Читать книгу Deutschlands Flotte im Kampf - Graf Bernstorff - Страница 6

Die Fallensteller.

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twa 200 Seemeilen westwärts von Kap Landsend und ein wenig nordwärts der allgemeinen Dampferroute, die aus dem Kanal von Mitte Januar bis Mitte Juli westwärts führt, lagen in einem Abstand von 20 Seemeilen hintereinander 4 Dampfer.

Wer sie aus einem Luftballon oder sonst irgendwie alle hier hätte übersehen und beobachten können, hätte auf die Vermutung kommen müssen, dass bei allen vieren eine Maschinenhavarie vorlag, denn anstatt mit voller Fahrt vorwärts in der Richtung des nach Osten gerichteten Buges zu dampfen, lagen sie fast unbeweglich still und rollten in der langgeschwungenen Dünung des Atlantic langsam von einer Seite zur anderen.

Nur wenn ein entgegenkommender Dampfer oder ein anderes Fahrzeug ihren Kurs kreuzte, stieg aus dem Schornstein jedes einzelnen eine leichte Rauchwolke empor und das Schraubenwasser am Heck, das in Wirbeln und Strudeln nach oben quoll und die sonst glatte Oberfläche der See kräuselte, verriet, dass die Maschine in Gang und das betreffende Schiff in Fahrt war.

Sobald aber das passierende Schiff wieder einigermaßen aus Sicht war, lagen auch die vier Dampfer wieder still.

Ihrem Aussehen nach schienen es gewöhnliche Handelsdampfer zu sein. Der senkrechte Vorsteven, die ziemlich weit nach achtern verlaufende Back, das von da ab auf eine längere Strecke hin freie, nur von einer niedrigen Reling umzogene Oberdeck und die achtern aufgesetzte kurze Kampanje, die beiden stumpfen, etwas schwerfällig aussehenden Pfahlmasten mit der kleinen Gaffel und der mittelhohe, runde und nicht auffällig starke Schornstein ließ die Schiffe als Holz- oder Kohlentransportdampfer erscheinen. Möglicherweise hatten sie auch Kaffee oder Baumwolle geladen. Eine Flagge führte keiner von ihnen.

Eine gleiche Gruppe von Dampfern, die im allgemeinen äußerlich den eben beschriebenen glich, lag ungefähr 150 Meilen südwest von der Insel Quessant und auch diese zeigten dasselbe merkwürdige Verhalten, wie die nordwärts stehenden.

Trotz ihrer allgemeinen Ähnlichkeit des Äußeren zeigte doch jeder einzelne Dampfer in seiner Bauart noch besondere Eigentümlichkeiten, die einem geübten Seemannsauge auffallen mussten und jedes Schiff von dem anderen unterscheiden ließen.

Hätte ein Dampfer nacheinander diese acht Fahrzeuge passiert, so würde die ganze Besatzung ohne weiteres später behauptet haben, dass sie nur acht gewöhnliche Handelsdampfer gesehen hätte, die nichts Auffälliges zeigten und auch nicht zu ein und derselben Linie oder Gesellschaft gehören konnten, weil jeder doch verschieden von dem anderen gebaut war.

Auch die geringe Zahl und Kleinheit der an Deck verstauten Bote, die Unsauberkeit an Masten, Schornstein, auf Deck und ebenso an der Bordwand mussten den Uneingeweihten dazu veranlassen, zu glauben, dass er eben nur gewöhnliche Fahrzeuge vor sich hatte.

Um die Täuschung vollkommen zu machen, stand am Bug jedes Schiffes mit großen, zum Teil aber halb verwaschenen Buchstaben irgend ein Name, der auf englische Zugehörigkeit schließen ließ und dieser Name wiederholte sich am Heck, wo gleichzeitig auch der Ursprungshafen angegeben war.

Da gehörte zum Beispiel der eine Dampfer nach Falmouth, zwei waren aus Bristol, einer ans Cork, wieder ein anderer war in London beheimatet, einer in Milford und so weiter, kurz und gut, es trieb sich da eben eine Schar von Handelsdampfern auf dem Ozean herum, deren Kapitäne gar keine Eile hatten nach Hause zu kommen.

Das Wort „Time is money“ ist ja allerdings im allgemeinen den Engländern vollkommen in Fleisch und Blut übergegangen, aber hin und wieder kommt es doch einmal vor, dass solch’ ein alter Kapitän sich doch etwas verbummelt, besonders, wenn er aus der westindischen Gegend kommt und in Jamaika oder da seinen Rumvorrat ordentlich aufgefüllt hatte. — —

Auf dem der englischen Küste zunächst liegenden Fahrzeug gingen mehrere Leute auf der Kampanje auf und ab, ihrer Kleidung nach schien es der Kapitän und zwei seiner Offiziere zu sein.

„Ich möchte nur wissen, wie lange wir hier noch herumschwabbern müssen“, äußerte jetzt der eine von ihnen.

„Das ist nebensächlich“, entgegnete der Kapitän, „die Hauptsache ist, ob wir nachher schnell genug rankommen. Meines Erachtens stehen wir etwas zu weit westwärts. Die Distanz, die wir abzulaufen haben, ist zu groß.“

„Ja“, versetzte der erste Sprecher, „das ist wohl sicher, Kapitän, andererseits aber könnten wir auch leicht auffallen, wenn wir näher rangingen, denn die Kerls müssten doch geradezu mit Blindheit geschlagen sein, wenn sie uns vier hier so im Ozean treiben sähen, anstatt schleunigst mit unserer Ladung in den Hafen zu fahren, und sie merkten nicht, dass da ein Kink drin ist.“


Auf Vorposten.

Originalzeichnung von Marinemaler Lindner.

„Pah“, meinte der mit „Herr Kapitän“ angeredete, „bis einer von uns aus bis zum nächsten kommt, hat er die Begegnung mit uns schon längst wieder vergessen; was kümmert sich denn so’n Kapitän oder einer von seinen Leuten viel um ein begegnendes Schiff. Das ist den Kerls alles ganz Wurst. Die fahren ihren Stiebel ab und sind froh, wenn sie sicher wieder ins Loch kommen. Wer ihnen unterwegs begegnet, davon haben sie keine Ahnung.“

„Ja, die einfachen Kulis wohl“ erwiderte der zweite Offizier, „aber man sollte doch eigentlich denken, dass unsere Gegend hier wenigstens von ein paar kleinen Kreuzern oder Torpedobootsjägern mal revidiert würde, ob wir nicht etwa ihnen auch von Westen her auf den Pelz kommen.“

„Nee, Baumbach“, antwortete Kapitän Frerichs, „daran denken die garnicht. Die glauben, dass wir mit allen Kähnen, die wir aus unseren sämtlichen Löchern zusammenschrappen können, zwischen Helgoland und Wilhelmshaven liegen und da auf sie warten, und damit haben sie ja in gewisser Beziehung auch ganz recht. Was so’n bischen was ist, das liegt ja da. dass man uns schon tagelang vor der eigentlichen Losgehgeschichte hierher gejagt hat, darauf kommt so leicht keiner. Aber“, setzte er hinzu, und seine Stimme nahm einen drohenden Klang an, „wir wollen ihnen dafür auch über den Hals kommen und wie ein Dachziegel auf die Nase fallen.

Die sollen sich wundern, wenn sie anfangen mit ihren Pötten rauszukriechen und mit einem Mal geht es von unten her „Bums“, es gibt ’n Loch im Leib, und kein Deiwel ahnt, wie die Geschichte gekommen ist. Ehe sie sichs versehen, sind hoffentlich schon drei oder vier von ihnen verflucht oder derartig angehauen, dass sie flügellahm wieder ins Nest zurückkriechen.“

„Ganz leicht wird für uns das Rankommen und Einlaufen aber auch nicht werden“, versetzte der mit Baumbach angeredete, „denn vor ihren eigenen Häfen werden sie ja doch wohl aufpassen und ich fürchte immer, dass sie schon aus dem Loch raus sind, wenn wir hinkommen, denn es ist, wie gesagt, doch eine ganz verdammte Ecke, die wir abzulaufen haben.“

„Ich glaube das nicht“, erwiderte Kapitän Frerichs, „denn soweit ich die Gesellen kenne, haben sie zwar ein großes Marktwert und auch wirklich schöne Schiffe, aber sie haben sie nur nicht in Ordnung, wenigstens nicht ganz so gut wie wir unsere. Hatten die zum Beispiel Befehl gekriegt, auf’n Platz so wie wir loszusausen und sich wie der Fuchs vor’s Mauseloch zu legen, ich glaube nicht, dass sie das so ohne weiteres und so glatt gekonnt hätten. Aber immerhin, Vorsicht ist besser wie Nachsicht, und zur Nacht wollen wir auf jeden Fall näher rangehen und schon bei Dunkelwerden der anderen Gruppe zufunken, dass sie ebenfalls bis auf etwa 50 Meilen an Quessant rangeht.

Dazu brauchen sie — warten Sie mal — bei 40 Meilen Fahrt 2 ½ Stunde, und dann haben wir alles zusammen nachher rund 240 bis 250 Meilen abzulaufen, können uns aber die Geschichte vereinfachen, indem wir unter die Küste kriechen und im Augenblick, wo es dunkel wird, losbrausen.“

„Herrgott noch mal, wenn uns der Streich gelänge!“ rief der dritte der Auf- und Abgehenden namens Friedrich. „Ich finde es ist eine ganz geniale Idee, uns hierher zu schicken; wer mag die eigentlich ausgeheckt haben.“

„Das kann ich Ihnen ganz genau sagen“, entgegnete Kapitän Frerichs, „das war unser voriger Admiralstabschef, der kam schon vor drei Jahren eines schönes Tages damit heraus und sprach mit dem Staatssekretär darüber.“

„Und was meinte der dazu“, fragte Leutnant Baumbach.

„Der wollte erst nicht recht ran“, antwortete der Kapitän, „weil er meinte, die Sache wäre ganz aussichtslos, denn wir würden viel zu spät kommen, wenn, wie sie vorhin schon sagten, die Gesellschaft entweder schon raus ist aus dem Loch oder zu sehr aufpasst.


Im Schiffsbüro.

Aber Büchter bewies ihm haarklein, dass die Geschichte gehen musste, allerdings nicht mit den lahmen Enten von 24 bis 27 Meilen, die wir bisher gebaut hatten, sondern dass wir extra Schiffe für den Zweck bauen mussten, die ohne Anstrengung, aber auch tatsächlich ohne Anstrengung glattweg ihre 40 Meilen durchhalten konnten. Na, und jetzt liegen wir hier! — — — Na, was ist los?“ rief er einem Mann entgegen, der aus einem Luk auftauchte und rasch nach achtern kam.

„Kapitän Bothmer lässt anfragen, ob wir heut Nacht losgehen“, antwortete der Mann, „und ob seine Gruppe nicht näher an die Küste herangehen sollte.“

„Funken Sie zurück: Bei Beginn der Dämmerung bis auf 50 Meilen — oder warte mal — sagen wir lieber, 30 Meilen bis an die Küste rangehen, ohne auffällig zu werden. Sollte irgend eine Anfrage kommen von einem passierenden Schiff, so soll, wie verabredet, eine kleine Maschinenhavarie vorgeschützt werden oder meinetwegen auch ein „Mann über Bord“. Die einzelnen Schiffe sollen bis auf etwa 6 Seemeilen nebeneinander liegen und zwar in der Richtung Nord-Süd. Auf das Signal „Los“! dann nach Vorschrift, Meldung, wenn Signal gegeben und verstanden ist.“

„Die werden schon ungeduldig!“, lachte Leutnant Baumbach.

„Sind Sie’s etwa nicht?“, meinte Kapitän Frerichs. „Mir kribbelt’s immerfort in allen Fingern, den Telegraphen auf „äußerste Kraft“ zu stellen, aber ich denke, lange werden wir auch nicht mehr zu warten haben!. Die Geschichte geht los, das ist totsicher. Die nehmen nichts zurück und wir zoppen nicht zurück. Sobald ein Signal kommt, Meldung, und ohne weiteres „äußerste Kraft“ voraus. Das wissen Sie ja.“

„Zu Befehl, Herr Kapitän!“ versetzte Friedrich und nahm, nachdem Kapitän Frerichs und Leutnant Baumbach unter Deck gegangen waren, sein Doppelglas vor, um den ganzen Horizont ringsum aufs schärfste zu mustern. Nirgends war etwas zu sehen, und mit langsamen Schritten nahm der junge Offizier seine Wanderung auf der Kampanje wieder auf. Von Steuerbord nach Backbord und von Backbord wieder zurück nach Steuerbord. Genau 20 Schritt.

Leise schwankte der Dampfer in der Dünung hin und her und außer dem sanften Rauschen und leichten Klatschen, das er beim Ein- und Auftauchen in die See hervorrief, war kein Geräusch weiter zu vernehmen, nur hin und wieder schlug ein lose von der Spitze der Masten herabhängender starker Kupferstrang mit leichtem Klappen gegen das Holzwerk.

Aus einiger Entfernung musste jeder diesen Kupferdraht für den Blitzabteiter, wie er überall an Bord gebräuchlich und angebracht ist, halten, und da der Himmel ganz wolkenlos war, sodass ein Gewitter ausgeschlossen schien, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Enden der Blitzableiter nicht über Bord ins Wasser hingen sondern binnenbords geholt waren.

Wer aber an Bord den Kupferdraht weiter verfolgen konnte, der entdeckte, dass er nach unten in den Schiffsraum hineingeführt war, wo er schließlich in einer kleinen Kammer endete. Diese nach allen Seiten hin abgeschlossene Kammer war inwendig vollkommen ausgestattet wie eine Telegraphen- und Telefonzelle.


Funkentelegraphenstation auf Borkum.

Auf einem Tisch standen die Sende- und Nehmeapparate, wie sie für die drahtlose Telegraphie nach dem deutschen Telefunkensystem verwendet werden. An dem Tisch saß der Beobachter und ließ die leise zitternde Nadel des Anzeigers nicht aus den Augen. Nach außen hin war er durch die schallgedämpften Wände vollkommen abgeschlossen. So saß der Mann dort und wartete mit Spannung auf ein einziges kleines Wort, das die Untätigkeit an Bord zu regster Tätigkeit entfesseln sollte.

Die Uhr mochte etwa 4 zeigen, da öffnete sich die Zelle und Kapitän Frerichs trat ein.

„Funkspruch: ,Gruppe A aufschließen‘.“

„Zu Befehl“, antwortete der Mann und fing an, mit seinen Apparaten zu arbeiten. Es dauerte nicht lange, da begann der Nehmer zu klappern und der Taster malte auf dem sich langsam abrollenden Streifen in Morsezeichen die Worte: „Nelly aufschließen!“ „John Brown“ aufschließen!“ „Scotchmore aufschließen!“

Kapitän Frerichs las die zurückgegebene Antwort durch, nickte mit dem Kopf und verließ die Zelle wieder. Dann ging er an Deck und rief Leutnant Friedrich zu: „Ich habe aufschließen befohlen.“


Auf der Kommandobrücke.

Originalzeichnung von C. W. Allers.

„Sehr wohl, Herr Kapitän!“ antwortete jener und nahm dann wieder seinen einsamen Spaziergang auf der Kampanje auf. Etwa zwei Stunden später hatte sich der bis dahin klare Himmel mit einem leichten Grau bedeckt und ohne noch ein einziges Mal die Decke zu durchdringen, sank die Sonne im Westen tiefer und tiefer, während sich gleichzeitig das Grau immer mehr verdichtete.

Allem Anschein nach versprach die Nacht dunkel, mond und sternenlos zu werden. Allmählich setzte eine leichte Brise ein, die die Schwüle des Abends dämpfte und den aus dem Schornstein der „Chromartyshire“ steigenden Rauch auflöste und verwehte.

Leutnant Friedrich schaute ihm einen Augenblick nach und blickte dann durch sein Doppelglas angestrengt westwärts, wo er die imitierten Rauchsäulen der drei anderen zu der Nordgruppe gehörigen Dampfer zu sehen erwartete.


In voller Fahrt bei unruhiger See. (Fotografie.)

In Wirklichkeit verursachte nämlich die Heizung der Maschinen gar keinen Rauch, sondern dem Schornstein entstieg selbst bei größter Fahrt nur eine zitternde, heiße Luftwelle, die aber schon aus einer Entfernung von etwa 60 Meter nicht mehr wahrgenommen werden konnte. Wenn jetzt die Schornsteine rauchten, so war das eben nur eine Täuschung, indem im Schornstein etwas Material verbrannt wurde, das den falschen Rauch erzeugte.

„Schon was in Sicht?“ fragte Leutnant Baumbachs Stimme hinter dem Ausschauenden, und der Sprechende trat dann selbst neben seinen Kameraden, setzte das Doppelglas an die Augen und sah ebenfalls nach Westen.

„Da kommen sie;“ sagte er nach einer Weile und deutete, ohne das Glas abzusetzen, mit der linken Hand über die See hin.


Im Heizraum. (Fotografie.)

„Hast recht!“, entgegnete Friedrich, „jetzt fehlt nur noch das Signal.“

In demselben Augenblick stürzte Kapitän Frerichs an Deck und schrie mit Donnerstimme über das ganze Schiff hin: „Los“!

Wie vom Blitz getroffen fuhren die beiden am Heck der Kampanje stehenden Offiziere herum und stürzten in langen Sätzen wie ein paar Panther auf das niedrige Deckshaus zu, das am Vorderende der Kampanje stand.

„Los!“ riefen sie sich gegenseitig mit funkelnden Augen zu und zugleich erfasste jeder von ihnen einen Hebel der Maschinentelegraphen.

Ein scharfer Ruck an beiden Hebeln, unmittelbar gefolgt von einem schrillen Glockensignal, ein Zittern das den Schiffsrumpf durchlief, ein dumpfes Brausen und Wallen am Heck, aufsteigende Wirbel und schaumdurchzogene Strudel, die mehr und mehr zurückleiben, ein Rauschen vorne am Bug, das sich zu einem scharfen Zischen zuspitzt und nach wenigen Minuten jagt die „Chromartyshire“ mit einer Fahrt durch die aufspritzende See, wie sie kein Seemann dem anscheinend so plumpen und schwerfälligen Handelsdampfer zugetraut hätte.


Kriegsschiffe auf der Fahrt.

„Dreißig bis die anderen aufgekommen sind!“, ruft Kapitän Frerichs und dann mit wenigen Sprüngen die Treppe zur Kampanje hinauffliegend und sich umwendend, schallt sein Ruf über Deck: „Alle Mann achter raus!“

Ein kurzer Pfiff ertönt irgendwo, und aus den unteren Räumen stürmt in wilder Eile eine Schar von Männern nach oben und versammelt sich auf dem Achterdeck vor der Kampanje.

Sie sind alle bekleidet, wie es Heizer und Besatzung von Handelsdampfern zu sein pflegen, stehen aber im Gegensatz zu jenen jetzt merkwürdig militärisch stramm und geordnet an Deck, die Augen zum Kapitän erhoben, der beide Hände fest um das eiserne, die Kampanje umschließende Gitter gelegt hat.

„Leute, es geht los!“, ruft er den Männern zu. „Jetzt gilt’s! Ihr wisst was auf dem Spiele steht und um was es sich handelt. Euren Dienst kennt und versteht Ihr aus dem ff, was irgend rauskann, muss raus, bis wir selber mit untergehen. Um 12 sind wir da und dann seid Ihr selbstverständlich in Uniform. Den Spass wollen wir doch davon haben, dass wir als deutsche Soldaten und Seeleute den Streich ausführen und nicht bloß als verkappte Kauffahrteischiffer.

Lautloses Arbeiten bei möglichster Schnelligkeit ist, ich wiederhole es nochmal, eine Hauptbedingung für den Erfolg! Außer dem Wort ,Los!‘ wird später kein Befehl mehr gegeben werden. dass irgend jemand von uns lebend aus der Affäre davon kommt, glaube ich nicht; aber das schadet nichts, wenn wir unseren Zweck erreicht haben. Fallen wir, so fallen wir für Kaiser und Vaterland. Seine Majestät, unser oberster Kriegsherr, Hurra!“

„Ein dreifaches Hurra klang über das Wasser und auf einen Wink des Kapitäns verschwand die Besatzung wieder unter Deck, nur soviel Leute blieben oben, wie sie auf Handelsdampfern gewöhnlich zu sehen sind.

Nach etwa 10 Minuten waren die drei folgenden Dampfer der „Chromartyshire“ bis auf etwa 1 1/3 Seemeilen aufgelaufen und Kapitän Frerichs lief; nun sein Schiff wirklich mit äußerster Maschinenkraft vorgehen. Nach 5 Minuten stand der Zeiger des selbsttätigen Geschwindigkeitsmessers auf 40, und in der rasch zunehmenden Dunkelheit jagten die vier Fahrzeuge über die See dahin, gespensterhaft anzusehen, alle Mitfahrenden in kurzer Frist überholend, an allen Gegenseglern vorübersausend wie ein Phantom.


. . . ein gewaltiger dumpfdröhnender Donnerschlag machte die Luft erzittern . . .


. . . Nach etwa 10 Minuten waren die drei folgenden Dampfer

bis auf etwa 1 ½ Seemeilen aufgelaufen . . .

Hart an der Küste entlang ging die schnaubende Fahrt; dann verloren sich im Dunkel der Nacht die einzelnen Fahrzeuge, nach der Mitte des Kanals und hier schlug jedes seinen besonderen Weg ein.

Mitternacht war vorüber, als Kapitän Frerichs die Fahrt etwas mindern ließ und durch sein Doppelglas scharf vorausspähte.

Bei der herrschenden Finsternis waren aber zunächst nur die dunklen Umrisse des Landes wie schwarze Schatten zu erkennen, ohne dass etwas genaueres auszumachen gewesen wäre. Aber allmählich wurden sie deutlicher und dann unterschied das blickgewöhnte Auge die niedrigen Konturen emes großen, weit in die See hinausragenden, niedrigen Steindammes oder einer Mole.

Ein Druck auf einen Knopf gab der Maschine Signal zum Langsamgehen und gleichzeitig den Befehl für die Mannschaft: „Achtung!“

Mit leichter Drehung glitt jetzt der Dampfer, nach Steuerbord ausbiegend, in einer Entfernung von etwa 50 Metern an dem Steindamm entlang, gegen das Gesehenwerden durch diesen selbst geschützt, da sowohl die Signalmasten wie der Schornstein niedergelegt waren und der Rumpf des Dampfers die Höhe der Mole nicht überragte.


.Die feindlichen Kreuzer verlassen den Hafen, um die Stellung

der deutschen Schiffe auszukundschaften.


Explosion einer Mine.

Jetzt drückte Kapitän Frerichs zweimal auf den Knopf und unmittelbar darauf fiel am Heck seines Schiffes ein Gegenstand leicht aufplatschend ins Wasser und verschwand unter der Oberfläche, und wenige Sekunden später wiederholte sich der Vorgang, und in kurzen Abständen immer wieder von neuem, während gleichzeitig der Dampfer kreuz und quer hin und her fuhr, sich dabei immer mehr dem Landende der Mole nähernd.

Bei der Dunkelheit musste eine außergewöhnlich gute und sichere Kenntnis des Fahrwassers dazu gehören, um nicht gegen die Mole anzulaufen oder gegen das gegenüberliegende Ufer, das anfangs flach, nach und nach mehr anstieg, bis es eine selbst in der Finsternis erkennbare steile Wand bildete, deren innerer Rand sich scharf gegen den dunklen Horizont abhob.


Nach dem Kampf.


Nach dem Kampf.

Weit drinnen, fast genau in der Mitte zwischen Mitte und Felswand, leuchtete jetzt ein Licht auf, das sich ziemlich rasch näherte.

Etwa vierzig Mal war inzwischen das platschende Geräusch am Heck des Dampfers hörbar geworden, der noch immer kreuz und quer fuhr, bis ein Anruf von dem Träger des herangekommenen Lichts, der sich als ein kleiner Kreuzer erwies, erfolgte.

Ohne Antwort zu geben, setzte Kapitän Frerichs mit seinem Schiff seine geheimnisvolle Tätigkeit fort und schneller noch als bisher fielen am Heck die dunklen Körper in das aufrauschende Wasser. .

Plötzlich flammte auf dem Kreuzer ein Scheinwerfer auf und nach kurzem Suchen hatte der Lichtkegel die „Chromarthshire“ entdeckt, über die er rasch hinwegglitt, um sie dann dauernd festzuhalten. Ein zweiter Anruf erfolgte zugleich mit dem Befehl: „Halt!“ Hätte der Rufer Kapitän Frerichs Gesicht sehen können, so würde er ein höhnisches Lächeln darauf bemerkt haben. So wartete, er noch einen Augenblick auf eine Antwort und darauf, dass das merkwürdige Fahrzeug, das da ohne Schornstein und Takelage sich fortbewegte, anhalten sollte. Als beides nicht erfolgte, fiel von dem Kreuzer ein schuss, in dessen Knall sich gleichzeitig das Platzen der Granate in dem Rumpf des geheimnisvollen Schiffes mischte.


Minen-Explosion.


Nach dem Zusammenstoss: Der Dampfer versinkt.

Unmittelbar darauf blitzte es auch drüben auf und drei Geschütze jagten dem Kreuzer ihre Geschosse in den Leib, der nun, sich darüber klar werdend, dass er einen Feind vor sich habe, aus allen Geschützen ein rasendes Schnellfeuer gegen den Gegner eröffnete. Noch zwei oder drei Mal wurde von drüben geschossen, dann plötzlich schoss eine gewaltige Feuergarbe gen Himmel, das Dunkel zerreißend und die Nacht mit blutrotem Schein erfüllend. Dichter, graugelber Rauch wälzte sich in mächtiger Wolke wirbelnd in die Höhe, ein gewaltiger dumpfdröhnender Donnerschlag machte die Luft erzittern, Sausen und Pfeifen schwirrender Sprengstücke ertönte, ein schwach hallendes Hurra erklang noch über das Wasser hin, und dann verschlang die Nacht alles wieder mit ihrem finsteren Rachen.

Als der Scheinwerfer des Kreuzers über die Stelle hinstrich, auf der soeben noch sein Gegner gelegen hatte, war nichts mehr von ihm zu entdecken; nur Trümmerstücke schwammen auf der unruhig wogenden Wasseroberfläche, über die sich jetzt der dicke gelbe Qualm wie ein Leichentuch ausbreitete.

Aus dem inneren Hafen heraus hatte sich schon nach dem ersten schuss eine Anzahl von Torpedobooten und ein großer Kreuzer in Bewegung gesetzt, um dem kleinen Kameraden zu Hilfe zu eilen. Als die Explosion erfolgte, stoppte unwillkürlich die ganze Gesellschaft und kam nun erst zögernd heran. Eifrig wurde beim Licht der angestellten Scheinwerfer nach Resten des gesunkenen Fahrzeuges und etwaigen noch treibenden Menschen gesucht und im Verlauf einer Stunde gelang es, drei bis zur Unkenntlichkeit verbrannte und verstümmelte Körper zu bergen, sowie die Mütze und Leiche eines deutschen Seeoffiziers mit dem Rang eines Fregatten-Kapitäns.

Letzterer war wahrscheinlich, durch den gewaltigen Luftdruck der Explosion betäubt, ins Wasser geschleudert worden und ertrunken.

Währenddessen waren mehrere Torpedoboote nach außen gedampft, sorgfältig die ganze Umgebung absuchend nach weiteren Feinden. Sie kehrten unverrichteter Dinge zurück und meldeten, dass niemand zu sehen gewesen wäre.

Darüber war soviel Zeit vergangen, dass die Nacht begann dem Tage zu weichen. Ein fahles Dämmerlicht verjagte das Dunkel und in seinem ungewissen Schein tauchten aus dem inneren Hafen die Umrisse mehrerer großer Schiffe auf.

Es war eine Division von 4 Kreuzern, die als erste Aufklärungsgruppe hinausgehen sollten, um die Stellung der deutschen Aufklärungsschiffe auszukundschaften. Beabsichtigt war, ihnen unmittelbar ein Geschwader von 16 der neuesten Linienschiffe folgen zu lassen, um mit dieser Macht wenn möglich in einem raschen Handstreich gegen die deutschen Küstenbefestigungen vorzugehen. Vor den Kreuzern her lief eine Anzahl von Booten, die das Fahrwasser auf etwaige Minengefahr untersuchen sollten. Der Führer der Abteilung hielt es jedoch für angezeigt, zunächst an der Stelle das Suchen zu beginnen, wo in der Nacht das feindliche Schiff, über dessen Absichten und Zweck man sich immer noch nicht ganz klar geworden war, versunken lag und mit nur 4 Booten wurde ziemlich oberflächlich das eigentliche Fahrwasser abgesucht.

Gefunden wurde dabei nichts, außer zwei seltsam geformten Ankern, deren Verwendung zunächst auch unklar blieb. So entschloss sich schließlich der Admiral der Aufklärungsschiffe, um keine weitere Zeit zu verlieren, hinauszugehen. Etwa 50 Meter mochte das Flaggschiff, über die Explosionsstelle hinausgekommen sein, ohne dass sich irgend etwas ereignet hätte und der Führer erteilte den Befehl; die Fahrt zu beschleunigen, da erfolgte an Bug eine starke Detonation und bevor noch der Befehl zum Stoppen oder Ankern gegeben werden konnte, eine zweite an Steuerbord-Mittschiffs, die sich in einer ungeheuren Kesselexplosion fortsetzte.

Mit donnerartigem Getöse wurde das Deck gesprengt und in einer gewaltigen Dampfwolke flogen Eisen- und Holzteile vermischt mit blutigen zerrissenen Körpern hoch in die Luft und fielen klatschend ringsum nieder. Vergebens eilten von allen Seiten die Suchboote und die Boote der übrigen Kreuzer zu Hilfe herbei. In wenigen Sekunden war der durch die kolossale Explosion schwer leck geschlagene Kreuzer an Steuerbord vollgelaufen, legte sich über und kenterte hart an der Moole, wo er im Wasser verschwand. Nur einige wenige der Besatzung konnten außer dem Admiral, dem Kommandanten und denjenigen Mitgliedern der Besatzung, die sich im Augenblick der Katastrophe an Deck befunden hatten, gerettet werden.

Von den drei nachfolgenden Kreuzern der Division war ein zweiter ebenfalls auf eine Mine aufgelaufen und schwer, wenn auch nicht tötlich, verletzt worden. Es gelang ihm noch mit eigener Maschinenkraft und ohne Hilfe ins Dock zu kommen.

Wie Kapitän Frerichs es seiner Besatzung vorausgesagt hatte, war bei dem kühnen Unternehmen kein einziger von ihnen lebend davon gekommen. Sie hatten ihre Treue mit dem Tode besiegelt, aber der Zweck war auch vollkommen erreicht, denn nicht nur waren zwei starke Panzerkreuzer vollkommen vernichtet resp. gefechtsunfähig geworden, sondern auch das Auslaufen der übrigen Schiffe war für längere Zeit unmöglich gemacht worden.

Der moralische Eindruck, den der gänzliche Verlust des Flaggschiffes der Kreuzerdivision, sowie die schwere Havarie eines zweiten Schiffes hervorriefen, verbunden mit der Überzeugung, dass die ganze Einfahrt resp. Ausfahrt des Hafens stark mit Minen verseucht sei, genügten, um die beabsichtigte Tätigkeit eines Teils der Schlachtflotte vorläufig zu verhindern.

Ebenso wie Kapitän Frerichs und seine tapfere Mannschaft hatten auch die Kommandanten der anderen Schiffe, die allesamt verkappte Minenstreudampfer der deutschen Flotte gewesen waren, einen Erfolg zu verzeichnen. Zweie von ihnen, die Kapitänleutnants Herbert und Heinrich waren allerdings nicht dazu gekommen das eigentliche Fahrwasser durch Minen unbrauchbar zu machen, da sie von Wachtbooten, die dort besser auf ihren Dienst gepasst hatten, zu frühzeitig bemerkt worden waren. Beide hatten nach einem besonderen Plan, den sie vorher vereinbart und ihren Mannschaften mitgeteilt hatten, mit äußerster Maschinenkraft gehend, die Kette der Wachtboote durchbrochen und waren in den inneren Hafen eingedrungen, wo der eine mit voller Fahrt gegen einen kleinen Kreuzer anrannte, mit dem er zusammen auf den Grund ging, Während es dem anderen gelang, neben einem Linienschiff vier seiner eigenen Minen zur Explosion zu bringen und jenes dadurch so schwer zu beschädigen, dass es sofort ins Dock gebracht werden musste. Der Kommandant, Kapitänleutnant Herbert, hatte selbst die Explosion der Minen bewirkt und dabei natürlich sein Leben eingebüßt. Seine Mannschaft wurde fast vollzählig gerettet und kriegsgefangen gesetzt. Dieses völlig unerwartete, kühne Vorgehen der Deutschen erregte bei den Feinden nicht nur ein ganz gewaltiges Aufsehen, sondern verursachte geradezu einen fast panischen Schrecken. In einer Sitzung der Volksvertreter wurde der Marineminister interpelliert und darüber auf das Heftigste angegriffen, dass ein derartiger Handstreich überhaupt möglich gewesen sei. Ziemlich ungeschickt verteidigte sich der Angegriffene damit, dass man auf eine solche Infamie und Heimtücke des Gegners unmöglich hätte vorbereitet sein können, denn selbstverständlich hätte man nur einen Angriff von Osten her erwartet.

Auf eine weitere Frage, ob für den Fall des Krieges, wie er ja nun doch tatsächlich eingetreten sei, die verbündete Macht keine Verpflichtung übernommen habe, den Eingang des Kanals zu schließen oder wenigstens nach Westen hin stark zu bewachen, musste der Ministerpräsident gestehen, dass dieser Fall garnicht vorgesehen sei und daher keinerlei Abmachungen bestanden. Damit hofften die beiden Herren sich aus der Affäre gezogen zu haben, jedoch diese ersten schweren Schläge in dem erst beginnenden Kampf, statt deren man eine sofortige allgemeine, siegreiche Tätigkeit der Flotte, auf die man so stolz war, erwartet hatte, hatten die allgemeine Stimmung schon ganz erheblich umgewandelt und es hagelte bereits von Vorwürfen auf die Verantwortlichen herab.

Schließlich wurde von der ganzen linken Seite des Hauses einstimmig Auskunft darüber verlangt, ob nun der Verbündete für die kampfunfähig gewordenen eigenen Schiffe mit einem Teil seiner Flotte als Ersatz eintreten würde. Auch darauf musste der Ministerpräsident ausweichend antworten, und schließlich auf Drängen zugeben, dass eine absolut bindende Vereinbarung nicht getroffen sei. Der Freund habe sich nur verpflichtet, im Fall eines unglücklichen Krieges zu verhindern, dass die eigene Seemacht vollständig vernichtet werde.

Um die Gewitter zu beruhigen und abzulenken ersuchte zum schluss der Marineminister die Abgeordneten sämtlich, im Interesse der weiteren Kriegsführung über die bisherigen Erfolge der Deutschen absolutes Stillschweigen zu bewahren und verlangte ein Gleiches auch von der gesamten Presse.

Bei letzterer kam er indessen mit seiner Bitte schon zu spät, da einige sensationslüsterne, oppositionelle Blätter es sich nicht hatten nehmen lassen, die durch die Kühnheit und Todesverachtung der deutschen Seeleute der Flotte zugefügten Schäden bereits zu veröffentlichen und daran die unliebsamsten und rücksichtslosesten Erörterungen zu knüpfen. So erfuhr man auch in Deutschland, wie die entsandte Expedition abgelaufen war und welche Erfolge sie erzielt hatte.

Die berechtigte Trauer um die Gefallenen, die als erste in dem beginnenden schweren Streit ihr Leben so mutig gewagt und so rücksichtslos eingesetzt hatten, ward gemildert durch die Freude über den errungenen Erfolg.

Das Fallenstellen war gründlich gelungen.

Deutschlands Flotte im Kampf

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