Читать книгу Der Ursprung von (fast) allem - Graham Lawton - Страница 8

Das Universum

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Wie fing es alles an?

Warum scheinen die Sterne?

Woraus besteht Materie?

Woher kommen Meteoriten?

Woraus besteht das Universum wirklich?

Woher kommen schwarze Löcher?


Wie fing es alles an?

Das Universum ist groß. Sehr groß. Wenn aber unsere Theorie bezüglich seines Anfangs zutrifft, dann war es einmal klein. Sehr, sehr klein. Ja, irgendwann hat es dann überhaupt nicht existiert. Vor rund 13,8 Milliarden Jahren entsprangen Materie, Energie, Zeit und Raum spontan dem Nichts bei dem Ereignis, das wir als Big Bang kennen.

Wie kam es dazu? Oder, um es anders zu formulieren: Welches ist der Ursprung von allem?

Das ist das quintessenzielle Mysterium. Für die meisten Menschen konnte im Lauf unserer Geschichte die einzig plausible Antwort nur lauten: Gott hat es geschaffen. Für lange Zeit ist sogar die Wissenschaft der Beschäftigung mit dem Thema ausgewichen. Im frühen 20. Jahrhundert waren Physiker generell der Überzeugung, das Universum sei unendlich und ewig. Den ersten Hinweis, dass dem nicht so war, erhielt man 1929 durch Edwin Hubbles Entdeckung, dass Galaxien auseinanderfliegen wie Granatsplitter nach einer Explosion.

Die logische Schlussfolgerung daraus war, dass das Universum sich ausdehnte und in der Vergangenheit also kleiner gewesen sein musste. Indem sie den Prozess der Ausdehnung in ihrer Vorstellung umgekehrt ablaufen ließen, so als spielten sie einen Film von seinem Ende zum Anfang hin ab, gelangten Astronomen zu einem anderem logischen aber recht merkwürdigen Schluss: Das Universum musste einen Anfang gehabt haben.

Der Uranfang

Viele Wissenschaftler empfanden anfangs Unbehagen bei der Vorstellung von einem Uranfang des Universums und brachten daher alternative Erklärungen vor, die ohne eine solche auskamen. Die vielleicht bestbekannte ist die Steady-State-Theorie, die 1948 aufgestellt wurde. Ihrer grundlegenden Hypothese zufolge hat das Universum immer existiert und zu jeder Zeit gleich ausgesehen. Astronomen ersannen bald Methoden, um diese Behauptung zu überprüfen, und stellten fest, dass sie nicht zutraf. Einige himmlische Objekte, wie zum Beispiel Quasare, finden sich ausschließlich in sehr großen Entfernungen von uns, was nahelegt, dass das Universum nicht immer das gleiche Aussehen hatte. Dennoch hinterließen die Verfechter der Steady-State-Theorie ein bleibendes Erbe: Sie vermachten uns den Ausdruck »Big Bang«, der ursprünglich von ihnen geprägt wurde, um die Urknalltheorie sarkastisch abzutun.

Den ultimativen tödlichen Schlag erhielt die Steady-State-Theorie 1965 durch die zufällige Entdeckung einer schwachen Strahlung, die den ganzen Weltraum erfüllt. Diese kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung deutete man als eine Art »Nachglühen« eines Universums, das früher wesentlich heißer und dichter war, als es heute ist.

Diese Beobachtungen wurden bald theoretisch untermauert. Stephen Hawking und Roger Penrose wiesen nach, dass es – wenn die allgemeine Relativitätstheorie richtig war – einmal einen Punkt gegeben haben musste, an dem das Universum unendlich klein und dicht gewesen war: einen Moment, in dem die Zeit selbst begann.

Die Urknalltheorie ist heute wissenschaftlich fest etabliert. Kosmologen glauben, die Entwicklung des Universums vom Bruchteil einer Sekunde nach seiner Entstehung bis zum heutigen Tag nachverfolgen zu können. In diesem Zeitraum eingeschlossen ist eine kurze Periode rasend schneller Ausdehnung, die Inflation genannt wird, sowie eine andere, in der die ersten Sterne geboren wurden. Wann genau es aber zu der tatsächlichen Entstehung kam, ist immer noch Gegenstand heftiger Spekulationen. An diesem Punkt fangen unsere Theorien zu versagen an. Um in dieser Frage weiterzukommen, müssen wir eine Möglichkeit erarbeiten, die allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie zu vereinbaren. Doch trotz jahrzehntelanger angestrengter intellektueller Bemühungen ist das den Physikern noch nicht gelungen. Wir besitzen jedoch eine gewisse Idee, wie man die quälende Kernfrage in Verbindung mit dem Urknall beantworten kann.

Wie kann aus dem Nichts etwas hervorgehen?

Das ist eine sehr vernünftige Frage, da einige grundlegende physikalische Gesetze suggerieren, dass die Nichtexistenz des Universums wesentlich wahrscheinlicher ist als seine Existenz. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass der Zustand der Unordnung oder Entropie stets dazu neigt, im Lauf der Zeit zuzunehmen. Entropie misst die Menge der Möglichkeiten, in der man die Komponenten eines Systems neu anordnen kann, ohne dessen Gesamterscheinung zu verändern. Die Moleküle eines heißen Gases zum Beispiel können auf vielfältige unterschiedliche Weise angeordnet werden, ohne dass dessen Temperatur und Druck sich verändern. Das Gas ist also ein Hoch-Entropie-System. Im Gegensatz dazu kann man die Moleküle eines lebenden Organismus nicht stark verändern, ohne dass er zu einem toten Ding wird. Das macht uns zu einem Niedrig-Entropie-System.

Dieser Logik zufolge ist Nichts der Zustand mit der höchsten Entropie. Man kann es nach Belieben neu »durchmischen«, und es sieht immer noch wie Nichts aus.

In Anbetracht dieses Gesetzes ist nur schwer einsehbar, wie Nichts jemals in Etwas verwandelt werden könnte – schon gar nicht in ein Universum. Doch Entropie ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere ist eine Eigenschaft, die Physiker Symmetrie nennen, was nicht genau das ist, was wir im alltäglichen Leben unter Symmetrie verstehen. Wir beziehen uns mit dem Begriff auf die äußere Gestalt von Dingen. Für Physiker ist etwas symmetrisch, wenn man etwas mit ihm machen kann und es danach genauso aussieht wie vorher. Ein Nichts ist per definitionem vollkommen symmetrisch: Man kann mit ihm machen, was man will, und es ist immer noch nichts.

Wie Physiker herausgefunden haben, sind Symmetrien dazu da, gebrochen zu werden, und wenn das geschieht, dann üben sie einen tiefen Einfluss auf das Universum aus.

Die Quantentheorie besagt, dass es so etwas wie Leere nicht gibt. Deren perfekte Symmetrie ist zu perfekt, um von Dauer zu sein. Sie wird von einem Strudel von Teilchen gebrochen, die ins Dasein platzen und wieder verschwinden.

Das führt zu der nicht eingängigen, das heißt der klassischen Denkweise widersprechenden Schlussfolgerung, dass, der Entropie zum Trotz, die Existenz von Etwas ein natürlicherer Zustand ist als der von Nichts. In diesem Sinn ist alles in unserem Universum Existierende einfach nur Exzitation des Quantenvakuums.

Könnte etwas Ähnliches für die Entstehung des Universums selbst verantwortlich sein? Das ist eine durchaus plausible Annahme. Vielleicht kam der Big Bang dadurch zustande, dass das Nichts etwas tat, was in seiner Natur lag: Vielleicht war es nichts anderes als eine Quantenfluktuation, die explosionsartig ein ganzes Universum entstehen ließ.

Außerhalb des Raumes und der Zeit

Das wirft natürlich die Frage danach auf, was vor dem Big Bang war und wie lange dieser Stand der Dinge anhielt. Leider verlieren aber an diesem Punkt alltägliche Vorstellungen wie »davor« jeden Sinn.

Und es wird eine noch schwerer zu beantwortende Frage wach: Eine solche Auffassung vom »Schöpfungsakt« beruht auf der Validität der Gesetze der Physik. Das impliziert aber, dass diese Gesetze irgendwie schon existiert haben müssen, bevor das Universum es tat.

Wie können physikalische Gesetze außerhalb von Raum und Zeit existieren und ohne dass Anlass für sie selbst besteht? Oder, um es anders zu formulieren, warum ist eher etwas da als nichts?

Kein Big Bang

Der Urknall stellt heute die gängige Erklärung für die Entstehung des Universums dar. Es ist aber nicht die einzige. Eine andere ist die, dass es statt zu einem Big Bang zu einem Big Bounce kam, einem »Ur-Sprung«. Diesem Szenarium zufolge werden wir, wenn wir die Geschichte unseres Universums in umgekehrter Richtung ablaufen lassen, durch seinen unvorstellbar heißen und dichten Anfang hindurchgeführt und gelangen auf der anderen Seite in das unvorstellbar heiße und dichte Ende eines früheren Universums hinein. Eine wieder andere Erklärung ist die, dass der Bang nur einer von vielen war. Der Multiversum-Theorie zufolge ist unser Universum bloß eine Blase in einem brodelnden Schaum aus vielen Universen. Beide Vermutungen suggerieren aber, dass unser Universum keinen Anfang hatte. Das ist noch schwerer nachzuvollziehen als die Annahme, dass es einfach aus dem Nichts heraus entsprang.

Warum scheinen die Sterne?

Schauen Sie in den Nachthimmel und Sie blicken in die Vergangenheit zurück. Das Licht von Sirius A, dem hellsten Stern, benötigt an die achteinhalb Jahre, um durch den interstellaren Raum bis zur Erde zu dringen. Die Lichtlaufzeit von Deneb, dem erdfernsten Stern, der noch mit bloßem Auge sichtbar ist, bis zur Erde beträgt ungefähr 2600 Jahre. Von beiden Sternen wissen wir nicht, ob sie überhaupt noch existieren.

Schauen Sie in noch entferntere Regionen des Himmels und Sie blicken noch tiefer in die Vergangenheit zurück. 2012 wurde ein als eXtreme Deep Field bezeichnetes Bild veröffentlicht, das durch die Zusammenfügung von Einzelaufnahmen des schwachen Lichtscheins von einer kleinen Himmelsregion entstand, die mit dem Hubble-Weltraumteleskop über einen langen Zeitraum gemacht wurden, wobei die Gesamtbelichtungszeit 23 Tage betrug. Das Bild war mit fernen Galaxien übersät, von denen einige so weit von uns entfernt waren, dass sie ihr Licht aussandten, als das Universum erst eine halbe Milliarde Jahre alt war.

Das Bild bestätigte, was Astronomen schon lange vermutet hatten: Das Universum bietet in allen Richtungen grundsätzlich den gleichen Anblick, es wird von Sternen und Galaxien dominiert, die unseren eigenen nicht unähnlich sind. Doch wenn Hubble noch tiefer in die Vergangenheit hineinspähen könnte, würde er ein ganz anderes Universum sehen. Heute ist das Urknall-Modell generell akzeptiert demzufolge das Universum als ein unvorstellbar kleiner, dichter und heißer aus Materie und Energie bestehender Feuerball geboren wurde. Dieses Universum enthielt keine Sterne und keine Galaxien und würde dies auch weitere 500 Millionen Jahre lang nicht tun.

Die älteste uns bekannte Galaxie ist EGSY8p7, die ungefähr 600 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurde. Eine halbe Milliarde Jahre später war das Universum mit Galaxien angefüllt, von denen jede Hunderte Milliarden Sterne enthielt. Wie entwickelte es sich von dem einen Extrem zum anderen?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir sehr weit zurückgehen, zu einem Zeitpunkt gerade mal 3 × 1044 Sekunden nach dem Big Bang. Damals begann die Inflation, diese den Bruchteil einer Millisekunde lange Phase, in der das Universum sich exponentiell ausdehnte.

Wie ein Ballon aufgeblasen

Die Inflation ließ das Universum von einem Ball brodelnder, wallender Materie zu etwas viel Glatterem und Homogenerem werden: Es war so, als würde ein verschrumpelter Ballon aufgeblasen. Das Ergebnis war aber keine vollkommene Uniformität: Stellenweise gab es winzige Abweichungen, in die Länge gedehnte Relikte der Quantenfluktuationen, die den Big Bang verursacht hatten. Nachdem die Inflation zu Ende gekommen war, dehnte sich das Universum weiter aus, aber weitaus langsamer. Dadurch wurden die Variationen weiter in die Länge gezogen. Das waren die Samen, aus denen Sterne und Galaxien wuchsen.

Wir wissen über sie aufgrund von Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung Bescheid, jenem schwachen Mikrowellenflimmern, das den ganzen Weltraum durchdringt und oft als »Nachglühen« des Big Bang bezeichnet wird. Zuerst schien es, als sei der kosmische Mikrowellenhintergrund überall von derselben Temperatur: eisigen 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. 1992 kartierte der NASA-Satellit Cosmic Background Explorer (COBE) ihn jedoch im Einzelnen und fand heraus, dass es Regionen gab, in denen die Temperatur leicht unter und andere in denen sie leicht über dem durchschnittlichen Wert lag.

Die Unterschiede sind winzig – sie bewegen sich im Hunderttausendstelbereich –, doch das reicht.

Die kälteren Stellen entsprechen Regionen des frühen Universums, die mehr Materie enthielten – hauptsächlich Wasserstoff und Helium – und daher eine leicht überdurchschnittliche Dichte aufwiesen. Massenanziehung bewirkte den Rest: Diese Materie ballte sich nach und nach zu größeren und dichteren Klumpen zusammen, die schließlich eine solche Größe und Dichte erreichten, dass es in ihren Zentren zu Kernfusion kam: Die Sterne waren geboren.

Massenanziehung ist auch für die Bildung jener Sternhaufen verantwortlich, die wir Galaxien nennen, sowie für die Bildung der Galaxiehaufen, die wir, nun ja, … Galaxiehaufen nennen. Die Entfernung von einem bis zum anderen Ende eines solchen Haufens kann bis zu mehr als 100 Millionen Lichtjahre betragen.

Unsere Galaxie bildete sich auf diese Weise, und der Prozess hält an. Die Milchstraße beispielsweise nimmt Materie von zwei nahe gelegenen Satellitengalaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, auf und sammelt es an; sie saugt auch Gase aus dem Weltraum in sich auf. Die Milchstraße ist bereits eine Riesengalaxie und weit größer und heller als die meisten anderen. Sie wird irgendwann noch gewaltiger werden, indem sie mit einer weiteren Galaxie in ihrer Nähe, der Andromedagalaxie, kollidiert und verschmilzt.

Auch die Entstehung von Sternen geht weiter, und zwar in Regionen dichten interstellaren Staubes, die als Sternenkinderstuben bekannt sind. Das Hubble Space Telescope hat dramatische Bilder von gewaltigen Säulen aus Gas und Staub an Orten eingefangen, an denen neugeborene Sterne aus den Wolken auftauchen, einschließlich protoplanetarer Scheiben, die irgendwann Solarsysteme entstehen lassen werden. Die Milchstraße bringt pro Jahr ungefähr zehn Sterne hervor.

Obwohl alle auf die gleiche Weise geboren werden, sind Sterne sehr verschieden. Einige sind hell, andere leuchten nur schwach; einige sind blau, andere weiß, wieder andere gelb, orange oder rot; einige sind riesig, andere winzig.

Lebe flott, stirb jung.

Die Unterschiede ergeben sich aus zufallsbedingten Variationen der Masse. Ungefähr 90 Prozent der Sterne sind Hauptreihensterne, und sie machen alle dasselbe: Sie lassen in ihren Zentren Wasserstoffkerne aufeinanderprallen, um Heliumkerne zu bilden, ein Prozess, den man Kernschmelze nennt. Je größer die Masse eines Sternes ist, desto heißer ist sein Zentrum und desto schneller werden die Wasserstoffatome verschmelzen. Desto heller ist auch der Stern. Und je heller er leuchtet, desto blauer ist er.

Die Masse eines Sternes gibt auch vor, wie lange er leben wird. Obwohl massereiche Sterne einen größeren nuklearen Energievorrat besitzen, verbrennen sie diesen schneller und sterben schneller. Die Sterne mit der größten Masse verbrauchen das Hydrogen schon in ein paar Millionen Jahren. Die Sonne hingegen brennt bereits seit 4,6 Milliarden Jahren, und sie wird das weitere Milliarden Jahre lang tun.

Jeder Hauptreihenstern wird eines Tages den Wasserstoff in seinem Zentrum aufgebracht haben und dann anfangen, solchen außerhalb seines Zentrums zu verwenden und sich dabei auszudehnen und abzukühlen. Er ist dann ein Riesenstern oder Überriesenstern.

Diese gewaltigen Sterne haben ein kurzes, aber dramatisches Leben. Sie beginnen damit, Helium, Kohlenstoff, Neon, Oxygen, Silizium und Schwefel zu verschmelzen. Die letzten beiden Elemente verschmelzen zu Eisen, Eisen aber verschmilzt nicht zu schwereren Elementen, und daher ist der Stern, wenn er dieses Stadium erreicht, dazu verurteilt, als Supernova zu explodieren. Danach fallen die Überreste zu einer kleinen, aber dichten Kugel zusammen. Diese kann ein schwarzes Loch oder ein Neutronenstern sein.

Kleinere Riesensterne explodieren nicht, sondern schrumpfen nur langsam zu heißen, kompakten Gespensterwesen, die man Weiße Zwerge nennt. Wenn genügend Zeit vergangen sein wird, werden Weiße Zwerge völlig vergehen und zu Schwarzen Zwergen werden. Noch ist es aber nicht so weit, weil das Universum noch nicht alt genug ist.

Von einem schwarzen Loch geschaffen

Man glaubt generell, dass Galaxien unter dem Einfluss von Gravitationskraft allmählich zusammenwachsen, es gibt jedoch eine andere und weitaus dramatischere Möglichkeit. Sie könnten schlagartig erzeugt werden dadurch, dass Quasare, äußerst lichtstarke schwarze Löcher ringförmig umgebende Objekte, extrem energiereiche Strahlen von Materie in Gaswolken schleudern. Die Quasare erhalten heutiger Annahme zufolge ihre Energie von extrem massereichen schwarzen Löchern. Wenn das stimmt, dann sind die supermassereichen schwarzen Löcher, die man im Zentrum der meisten Galaxien findet, eher die Baumeister ihrer Umgebung als deren Produkte.

Woraus besteht Materie?

Stellen Sie sich einmal vor, sie hätten an Ihrem ersten Geburtstag ein recht merkwürdiges Geschenk bekommen: eine Ampulle voll Wasserstoffgas. Im Jahr darauf hätten Sie dann ein bisschen Helium bekommen und an Ihrem dritten Geburtstag ein Stückchen Lithium. An Ihrem 21. Geburtstag wären Sie dann der stolze Besitzer von einer kleinen Menge Scandium geworden und an Ihrem 40. von ein wenig kristallinem Zirkonium. Wenn Sie bis zu Ihrem 92. durchhalten, würden Sie Uran bekommen. Doch um Ihre Sammlung zu vervollständigen, würden Sie noch viel länger leben müssen.

Noch 118 Jahre, um genau zu sein. Das ist die Summe der chemischen Elemente, die wir kennen: ein Büfett aus festen Stoffen und Flüssigkeiten, aus Gasen, Metallen und Nichtmetallen, einige davon selten, andere häufig, einige nützlich, andere nicht. Sie sind die Bausteine der Chemie und des Lebens. Wo kommen sie alle her? Wie sind sie entstanden?

Die einfache Antwort wäre: durch den Big Bang. Das ist aber keine zufriedenstellende Antwort, da der Urknall selbst lediglich die drei leichtesten Elemente erzeugte: Wasserstoff, Helium und eine Spur Lithium. Was ist mit dem Rest?

Die umfassende, erschöpfende Antwort erfordert Kenntnis der Bausteine von Atomen und ein bisschen grundlegendes Arithmetikwissen. Das einfachste Atom ist Hydrogen; es besteht aus einem Proton und einem Elektron. Die zweiteinfachsten sind Deuterium und Tritium, wobei es sich um Wasserstoffatome plus ein oder zwei Neutronen handelt. Danach kommt Helium, das jeweils zwei Elektronen, Protonen und Neutronen besitzt. Dann ist Lithium an der Reihe, mit jeweils drei. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass man durch die Verschmelzung kleinerer Elemente größere erschaffen kann. Und genauso werden Letztere tatsächlich gebildet.

Das große Zusammenquetschen

Ganz so einfach ist es aber nicht. Solche Reaktionen lassen sich nur schwer herbeiführen, weil die beiden Kerne zu ihrer Verschmelzung eine große Menge Energie benötigen. Dazu bedarf es astronomisch hoher Temperaturen: mindestens 10 Millionen Grad Celsius. Solche Temperaturen gab/gibt es im Universum nur kurz nach dem Big Bang und im Inneren von Sternen.

Zu der ersten Phase der Entstehung von Elementen kam es sehr bald nach dem Big Bang bei einem Ereignis, das man Nukleosynthese nennt. Innerhalb einer Hundertstelsekunde verdichteten sich Teilchen aus dem Feuerball heraus zu Protonen, Neutronen und Elektronen. Ein paar Sekunden später begannen Protonen und Neutronen sich zusammenzuschließen; sie wurden durch die immense Energie des Feuerballs zusammengedrängt und durch die Kernkraft zusammengeschweißt. Durch diese Fusionsreaktionen wurden anfangs Deuteriumnuklei gebildet, die mit weiteren Protonen reagierten und den stabilen Heliumkern hervorbrachten.

Das war es dann. Als Helium entstand, war die Temperatur zu weit gesunken, als dass es in einem relevanten Maß zu weiterer Fusion kommen konnte. Wahrscheinlich entstand ein wenig Lithium, aber nichts Schwereres. Kaum dass sie begonnen hatte, war die Nukleosynthese schon wieder beendet.

An die 377 000 Jahre später begann dieser Prozess wieder neu. Die Temperatur fiel auf ungefähr 3000 Grad – es war damit kalt genug für die Existenz von Atomen. Wasserstoff- und Heliumkerne schlabberten freie Elektronen auf, um die ersten vollständigen Atome zu bilden: die Elemente 1 und 2. Während diese immer noch mehr als 99 Prozent des sichtbaren Universums ausmachen, sind sie nicht seine einzigen Komponenten. Zur Bildung der schwereren, interessanteren Elemente, waren Sterne erforderlich.

Ein Stern entsteht, wenn eine große Masse von Gas sich unter seiner eigenen Gravitationskraft zusammenzieht. Das lässt die Temperatur im Inneren bis zu dem Punkt ansteigen, an dem Kerne zu verschmelzen beginnen können. Die erste Reaktion, die bei ungefähr 10 Millionen Grad Celsius stattfindet, ist die Verschmelzung von Wasserstoffkernen zur Bildung von Helium, bis der Wasserstoff erschöpft ist.

Die Fusionen gehen weiter

Was dann als Nächstes geschieht, hängt von der Masse des Sternes ab. Wenn er ziemlich klein ist, hört der Prozess der Fusionen auf, und das Innere des Sternes wird einfach zu einem Weißen Zwerg. Wenn er aber eine Masse besitzt, die die von acht Sonnen übersteigt, dann gehen die Fusionen weiter. Heliumkerne verbinden sich, um Beryllium zu bilden (Element 4), das mit weiterem Helium reagiert, um Kohlenstoff und Sauerstoff hervorzubringen. In den massereichsten Sternen wird das Zentrum so heiß, dass Kohlenstoff und Sauerstoff weiter verschmelzen und Elemente bilden, die so schwer sind wie Eisen (Element 26). Dann hören die Reaktionen auf, weil Eisen den stabilsten Nukleus aller Elemente besitzt und unter diesen Bedingungen nicht mit anderen verschmilzt. Doch in den äußeren Schichten des Sternes bringen andere Kernreaktionen, bei denen Neutronenanlagerung (oder -einfang) ins Spiel kommt, nach und nach sogar noch größere Nuklei hervor, bis hin zu Bismut (Element 83).

Wenn sich in seinem Zentrum Eisen aufbaut, ist die Uhr eines Sternes quasi abgelaufen. Er kann nicht länger durch Fusion Energie hervorbringen, doch die Gravitationskraft ist erbarmungslos. Sie fährt fort, das Zentrum zusammenzupressen und lässt die Temperatur auf Zigmilliarden Grad ansteigen. Das Zentrum des Sternes kollabiert plötzlich, die äußeren Schichten sacken ein, schnellen dann wieder zurück und speien den Inhalt des Sternes in einer Supernova in den Weltenraum. Die Explosion bringt eine Flut von Neutronen hervor, die noch schwerere Elemente erschafft, bis hin zu Uran (Element 92), das schwerste natürlich vorkommende Element auf der Erde, und darüber hinaus. Die Supernova stößt Trümmer in den Weltraum aus, die irgendwann in spätere Generationen von Sternen und Planeten inkorporiert werden, auch in unseren eigenen.

Kein Ergebnis stellarer Kernfusion ist das Trio Lithium, Beryllium und Bor. Ihre Kerne sind instabil und werden sofort von Nuklearreaktionen in Sternen verbraucht. Sie sind selten, aber man glaubt, dass das wenige, was es von ihnen gibt (mit Ausnahme des vom Big Bang erzeugten Lithiums), durch kosmische Strahlung hervorgebracht wurde – durch ziemlich große Nuklei, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Weltraum bewegen. Ihre Energie ist so groß, dass diese Nuklei, wenn sie mit anderen Atomen kollidieren, in kleinere Fragmente zerbrechen können.

Wenn man künstliche Elemente außer Acht lässt, sind alle auf der Erde vorkommenden Atome entweder Überbleibsel des Big Bang, Fragmente von lange toten Sternen oder von kosmischer Strahlung zurückgeblieben. Und irgendwann, wenn unser eigener Stern stirbt, könnten sie in den Weltraum zurückgeschleudert werden und sich in einem neuen Sonnensystem wieder verdichten. Wäre das nicht ein spektakuläres Comeback?

Sehr schwere Metalle

Bis in die frühen 1940er-Jahre hinein waren Elemente mit einem höheren Gewicht als Uran auf der Erde unbekannt. Dann schufen Chemiker Plutonium und Neptunium, indem sie Uran mit Neutronen bombardierten. Seitdem sind 24 weitere Transurane in Laboratorien synthetisch hergestellt worden. Das bis dato größte ist Oganesson mit der Ordnungszahl 118.

Transurane gelten häufig als rein künstlich erzeugte Elemente, was aber nicht richtig ist. Sie entstehen bei Supernovaexplosionen, genau wie gewöhnliche schwere Elemente. Sie sind jedoch instabil und tendieren dazu, schnell zu zerfallen. Natürlich Vorkommende sind seit der Bildung des Sonnensystems vollständig vergangen, was der Grund dafür ist, dass sie auf der Erde außerhalb von Laboratorien nicht vorkommen.

Woher kommen Meteoriten?

Am 15. Februar 2013 explodierte etwas hoch am Himmel über Tscheljabinsk, einem Ort am östlichen Rand des Ural in Südrussland. Der größte Teil des Objekts verglühte in der Atmosphäre, einige Stücke schafften es aber bis hinunter auf die Erde. Eines brach durch die Eisfläche auf dem Tschebarkulsee und hinterließ ein Loch mit einem Durchmesser von 7 Metern. Dieses Stück wurde im Oktober des Jahres von Tauchern geborgen. Es wog 570 Kilogramm. Andere, viel kleinere Fragmente wurden in der gesamten Region eingesammelt.

Astronomen kamen zu dem Schluss, dass ein Asteroid mit 12 Kilotonnen Masse und einem Durchmesser von 17 bis 20 Metern eingeschlagen war. Die bei der Explosion in einer Höhe von ungefähr 30 Kilometern freigewordene Energie soll ein TNT-Äquivalent von 500 Kilotonnen besessen haben – das heißt der Sprengkraft von circa 30 Hiroshima-Atombomben entsprochen haben. Es war der stärkste Einschlag eines extraterrestrischen Objekts seit Menschengedenken.

Der Tscheljabinsk-Meteorit zählt jetzt zu den mehr als 30 000, die auf der Erdoberfläche entdeckt wurden, manchmal direkt nach dem Einschlag, meistens aber, nachdem sie schon lange nach dem Ereignis auf dem Erdboden lagen. Jeder von ihnen hat eine interessante Geschichte zu erzählen.

Felsige Überbleibsel

Bei den meisten Meteoriten handelt es sich um Fragmente von Asteroiden, die von der Bildung des Sonnensystems übrig geblieben sind. Asteroiden befinden sich für gewöhnlich, ohne viel zu tun, in einem Gürtel aus Geröll zwischen den inneren Planeten und den äußeren Gas- und Eisriesen: Jupiter, Saturn // Neptun, Uranus. Aus dem einen oder anderen Grund werden sie aber manchmal aus ihrer Bahn herausgesogen oder sie werden zertrümmert und geraten dann auf Kollisionskurs mit der Erde. Diese durch den Raum rasenden Felsbrocken nennt man Meteoriten.

Sobald sie auf der Erde aufprallen oder irgendwo entdeckt werden, werden sie zu wertvollen Studienobjekten für Planetologen, die darauf brennen, ihre Geheimnisse aufzudecken und dadurch neue Informationen über die Geschichte des Sonnensystems zu erhalten.

Die erste Aufgabe dieser Wissenschaftler besteht darin, zu ermitteln, um was für eine Art von Meteorit es sich handelt, weil das Aufschluss darüber geben kann, woher er wahrscheinlich kam. Die taxonomische Einordnung, die Klassifikation von Meteoriten ist kompliziert, doch gibt es grob gesagt drei Typen, Steinmeteoriten, Eisenmeteoriten und solche aus Stein und Eisen.

Der Tscheljabinsk-Meteorit erwies sich als einer aus Stein. Das heißt er gehörte einer Feld-, Wald- und Wiesenart an, die man Chondrit nennt. Der Name rührt daher, dass diese Meteoriten Chondren enthalten, kleine runde Silikatpartikel.

Über den Ursprung von Chondren ist nichts bekannt, vermutlich nahmen sie aber ihren Anfang als Klümpchen geschmolzenen Felsgesteins in dem Staub- und Gasnebel, aus dem sich das Sonnensystem gebildet hat. Ungefähr 8 Prozent aller Meteoriten sind Chondrite. Sie bestehen zum größten Teil aus Fels und stammen aus dem Asteroidengürtel, was bedeutet, dass sie recht ursprüngliche Überbleibsel jenes Materials sind, welches das Sonnensystem bildete.

Planetenmaterie

Eine weniger häufige Untergruppe der Steinmeteorite bilden die kohligen Chondrite, die so heißen, weil sie einen ungewöhnlich hohen Anteil an organischen Chemikalien wie Aminosäuren aufweisen. Man nimmt an, dass auch diese Meteoriten unveränderte Überbleibsel jenes Ur-Materials sind, das das Sonnensystem entstehen ließ.

Eine dritte Klasse von Steinmeteoriten bilden die Achondrite, die so heißen, weil ihnen Chondren fehlen. Ungefähr 8 Prozent aller Meteorite gehören dieser Klasse an. Eher als Klümpchen von primordialer Materie scheinen sie Produkte der frühen Phase der Planetenentstehung zu sein, als Materie sich unter dem Einfluss von Schwerkraft zusammenballte, um Protoplaneten zu erschaffen. Als diese Protoplaneten größer und heißer wurden, fingen sie an zu schmelzen. Dadurch wurden die Chondren zerstört und schwerere Elemente wie Eisen und Nickel sanken zum Mittelpunkt ab, sodass eine felsige Hülle zurückblieb. Diese äußere Kruste scheint die Quelle für die meisten Achondrite zu sein. Sie sind die Überbleibsel von Planeten, die gescheitert, das heißt nie richtig groß geworden sind.

Eine kleine Handvoll von Achondriten sind erlesener Herkunft: Sie waren einst Teile des Mondes oder des Mars.

Ungefähr einer von 20 Meteoriten gehört in die Gruppe derer aus Eisen. Sie bestehen größtenteils aus Eisen und Nickel und sind ebenfalls von der Entstehung der Planeten zurückgeblieben – es handelt sich um die stark metallhaltigen Kerne von Protoplaneten, die durch Kollisionen in Splitter barsten. Diese Bruchstücke von Weltraummetall helfen uns zu verstehen, wie unser Planet sich in Erdkern, Erdmantel und Erdkruste schied.

Stein-Eisen-Meteoriten, die die letzte Großgruppe bilden, bestehen aus einer Mischung von beiden Materialien. Diese seltenen Meteoriten – nicht mehr als 1 Prozent sind dieser Kategorie zuzurechnen – scheinen ebenfalls aus dem Inneren gescheiterter Planeten zu stammen, und zwar aus der Grenzzone zwischen dem eisernen Kern und dem felsigen äußeren Mantel.

Einen Meteoriten zu finden, ist nicht einfach. Am leichtesten kann man sie in öden Regionen entdecken. Eine Suche in der Antarktis ist besonders ergiebig, da die Landschaft weiß ist und die Meteoriten beim Wandern der Gletscher an Geländekanten zusammen mit tieferen Eisschichten nach oben geschoben werden, sodass sie sich an solchen »Schwellen« ansammeln.

Passen Sie auf Ihren Kopf auf.

Wenn Sie einen Meteoriten finden, ist es wahrscheinlich, dass er von einem großen Asteroiden stammt, der vor ungefähr 470 Millionen Jahren zerbrach, wodurch ein Chondriten-Hagel entstand, der während der Periode des Ordoviziums auf die Erde niederfiel. Die meisten dieser Bruchstücke sind noch irgendwo da draußen, und sogar heute noch machen sie den größten Teil der Meteoriten aus, die auf die Erde niedergehen.

Gelegentlich werden Menschen von einem Meteoriten getroffen, es gibt aber keine bestätigten Todesfälle. Im November 1954 krachte ein Meteorit durch das Dach eines Hauses in Alabama, prallte von einem Möbelstück ab und traf die 34-jährige Ann Elizabeth Hodges an einer Körperseite. Sie erlitt schlimme Prellungen, genas aber vollständig. Im August 1992 ging ein Meteoritenschauer auf Mbale in Uganda nieder. Einer prallte von einem Baum ab an den Kopf eines Jungen, der aber nicht weiter verletzt wurde.

Stücke von Mond und Mars

Zwischen 1969 und 1976 gelangten im Zug von Weltraummissionen der Amerikaner und Russen rund 380 Kilo Mondgestein zur Erde. Dabei handelt es sich aber nicht um die einzigen Steinbrocken lunaren Ursprungs auf unserem Planeten. Große Mengen sind auch in Form von Meteoriten auf die Erde niedergegangen, die vermutlich durch Einschlag von der Oberfläche des Planeten abgesprengt wurden.

Auch der Mars wirft regelmäßig Steine auf die Erde. Circa 130 Meteoriten stammen vom Mars; es sind die einzigen Stücke vom Roten Planeten, die wir in Händen halten können. Der berühmteste ist ALH 84001; er wurde in der Antarktis entdeckt. 1996 erhoben NASA-Wissenschaftler die sensationelle Behauptung, dass dieser Meteorit die fossilen Relikte von Marsbakterien enthalte. Nach allgemeinem Konsens der Fachleute reicht dieser Fund aber nicht als Beleg für die Existenz von Aliens aus.

Woraus besteht das Universum wirklich?

Am Universum ist mehr dran, als es auf den ersten Blick scheint. Wesentlich mehr. Was den größten Teil des Universums betrifft, haben wir tatsächlich merkwürdige und unlogische Vorstellungen. Jenes alltägliche Zeug, das Sie selbst und alles, das Ihnen wichtig ist, konstituiert, macht weniger als 10 Prozent von ihm aus; der Rest setzt sich aus mysteriösen Entitäten zusammen, die sich dunkle Materie und dunkle Energie nennen. Zusammen bilden sie eines der größten kosmologischen Geheimnisse unserer Zeit. Um was es sich bei ihnen wirklich handelt, darüber kann man nur Vermutungen anstellen.

Die erste dieser unbequemen Entitäten, die auf die Szene drängte, war dunkle Materie. In den frühen 1930er-Jahren bemerkte der holländische Astronom Jan Oort einige Anomalien in Bezug auf die Bahnen, auf der sich Sterne der Milchstraße um das Zentrum der Galaxie bewegten. Man konnte sich ihr Verhalten einzig und allein damit erklären, dass eine dunkle, nicht sichtbare Materie den größten Teil des Weltraums füllt.

Dem Schweizer Astronomen Fritz Zwicky fiel einige Zeit später ein ähnlich anormales Verhalten in einem 320 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxiehaufen auf. Er entdeckte, dass die Galaxien wesentlich schneller umeinander kreisten, als sie es aufgrund der auf den vereinten Massen ihrer Sterne basierenden Gravitationskraft tun sollten. Entweder mussten die Galaxien viel mehr Materie enthalten als sichtbar war – oder das newtonsche Gravitationsgesetz stimmte nicht. Zwicky hielt ersteres für wahrscheinlicher, und sah die Erklärung im Vorhandensein von großen Schwaden unsichtbaren Gases.

Verwirrendes Kreiseln

1970 machten Astronomen ähnliche Beobachtungen in Bezug auf einzelne Galaxien: Wie sich herausstellte, drehten diese sich so schnell, dass es sie eigentlich auseinanderreißen müsste. Anfangs schlossen sie sich der Erklärung Zwickys an, dass unsichtbares Gas im Spiel sein müsse, doch dann bekamen sie Schwierigkeiten. Würde es sich bei diesem Gas um normale, aus Protonen, Neutronen und Elektronen bestehende Materie handeln, dann wäre unsere Vorstellung davon, wie Sterne und Galaxien sich bildeten falsch: Die Atome wären niemals schnell genug zerfallen, um die ersten Sterne und Galaxien bilden zu können.

Die Wissenschaftler begannen also anzunehmen, dass es da draußen irgendetwas anderes geben müsse, eine mysteriöse Form von Materie, die Licht oder elektromagnetische Strahlung anderer Art weder absorbiert noch emittiert, was der Grund dafür ist, dass wir sie nicht sehen können. Sie interagiert aber mit der Gravitationskraft, was zur Folge hat, dass wir ihre Wirkung sehen können. Sie nannten sie »dunkle« Materie.

Kosmologen glauben jetzt, dass dunkle Materie einen signifikanten Bestandteil des Universums darstellt und bis zu 27 Prozent von ihm ausmacht. Ohne die zusätzliche Gravitationskraft, die sie hervorbringt, würden Galaxien sich nicht schnell genug bilden und auch nicht die Haufen oder Superhaufen von Galaxien entstehen, die wir heute beobachten können.

Dunkle Materie kommt vorwiegend in Gestalt kreisförmiger Halos um Galaxien vor. In der Tat ist ein Großteil der Masse einer Spiralgalaxie wie unserer Milchstraße nicht in Sternen und Planeten enthalten, sondern in dem unsichtbaren »Zeug«, das diese umgibt.

Her mit den WIMPs

Die ernüchternde Wahrheit ist aber, dass wir immer noch nicht wissen, was dunkle Materie ist. Den einleuchtendsten Theorien zufolge besteht sie aus hypothetischen Partikeln, die man WIMPs genannt hat, ein Akronym für weakly interacting massive particles (schwach wechselwirkende massereiche Teilchen). Wenn diese Theorien zutreffen, dann muss jede Sekunde eine riesige Menge dieser Teilchen unseren Planeten durchqueren. Man hat zahllose Experimente angestellt, um diese WIMPs zu entdecken oder sie in Laboratorien hervorzubringen – bislang ohne Erfolg.

Und je detaillierter die astronomischen Beobachtungen werden, desto unklarer, »dunkler« eben, wird die Sachlage. Manchmal scheint zu viel dunkle Materie da zu sein, wie etwa im Fall der Zwerggalaxien, die die Milchstraße umkreisen. Diese rotieren so schnell, dass sie zum Bersten voll mit dieser Materie sein müssen. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was unserer Theorie zur Bildung von Galaxien zufolge der Fall sein dürfte; diese besagt nämlich, dass die Menge dunkler Materie in Galaxien sich ungefähr proportional zu deren Größe verhalten müsste.

Dann wiederum scheint zu wenig dunkle Materie vorhanden zu sein. Über das Universum verteilt gibt es nur zwischen einem Zehntel und einem Hundertstel der Menge von kleinen Galaxien, die unserer Theorie der Galaxienbildung zufolge zu erwarten wäre. Und dann existieren auch Galaxien, die überhaupt keine dunkle Materie zu enthalten scheinen, obwohl sie umkreisende Sternenhaufen ein Plus an Gravitationsanziehung zu verspüren scheinen.

Eine Sache der Gravität

Das Fazit von alldem lautet, dass wir dringend in Erfahrung bringen müssen, woraus dunkle Materie besteht. Wenn sie nicht existiert, dann ist unser Verständnis von Gravitationskraft falsch, was für die meisten Astronomen undenkbar ist, die weiterhin ihre Hoffnung auf dunkle Materie setzen und sich bemühen, mithilfe von Beobachtungen der Art und Weise, in der Galaxien sich bewegen und kreisen, herauszufinden, welche ihre Eigenschaften sind.

Wenn Unkenntnis in Bezug auf ungefähr 27 Prozent des Universums sich nicht gut anhört, was soll man dann dazu sagen, dass wir über weitere 70 Prozent von ihm gar nichts wissen? Das war die alles andere als beneidenswerte Position, in die Kosmologen 1998 anlässlich der Entdeckung einer bizarren Art von Gravitationskraft gerieten, die heute als »dunkle Energie« bekannt ist.

Alles begann mit einem Routineexperiment, mit dem man die Ausdehnung des Universums quantifizieren wollte. Man nahm an, dass sich die Ausdehnungsrate progressiv verringern würde, da die Gravitationskraft die Auswirkungen des Big Bang, die Expansion des Universums, verlangsamen würde. Die Astronomen suchten nach Supernovae, explodierenden Sternen, deren Licht diesen Verlangsamungsprozess bestätigen würde.

Die Supernovae erzählten aber eine ganz andere Geschichte. Entfernte Supernovae waren viel weiter von der Erde weg, als sie es hätten sein sollen, wenn sich die Expansion verlangsamt hätte. Die Astronomen waren von der sich daraus zwangsläufig ergebenden Schlussfolgerung wie betäubt: Anstatt sich zu verlangsamen, beschleunigte sich die Ausdehnung des Universums. Wie konnte das sein?

Es ist zu einer der quälendsten Fragen in der Astrophysik geworden, und wir sind der Antwort immer noch nicht näher gekommen. Die meisten Physiker glauben, dass dunkle Energie die Erklärung liefert, eine schwer zu fassende Kraft, die in der Leere des Weltraums lauert. Dunkle Energie, so die Hypothese, mache circa 70 Prozent der Gesamtmasse des Universums aus, was bewirke, dass der Weltraum sich mit konstant zunehmender Geschwindigkeit ausdehne.

Worum genau handelt es sich bei dieser dunklen Energie? Nun …. Wir wissen es nicht. Es mangelt aber nicht an Ideen. Es könne im Stoff des Weltraums selbst inhärente Energie sein. Es könnte aber auch ein exotisches, Quintessenz genanntes Feld sein, das den Weltraum mit wechselnder Geschwindigkeit erweitert. Oder aber auch eine abgewandelte Form der Gravitationskraft, die unter gewissen Bedingungen eher abstößt als anzieht. Es könnte sogar nur eine Illusion sein.

Einsteins brillante Eselei

Das moderne Konzept von dunkler Energie ist weniger als 20 Jahre alt, Albert Einstein ersann aber ein ähnliches Phänomen schon im Jahr 1917 als eine Ergänzung zu seiner allgemeinen Relativitätstheorie. Er erkannte, dass die Gravitationskraft das Universum kollabieren lassen würde, deswegen führte er einen Korrekturfaktor ein und ersann die »kosmologische Konstante«, eine mysteriöse der Gravitationskraft der Materie entgegengesetzte Expansionskraft, die dem leeren Raum, dem Vakuum, inhärent ist. Später überdachte er das und nannte die Einführung dieser Konstante »die größte Eselei meines Lebens«. Wir wissen heute, dass er seiner Zeit voraus war.

Woher kommen schwarze Löcher?

Gehen Sie in einer sternklaren, dunklen Nacht einmal vor die Tür und halten Sie nach dem Sternbild Schütze Ausschau. Irgendwo jenseits von ihm lauert ein Himmelsmonster, das zu unser aller Glück sehr weit entfernt ist: ein supermassereiches schwarzes Loch. Sie werden es nicht sehen können, da es von Staub verhüllt, außerdem natürlich vollkommen schwarz und 27 000 Lichtjahre weit weg ist. Wir können aber gewiss sein, dass es da ist, genau im Zentrum unserer Galaxie.

Wie können wir so sicher sein? Und wie ist es dorthin gelangt?

Aber eines nach dem anderen. Niemand hat jemals ein schwarzes Loch gesehen. Wie können wir also von ihnen wissen?

Schwarze Löcher gelten oft als Entdeckung des 20. Jahrhunderts, doch die Vorstellung von ihrer Existenz kann bis 1783 zurückverfolgt werden, als John Michell, ein Geistlicher aus Yorkshire und Amateurphilosoph der Royal Society in London eine spekulative Abhandlung unterbreitete.

Michell befasste sich darin damit, wie man die Entfernung und Größe von Sternen messen könnte (ein Problem, das noch heute den Astronomen Kopfschmerzen bereitet). Er ging von Isaac Newtons Korpuskulartheorie aus, der zufolge Licht aus unendlich kleinen Partikeln oder »Körperchen« bestand. Michell argumentierte, dass das von einem Stern ausgestrahlte Licht von dessen Gravitationskraft in seiner Bewegung verlangsamt werden müsste. Das Maß dieser Verlangsamung könne herangezogen werden, um die Masse des Sternes und folglich seine Entfernung von der Erde zu bestimmen.

Michells längere Abhandlung – die 1784 in der von der Royal Society herausgegebenen Zeitschrift Philosophical Transactions veröffentlicht wurde – befasst sich vor allem damit, wie man beides unter Verwendung von Prismen von der Erde aus messen könne. Er lässt aber hin und wieder auch seiner Fantasie freien Lauf.

Er argumentierte, wenn der Stern groß genug sei, müsse seine Anziehungskraft so groß sein, dass sogar Licht es nicht schaffen würde, sich aus seinen Klauen zu befreien. Er errechnete, dass der Stern einen 500-mal größeren Durchmesser als die Sonne besitzen müsse, um Licht festhalten zu können. Falls ein solches Himmelsobjekt existierte, schrieb er, könne »sein Licht nie bei uns ankommen«.

Dieser ganz und gar originelle Gedanke war aber unwesentlich für das eigentliche Ziel des Autors, und deswegen ging er ihm nicht weiter nach. »Ich werde dies nicht weiter verfolgen«, schrieb er.

Und er hielt Wort. Er starb 1793, anscheinend, ohne noch einmal auf diese Idee zurückgekommen zu sein.

Ein paar Jahre später kam der französische Gelehrte Pierre-Simon Laplace auf denselben Gedanken, als er Mutmaßungen über die Eigenschaften sehr großer Sterne anstellte. Deren Anziehungskraft, meinte er, würde so stark sein, dass »kein Licht von ihrer Oberfläche entkommen« könne. »Die größten Körper im Universum sind daher möglicherweise unsichtbar.«

Vielleicht wollte Laplace diesen Gedanken weiter verfolgen. Dieser war aber überholt, da 1804 die Korpuskulartheorie des Lichtes von der Wellentheorie abgelöst worden war. Wenn diese stimmte, dann würde die Gravitationskraft sich nicht auf es auswirken. Laplaces Idee geriet in Vergessenheit.

Spaghettisierung

Alles, was den Ereignishorizont eines schwarzen Loches erreicht, wird in es hineingesogen, um nie wieder gesehen zu werden. Diesen Prozess nennt man Spaghettisierung – die Gravitationskraft ist so stark, dass sie das unglückliche Objekt – ein Raumschiff oder einen Astronauten beispielsweise – zu einem langen, dünnen Faden dehnt, der dann eingesaugt wird, so wie eine Nudel im Mund eines Essers verschwindet.

Back in Black

Alles änderte sich erneut im Jahr 1915 mit Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, durch welche Gravitationskraft als durch massereiche Objekte wie Sterne verursachte Krümmung der Raumzeit neu definiert wurde.

Diese Theorie beinhaltete eine merkwürdige Vorhersage, der sich allerdings Einstein selbst gar nicht bewusst war. Der Astronom Karl Schwarzschild wurde während seiner freien Zeit an der Ostfront (er hatte sich 1914 im Alter von 40 freiwillig zum Militär gemeldet) auf sie aufmerksam und wies ihn darauf hin.

Schwarzschild zeigte, dass, wenn ausreichend Masse in einem genügend kleinen Raum konzentriert war, die Raum-Zeit-Krümmung unendlich werden würde. Das Ergebnis war eine »Singularität« – ein Punkt im Raum, an dem die Gravitationskraft so stark war, dass sogar Licht nicht entweichen konnte. Einstein war beeindruckt, glaubte aber nicht, dass ein solches Objekt tatsächlich existieren könnte. Schwarzschild starb 1916, an einer Krankheit, die er sich im Schützengraben zugezogen hatte, und seine Singularität wurde bald als rein theoretische Entität abgetan. 1939 veröffentlichte Einstein einen Aufsatz, in dem er dies angeblich bewies und die Sache wurde begraben. Für eine gewisse Zeit lang jedenfalls.

1959 fingen die Astronomen an, Radiowellen zu benutzen, um den tiefen Weltraum auszuloten und entdeckten sehr weit entfernte Objekte wie Quasare, die derart energiereich waren, dass man sie nur mithilfe der allgemeinen Relativitätstheorie begreifen konnte. Daraus entwickelte sich eine neue Wertschätzung der Physik sehr massereicher Objekte und Physiker begannen anzuerkennen, dass Singularitäten existieren konnten und es wahrscheinlich auch taten. Einen entscheidenden Durchbruch stellte die Vorstellung vom »Ereignishorizont« dar. Das ist die äußere Grenze eines schwarzen Loches, eine Grenze in der Raumzeit, an der Gravitationskraft so stark wird, dass nichts mehr entweichen kann.

Ende der 190er-Jahre erkannten die meisten Physiker an, dass die Existenz von schwarzen Löchern sich unvermeidlich aus Einsteins Theorie ergab.

Wie bildet sich ein schwarzes Loch?

Jeder Stern, der ungefähr die doppelte Masse unserer Sonne oder mehr aufweist, ist dazu bestimmt, ein schwarzes Loch zu werden. Solche Sterne besitzen ein ungeheures Gravitationsfeld, das einen Druck nach innen aufbaut. Während ihrer Existenz wirken die Sterne diesem Druck durch Kernfusion in ihren Zentren entgegen. Wenn ihnen jedoch der Energievorrat ausgeht, können sie diesen Widerstand nicht mehr aufrechterhalten und sie werden langsam zermalmt.

Dieser sogenannte Gravitationskollaps führt manchmal direkt zur Entstehung eines schwarzen Loches oder aber auch zu einer gewaltigen Explosion, die man Supernova nennt und die die äußeren Schichten eines Sternes absprengt, sodass nur sein Kern übrig bleibt. Falls dieser massereich genug ist, geht der Zerfallsprozess weiter. Wenn die zerfallende Masse extrem kompakt wird, wird ihr Gravitationsfeld so stark, dass nicht einmal mehr Licht von dort entkommen kann. Ein schwarzes Loch ist geboren.

Mit diesem Prozess lässt sich aber nicht die Entstehung supermassereicher schwarzer Löcher erklären, von mindestens 100 000-mal größerer Masse als die Sonne. Diese können sich einfach dadurch bilden, dass große Mengen von Materie über gewaltige Zeiträume hinweg in ein gewöhnliches schwarzes Loch hineinstürzen. Vielleicht haben sie ihren Ursprung aber auch im Kollaps eines Sternes von riesenhafter Größe in einem frühen Universum.

Obwohl die Existenz schwarzer Löcher heute allgemein anerkannt wird, hat noch niemand jemals eines gesehen. In jüngster Zeit haben Wissenschaftler Gravitationswellen entdeckt, die durch den Zusammenprall zweier schwarzer Löcher entstanden sind. Viel näher sind wir aber einer »Sichtung« nicht gekommen.

Gegenwärtig werden Pläne verfolgt, ein schwarzes Loch direkt abzubilden. Wenn das gelingt, wird man der Tatsache ihrer Existenz nicht mehr entkommen können – so wie das in ihnen gefangene Licht nicht aus ihnen entkommen kann.

Die Geschichte des Begriffs

Niemand weiß genau, woher der Name »schwarzes Loch« stammt. Er wird oft dem Physiker Archibald Wheeler zugeschrieben, der ihn 1967 in einen Vortrag einfließen ließ. Dem Yale Book of Quotations zufolge findet man ihn aber im Druck zum ersten Mal in einem Bericht über ein Treffen der American Association for the Advancement of Science. Es ist wahrscheinlich, dass der Begriff in Kreisen von Astrophysikern bereits zirkulierte, bevor Wheeler – der ein Ohr für solche eingängigen Ausdrücke hatte – ihn verwendete und popularisierte.

Der Ursprung von (fast) allem

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