlich peinlich über die Abartigkeit berührt. Lestrade stand auf, und ordnete die Papiere auf dem Schreibtisch.

»Spitalsfield, hier vergnügte sich der abscheulichste Abschaum an Verbrechern«, brummte der Inspektor und fragte sich wo waren die guten alten Zeiten geblieben, klares Motiv und nur ein Mindestmaß an Grausamkeit?

Der elegante Teil des Empires lebte nur einen Steinwurf mit der U-Bahn entfernt und doch von den Elendsvierteln, dass vor Armut dem Laster und das Verbrechen auseinander barst, wollte niemand etwas wissen. Verrottende Mietskasernen mit drei Höfen hintereinander, mit Kellern, die mit fauligem Stroh gefüllt waren und an die Obdachlosen vermietet wurden, wollte niemand etwas wissen. Mister Bagster der Polizeichirurg des Bezirks meinte, das hier zwölf Menschen auf zehn Quadratmeter kamen, im Zuchthaus standen offiziell jedem Häftling vier Quadratmeter zu. Für manchen Verbrecher musste die Haftstrafe wie ein Umzug in eine große Wohnung sein. Die Menschen versuchten nicht zu lebten sie versuchten nicht sofort zu sterben. London war schockierend barbarisch.

»Dann lassen sie uns besser gehen und nachsehen«, erwiderte er und ignorierte die Unordnung um sich herum, die er geschaffen hatte.

Er setzte seine Melone schräg auf den Kopf.

»Jawohl, Sir«, Hutt salutierte und hielt ihm die Tür auf.

Lestrade folgte dem Constable über den Korridor, vorbei an den, nach erbrochenen riechenden überfüllten Zellen, die Treppe hinab auf die schwarze regenfeuchte Straße hinaus. Ein leerer Krankenwagen erwartete sie bereits. Ein Constable hielt die Zügel in der Hand.

»Auf zum Killing Fields, Mister Trimble!«, sagte Hutt höflich zum Kutscher und kletterte hinten hinein.

»Killing Fields? «, fragte Lestrade Constable Hutt.

»Ja Sir, die Aquädukte in der Backchurch Lane, wir haben da eine Menge Vorfälle in letzter Zeit. Gehen schon doppelte Streife aber das Messer sitzt dort recht locker Sir.«

»Aha«, sagte Lestrade bei dem Spitznamen hatte er sich schon eine ähnliche Geschichte gedacht.

Der Constable auf dem Kutschbock ließ die Peitsche pro forma knallen und sie fuhren ab. Das Leben um sie herum verstummte verlor sich im Gleichklang der Geräusche einer vier Millionen Metropole. Die Straßen wurden enger, düsterer, farbloser; der Schmutz immer größer. Hier und da noch ein Laden mit Kleinkram und Trödel, Pfandleiher und Pubs der untersten Stufe. Nichts als verschlossene Werkstätten, deren Milchglasscheiben zerschlagen waren und nicht ersetzt wurden. Sie durchfuhren Straßen dann, nach einer scharfen Biegung schien es etwas Heller zu werden die Gaslaternen brannten. Sie standen auf einem kleinen ziemlich schäbigen Platz. Lestrade hatte die Menschenansammlung mit den überforderten Constables in ihrer Mitte gesehen. Der rote Backstein der Werkstätten die Eisenkonstruktion der Brücke. Auf der anderen Straßenseite ein paar trostlose Mietskasernen.

»Was gibt es hier?«, fragte Lestrade und teilte die aufgeregte Menschenmenge.

Lestrade befahl Constable Hutt und seinen Kollegen von jedem Schaulustigen die Adressen und Namen aufzuschreiben und niemanden wegzulassen dessen Angaben nicht bestätigt waren. Der Constable deutete mit dem Kopf hinter sich zwischen einem Strebepfeiler und der vom Kohlerauch schwarzen Mauer der Eisenbahnwerkstatt. Sein Gesicht war kalkweiß, als hätte er ein Gespenst gesehen. Er schwitzte, obwohl es nicht mehr als zehn Grad sein mochte.

»Sie sehen aber so richtig elend aus«, begrüßte ihn Lestrade. »Was haben wir?«

Der Constable nickte, »Oberteil Sir der Torso einer Frau, Sir.« Er schluckte. »Ziemlich übel, nein nicht ziemlich, es ist absolut grässlich. Sie war zwischen dem Pfeiler und der Mauer.«

»Wer und wann entdeckt?«

»Eine Mrs. Amelia Threody und ihr Sohn, sie waren in der Suppenküche helfen und wollten nach Hause mit der U-Bahn nach Chelsea.« Constable 343-H öffnete sein Dienstbuch. »20. September 1890, 10:05 p. m. Backchurch Lane, hysterische Frau.«

»Wo ist sie jetzt?«, fragte Lestrade.

»Sie sind im Kaffeehaus auf der anderen Straßenseite, Sir. Sie sind ziemlich durch den Wind, und ich hab’ ihr gesagt, ihr Mann kann sie mitnehmen, sobald sie mit der Befragung fertig sind.«

»Gut gemacht«, stimmt Lestrade ihm zu. »Wo ist der Torso jetzt?«

»Wo es der Knirps gefunden hat, Sir! Ich hab es nicht angerührt, die Gegend gesichert und die Kollegen gerufen, wollte warten, bis der CID da ist.«

Lestrade trat unter die Eisenbahnbrücke. Sie war aus schwerem Gusseisen und ruhte auf steinernen Sockeln. Festgeklemmt, hinter einem Pfeiler und einer beschmierten Mauer. Das Paket war 70 Zentimeter lang und etwa 50 cm breit und lag da, wo Clarence es gefunden hatte. Das Papier war zerrissen der Stofffetzen aus Wolle war abgerissen und gab den Blick auf Fleisch und weißer tätowierter Haut frei, es war eine Rose darunter standen die Buchstaben NM die mit getrocknetem Blut verschmiert waren. Fliegen summten um das Fleisch. Er musste das Stück nicht näher betrachten, um sagen zu können, dass es eine weibliche Brust war. Er richtete sich von den Knien auf. Ihm wurde übel, er atmete tief ein und aus, ein und aus und hörte, wie ein Constable schwankend davon stolperte, und sich in den Rinnstein übergab. Lestrade zwang sich, wieder hinzusehen. Es gab Details, die zu notieren waren und mit den Details konnte man, das ganze ausklammern. Die Farbe des Papiers normales Wachspackpapier, wer verwendet solches? Jeder Markthändler jeder Metzger, die Schnur, mit der es umwickelt war, die Art der Knoten war fest, der Verpacker war auf Nummer sicher gegangen. Der Knoten war normal keiner der typischen Dockerknoten oder Seemannsknoten. Es war ein Knoten den Menschen hinterließen die sich nie ernsthaft mit dem, binden von Schnüren beschäftigt hatten. Er kniete nieder, um das Paket zu untersuchen, und drehte es vorsichtig um. Es war braunes gewachstes Packpapier. Wer auch immer den Körperteil einwickelte, hatte Stofffetzen, ein wollenes Lacken oder dünnes Betttuch um den Torso gewickelt, bevor er das ganze in Papier gerollte hatte. Eine Schicht Zeitungspapier er las die Worte Stratford upon Avon News als Blutaufsauger. Die Schnur war gewöhnliche grobe Hanfschnur, nur die rote Farbe war etwas ungewöhnlich. Die Schnur war ein paar Mal um das Paket in Höhe und Breite gewickelt an jeder Überschneidung fest verknotet. Dann änderte sich die Laufrichtung und verlief ein paar Mal in der Höhe. Er nahm sein Notizbuch hervor und schrieb seine Beobachtung auf. Hutt kam zurück und tupfte verlegen, mit einem weißen Taschentuch seinen Mund. Er wusste nicht was er sagen, sollte ihm war so furchtbar übel und er schmeckte Galle in seinem Hals.

Lestrade sagte: »Es muss noch mehr geben. Telegrafieren sie an jede Polizeistation und fragen sie nach Leichenteil Funden. Und hier, will ich das jeder verfügbare Mann sich auf die Suche macht. Es muss noch mehr Teile geben.«

Hutt schluckte. »Noch mehr Pakete? ... Ja logisch, Sir. Ich werde die Eisenbahnbrücke nehmen, wenn ich vom Wachhaus komme.«

»Wahrscheinlich kommt der Mörder aus der Gegend wer schleppt schon Leichenteile durch die Straßen, die er nicht kennt. Hier ist kein besonders guter Ort seine Leichen zu verstecken! Na ja vielleicht hatte er keinen Keller für seine Leiche.«

Lestrade stand auf und nahm die Melone ab. »Solche Sachen trägt man nicht lange unter dem Arm geklemmt herum. Mit Sicherheit nicht weiter als man die Kraft und den Mut zum Laufen hat. Nur ein Paket hier. Er hat keine private Kutsche oder Fuhrwerk und da er keine Zeugen braucht die sich an den Mann mit dem großen Paket in einem Omnibus oder Zug erinnern könnten war er zu Fuß. Sagen wir der Torso hat 25 Pfund dann sucht im Umkreis von einer halben Meile. Ich will die unbewohnten Häuser und Keller kontrolliert haben.«

»Ja, Sir.« Hutt war erleichtert, dass er etwas tun konnte, das ihn erst einmal von dort wegbrachte. »Sie sind noch hier? Schicken Sie eine Nachricht die Spitalsfield Wachen sollen alle verfügbaren Männer schicken, mit ihren Lampen. Der Polizeichirurg ist unterwegs? Ach ja, bevor ich es vergesse, versuchen sie dem Yard ihren Spurenhund abzufuchsen sagen Sie Inspektor Lestrade will die Hunde heute noch hier sehen.«

»Ja, Sir.«

Hutt drehte sich um und trapste davon. Lestrade ging zwischen den Eisenpfeilern umher, dann seufzte er und überquerte die Straße zum Kaffeehaus. Die Tür stand offen, und drinnen war es warm. Eine große Frau von etwas über eins siebzig saß an einem der Tische zusammengesunken, ihr zerknautschter Hut lag auf der Tischdecke. Ein Constable ließ niemanden aus und ein. Der Sohn schlief, lag mit dem Kopf auf den Tisch und atmete ruhig. Lestrade betrachtete Sie, ein Junge wie viele mit einer Mutter, die Wert darauf legte, dass seine blonden Locken zur Geltung kamen und den Bengel in einen lächerlichen Matrosenanzug steckte. Der Inspektor konnte Kinder in Matrosenanzügen nicht ausstehen und gab daran die Schuld den Müttern, die ihre Kinder kostümierten wie die kleinen Äffchen, die im Hydepark Nüsse verkauften und Kunststücke vorführten. An dem kleinen Tisch saß nun kerzengerade die korpulente Dame, wie er sie hässlicher kaum gesehen hatte. Eine mittelmäßige Hässlichkeit ohne Charakter ohne Würde. Die Dame saß sehr aufrecht, was ihre gute Erziehung verriet. An ihrem Hals hing ein Collier aus Perlen, die nach der Qualität ihrer Kleidung nach echt war. An ihrer Hand ein goldener Ehering mit einem Stein.

»Mrs. Threody?«

Sie starrte ihn mit aufgerissenen blauen Augen an. »Ja sie wünschen bitte?«, fragte sie höflich mit befehlsgewohnter Stimme.

Also mehr als einen Dienstboten in ihrem Haushalt bei der kirchlichen Stellung ihres Gatten Mister Threody tippte Lestrade auf vier inklusive der Köchin. Lestrade lächelte er hatte schon viele Mrs. Threody kennengelernt, und er wusste, dass ihre Albträume bald vergessen waren. In spätestens zwei Wochen war ihr Fund ein interessanter Gesprächsstoff bei den Dinnereinladungen und nicht mehr.

»Sie müssen sehr erschrocken sein ich werde mich also schnell fassen ihr Mann wartet draußen bereits mit ihrem Kutscher. Wann haben Sie dieses Paket entdeckt?«

Sie hatte natürlich keinen gesehen, der vor ihr war, nichts Verdächtiges bemerkt und ihr Sohn hatte das Paket entdeckt, weil er Slalom um die Brückenpfeiler gerannt war. Das war 10 p.m in etwa. Er ließ nach der Befragung Mr Threody kommen und seine Familie nach Hause bringen, vermutlich würde sie nie wieder einen Schritt nach Spitalsfield setzen. Es war halb ein Uhr morgens und die flackernden Lichter der Polizistenlaternen huschten in Entfernung die Straßen entlang. Licht blitzte in den dunklen engen Gassen. Gegen sieben Uhr hatten sie vieles gefunden und die Teile nach der fotografischen Ablichtung und der ersten Vorortuntersuchung durch Doktor Bagster in den Krankenwagen gebracht.

Es war eine dreckige Suche. In zwei Mann Teams die Treppen der verlassenen Abrisshäuser hoch und hinabzusteigen, die Abfallberge in den Hinterhöfen zu durchsieben in Hausflure und Brachen zu sehen. Das schlimmste Paket lag in einer schmalen stinkenden Gasse, etwas mehr als vierhundert Meter von der Backchurch Lane entfernt, im verwahrlosten Abwasserkanal, der aus einer Gerberei der Firma Svenson Leder kam. Es waren die Hüften und die Oberschenkel, zumindest konnte daraus Dr. Bagster die Höhe des Opfers schätzen und aus der gekrausten intimen Behaarung auf die Haarfarbe schließen, das Opfer war blond. Der lange Freitag graute früh. Lestrade schleppte sich von Tür zu Türbefragung, die Backchurch Lane entlang, aber niemand hatte etwas Erwähnenswertes gesehen. Da war kein einziger Fremder und hatte braune Pakete getragen, niemand hatte seinen Karren angehalten und sich unter die Brücke gestohlen niemand hatte es im entferntesten eilig gehabt außer die Pendler, die hier aus dem Omnibus der City Line stiegen und den 7 p.m 50 Vorortzug rennend erreichten. Lestrade war wieder auf dem Revier in der Aldgate High Street, als die Sonne goldgelb über den Dächern stand. Im Revier herrschte nur die Notbesetzung. Die meisten Constables waren noch mit der Suche beschäftigt. Noch fehlten Arme und Hals und Kopf und die Beine unterhalb der Knie.

Der Polizeichirurg Dr. Bagster wartete auf ihn, er trug nur ein zerknittertes weißes Hemd und seine Weste hing am Garderobenständer. Er sah erschöpft aus und er gähnte. Mit seinen immer hochgezogenen Schultern, als sei ihm immer kalt. Der langen Nase aus dem sich das dunkle Nasenhaar kräuselte und den halb geschlossenen Augenlidern ähnelte er einem Landgeistlichen, der grübelnd vor der Herzlosigkeit seiner christlichen Dorfgemeinde steht.

»Schon irgendetwas herausgefunden?«, fragte Lestrade.

»Junge Frau 22 bis 27 Jahre.« Bagster setzte sich auf den Schreibtisch des diensthabenden Sergeanten und fuhr fort. »Blondes Haar helle Haut eine Tätowierung eine Rose auf der linken Brust dazu die Buchstaben NM. Soweit man das beurteilen kann, war sie etwa 1 Meter 60 vielleicht plus minus 2 oder drei Zentimeter. Wir haben die unteren Extremitäten noch nicht gefunden. Schöne Figur und gepflegte Haut sie könnte zu ihren Lebzeiten recht hübsch gewesen sein. Mit Sicherheit war sie keine Bettlerin und hat sich nicht viel im Freien aufgehalten sehr feinporige Haut. Die Arme Fehlen leider noch aber ich nehme stark an, bei ihrer Schultermuskulatur hat sie keine sehr schwere Arbeit gemacht. Meine erste Vermutung wäre eine teure Prostituierte aber das nur aufgrund der Tätowierung.«

Lestrade setzte sich auf die Eichenholz Publikumsbank und schlug die müden Beine übereinander, sein Hosensaum war verschmutzt.

»Wie alt war, das Opfer sagten sie Doktor?«

»Zwischen zweiundzwanzig und siebenundzwanzig aber nageln sie mich nicht darauf fest! Ich untersuche eine Leiche in einem Dutzend Teilen, fast wie von einem Schlachter. Halten sie die Augen nach den teuren Prostituierten auf, sie arbeitete nicht auf der Straße. Ich werde ihnen mehr sagen, wenn ihre Leute den Kopf und die Innereien gefunden haben. Es ist schwer zu sagen, wie sie starb, ich weiß es zum jetzigen Zeitpunkt nicht!« Bagster sprang vom Tisch, »Sie war eine junge Frau, wahrscheinlich blond, und irgendein Wahnsinniger hat sie in Stücke zersägt und über Spitalsfield und Bethnel Green verstreut. Von den tausend verschiedenen Möglichkeiten, jemanden zu ermorden und loszuwerden, warum ausgerechnet zersägen?«

Lestrade fielen spontan mehrere Gründe dafür ein, aber der wahrscheinlichste war auch der Gemeinste.

»Ich nehme an, dem Mörder machte es einfach Freude! Ich wünschte mir auch hin und wieder einen sauberen Mord ein Schlag über den Schädel, aber sobald ich nach Spitalsfield gerufen werde, sind es die grausamen Morde. Sie kennen doch die billigen Logierhäuser und Pensionen mit dreihundert Betten die Mietskasernen von der Dorset Street? Die letzte Leiche, die ich mir angesehen habe, war ein Mädchen von ihrem Vater vergewaltigt und erschlagen ... «, er hielt inne und zählte bis zehn, keine Gefühle, er war eine Eisscholle und trieb im Nordmeer war ein Eisblock kalt und unnahbar.

Das Mädchen lag, da in ihrem Blut so zusammengeschlagen das ihr ganzer Körper eine einzige schwarze Schwellung war. Der Mörder saß mit einem Bier auf dem Bett und beklagte sich das seine Faust schmerzte. Jetzt jammerte er um Gnade und seine Zelle lag mit Blickrichtung des Galgens im Newgate Zuchthaus. Tag um Tag starb der Mistkerl vor Todesangst und Minute um Minute tickte die Uhr gnadenlos seinem Hinrichtungstermin näher. Mister Barlow würde dem Säufer den rauen Strick um den Hals legen. Mister Barlow der ehrenwerte Henker vom Newgate Zuchthaus war bekannt für seine Aphorismen, die er den Delinquenten mit auf dem letzten Weg gab. Wenn Sie in der Hölle sind, Sir, richten sie dem Satan aus Mister Barlow schickt ihm am nächsten Freitag einen Raubmörder. Bagster klopfte Lestrade auf die Schulter und marschierte hinaus. Lestrade beschloss nach Hause zu gehen, er brauchte ein Bad.

»In zwei Stunden soll mir Constable Hutt den vorläufigen Bericht aus dem Schauhaus holen! Mageninhaltsanalyse, wenn es machbar ist, vielleicht kannte man das Opfer in den Pubs. Lassen sie das Hutt machen Inspektor!«

Der CID-Inspektor des Spitalsfield Wachhauses nickte, er saß mit offenen Türen in seinem Büro und befragte einen verhafteten Messerstecher. Lestrade hörte ihn den Verhafteten einen Idioten schimpfen. Anscheinend war der Kerl gerade seit einer Woche aus dem Zuchthaus und hatte schon wieder einen Mann in einem Wirtshausstreit niedergestochen.

»Er hat einfach nicht die verdammte Klappe gehalten!«, erklärte der Messerstecher, der die nächsten fünfzehn Jahre im Zuchthaus in seiner Zelle 4 Meter lang 2 Meter breit über seine Tat nachdenken konnte, wenn sein Opfer nicht starb, denn dann würde man ihn aufhängen.


Pontius öffnete die Haustür mit seinem Schlüssel. Er bewohnte ein Haus am Munster Square mit seiner Tochter. Irene, das Hausmädchen, war in der Küche am Werken, Geschirr klirrte in der Spüle. Es war immer noch ein ungewohntes Gefühl ein schönes Haus in einer guten Gegend zu besitzen, das kleine Backsteinhaus in der Nähe des botanischen Gartens war L-förmig angelegt hatte 7 Zimmer und einen Garten, der dank seiner Tochter in voller Blütenpracht stand. Das stille und fast vornehme Haus war etwas von der Straße zurückgebaut und es gab eine kurze, durch ein eisernes Gitter eingefriedete Auffahrt, links und rechts die umrandeten Blumenrabatten. In London bestehen die Stadtviertel aus Häusern, die sich spiegeln, wie ein Ei dem andern der betrunkene der sein Haus nicht findet und die falsche Tür aufschließt war kein Scherz, es war die Realität. Ein Kollektiv gleicher Häuser, zwei oder drei Fenster an der Erdgeschoss Front. Ein Souterrain mit der Küche und den Räumlichkeiten für das Hauspersonal, für Irene. Im Parterre mit Blickrichtung zum Munster Square, befindet sich das Empfangszimmer, dahinter ein Esszimmer mit dem größten Kamin. Die schmale Treppe führt in, zwei hintereinandergelegene Zimmer, beide durch eine offene, Flügeltür zu einem Raum verschmolzen. Hier empfängt Ivy ihre Gäste; hier stehen die Sofas auf deren Anschaffung Ivy bestanden hatte. Hier stehen die Nippes Sachen der kleine Flügel; hier stehen auf den Regalen das chinesische Porzellan; ein Bücherschrank, Dickens und ihre Lehrbücher. Ihre Bände Darwin und Romane von Flaubert, wer immer das sein mag. Der Inspektor las selten und wenn dann Sachen wie drei Mann in einem Boot. Hier hängt das Familienporträt der Lastrades; es sind nur zwei Menschen darauf abgebildet Ivy und Pontius, er natürlich in Uniform und mit einem Orden. Auf der zweiten Etage sind die beiden Schlafzimmer und ein leeres Zimmer, das den Vorbesitzern als Kinderzimmer diente. Das Haus mochte zehntausend Pfund wert sein und Pontius hatte es für gerade einmal zweitausend Pfund bekommen, weil das Ehepaar John und Linda Manon hier auf so grausamste Art abgeschlachtet worden, war das es wochenlang auf den Titelseiten der Zeitungen stand. Er wollte etwas essen und dann sich Waschen etwas Rauchen und zu Bett gehen.

Seufzend zog er seine Stiefel aus und schlüpfte in Filzpantoffeln und lief über den Korridor, die große Standuhr stand auf zehn Uhr. Um 11 Uhr zur besten Lunchzeit begann sein neuer Dienst. Ivy saß im Salon und trichterte einem Jungen vom Haus gegenüber französische Vokabeln ein. Ivy saß auf einem kleinen Damensessel und der kleine Junge stand hilflos vor der aufgeklappten Tafel und stotterte mit roten Segelohren. Die selbst genähten Samtvorhänge waren aufgezogen und grelles Licht kam ins Zimmer. Pontius blieb kurz stehen und betrachtete sie stolz, Gott sei Dank kam Ivy ganz nach ihrer Mutter sie hatte ihr langes schwarzes Haar zu einem Knoten gebunden. Sie war eine schöne Frau.

Ohne zur Tür zu sehen, sagte sie, »Esse etwas Vater und dann schlaf dich aus. Du siehst furchtbar aus!«

Der Junge kicherte und wurde unter dem strengen Blick von Ivy sofort still. Einige Zeit später er saß gerade beim Essen und las in der Police Illustrated kam Ivy herein und setzte sich an den Küchentisch. Wie früher als sie ein Kind war sie hatte immer in der kleinen Küche gehockt dort, wo es warm war und nach essen roch.

»Du bist mit diesem scheußlichen Fall beschäftigt Vater? Dieses arme Mädchen?«

»Ja.« Er war einsilbig und hoffte sie würde nicht davon sprechen. Er war müde und es gab nichts, was er ihr sagen konnte, ohne danach ins Grübeln zu kommen und er brauchte Schlaf.

»Deine Zeitung schreibt, dass es der Ripper gewesen sein kann, glaubst du er war es?«

»Der Ripper? Jack ... oh nein der ist tot. Du weißt, dass ich das Haus von der Belohnung angezahlt habe. Nein es wird ein anderer Irrer sein.«

»Wirst du herausfinden, warum er es gemacht hat?«, fragte sie und sah auf den Teller. »Du hast nichts gegessen? Schlägt dir der Mord auf den Magen?«

Pontius schlug die obere Ecke seiner Zeitung herunter und sah sie mit einem Lächeln an. »Nein, natürlich nicht du weißt man muss auf Vorrat essen«, sagte er müde und folgte weiter dem Artikel. Ihr zu Gefallen legte Pontius die Zeitung endlich aus der Hand und machte sich mit Raubtiermanieren über sein Essen her.

Hinter Ivy auf der Küchenanrichte stand die Eistruhe. Sie öffnete die Klappe und nahm eine braune Bierflasche heraus die auf einem Eisblock stand.

»Der Eismann muss neues Eis bringen der Block reicht nur noch ein paar Tage, wenn überhaupt.«

Sie klappte die Truhe zu und reichte Pontius das Bier, er sah ihr mit lächelnden grauen Augen ins Gesicht biss den Verschluss von der Flasche und trank in gierigen Schlucken.

»Ich kann dir ein Sandwich mit kaltem Hammelfleisch und sauren Pickles machen?«, fragte sie liebenswürdig.

Unwillkürlich musste er darüber lächeln. Mit fünf Jahren hatte sie versucht Tee für ihn zu kochen sie stand von oben bis unten schwarz in Kohlenstaub gehüllt vor seinem Bett und brachte ihm eine Tasse kalten Wassers mit so stolzem Gesichtchen, das er das Gebräu trank und sie überschwänglich lobte. Er hätte vermutlich die Cholera bekommen können, er hatte gesehen, aus welchen Zutaten sie ihren Puppen Kuchen backte.

»Ich bin satt. Vielen dank Ivy. Haben die Zigeuner den Knaben endlich geholt, ist dein Elefantenjunge mit dem Unterricht fertig?«

Sie trat grinsend hinter ihn und legte seine Jacke ordentlich über die Stuhllehne. »Mein Gott, ist dein Mantel schwer was schleppst du nur mit dir herum?«, wollte sie wissen.

»Nur das Übliche an Ausrüstung ein Taschenmesser, Schlagring, Handspangen, Pfeife, mein Dienstzeichen, Kleingeld.«

Sie wartete, bis er sich seine Pfeife angesteckt hatte, die kurzen stämmigen Beine unter den Tisch ausgestreckt hatte und die Küche mit den Dampfschwaden seines Haschischs voll räucherte. Seine Augen röteten sich mit jedem Zug aus der Pfeife und seine Mundwinkel zuckten ein paar Mal nach oben als, denke er an einen flüchtigen Witz, dessen andere Pointe er nach langer Zeit erfasste.

»Wirst du herausfinden, wer sie umgebracht hat?«

»Ich weiß es nicht«, sagte er und zog an seiner knisternden Pfeife.

»Wird sie als vermisst gemeldet?«, fragte Ivy, die schon von klein auf der Kriminalistik und der Polizeiarbeit Interesse entgegen brachte und lebhaft Anteil an seiner Arbeit nahm, manchmal saßen sie noch am Kamin und gingen ungelöste Fälle durch.

»Es ist im schlimmen Teil von Spitalsfield und sie hatte eine Tätowierung auf der linken Brust.«

Teller klapperten in der Spüle. Irene zuckte über die Worte erschrocken zusammen. Niemand benutzte das Wort Brust oder nannte Beinkleider Hosen es waren die Unaussprechlichen.

»Immer mit der Ruhe Irene so ist es, wenn man beim Yard arbeitet, du hättest nicht hier sein wollen, als ich den Ripperfall am Hals gehabt habe!«, sagte Pontius.

Ivy hatte Irene aus dem Armenhaus von Chelsea, Ivy vertrat fest die Vorstellung, dass ein Inspektor erster Klasse der Rang unter dem Chief Inspektor mindestens ein Dienstmädchen und eine Köchin brauchte, sonst wirke er knauserig. Aus einem Pontius unbekannten Grund züchteten die wohltätigen Stiftungen und christlichen Stadtmissionen und Armenhäuser Dienstmädchen, so als befürchteten sie in naher Zukunft Dienstpersonal Knappheit. Irene war ohne Hinternamen man fand sie halb verwildert in einem Keller in Holborn sie sah ungefähr aus wie zwölf Jahre.

»Verzeihung, Ma’am, ist nur manchmal so schrecklich die Morde und das alles.«

Da hatte sie recht, stimmte ihr der Inspektor zu. »Sie hat wohl in einem Bordell gearbeitet aber kein billiges. Ich hoffe die Leute werden ihr Verschwinden melden aber Prostituierte sind Wandervögel und die Zuhälter riskieren Gefängnis, wenn sie zur Polizei gehen. Ich kann nur hoffen Sie hatte eine gute Freundin oder Eltern, die sie vermisst melden.«

Trotz seines nun besseren Lebens trug Pontius immer noch die Reste der Herkunft mit sich herum, Stallduft verschwand nie. Man konnte nicht von seiner Kindheit behaupten, dass er behütet mitten in den Glasgower Slums aufgewachsen war. Anders als seine Tochter, die er alleine aufgepäppelt hatte, als sei sie eine Prinzessin. Die Nachbarn mochten Ivy sie wurde oft zu Tee Bällen eingeladen oder gebeten in der Saint Olaf Kirche zu helfen und sie hatte einen Verehrer, der ihr zu Gefallen schien. Pontius tat so als, bemerke er ihre funkelnden Augen nicht oder das stundenlange herrichten ihres schönen Haares, wenn Mister George Saunders ihr ältester und wohl untalentiertester Schüler freitagabends erschien und mit Sicherheit irgendetwas zerbrach. Pontius hatte sich diskret in der Nachbarschaft nach seinen Leumund erkundigt, er lebte mit seinen Eltern vier Häuser weiter in einer netten Stadtvilla. Er war Hausmakler in der City bei der Jeremias House Agentur. Er las die Times und den Punch sagte der Zeitungsjunge und man sah ihn selten ins Theater gehen und wenn dann mit seinen Eltern und nicht in die Burlesken die Lestrade vorzog.

»Vater hörst du mir zu?«

»Ja aber natürlich höre ich dir zu. Sie muss nicht aus Spitalsfield kommen, du hast recht. Am Ratcliff Highway und in der City gibt es ein paar teure Bordelle aber ich beginne am Ratcliff. Dann hinunter bis zur Tiger Bay irgendwer wird sie bestimmt kennen. Wenn wir den Kopf finden, können wir Plakate drucken lassen.«

Ratcliff Highway und seine unmittelbare Umgebung waren eine der berüchtigtsten Hochburgen der Laster und Gewalt zwischen St. Katherine Docks und Limehouse. Der böse Ruf des Ortes war ein viel kolportiertes Gerücht. Es war ein undurchschaubares Netzwerk von Yardhöfen und Gassen. Tiger Bay wurde es genannt, wegen der unzivilisierten blutrünstigen Art der Erbärmlichen, die dort lebten, wo noch immer Opiumhöhlen bei Tag und bei Nacht geöffnet hatten. Der Preis für den Genuss, Zwei Pence für eine Pfeife, nirgendwo in London war der Rausch so billig zu haben. Es waren immer die gleichen krankmachenden Geschichten immer und immer wieder Raub Gewalt, Messerstechereien. Immer und immer wieder erklärten die Richter empört, das Ratcliff Highway und seine Umgebung eine Schande für die Zivilisation waren. Die Polizei, die ihre Routen zu dritt patrouillierten, konnten nicht einmal die eigene Sicherheit gewährleisten einer der drei Beamten trug einen amerikanischen Revolver bei sich. Aber Seriosität und Nüchternheit hatten, in der Mitte der Grog Shops und der Pubs und Bordelle Einzug gehalten. Das saubere und wirtschaftliche London entdeckte die Tiger Bay als Investitionsanlage.

»Warum gibt dir dein Vorgesetzter immer diese Verrückten? Dein Freund Inspektor Abberline ist ständig in der Zeitung als Sachverständiger, er bekommt die Juweleneinbrüche die großen Diebstähle die Sachen mit Prestige!«

»Abby ist auch unter einem guten Stern geboren und vergiss nie er hat sich in Whitechapel einen guten Namen gemacht, er ist ein guter Polizist und bei ihm weiß der Chiefconstable, dass er sich nicht von den Einbrechern bestechen lässt. Außerdem ist es nicht so das man sich die Fälle bei der Polizei aussuchen kann, ich bin nun einmal diese Woche mit den Wachstuben Rundgängen in Spitalsfield dran. Wer die Leichen findet, hat sie auch am Hals, das ist Tradition im Yard.«

»Weißt du, dass du als Schadenshergangs Prüfer für eine Versicherung 60 Pfund im Monat verdienst? Es tut mir leid um das Mädchen, aber warum gehst du nicht zu einer Versicherung eine respektable ungefährliche Arbeit.«

Ivy setzte sich und sah Irene nachdenklich beim Abspülen zu.

»Kannst du dich mich in einem Büro vorstellen, Versicherungsrisiken prüfen mit langweiligen Stutzern zu tun haben?«, fragte er Ivy.

Sie konnte es nicht. Ihr Vater war nie ein Büromensch gewesen. Er gehörte nicht zu jenen Männern aus der City, die um neun Uhr mit den Droschken die Brompton Street an der Themse entlang rollten. Dabei ständig die Taschenuhr in der Hand hielten und das alles mit gespitzten Lippen und der Besorgnis im Gesicht zu spät ins Kontor oder der Bank zu kommen.

»Da ist ein Brief für dich gekommen von deinem Freund Watson«, sagte sie und Irene brachte das Kuvert von der Küchenanrichte und reichte ihn Pontius. Er riss ihn auf und überflog den Brief.

»Ihm geht es gut er wohnt im King Wellhelm Hotel und fragt ob er dir belgische Schokolade oder belgische Spitze mitbringen soll!«

»Spitze ich könnte mir ein Kleid daraus machen lassen. Belgische Spitze kostet doch sicherlich ein Vermögen?«, Ivys Augen leuchteten und der Inspektor sah ein Hochzeitskleid in seiner Imagination aufflimmern, er verscheuchte diesen abscheuliche Vision der Zukunft.

»Tut sie auch«, brummte er.

»Was hältst du von Mister Saunders?«, fragte seine Tochter unvermittelt.

Lestrade sah vorsichtig auf, »dieser Tollpatsch?«

»Er ist kein Tollpatsch«, verteidigte Ivy Mister Saunders.

Etwas zu heftig nach Lastrades Geschmack, einen langen Kerl von fast zwei Metern, der instinktiv überall den Kopf einzog, wenn er irgendwo eintrat.

»Er ist etwas ungeschickt, das gebe ich gerne zu!«, Ivy lächelte »Hättest du etwas dagegen, wenn ich ihn zum Dinner einlade?«

Pontius schluckte, »welches Dinner?«

»Das Dinner, das wir zum Hauseinzug geben, dein Freund könnte kommen und dann einige nette Nachbarn und dein Freund Abberline mit seiner Gattin!«

»Und wann findet das ganz statt?«


Hutt folgte Doktor Bagster mit klopfenden Herzen, er mochte das Leichenschauhaus nicht das größte seiner Art in London. Sie gingen durch den Innenhof und dann eine schmale Steintreppe hinunter die zum Untersuchungsraum drei des Instituts führte. Bagster führte ihn durch lange Korridore mit weiß getünchten Wänden. Er zweigte durch ein Labor ab das gesäumt war von zahllosen Flaschen, Chemikalien, Retorten, Reagenzgläsern. Auf den Labortischen standen kleine Gasbunsenbrenner mit stechend scharfer blauer Flamme und brannten unter dickbauchigen Gefäßen.

»Doktor Lassalle untersucht den Mageninhalt auf Toxine und Alkohol.«

Hutt spürte stechend scharfe Gerüche oder war es nur ein alles durchdringender Geruch?

»Die Forensik macht schnelle fortschritte, MPA die drei großen Buchstaben der Kriminalistik. Mikroskopie, Pharmazie Anatomie«, vertraute Bagster Hutt stolz an. »Jenseits des Kanals in Europa hat die anatomische Untersuchung eine lange Tradition. Leonardo da Vinci oder Vesilius. John Bell der große Schotte!«

Sie erreichten den Seziersaal drei, ein schlecht gelüfteter Raum stinkend und infektiös, fand Hutt. Der schreckliche Tod, der unerklärliche tot haftete an allem an der Kleidung des Doktors seinen Haaren seiner Haut. Die Teile des Opfers lagen auf der hölzernen Pritsche mit einer Blutrinne in der Mitte. Das Blut rann durch einen Schlauch auf den Boden und verschwand in den Abflüssen, die unter jedem Seziertisch waren.

»Ich seziere a sittu, das heißt, wenn sich die Rokitansky Methode machen lässt. Hier leider«, er wies bedauernd auf Torso, Oberschenkel, Arme. »Winzige Blutflecken in Herz und Rippenfell Gegend sprechen für ein vergiften mit einem Ammonium, der Mörder war so freundlich das Herz im Körper zu lassen und das Rippenfell natürlich.«

Ein Assistent rollte auf einer knarrenden hölzernen Schubkarre eine Leiche zu einem anderen Tisch Hutt wurde übel.

Bagster drehte sich fragte, »Der Gasselbstmörder?«, er drehte sich erklärend zu Hutt, »Gas wird immer beliebter! Es liegt am Sinken der Gaspreise Constable, Sie werden es sehen je billiger die Lichtquelle Gas wird umso häufiger haben wir es mit dieser Art von Tötung, zu tun. Es macht die Haut blau wie in Tinte gebadet ein eigentümlicher Farbton sehr sehr ungewöhnlich.«

Constable Hutt starrte auf das Fleisch vor ihm auf der Pritsche das einmal zu einer lebenden schönen Frau gehörte und bekämpfte seinen Schwindel.

»Ja Sir der Gasmann, männlich etwa 35 Jahre. Er ist noch nicht ausgeblutet worden Sir, soll ich ihn ausbluten und das Blut in das chemische Labor zur Untersuchung bringen?«, fragte der Assistent geschäftig, er trug eine von Flecken verkrustete Lederschürze und Lederhandschuhe, die ihm bis zu den Ellenbogen reichten, um ihn vor ansteckenden Krankheiten zu schützen.

Constable Hutt kannte die Vorgehensweise Leichen wurden ausgeblutet und ihnen wurde ein Konservierungsmittel injiziert, um sie haltbarer zu machen. Präparate, die man für den Unterricht nicht brauchte, wurden in der nebenan gelegenen Kühlkammer wie Schweinehälften in der Metzgerei an Fleischerhacken aufgehängt und bei Bedarf mit Schubkarren in die Hör und Seziersäle des Instituts gebracht. Die Fensterscheiben waren mit Talkum beschmiert das Sonnenlicht veränderte die Farben, ein wichtiges Kriterium war die Farbe der Haut und der Totenflecke bei einer Todesursachen Beurteilung. Rund um den Seziertisch waren zusammengefegte blutige Sägespäne zu einem Haufen gekehrt. Der Karbolgeruch wehte scharf, sobald die Holztür mit den Bullaugen zur Präparatenkammer aufgemacht wurde durch den Saal. Messer, Sägen Meißel lagen auf einem Rolltisch neben dem Doktor.

»Sie wurde also vermutlich vergiftet?«, fragte Hutt mit zitternder Stimme. Obwohl er sich bemühte sachlich zu fragen und wie ein alter abgebrühter Fuchs zu wirken.

»Ja mit einem Ammonium. Zersägt wurde der Körper mit einer Säge und einem wenigstens zwanzig Zentimeter langen Instrument. Es sah gekonnt aus, nicht auf die Art eines Chirurgen, sondern auf die Art einer Hausfrau. Weniger professionell als bei einem Schlachter aber geschickt im Umgang mit Tranchierbesteck.«

Hutts Mund klappte entsetzt auf, »Ist das ihr Ernst Sir?«

»Ja natürlich. Es war kein Schlachter aber eventuell ein Koch. Ich kann sagen, dass sie Mutter war. Ansonsten war sie bis auf eine beginnende Syphilis gesund!«

Die armen Kinder dachte Hutt und mit seinem Tränen verschleierten Blick sah er die Waisenkinder vor sich, einen kleinen Oliver Twist in Lumpen mit hungrigem Magen im Armenhaus in den Kohlenkeller gesperrt, weil er um etwas Nahrung gebeten hat. Er tröstete sich damit das sich einiges seit Dickens Zeiten verbessert hatte. Hutt zückte sein Dienstbuch hervor und befeuchtete den Bleistiftstummel mit seiner Zungenspitze. Er schrieb während Doktor, Bagster referierte.

»Die sterblichen Überreste bestanden aus den letzten zwei Knochen über dem Rumpf und die untere Hälfte des Körpers der Torso einer Frau, Oberschenkel bis zu den Knien. Der Rumpf wurde fast gerade mit einer sehr scharfen Säge durchtrennt, die Teile um die Wirbel herum mit einem kantigen schweren Messer oder Beil, welches auch den Unterleib samt Oberschenkeln durchtrennt hat.« Der Doktor tippte mit seinem Zeigefinger auf zerhaktes Fleisch. »Der Kopf, die Arme, die Unterbeine, sind glatt abgeschlagen worden, wobei die Muskeln der Unterschenkel schräge von oben nach unten gesägt wurden. Ziemlich saubere Schnitte Constable, die mit einem scharfen Instrument zugefügt worden sein müssen. Es gab nur wenige Zerstückelungen bei diesen Einschnitten, was zeigt, dass sie durch einen ich würde sagen Fleischer Lehrling oder Koch durchgeführt wurden. Der Rumpf von der Hüftregion wurde dagegen gesägt. Es gab Anzeichen äußerlicher Gewalt dem Vergiften. Die Verstorbene ist ungefähr seit drei oder vier Tagen tot.«

Hutt schrieb langsam und sorgfältig.

»Das Alter würde auf inzwischen 25 bis 33 Jahre korrigieren. Einen Scherz von Medizinstudenten schließe ich vollkommen aus. Der oder die Mörder haben diese Methode gewählt, um die Leiche unauffällig und schrittweise loszuwerden und sie wurde nicht lebendig zersägt.«

Hutt hatte da seine Zweifel wer eine Leiche zersägte, Doktor Bagster natürlich ausgenommen, war zu allem fähig.

»Hatte der Täter medizinische Kenntnisse Sir?«

»Ich bin mir sicher, dass, wer auch immer diese Leiche zerstückelt hat, die Person über kein chirurgisches Wissen verfügte, mein lieber Constable. Eventuell Ahnung von der Zubereitung von Wildbrett aber ein Schlachter oder ein Chirurg nimmt nie eine Säge um den Rumpf, zu trennen. Die Operation um die Wirbelsäule herum zeigt an das durch die Wirbel gesägt wurde. So was macht nur jemand, der kein anatomisches Wissen vom Menschen hat.«

Aus gutem Haus

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