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Erstes Buch. Briefe aus den Jahren 590—591.
ОглавлениеI. (1.) An alle Bischöfe, die in Sicilien ihren Sitz haben.
I. Gesammtausgabe 1.
Gregor, Knecht der Knechte Gottes, an alle Bischöfe, die in Sicilien ihren Sitz haben.
Inhalt: Gregor theilt ihnen mit, daß er den aus ben Dialogen wohlbekannten Petrus, der damals noch Subdiakon gewesen, zu seinem Legaten für Sicilien ernannt habe. (Schon früher hatte er ihn zum Verwalter der römischen Kirchengüter (des sogenannten Patrimonium Petri) gemacht, die besonders in Sicilien groß und zahlreich waren. — Zugleich ordnet Gregor eine jährlich abzuhaltende Provinzialsynode an und ertheilt hiefür Anweisungen.
Wir haben es für sehr nothwendig erkannt, ebenso wie es auch Unsre Vorgänger gehalten, ein und derselben Person alle Geschäfte zu übertragen, damit in Unsrer Abwesenheit Unsre Rechte durch Unsre Bevollmächtigten gewahrt werden. Deßhalb haben Wir dem Petrus, Subdiakon Unsres Stuhles, mit Gottes Beistand Unsre Gewalt übergeben. Denn Wir können in seine Handlungsweise kein Mißtrauen setzen, da es ja bekannt ist, daß Wir ihm unter Gottes Beistand die Verwaltung des ganzen Patrimoniums Unsrer Kirche anvertraut haben.
Auch haben Wir es für nothwendig erkannt, daß ihr einmal im Jahre zu Syrakus oder Catana mit geziemender Wurde, wie Wir auch Unserm Stellvertreter befohlen, alle brüderlich zusammenkommet, um mit Petrus, dem Subdiakon Unsres Stuhles, in geeigneter Weise anzuordnen, was zum Wohle der Kirchenprovinz, zur Hilfe der Armen und Unterdrückten, zur heilsamen Belehrung Aller oder zur Zurechtweisung der Fehlenden nützlich scheint. Von dieser Versammlung sei ferne der Haß und Alles, was Unfriede stiftet; es weiche aber auch innerlicher Neid und fluchwürdige Herzens-Zwietracht. Gottgefällige Einheit und Liebe lasse die Priester Gottes erkennen. Dieß alles also thuet mit jener Reife und Ruhe, daß man euch mit vollstem Rechte eine Bischofs-Versammlung nennen könne.
II. (2.) An den Prätor Justinus von Sicilien.
II. Gesammtausgabe 2.
An den Prätor Justinus von Sicilien.
Inhalt: Gregor sucht den neuen Prätor von Sicilien auf die freundlichste Art zu gewinnen, gibt ihm aber sehr ernste Wahrheiten zu bedenken. Zugleich beleuchtet er ein Mißverständnis wegen der amtlichen Getreidelieferung nach Rom und empfiehlt seinen Legaten Petrus.
Was die Zunge spricht, bezeugt das Gewissen, daß ich Euch nämlich viel geliebt und verehrt habe, auch als Ihr noch lange nicht mit Amtsgeschäften zu thun hattet. Denn die Bescheidenheit Eures Wandels nöthigte dazu, Euch zu lieben, sogar wenn man nicht gewollt hätte. Und so habe ich mich denn sehr gefreut, als ich hörte, daß Ihr gekommen seid, um die Prätorstelle in Sicilien zu verwalten. Da ich aher vernahm, daß sich Eifersucht zwischen Euch und die Vertreter der Kirche einschleiche, wurde ich tief betrübt. Da nun Euch die Civilverwaltung, mich aber die Kirchen-Regierung in Anspruch nimmt, so kann zwischen uns doch insoweit Freundschaft herrschen, als wir dadurch der Gefammtheit nicht schaden. Deßhalb bitte ich beim allmächtigen Gott, vor dessen furchtbarem Gerichte wir Rechenschaft über unsre Handlungen ablegen werden, daß Ew. Herrlichkeit die Rücksicht auf dasselbe immer vor Augen habe und nie Etwas zulasse, wodurch zwischen uns auch nur ein kleiner Zwist sich erheben könnte. Kein Gewinn verleite Euch zur Ungerechtigkeit, keine Freundschaft lenke Euch vom geraden Wege ab. Erwäget, wie kurz das Leben sei, bedenket, da Ihr das Richteramt verwaltet, vor welchen Richter Ihr bald treten werdet. Sorgfältig also muß man darauf achten, daß wir allen Gewinn hier zurücklassen und nur Dasjenige mit uns vor das Gericht tragen, wodurch wir den unseligen Gewinn erlangt haben. Deßhalb müssen wir jene Güter suchen, die der Tod nicht hinwegnimmt, die sich vielmehr beim Lebensende als ewig dauernde bewähren.
Was Ihr aber vom Getreide schreibet, wird ganz anders von dem erlauchten Citonatus dargestellt. Derselbe behauptet, es sei nur so viel geschickt worden, als zur Füllung der Scheunen für das vergangene Jahr erfordert wurde,1
Traget Sorge für diese Angelegenheit; denn wenn zu wenig hierher geschickt wird, so wird dadurch nicht ein Mensch, wer er auch sei, sondern das ganze Volk zusammen um’s Leben gebracht.
Zur Verwaltung der sicilischen Kirchengüter habe ich, wie ich wenigstens meine, mit Gottes Beistand einen Mann geschickt, mit dem Ihr in Allem auskommen sonnt, wenn Ihr gegen ihn die rechte Liebe habet, wie ich sie von Euch erfahren habe. Daraus aber, daß Ihr mich mahnet, Euer eingedenk zu sein, habe ich — die Wahrheit zu gestehen, wenn sich nicht durch List des bösen Feindes ein falsches Urtheil einschleicht — eine so große Demuth Ew. Herrlichkeit ersehen, daß ich mich schämen müßte, nicht der Eurige zu sein.
III. (3.) An den Scholastiker Paulus.
III. Gesammtausgabe 3.
An den Scholastiker2 Paulus.
Inhalt: Gregor tadelt den Adressaten, daß er ichm zur päpstlichen Würde Glück wünsche, und condolirt ichm nicht ohne freunbschaftliche Ironie zu seiner Beförderung nach Rom, dessen Noth er ihm dringend an’s Herz legt.
Wenn mir fremde Leute wegen der priesterlichen Würde schmeicheln, so gebe ich nicht viel darauf; daß aber auch Ihr mir in diesem Betreffe schmeicheln müßt, das schmerzt mich bitter; denn Euch ist ja meine Sehnsucht vollkommen bekannt, und doch seid Ihr der Ansicht, ich hätte es zu Etwas gebracht. Ja, Dieß wäre mir die liebste Beförderung gewesen, wenn mein Wunsch hätte in Erfüllung gehen können, wenn ich meinen Willen, den Ihr längst kennet, durch Erlangung der ersehnten Ruhe hätte in Ausführung bringen können.
Aber weil ich nun Doch, mit Ehrenketten gefesselt, in Rom bleiben muß, so kann ich auch über Ew. Herrlichkeit mich eines Triumphes erfreuen. Denn wenn Se. Eminenz der Exconsul Leo kommt, so glaube ich nicht, daß Du in Sicilien zu bleiben habest; und da nun auch Du in Ehren-Ketten Deinen Wohnsitz zu Rom aufschlagen mußt, so kannst Du Dir denken, welch’ bittern Schmerz mir Dieß bereitet!
Wenn aber der geehrte Chartularius 3 Maurentius kommt, so stehet ihm bei, die Noth in Rom zu lindern; denn ohne Unterlaß werden wir von Feindesschwert durchbohrt Aber noch schwerer drückt uns die innere Gefahr der Meuterei im Heere. Endlich empfehlen wir den Subdiakon Petrus, den wir unter Gottes Beistand zur Verwaltung der Kirchengüter gesandt haben, Ew. Herrlichkeit in Allem.
IV. (4) An den Bischof Johannesvon Constantinopel.
IV. Gesammtausgabe 4.
An den Bischof Johannes4von Constantinopel.
Inhalt: Gregor beklagt sich, daß der Patriarch seine Bestätigung durch den Kaiser nicht verhindert habe, bittet um sein Gebet und verspricht nächstens seine Synodalepistel zu senden.
Wenn zur Tugend der Liebe auch die Nächstenliebe wesentlich gehört, wenn uns befohlen ist. den Nächsten zu lieben wie uns selbst, wie kommt es, daß Ew. Heiligkeit mich nicht liebt, wie sich selbst? Denn ich weiß, mit welch’ glühendem Eifer Ihr der Last der Bischofswürde entkommen wolltet; und doch habt Ihr kein Hinderniß in den Weg gelegt , daß mir die gleiche Last aufgebürdet wurde. Daraus ist ersichtlich, daß Ihr mich nicht liebt, wie Euch selbst, weil Ihr wolltet, daß ich die Last trage, die Ihr Euch nicht wolltet aufladen lassen. Aber weil nun ich Unwürdiger und Schwacher ein altes und von den Wellen arg mitgenommenes Schiff übernommen habe (von allen Seiten dringen ja die Wellen ein, und vom täglichen, heftigen Sturm gepeitscht ächzen schiffbrüchig die morschen Bretter), so bitte ich beim allmächtigen Gott, daß Ihr mir in dieser Gefahr die Hilfe Eures Gebetes zukommen lasset. Denn Ihr könnet mit um so größerer Sammlung beten, je mehr Ihr der Verwirrung und Trübsal, die wir hier zu Lande leiden, ferne stehet. Das Synodalschreiben5 werde ich nächstens zu schicken mich beeilen; denn seit meiner Weihe war ich von vielen und wichtigen Geschäften gedrängt, und den Überbringer dieses Briefes, unsern Bruder und Mitbischof Bacauda, willl ich nicht länger hinhalten.
V. (5.) An Theoctista, die Schwester des Kaisers.
V. Gesammtausgabe 5.
An Theoctista, die Schwester des Kaisers.
Inhalt: Klage über die Wahl zum Papste.
Mit welcher Ergebenheit Euch mein Herz verehre, kann ich mit Worten nicht ausdrücken, auch bemühe ich mich nicht, Dieß kund zu geben; denn auch wenn ich schweige, könnt Ihr in Eurer eigenen Seele lesen, was Ihr von meiner Ergebenheit zu halten habet. Ich wundere mich aber, daß Ihr Eure längst bewiesene Gunst für mich gerade bei Gelegenheit der Übernahme dieses Hirtenamtes verschwendet habet, wodurch ich doch nur unter dem Vorwand der bischöflichen Würde in die Welt zurückgeführt und mit so vielen irdischen Sorgen belastet worden bin, wie ich sie als Laie nie gehabt zu haben mich erinnere. Denn ich habe die erhabenen Freuden meiner Einsamkeit verloren und innerlich in Verfall gerathen scheine ich nur nach aussen empor gekommen zu sein. Deßhalb beweine ich mich als von dem Antlitz des Schöpfers vertrieben. Denn täglich war ich bemüht, mich über Welt und Fleisch zu erheben, alle nur sinnlichen Vorstellungen von dem Auge des Geistes ferne zu halten und die himmlischen Freuden geistig zu schauen; und da ich nicht bloß mit Worten, sondern mit aller Inbrunst des Herzens nach der Anschauung Gottes verlangte, pflegte ich zu sprechen: „Mein Herz hat zu Dir geredet, dein Angesicht habe ich aufgesucht, dein Angesicht, o Herr, will ich suchen." 6Nichts verlangte, nichts fürchtete ich in dieser Welt und schien mir so gleichsam auf dem Gipfel aller Dinge zu stehen, so daß ich fast glaubte, es sei an mir in Erfüllung gegangen, was der Herr dem Propheten verheissen hatte: „Ich will dich erheben über die Höhen der Erde," 7Über die Höhen der Erde erhebt sich nämlich, wer auch Das, was vor dieser Welt erhaben und herrlich erscheint, mit verachtender Seele von sich stößt. Aber plötzlich bin ich von diesem Höhepunkt durch den Sturm dieser Prüfung herabgeschleudert worden und in Furcht und Zaghaftigkeit gefallen; denn wenn ich auch für mich selbst Nichts fürchte, so fürchte ich doch sehr für die mir Anvertrauten. Von allen Seiten bäumen sich die Fluthen der Geschäfte gegen mich auf und peitschen mich Stürme, so daß ich mit Recht sagen kann: „Ich bin gekommen in die Tiefe des Meeres, und der Sturm hat mich versenkt.“8Nach den Geschäften möchte ich wieder in mein Herz einkehren, aber durch den thörichten Aufruhr der Gedanken gehemmt kann ich es nicht finden. So ist mir mein Inneres fremd geworden, so daß ich nicht der Stimme des Propheten gehorchen kann, welcher spricht: „Kehret in euer Herz zurück, ihr Übertreter;” 9 sondern von thörichten Gedanken gequält kann ich nur mehr ausrufen: „Mein Herz hat mich verlassen." 10Den Reiz des beschaulichen Lebens habe ich geliebt als eine zwar unfruchtbare, aber scharfsichtige und schöne Rachel, die zwar wegen ihrer Ruhe weniger Kinder gebärt, aber um so klarer das Licht erschaut. Aber durch ein verborgenes Gericht ist mir während der Nacht die Lia beigesellt wordcn, das thätige Leben nämlich, und diese ist zwar fruchtbar, aber triefäugig, sie sieht weniger, obgleich sie mehr zu dulden hat. Schon beeilte ich mich, mit Maria zu den Füßen des Herrn zu sitzen und die Worte seines Mundes aufzufassen, unb siehe, da muß ich mit Martha vor der Thüre Dienste leisten und mir mit Vielem zu schaffen machen. Schon glaubte ich, es sei eine Legion böser Geister aus mir ausgetrieben worben, und wollte meine Bekannten vergessen unb zu den Füßen des Erlösers ruhen; da siehe, wird mir gegen meinen Willen und trotz meines Sträubens gesagt: „Kehre in dein Haus zurück und verkündige, wie Großes der Herr an dir gethan!" 11Aber wer vermöchte bei so vielen irdischen Sorgen Gottes Wunder zu verkündigen, da es mir schon schwer fällt, derselben zu gedenken? Ja in dieser Würde bin ich so sehr von zeitlichen Geschäften gedrückt, daß ich mich unter Jenen erkenne, von denen geschrieben steht: „Du hast sie gestürzt, da sie erhoben wurden." 12 Es heißt nicht: „Du hast sie gestürzt, nachdem sie erhoben waren," sondern: „da sie erhoben wurden," denn alle verkehrten Seelen kommen innerlich zu Fall, während sie mit vergänglicher Ehre bekleidet äusserlich sich zu heben scheinen. Die Erhebung selbst ist also ihr Fall und während sie sich an trügerischem Ruhme erfreuen, verlieren sie den wahren Ruhm. Darum heißt es anderswo: „Wie der Rauch schwinden sie dahin." 13Der Rauch verzieht sich nämlich, indem er in die Höhe steigt, breitet sich aus und verschwindet. So geht es, wenn das Leben eines Sünders von zeitlichem Glück begleitet ist; was ihn in seiner Größe zur Schau stellt, das bewirkt auch seinen Untergang. Delßhalb heißt es wiederum: „Mein Gott, mache sie wie ein Rad." 14Das Rad nämlich hebt sich von hinten und fällt nach vorne. Hinter uns aber sind die Güter dieses Lebens, die wir verlassen müssen, vor uns aber die ewigen und dauerhaften Güter, zu denen wir berufen stnd. Deßhalb bezeugt der hl. Paulus: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach Dem aus, was vor mir liegt." 15 Wenn also ein Sünder im gegenwärtigen Leben emporkommt, so befindet er sich in der Bewegung eines Rades; er fällt nach vorn und steigt von hinten. Denn während er in diesem Leben, welches er verlassen muß, Ruhm erntet, verliert er jenes Leben, welches nach dem gegenwärtigen kommt. Indessen gibt es doch Viele, welche ihre äussern Beförderungen so zu benutzen verstehen, daß sie keinerlei innerlichen Schaden in Folge derselben erleiden. Darum heißt es: “Gott verwirft die Mächtigen nicht, da er selbst mächtig ist.” 16Und Salomon spricht: „Der Verständige kommt an’s Ruder."17Aber für mich ist Dieß schwer, weil es sehr mühsam ist, und was der Geist nicht freiwillig auf sich nimmt, das greift er nicht geschickt an. Sieh’, der allergnädigdte Herr und Kaiser hat befohlen, daß der Affe ein Löwe sein soll. Nun kann man freilich nach seinem Befehl den Affen einen Löwen heissen, aber er kann kein Löwe wirden. Deßhalb muß er alle meine Fehler und Nachlässigkeiten nicht mir, sondern seiner Güte zuschreiben, da er das Amt der Strke einem Schwachen übertragen hat.
VI. (6.) An den Patricier Narses.
VI. Gesammtausgabe 6.
An den Patricier Narses.18
Inhalt: Klage über die Erhebung zur päpstlichen Würde sammt freundlichen Erwiderungen.
Da Ihr in erhabener Weise die Süßigkeit der Betrachtung schildert, habt Ihr in mir den Jammer ob meines Verlustes auf’s Neue angefacht; denn Ihr gabt mir zu hören, was ich innerlich eingebüßt habe, während ich ohne Verdienst äusserlich zur höchsten Würde emporgestiegen bin. Wisset, daß ich von solcher Trübsal darniebergebeugt bin, daß ich kaum zu reden vermag; denn die Finsterniß des Schmerzes lagert sich über den Augen meiner Seele. Was ich anschaue, ist traurig; was man für erfreulich hält, wird meinem Her zen Grund zur Klage. Denn ich erwäge, zu welch’ schlimmem Gipfel äussern Glanzes ich emporgestiegen bin, als ich vom Höhepunkt meiner Ruhe herabsank. Wie vorn Angesicht des Herrn zur Strafe meiner Sünden in die Verbannung äusserer Geschäfte verwiesen, spreche ich gleich dem zerstörten Judäa beim Propheten: 19 „Der Tröster ist fern von mir." Wenn Ihr aber zwischen meiner Stellung und meinem Namen eine Ähnlichkeit findet und in Eurem Schreiben daran Lobsprüche und Höflichkeiten knüpfet, 20so gebt Ihr in Wahrheit, theuerster Bruder, einem Affen den Namen des Löwen. Das nehmen wir von Euch in dem Sinne an, in welchem man auch die schäbigen Hündlein öfters Panther und Tiger heißt. Ich aber, o Bester, habe gleichsam meine Kinder verloren; denn durch die irdischen Sorgen sind meine guten Werke zu Grunde gegangen. „Nennet mich also nicht mehr Noemi, d. h. die Schöne, sondern Tiara, denn ich bin der Bitterkeit voll." 21Wenn ich aber nach Eurer Bemerkung nicht hätte schreiben sollen, daß Ihr mit wildem Rind auf dem Acker des Herrn pflüget, weil in dem Leintuch, welches dem hl. Petrus gezeigt wurde, auch willde Rinder und alle Thiere gewesen seien, — so wißt Ihr selbst, daß dabei steht: „Schlachte und iß!" 22Warum wolltest Du also schon den Gehorsam hinsichtlich des Essens üben, da Du doch jene Thiere noch nicht geschlachtet hattest? Siehst Du denn nicht, daß jene Bestie, von der Du schreibst, sich noch nicht durch das Schwert Deiner Beredsamfeit hat tödten lassen? Da Du sie aber nur durch innere Zerknirschung wirrst tödten können, so mußt Du Dich vorläufig schon mit Deinem guten Bestreben befriedigen. 23
Hinsichtlich unserer Brüder aber, meine ich, daß es mit Gottes Hilfe so gehen wird, wie Du geschrieben hast. Für jetzt hielt ich es nicht für passend, darüber an die durchlauchtigsten Gebieter zu schreiben, denn man soll nicht gleich Anfangs mit Klagen kommen. Ich habe aber meinem geliebtesten Sohn, dem Diakon Honorat, geschrieben, daß er zu gelegener Zeit ihnen das Geeignete zu verstehen gebe und mir schleunig ihre Antwort berichte. Die Herren Alexander und Theodor, meinen Sohn Marinus, die Damen Eficia, Eudochia und Dominica bitte ich meinerseits zu grüßen.
VII. (7) An Anastasius, Bischof von Antiochia.
VII.Gesammtausgabe 7.
An Anastasius, 24Bischof von Antiochia.
Inhalt: Klage wegen der Uebernahme der päpstlichen Würde.
Was die Ruhe für den Milden, die Gesundheit für den Kranken, die Quelle für den Dürstenden, der Schatten für den Erhitzten, das waren die Briefe Ew. Heiligkeit für mich. Denn jene Worte schien nicht die fleischliche Zunge zu sprechen, sondern ließen so sehr die geistige Liebe, von der sie eingegeben waren, erkennen, als ob die Seele selbst reden würde. Aber was Ihr weiter schreibet, ist sehr hart: Eure Liebe verlangt, daß ich die Last der Erde trage, und während Ihr zuerst mich in geistiger Weise liebet, liebet Ihr gleich darauf, wie es scheint, nach Art dieser Welt und drückt mich durch die auferlegte Last zu Boden, so daß ich ganz die gerade Richtung des Geistes und den Sinn für die Betrachtung verliere und nicht im Geist der Weissagung, sondern nach Erfahrung sprechen muß: „Ich bin gebeugt und gar sehr verdemüthigt worden.„25 Denn wie von vielen Wellen werde ich von Streitigkeiten hin und her gezogen und vom betäubenden Sturm des Lebens bedrängt, so daß ich mit Recht sagen kann: „Ich bin in die Tiefe des Meeres gekommen, und der Sturm hat mich versenkt.“ 26Reichet mir in dieser Gefahr durch Euer Gebet die Hand, Ihr, der Ihr am Ufer stehet. Wenn Ihr aber mich den Mund des Herrn und eine Leuchte nennet, von der Ihr behauptet, daß sie Vielen nützen könne, — so ist nur zu all meinen Sünden hin noch Dieß begegnet, daß ich, während doch die Sünde an mir gestraft wirden sollte, Lobsprüche statt der Strafe erhalte. Welch’ lärmende Schaar von irdischen Angelegenheiten aber mich in meiner Stellung quäle, das kann ich gar nicht mit Worten ausdrücken; Ihr könnt es aber aus der Kürze meines Briefes schließen, da ich mich kurz gegen Euch fasse, obwohl ich Euch mehr liebe als Alle.
Indessen zeige ich Euch an, daß ich von den durchlauchtesten Kaisern mit meiner kräftigsten Fürsprache verlangt habe, daß Ihr in Eure Würde wieder eingesetzt werdet, und daß sie Euch gestatten, hieher zu der Schwelle des Apostelfürsten Petrus zu kommen und, so lange es Gott gefallen wird, bei mir zu leben. Habe ich dann das Glück, Euch zu sehen, dann wollen wir uns gegenseitig die Last unsrer irdischen Pilgerschaft durch Gespräche vom himmlischen Vaterland leichter machen.
VIII. (10.) An die Bischöfe Bacanda und Agnellus.
VIII. Gesammtausgabe 10.
An die Bischöfe Bacanda und Agnellus.
Inhalt: Gregors Sorgfalt für die Juden, denen es gestattet wird, ihre Religion ungehindert zu üben.
Die in Tarracina27 lebenden Juden haben Uns gebeten, ihren bisherigen Platz für ihre Synagoge auch auf Unsern Befehl behalten zu dürfen. Weil wir aber vernahmen, daß jener Platz so nahe bei der Kirche sei, daß man in derselben sogar das Beten und Lesen der Juden höre, so haben Wir Unserm Bruder and Mitbischof Petrus geschrieben, daß die Zusammenkünfte der Juden an jenem Platze zu unterbleiben hätten, wenn es sich wirklich so verhalte, daß die Stimmen von denselben in die Kirche herüber tönen. Möge darum Eure Brüderlichkeit im Verein mit dem genannten Bruder und Mitbischof jenen Platz sorgfältig in Augenschein nehmen, und wenn es Euch scheint, daß derselbe der Kirche irgendwie Störung verursache, so sorget für einen andern Platz innerhalb der Stadt, wo die erwähnten Juden zusammenkommen und ohne Belästigung ihre Gebräuche ausüben können. Möge aber Eure Brüderlichkeit, falls sie den bisherigen Platz verlieren, für einen solchen sorgen, gegen welchen in Zukunft keine Klage erhoben wer den kann. Auch verbieten Wir, daß die genannten Juden bedrückt oder über Gebühr belastet werden, sondern wie es ihnen nach Gerechtigkeit gestattet ist, den römischen Gesetzen gemäß zu leben, so sollen sie ungehindert und nach bestem Wissen ihre Handlungsweise einrichten. Jedoch sei es ihnen nicht gestattet, christliche Sklaven zu haben.
IX. (14.) An den Bischof Demetrius von Neapel.
IX. Gesammtausgabe 14.
An den Bischof Demetrius von Neapel.
Inhalt: Gregorius versichert unter Verpfändung seines eigenen Heiles Zweifelnden die Wahrheit des katholischen Glaubens und führt sie dadurch zur Kirche zurück. Seeleneifer und Milde.
Stephanus, der Überbringer dieses Schreibens, hatte die Wahrheit einiger Glaubenspunkte bezweifelt und sich deßhalb von der Gemeinschaft der katholischen Kirche auf so lange getrennt bis Gott, der Richter der Wahrheit, ihn wieder auf den rechten Weg zurückführen würde. Wisse, daß er Uns Genugthuung geleistet und mit der katholischen Kirche sich wieder im Glauben vereinigt habe. Wir haben aber in Erfahrung gebracht, daß sich in der Stadt Neapel Mehrere befinden, die an demselben Zweifel leiden. Hinsichtlich Dieser hat Uns Stephanus versichert, daß sie unverzüglich und ohne Weigerung zur Einheit mit der katholischen Kirche zurückkehren werden, wofern Wir durch Verpfändung Ünsers eigenen Seelenheiles Ihre Zweifelmüthigkeit beschwichtigen würden. Deßwegen ersuchen Wir Euch durch das gegenwärtige Schreiben, diese Leute auf unser Wort und auf Unsre Gefahr hin, wie sie es verlangt haben, in die Gemeinschaft des katholischen Glaubens aufzunehmen und sie auf jede mögliche Weise von der Finsterniß zum Licht zurückzurufen, damit Wir nicht, nachdem einmal diese Sache an Uns gebracht worden ist, durch Unser Stillschweigen oder durch Nachlässigkeit ihre Seelen verlieren.
X. (17.) An alle Bischöfe Italiens.
X. Gesammtausgabe 17.
An alle Bischöfe Italiens.
Inhalt: Die arianisch getauften Longobarden-Kinder sollen mit der katholischen Kirche versöhnt werden.
Da der gottlose Autharit am letztvergangenen Osterfeste verboten hat, die Kinder der Longobarden nach katholischem Glauben zu taufen — (wofür ihn die göttliche Majestät vom Leben abgerufen hat, damit er kein weiteres Osterfest mehr sehe), so geziemt es sich für Euch, meine Brüder, alle Longobarden in Euren Sprengeln zu ermahnen, daß sie, besonders da eine große Sterblichkeit das Land bedroht, ihre arianisch getauften Kinder mit der katholischen Kirche versöhnen sollen, 28 um so den Zorn des allmächtigen Gottes zu besänftigen. Ermahnet also Alle, bei denen Ihr Gehör finden könnet, ziehet sie mit aller nur möglichen Kraft durch Unterweisung zum rechten Glauben, prediget ihnen ohne Unterlaß das ewige Leben, damit Ihr Früchte Eurer Hirten-Sorgfalt aufweisen könnet, wenn Ihr vor das Angesicht des strengen Richters kommen werdet.
XI. (21.) An den Bischof Natalis von Salona
XI. Gesammtausgabe 21.
An den Bischof Natalis von Salona29
Inhalt: Dank für Glückwünsche und Bitte um das Gebet.
Euer Schreiben, ehrwürdigster Bruder, durch welches Ihr Uns zu Unsrer Erhebung Glück wünschet, haben Wir durch Euren Abgesandten, den Diakon Stephanus, empfangen, und wohl sind die Beweise Eurer Gunst und Liebe sehr glaubwürdig, da es Eure eigene Würde mit sich bringt, daß Ihr über die Unfsige Euch freuet. Obwohl Wir indessen durch Euren Glückwunsch aufgemuntert wurden, so können Wir Euch doch nicht Unsre innere Stimmung verhehlen, daß wir nämlich die Last dieser Würde sehr ungern auf Uns genommen haben. Da Wir aber dem Urtheile Gottes nicht Widerstand leisten konnten, so haben Wir notgedrungen Uns zu einer tröstlichen Ansicht der Sachlage emporgeschwungen. Deßungeachtet aber bitten Wir Euch, ehrwürdigster Bruder, durch diesen Brief sowohl Uns als die Unsrer Sorgfalt anvertraute christliche Heerde den Trost Eures Gebetes genießen zu lassen, damit Wir die Stürme der Zeit mit Hilfe dieses mächtigen Bollwerkes zu überwinden vermögen. Im Monat Februar 591.
XII. (25.) An Johannes von Konstantinopel, Eulogius von Alexandria, Greegorius von Antiochia, Johannes von Jerusalem und an den Expatriarchen Anastasius von Antiochia. (In gleichen Abschriften)
XII.Gesammtausgabe 25.
An Johannes von Konstantinopel, Eulogius von Alexandria, Greegorius von Antiochia, Johannes von Jerusalem und an den Expatriarchen Anastasius von Antiochia. (In gleichen Abschriften)30
Inhalt: Die wichtigsten priesterlichen Pflichten werden an alttestamentlichen Vorbildern gezeigt. Bitte um das Gebet und Glaubensbekenntniß.
Wenn ich erwäge, daß ich ohne hinreichendes Verdienst und aus ganzer Seele widerstrebend gezwungen worden bin, die Last des Hirtenamtes zu tragen, so überfällt mich düstere Trauer und das betrübte Herz sieht Nichts als undurchdringliche Finsterniß. Denn zu was wird ein Bischof vom Herrn erwählt, als um Fürsprecher für des Volkes Sünden zu sein? Mit welchem Vertrauen soll nun ich als Fürsprecher für fremde Sünden zu ihm kommen, da ich wegen meiner eigenen Sünden bei ihm keine Sicherheit habe? Würde etwa Jemand mich um meine Fürsprache bei einen Machthaber angehen, der ihm zürnend, mir aber unbekannt wäre, so würde ich augenblicklich antworten: „Ich kann nicht mit einer Fürsprache zu ihm kommen, da ich nicht in vertrauter Freundschaft zu ihm stehe." Wenn ich mich also schämen müßte, bei einem andern Menschen, obschon ich ihn keineswegs beleidigt hätte, als Fürsprecher aufzutreten, welche Verwegenheit ist es dann, daß ich bei Gott die Stelle eines Fürsprechers für das Volk einnehme, obwohl ich mir nicht bewußt bin, ihm durch ein verdienstvolles Leben befreundet zu sein! Dabei habe ich noch etwa Ärgeres zu fürchten; denn wir alle wissen ganz gut, daß des Zürnenden Sinn noch mehr erbittert wird, wenn man einen ihm Mißfälligen als Fürsprecher sendet. Und ich fürchte sehr, das mir anvertraute gläubige Volk, dessen Sünden der Herr bisher mit Geduld ertrug, werde jetzt zu Grunde gehen, da auch meine Schuld nun auf dasselbe fällt. Wenn ich aber diese Furcht so gut es geht, zurückdränge und mich zum priesterlichen Werke rüste, so erschrecke ich bei Betrachtung der ungeheuren Aufgabe, die mir zugefallen.
Ich erwäge nämlich, wie viel darauf ankommt, daß der Oberhirte rein sei in seinen Gedanken, musterhaft in seiner Handlungsweise, vorsichtig im Stillschweigen, nutzbringend in seinen Reden, Allen der Nächste durch mitleidige Liebe, mehr als Alle der Betrachtung ergeben, den Rechtschaffenen ein demüthiger Bundesgenosse, den Lastern der Bösen aber mit eifernder Gerechtigkeit gegenüber stehend.31 Wenn ich Dieß alles mit sorgfältiger Untersuchung zu erforschen mich bestrebe, so beängstigt mich bei jedem einzelnen Punkte, wie viel dabei zu erwägen wäre. Denn, wie gesagt, es ist sorgfältig darauf zu achten, daß der Oberhirte rein sei in seinen Gedanken, damit Den keine Unreinigkeit beflecke, der das Amt übernommen hat, aus den Herzen Anderer die Flecken der Unreinigkeit zu tilgen. Denn die Hand, welche den Schmutz hinwegwaschen will, muß rein zu sein sich bestreben, damit sie nicht Alles, was sie anrührt, noch schmutziger mache, weil an ihrem eigenen Schmutze jeder andere Koth hängen bleibt. Es steht ja geschrieben: „Reinigt euch, die ihr die Gefäße des Herrn traget.“32Die Gefäße des Herrn tragen nämlich Diejenigen, welche es auf sich nehmen, die Seelen ihrer Mitmenschen durch das Beispiel ihres Wandels in das Heiligthum des innern Lebens einzuführen. Es bedenke also bei sich selbst, wie rein sein müsse, wer lebendige Gefäße gleichsam im Schooße seines eigenen erbaulichen Wandels zum Tempel der Ewigkeit trägt. Deßhalb befahl Gottes Stimme, daß aus Aaron’s Brust das Urtheilsblatt33mit Binden befestigt werde, weil flüchtige Gedanken sich des priesterlichen Herzens nicht bemächtigen dürfen, sondern die Vernunft allein darin herrschen muß. Nichts Unbesonnenes oder Unnützes denke, wer Andern als Muster für ihr Leben vor Augen gestellt durch seinen Ernst immer zeigen muß, welche Gesinnung er in seinem Busen trage.
Nicht ohne Grund wird beigefügt, daß auf diesem Urtheilsblatt die Namen der zwölf Patriarchen geschrieben waren. Denn die Namen der Stammväter auf der Brust geschrieben zu tragen, bedeutet, daß man das Leben der Vorväter ohne Unterlaß bedenke. Dann wandelt nämlich der Priester tadellos, wenn er die Beispiele der Vorväter unaufhörfich vor Augen hat, wenn er unablässig die Fußtapfen der Heiligen betrachtet und alle unerlaubten Gedanken sich ausschlägt, damit er nicht in seiner Handlungsweise die Schranken seines Standes überschreite.
Wenn ich mich dann zur Erwägung der Werke wende, zu welchen ein Hirte verpflichtet ist, so bedenke ich, welche Mühe er sich geben muß, damit er in seiner Handlungsweise musterhaft sei und so durch sein Leben den Untergebenen den Weg des Lebens zeige und die Heerde, welche der Stimme und dem Vorgang des Hirten folgt, mehr noch nach seinem Beispiel als nach seinen Worten sich richten könne. Denn da seine Stellung ihn nöthigt, die erhabensten Wahrheiten zu verkündigen, so befindet er sich eben deßhalb auch in der Nothwendigkeit, die erhabensten Beispiele zu geben. Jene Worte dringen nämlich am leichtesten in die Herzen der Hörer, welche durch das Leben des Predigers unterstützt sind, indem er in diesem Falle durch sein eigenes Vorbild dazu hilft, daß seine Vorschriften ausgeführt werden. Deßhalb sagt der Prophet: „Steig auf einen hohen Berg, der du Sion frohe Botschaft bringst."34Denn wer himmlische Dinge predigt, der muß die Niederungen der Welt verlassen und gleichsam auf dem Höhepunkt aller Dinge stehen, damit er um so leichter die Untergebenen zur Vollkommenheit heranziehe von je höherem Standpunkt aus sein verdienstvolles Leben ihnen zuruft.
Deßhalb bekam auch der Priester beim Opfer das losgetrennte rechte Schulterstück des Opferthieres, 35auf daß seine Handlungsweise nicht bloß nutzbringend sei, sondern vor der Anderer Etwas voraus habe und er nicht bloß im Gegensatze zu den Bösen das Gute thue, sondern an die rechtschaffenen Untergebenen so sehr durch tugendhaften Wandel übertreffe, wie er sie an Würde und Weihe überragt. Auch wird ihm mit dem Schulterstück die Brust des Opferthieres zur Mahlzeit gegeben, damit er an sich selbst das seinem Schöpfer opfere, was er nach dem Gesetz von dem Opfer zu nehmen hat. Nicht nur gute Gedanken sollen seine Brust bewegen, sondern er soll auch Alle, die ihn sehen, durch die Werke feiner Hände, die durch das Schulterstück angedeutet werden, nach oben lenken. Er verlange und fürchte Nichts, was nur auf das vergängliche Leben Bezug hat; er verachte die Schmeicheleien der Welt im Hinblick auf den innern Richter, ihre Schrecken aber im Hinblick auf die Süßigkeit des innern Trostes. Und auf beiden Schultern wird nach Gottes Befehl36dem Priester das Schulterkleid angeheftet, damit er bei Glück und Unglück den Schmuck der Tugend als Schild gebrauche und so nach dem Worte des Apostels Paulus „nach rechts und links mit den Waffen der Gerechtigkeit"37gerüstet einherschreite, allein nach dem strebend, was vor ihm liegt, und in keiner Weise niedriger Lust sich zuneigend. Das Glück soll ihn nicht stolz machen, das Unglück nicht in Verwirrung bringen, Angenehmes soll ihn nicht verweichlichen, ein hartes Loos nicht zur Verzweiflung führen, und so, keine Leidenschaft die Seele beugend, soll er die Schönheit des Schulterkleides auf beiden Schultern den Menschen zu schauen geben.
Nicht ohne Grund war befohlen, daß das Schulterkleid aus Gold, Hyacinth, Purpur, zweimal gefärbtem Carmosin und gezwirntem Byssus verfertigt werde,38um nämlich dadurch anzuzeigen, mit wie mannigfachen Tugenden der Priester geschmückt sein müsse. Im hohenpriesterlichen Gewande erglänzt vor Allem das Gold, weil der Priester durch Verstand und Weisheit hervorragen muß. Hyacinth, dessen Farbe himmelblau, findet sich daran, weil der Priester durch Alles, was er im Verstande erfaßt, sich zur Gottesliebe erheben, aber nicht nach Menschengunst trachten soll, damit er nicht, indem er unvorsichtig sich vom Lobe einnehmen läßt, sogar das Verständniß der Wahrheit verliere. Dem Gold und Hyacinth ist Purpur beigemischt, weil im Herzen des Priesters, der die höchsten Wahrheiten zu verkündigen hat, keine lasterhaften Einflüsterungen Gehör finden dürfen, sondern gleichsam mit königlicher Macht sogleich zum Schweigen gebracht werden müssen, damit er den Adel seiner geistigen Wiedergeburt immer im Auge habe und sein Erbrecht zum Himmelreiche durch seine Tugenden sich wahre. Von diesem Geistesadel sagt Petrus: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priesterthum." 39Welche Kraft zur Unterdrückung böser Neigungen wir aber besitzen,versichert uns Johannes, indem er spricht: „Denjenigen aber,die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden.“40 Zum Golde, dem Hyacinth und dem Purpur kommt zweimal gefärbter Carmosin, weil vor den Augen des innern Richters alle Tugendwerke erst durch die Liebe ihren Werth bekommen und Alles, was vor den Menschen ein schönes Aussehen hat, vor dem Angesichte jenes verborgenen Richters mit der Flamme herzlicher Liebe brennen muß. Weil die Liebe in ihrer Beziehung auf Gott und den Nächsten eine doppelte ist, so erglüht auch der Carmosin in doppelter Färbung. Wer also über der Gottesliebe die Sorge für den Nächsten vernachlässigt oder mit dieser letzteren sich so zu thun macht, daß er dadurch in der Liebe Gottes lau wird, der versteht es nicht, weil er Eines von Beiden vernachlässigt, als Schmuck des Schulterkleides den doppelt gefärbten Carmosin zu tragen. Wenn aber die Seele sich bestrebt, das Gebot der Liebe zu erfüllen, so erübrigt noch ohne Zweifel, daß auch das Fleisch durch Enthaltsamkeit abgetödtet werde. Deßhalb kommt zum zweimal gefärbten Carmosin der gezwirnte Byssus, der sehr schön aus der Erde hervorsproßt.41Was bedeutet er anders als die Keuschheit, den blendend weissen Schmuck körperlicher Unversehrtheit? Gezwirnt ist er in den Schmuck des Schulterkleides verwoben, weil nur dann die Keuschheit zum vollen Glanze der Reinheit gelangt, wenn das Fleisch durch Enthaltsamkeit gezügelt wird. Wenn nun zu den übrigen Tugenden auch das Verdienst leiblicher Abtödtung kommt, so erglänzt gleichsam der gezwirnte Byssus am Schulterkleide in verschiedenen Farben. Wenn ich ferner die Pflicht des Hirten, da zu reden, dort zu schweigen, erwäge, so bemerke ich mit Furcht, wie nothwendig es sei, daß er vorsichtig im Schweigen und nutzbringend im Reben sei, damit er nicht schweige, wo er reden, und rede, wo er schweigen soll. Denn wie unvorsichtiges Reden zu Irrthum führt, so überläßt unzeitiges Stillschweigen Jene beim Irrthum, die man hätte belehren können. Oft scheuen sich ja sorglose Seelenhirten, die Wahrheit freimüthig auszusprechen, weil sie sonst die Gunst der Menschen einbüßen könnten, und bewachen so die Heerde, wie die ewige Wahrheit selbst sagt, nicht mit Hirtensorgfalt, sondern nach Art der Miethlinge, weil sie den Wolf kommen seben und fliehen, indem sie sich in Stillschweigen hüllen. Deßhalb tadelt sie der Herr durch den Propheten als „stumme Hunde, die nicht bellen können.”42Darum klagt er an einer ändern Stelle: „Ihr erhebet euch nicht zum Widerstand und setzet euch nicht zur Mauer für das Haus Israel, um fest zu stehen im Streite am Tage des Herrn.“43 „Sich zum Widerstand erheben” heißt, zur Vertheidigung ber anvertrauten Heerde mit freimüthigem Worte der weltlichen Macht entgegentreten. „Am Tage des Herrn aber im Streite fest stehen heißt, aus Liebe zur Gerechtigkeit ungerechten Gegnern Widerstand leisten. Wenn ein Hirte sich fürchtet, die Wahrheit zu sagen, was ist das Anderes, als die Flucht ergreifen durch eben dieses Stillschweigen? Wer aber für seine Heerde sich der Gefahr aussetzt, der setzt sich als Mauer für das Haus Israel den Feinden gegenüber. Darum wird dem sündhaften Volke gesagt: „Deine Propheten erschauten Dir Lüge und Thorheit und enthüllten Deine Missethaten nicht, Dich zur Buße zu bewegen.“44 Die Lehrer werden nemlich in der hl. Schrift bisweilen Propheten genannt, weil sie auf die Vergänglichkeit der gegenwärtigen Dinge hinzuweisen und die Zukunft zu enthüllen haben. Sie wirft ihnen vor, daß sie Lüge erschauen, weil sie sich fürchten, die Sünden zu strafen und mit eitler Beruhigung dem Lasterhaften schmeicheln. Sie decken die Ungerechtigkeit der Sünder nicht auf, weil sie jedes Wort des Tadels unterlassen. Die Strafrede ist der Schlüssel, der die Einsicht in eine Sünde erschließt, die oft Derjenige selbst nicht erkannte, der sie beging. Darum sagt Paulus: „Er soll im Stande sein, in der gesunden Lehre zu unterrichten und die Widersprecher zu widerlegen.” 45Und Malachias: „Die Lippen des Priesters sollen die Wissenschaft bewahren, und das Gesetz soll man holen aus seinem Munde; denn ein Engel des Herrn der Heerschaaren ist er.“46 Und der Herr ermahnt durch Isaias: „Rufe ohne Aufhören, wie eine Posaune erhebe deine Stimme!”47Ein Heroldsamt hat nämlich übernommen, wer immer zum Priesterthum emporgestiegen ist; denn rufend geht er der Ankunft des Richters vorher, der vom Schrecken begleitet ihm nachfolgt. Wenn der Priester aber nicht zu predigen weiß, welche Stimme wird er als stummer Herold von sich geben? Darum ließ sich der hl. Geist in Zungengestalt auf die ersten Hirten nieder; augenblicklich machte er beredt, die er erfüllt hatte. Aus demselben Grunde würde dem Moses empfohlen, daß der Hohepriester bei seinem Eintritt in das hl. Zelt von Glöckchen umgeben sei. Dieß bedeutete, daß der Priester zu predigen verstehen müsse, damit er nicht den vom Himmel blickenden Richter durch sein Stillschweigen beleidige. Denn es steht geschrieben: „Sein Schall werde gehört, wenn er aus- und eingeht im Heiligthume, damit er nicht sterbe.“48 Der Priester stirbt bei seinem Eintritt oder Austritt, wenn man keinen Schall von ihm hört, weil er den Zorn des verborgenen Richters sich zuzieht, wenn er ohne den Schall der Predigt einhergeht. Bedeutungsvoll wird beschrieben, daß die Glöckchen an seinen Kleidern befestigt waren. Denn was Anderes als die guten Werke haben wir unter den Kleidern des Priesters zu verstehen, nach dem Zeugniß des Propheten: „Deine Priester sollen mit Gerechtigkeit bekleidet sein.”49 An den Kleidern hängen also die Glöckchen, weil auch die Werke des Priesters zugleich mit dem Schall seiner Stimme den Weg des Lebens verkündigen sollen.
Aber auch Dieß ist in Erwägung zu ziehen, wenn der Seelenhirte zu reden sich anschickt, mit welch sorgsamer Vorschrift er zu reden habe, damit er nicht, wenn er vom ungeordneten Redestrom sich fortreissen läßt, die Herzen der Hörer in schädlichen Irrthum führe und das Band der Einheit unweise zerrisse, während er vielleicht als Weiser erscheinen möchte. Mit Bezug hierauf sagt ja die ewige Wahrheit: „Habet Salz in euch und Frieden unter einander!“50Das Salz bezeichnet nämlich die Weisheit des Wortes. Wer daher mit Weisheit reden will, muß sich sehr in Acht nehmen, daß er nicht durch seine Rede bie Einigkeit unter seinen Zuhörern störe. Aus diesem Grund mahnt Paulus: „nicht höher zu denken, als sich geziemt, sondern bescheiden zu denken.”51Deßhalb wechselten nach göttlichem Befehl an dem hohepriesterlichen Gewande Granatäpfel mit den Glöckchen ab. Denn die Granatapfel bedeuten die Einheit im Glauben. Wie bei dem Granatapfel eine äussere Rinde viele Kerne im Innern umschließt, so umfaßt die Einheit im Glauben der hl. Kirche die unzähligen Völker, die innerlich durch ihre verschiedenartigen Verdienste mit einander verbrüdert sind. Dann also lassen wir die Glöckchen mit Granatäpfeln abwechseln, wenn wir bei Allem, was wir sagen, die Einheit im Glauben behüten.
Wenn ich dann zu erwägen suche, wie der Seelenhirte beschaffen sein müsse in Bezug auf das Mitleid gegen den Nächsten und in Bezug auf die Betrachtung, so finde ich, daß er Allen ber Nächste sein müsse durch mitIeidige Liebe und mehr als Alle der Betrachtung ergeben. Denn mit einem Herzen voll Liebe muß er die Schwachheit der Andern auf sich nehmen und durch erhabene Beschauung sich im Verlangen nach der unsichtbaren Welt über sich selbst erheben, damit er nicht Hohes erstrebend die Schwachheit des Nächsten verachte oder bei der Herablassung zu dem Elend des Nächsten das höhere Streben aufgebe. So wurde Paulus in das Paradies geführt und erforschte des dritten Himmels Geheimnisse, und doch gibt er diese Betrachtung himmlischer Dinge auf und richtet sein Augenmerk auf das Ehebett fleischlicher Menschen. Und obwohl die Ehe nur heilig ist im Hinblick auf die Kindererzeugung, so läßt er doch auch der Fleischeslust einigen Spielraum, indem er spricht: „Um die Unzucht zu meiden, habe Jeder sein Weib, und eine Jede habe ihren Mann.“52 Siehe, schon war er in die himmlischen Geheimnisse eingeweiht, und doch beschäftigt er sich aus herablassender Liebe mit dem Ehebette fleischlicher Menschen, und dasselbe Geistes-Auge, das er entzückt zu den unsichtbaren Dingen erhebt, senkt er herab zu den Geheimnissen der Ehe. Bis über den Himmel erschwingt er sich in der Betrachtung, aber seine Sorgfalt ist nicht unbekümmert wegen des Ruhelagers der fleischlichen Menschen. Denn durch das Band der Liebe ist ihm das Höchste wie das Niedrigste nahe, und während er durch die Kraft des Geistes für sich selbst mächtig nach oben gezogen wird, läßt er sich gleichmüthig von der Liebe gegen Andere zum Niedrigsten herabführen. Gemäß dieser mitleidigen Liebe sagt er auch: „Wer ist schwach und ich bin es nicht mit ihm? Wer wird geärgert und ich entbrenne nicht darüber?”53 Ebenso: „Den Juden bin ich wie ein Jude geworden."54 Dieß behauptet er nicht, als wollte er den Glauben aufgeben, sondern indem er seine Liebe ausdehnte und die Ungläubigen gleichsam in seine eigene Person verwandelte, damit er an sich selbst erkenne, wie er Anderer sich erbarmen müsse, um ihnen leisten zu können, was er selbst in gleicher Lage wünschen würde, daß ihm geleistet würde. Darum sagt er auch: „Sei es, daß wir im Geiste entrückt sind, so ist es für Gott, oder sei es, daß wir nüchternen Sinnes sind, so ist es für Euch. 55 Denn er verstand es, sowohl durch die Betrachtung sich über sich selbst zu erheben, als auch herablassend sich seinen Zuhörern anzupassen. Deßhalb sah auch Jakob, als oben der Herr erschien und unten der Stein gesalbet wurde, die Engel auf- und niedersteigen, weil nämlich die ächten Prediger nicht nur in ihrer Betrachtung das heilige Haupt der Kirche, den Herrn selbst suchen, sondern auch zu seinen Gliedern in Barmherzigkeit sich herablassen. Deßhalb geht auch Moses im hl. Zelte öfters ein und aus und während er in demselben in Betrachtung versenkt ist, bedrängen ibn ausserhalb desselben die Angelegenheiten der Schwachen. Im hl. Zelte betrachtet er die Geheimnisse Gottes, ausserhalb desselben trägt er die Lasten fleischlich gesinnter Menschen. Auch nahm er in zweifelhaften Fällen immer zur Stiftshütte seine Zuflucht und berieth den Herrn vor der Bundeslade. Ohne Zweifel gab er hiedurch den Seelenführern ein Beispiel, wie sie bei jedem Zweifel hinsichtlich ihrer äussern Anordnungen sich im Innern wie in einem hl. Zelte sammeln und gleichsam wie vor der Bundeslade den Herrn berathen sollen, indem sie in innerer Sammlung über ihre Zweifel die Blätter des göttlichen Wortes befragen. Auch die Wahrheit selbst, die sich uns durch Annahme unsrer Natur offenbarte, vertiefte sich auf dem Berge in’s Gebet und wirkte Wunder in den Städten. Sie wollte dadurch den guten Seelenhirten den Weg zur Nachfolge bahnen, auf daß sie zwar in der Betrachtung das erhabenste Ziel anstreben, aber voll Mitleid die Bedürfnisse der Schwachen wahrnehmen sollen. Denn dann erbebt sich die Liebe wunderbar zur Höhe, wenn sie barmherzig sich an das Elend des Nächsten kettet, und durch dieselbe Kraft schwingt sie sich mächtig zur hochsten Höhe, durch die sie auch zur tiefsten Tiefe liebreich herniedersteigt.
Aber bei dieser mitleidsvollen Liebe muß sich der Hirte so betragen, daß seine Untergebenen kein Bedenken tragen, ihm auch ihre geheimen Fehler anzuvertrauen, sondern wie zum Mutterherzen sollen die noch Schwachen, wenn sie den Sturm der Versuchung erleiden, zu seinem Herzen eilen und durch seine Ermahnung aufgerichtet mit Gebetsthränen hinwegwaschen, womit sie sich in Folge des Reizes der Sünde befleckt fühlen. Deßhalb befand sich vor der Tempelpforte das eherne Meer, d. h. das Waschbecken zur Handwaschung für die Eintretenden, von zwölf Rindern getragen, deren Kopf nach aussen sichtbar war, ihr Rücktheil aber verborgen. Denn was bedeuten diese zwölf Rinder als die Gesammtheit der Hirten? Von diesen sagt das Gesetz, wie Paulus anführt: „Du sollst dem dreschenden Ochsen das Maul nicht verbinden." 56Wir sehen von ihnen ihre äusseren Werke, aber es ist uns verborgen, was sie im geheimen Gerichte vor dem strengen Richter später erwartet. Wenn sie nun ihre herablassende Geduld den Bekenntnissen und der Tilgung der Sünden ihrer Mitmenschen zuwenden, — dann tragen sie gleichsam das Waschbecken vor der Tempelpforte, damit Jeder, der zur Pforte des ewigen Lebens eingehen will, dem Herzen des Hirten seine Versuchungen offenbaren und gleichsam in dem von Rindern getragenen Waschbecken von den Sünden in Gedanken oder Werken sich reinigen könne. Dabei kommt es nicht selten vor, daß auch des Hirten Seele durch dieselben Versuchungen belästigt wird, die er von Andern, um ihnen zu helfen, gehört hat; denn natürlich wird das Wasser des Beckens durch denselben Schmutz verunreinigt, den es an der Volksmenge getilgt hat, indem es den Schmutz Aller, die sich waschen, in sich aufnimmt, verliert es den Glanz der eigenen Reinheit. Aber davor darf der Hirte keine Scheu haben, — denn vor Gott, der Alles genau abwägt, entgeht er um so leichter der eigenen Versuchung, mit je größerer Barmherzigkeit er sich wegen einer fremden Versuchung abgemüht hat.57
Wenn ich sodann erwäge, wie beschaffen der Seelenführrer sein müsse in Bezug auf Demuth und Strenge, so finde ich, daß er für die Rechtschaffenen ein demüthiger Bundesgenosse sein, den Lastern der Gottlosen aber mit eifernder Gerechtigkeit gegenüber stehen müsse. Den Guten soll er sich in Nichts vorziehen; wenn es aber die Sünde der Bösen erfordert, soll er sich der Gewalt seines Vorsteheramtes erinnern. Gegen die gut gesinnten Untergebenen zeige er sich ohne Rücksicht auf seine Würde als gleichgestellt, gegen die Fehler der Bösen erhebe er sich mit dem Eifer der Gerechtigkeit. Darum wollte Petrus, der nach Gottes Anordnung den obersten Rang in der hl. Kirche einnimmt, von dem rechtschaffenen Cornelius, der sich demüthig vor ihm niederwarf, keine übertriebene Ehrenbezeugung und erkannte ihn als Bruder an, indem er sprach: „Stehe auf, thue das nicht, auch ich bin ein Mensch.“58Als er aber den Ananias und die Saphira schuldig sah, zeigte er sogleich, wie weit er an Macht alle Andern überrage. Mit einem Worte raubte er ihnen das Leben, welches er durch Erleuchtung des hl. Geistes als schuldbar erkannt hatte; er erinnerte sich, daß er in der Kirche oberster Richter der Sünder sei, wovon er bei den rechtschaffenen Mitbrüdern Nichts zu wissen schien, obgleich ihm überreichlich Ehre erwiesen wurde. Hier verdiente die Heiligkeit der Handlungsweise gleichheitliche Betheiligung, dort erforderte der Eifer für die Gerechtigkeit Ausübung der Amtsgewalt. Deßhalb wußte Paulus Nichts von einem Vorzug vor wohlgesinnten Brüdern, da er sprach: „Wir wollen nicht Herrschaft ausüben über euern Glauben, sondern Mitbeförderer eurer Freude sein.”59Er fügt bei: „Denn ihr stehet fest im Glauben," gleich als wollte er seine Worte erklären und sagen: Deßhalb üben wir keine Herrschaft über euern Glauben, weil ihr ohnehin schon fest in demselben begründet seid. Wir sind euch gleich, weil wir euch darin fest begründet sehen. Als ob er Nichts von einem Vorzug wisse, sagt er: „Wir sind klein geworden in eurer Mitte“60und anderswo: „Wir sind eure Diener durch Christus.”61Da er aber eine Schuld zu tadeln findet, erinnert er sich, daß er Lehrer ist, und spricht: „Was wollt ihr, soll ich mit der Ruthe zu Euch kommen?"62Das höchste Regierungsamt wird also dann gut verwaltet, wenn der Vorsteher mehr über die Fehler als über die Brüder Herrschaft ausübt. Derjenige übt die empfangene Gewalt in rechter Weife aus, der sie sowohl zu handhaben als auch im Zaume zu halten weiß. Der übt sie in rechter Weise, der es versteht, kraft derselben sich gegen die Sünder zu erheben, der es aber auch versteht, trotz derselben sich Andern gleichzustellen.
Die Tugend der Demuth ist aber so zu üben, daß die Amtsrechte dadurch nicht preisgegeben werben; denn wenn der Vorgesetzte mehr als geziemend sich vergibt, so kann er das Leben seiner Untergebenen nicht mehr in den Schranken der Zucht halten. Und so ist die Strenge der Zucht aufrecht zu erhalten, daß die Sanftmuth dabei sich nicht verliere, während der Eifer über Gebühr entflammt. Oft geben sich ia Laster für Tugenden aus; so will der Geiz als Sparsamkeit, die Verschwendung als Freigebigkeit, die Grausamkeit als Gerechtigkeitseifer, die Schwäche als Mitleid erscheinen. Strenge und Milde also sind verkehrt, so oft die eine ohne die andere ausgeübt wird, sondern mit großer Unterscheidungskunst muß sowohl die gerecht verfahrende Barmherzigkeit als auch die mild strafende Strenge angewendet werden. Dieß lehrt die ewige Wahrheit durch die Sorgfalt des Samariters, der den Halbtodten in die Herberge führt und ÖI und Wein in seine Wunden gießt. Denn der Wein sollte die Wunden schmerzhaft reinigen, das Öl lindern. So muß, wer das Amt hat, Wunden zu heilen, durch den Wein Schmerz erregen, durch das Öl aber mitleidige Linderung bringen, damit der Wein die Unreinigkeit entferne, das Öl aber die Heilung durch Schmerzeslinderung vorbereite. Es herrsche also Liebe, aber keine Schlaffheit, es herrsche Kraft, aber keine Härte. Dieß deutete die Bundeslade im hl. Zelte an, in welcher sich zugleich mit den Gesetztafeln auch der Stab Aarons und Manna befand; denn in dem Herzen des guten Seelenführers muß sich mit der Kenntnis der hl. Schrift zugleich auch der Stab der Strenge und das Manna der Milde befinden.
Wenn ich nun, nachdem ich die Last des Hirtenamtes auf mich genommen, alles Dieß und noch viel Anderes dieser Art erwäge, so scheine ich zu sein, was ich in Wirklichkfeit nicht sein kann, besonders weil jeder Inhaber dieses Stuhles sich sehr viel mit irdischen Sorgen zu beschäftigen hat, so daß man oft zweifeln möchte, ob er ein Hirtenamt oder ein weltliches Besitzthum verwalte. Zwar kann kein geistlicher Vorsteher sich ganz von den Sorgen für äussere Dinge frei machen, aber er muß sich doch sehr Mühe geben, daß ihn dieselben nicht zu viel in Anspruch nehmen. Deßhalb heißt es mit Recht bei Ezechiel: „Die Priester sollen ihr Haupt nicht kahl scheeren, noch sich das Haar wachsen lassen, sondern sich die Haare ringsherum zuschneiden." 63Denn was bedeuten die Haupthaare als die auf das Aüssere gerichteten Gedanken der Seele? Da jene unbemerkt über dem Scheitel wachsen, so bezeichnen sie die Sorgen für dieses zeitliche Leben, welche aus unbewachtem und lauem Herzen entspringen, ohne daß wir es sonderlich bemerkten, weil sie so un vermuthet kommen. Weil also alle Vorsteher sich mit weltlichen Sorgen befassen müssen, sich aber doch ihnen nicht zu viel hingeben dürfen, darum wird bedeutungsvoll den Priestern ebensowohl verboten, das Haupt kahl zu scheeren, als die Haare wachsen zu lassen; denn sie sollen die irdischen Gedanken hinsichtlich der Lebensweise ihrer Untergebenen weder ganz von sich fern halten noch denselben allzu freien Spielraum lassen. Deßhalb heißt es nicht ohne Grund: „Rings herum sollen sie sich die Haare abschneiden, weil man irdische Sorgen, so weit es nothwendig ist, zulassen, sie aber rechtzeitig beseitigen muß, damit.sie nicht zu sehr Oberhand nehmen. Wenn also einerseits durch sorgfältige Verwaltung der äussern Güter das zeitliche Leben der Untergebenen vor Nachtheil bewahrt und anderseits dem erhabenen Schwung der Seele kein Hinderniß bereitet wird, weil man das Zeitliche mit weiser Mäßigung besorgt — dann bleiben gleichsam die Haare aus dem Haupte des Priesters zur Bedeckung der Haut stehen, werden aber beschnitten, damit sie das Gesicht nicht verhüllen. Auf diesem Stuhle aber sehe ich nicht, wie man diese weise Mäßigung einhalten könnte, da alle Tage so viele Fälle zur Erledigung vorliegen, daß dadurch der Geist erdrückt, der Leib aber getödtet wird. Darum, heiligster Bruder, bitte ich dich bei dem zukünftigen Richter, bei dem Chore der vielen tausend heiligen Engel, bei der triumphirenden Kirche der Erstlingserlösten im Himmel,— unterstütze mich, der ich unter der Last dieses Hirtenamtes zusammensinke, durch die Hilfe Deines Gebetes, auf daß die übernommene Last mich nicht über meine Kräfte beschwere. Eingedenk indessen des Wortes: „Betet für einander, damit ihr das Heil erlanget!" 64spende auch ich, um was ich bitte. Aber möge auch mir zu Theil werden, was ich spende. Denn wenn wir durch gegenseitige Gebetsunterstützungen mit einander verbunden sind, so reichen wir uns gleichsam bei einer Wanderung auf schlüpfrigem Pfade die Hände, und es zeigt dann als herrliche Wirkung der Liebe, daß die Liebe eines jeden Einzelnen umsomehr gekräftigt wird, je mehr Einer auf den Andern sich stützt.
Weil man aber „mit dem Herzen glaubt zur Gerechtigkeit, während mit dem Munde das Bekenntniß geschieht zur Seligkeit,"65so bekenne ich, daß ich die vier Concilien annehme und verehre wie die vier heiligen Evangelien nämlich: das zu Nicäa, welches die gottlose Lehre des Arius verwirft, das zu Konstantinopel, welches die Irrlehe des Eunomius und Macedonius widerlegt, das erste von Ephesus, auf welchem der Frevel des Nestorius verurtheilt wurde, endlich das von Chalcedon, auf welchem die Bosheit des Eutyches und Dioscorus verdammt worden ist. Mit vollem GIauben stütze ich mich auf dieselben und halte sie mit aufrigtigster Zustimmung aufrecht. Wie auf einem quadratischen Grundstein erhebt sich über denselben der Tempel des hl. Glaubens, und wer immer auf diesen festen Grund sich nicht stützt, sei sein Leben und seine Handlungsweise wie immer beschaffen, der mag zwar ein Baustein zu sein scheinen, aber er ist dem Bau nicht eingefügt — Auch das fünfte Concilium verehre ich auf gleiche Weise; dasselbe verwirft den Brief, der dem Ibas zugeschrieben wird und voll des Irrthums ist; es beweist, daß Theodor,66der die Person des Mittlers zwischen Gott und den Menschen theilt in gottlose Ketzerei verfallen sei; auch verwirft dasselbe die Schriften des Theodoret, welche den Glauben des hl. Cyrillus tadeln wagten, als ein Werk unsinniger Verwegenheit. Alle Personen, welche die genannten verehrungswürdigen Concilien verwerfen, verwerfe auch ich; die sie aber annehmen, nehme auch ich an. Denn da ihre Rechtsgiltigkeit durch allgemeine Übereinstimmung67feststeht, so zieht sich und nicht ihnen den Boden weg, wer immer zu lösen wagt, wen diese Binden, oder zu binden, wen diese lösen. Wer aber anders denkt, der sei im Banne. 68 Wer aber am Glauben der genannten Synoden festhält, dem sei Friede von Gott dem Vater durch Jesus Christus, seinem Sohn, der mit ihm lebt und regiert, gleichwesentlich als Gott in der Einheit des hl. Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
XIII. (26.) An den Patriarchen Athanasius von Antiochia.
XIII. Gesammtausgabe 26.
An den Patriarchen Athanasius von Antiochia.
Inhalt: Der erste Theil ist fast identisch mit dem sechsten Brief dieses Buches. Gregor zeigt noch deutlich seine Verehrung für den heldenmüthigen Beekenner, dessen Recht er schon im Synodalschreiben gewahrt hatte, und sendet ihm Schlüssel des hl. Apostel Petrus. — (Daß der erste Theil des Briefes gleichlautend ist mit Brief 6, hat wohl darin seinen Grund, daß letzterer nicht abgesandt worden, sondern als Concept liegen geblieben war. Siehe 6. Brief.)
Was die Ruhe für den Müden, die Gesundheit für den Kranken, die Quelle für den Dürstenden, das waren die Briefe Ew. Heiligkeit für mich. Denn jene Worte schien nicht die fleischliche Zunge zu sprechen, sondern ließen so sehr die geistige Liebe, von der sie eingegeben waren, erkennen, als ob die Seele selbst reden würde. Aber was Ihr weiter schreibet, ist sehr hart: Eure Liebe verlangt, daß ich die Last der Erde trage; und während Ihr zuerst mich in geistiger Weise liebet, liebet Ihr mich gleich darauf, wie mir scheint, nach Art dieser Welt und drückt mich durch die auferlegte Last zu Boden, so daß ich ganz die gerade Richtung und den Sinn für die Betrachtung verliere und nicht im Geiste der Weissagung, sondern nach Erfahrung sprechen muß: „Ich bin gebeugt und gar sehr verdemüthigt worden." Denn mich drücken so lästige Geschäfte, daß ich kaum die Seele nach oben zu erheben vermag. Denn wie von vielen Wellen werde ich von Streitigleiten hin- und hergezogen und nach so friedlicher Ruhe vom betäubenden Stürm des Lebens bedrängt, so daß ich mit Recht sagen kann: „Ich bin in die Tiefe des Meeres gekommen, und der Sturm hat mich versenkt.“ Reichet mir in dieser Gefahr durch Euer Gebet die Hand, Ihr, die Ihr am Ufer stehet. Wenn Ihr aber mich den Mund des Herrn und eine Leuchte nennet, von der Ihr behauptet, daß sie Vielen nützen, Vielen leuchten könne, so gestehe ich, Ihr habt mich in den größten Zweifel gestürzt. Erwäge ich nämlich, wer ich bin, so finde ich an mir kein Zeichen solcher Vortrefflichkeit. Erwäge ich aber, wer Ihr seid, so denke ich, Ihr könnt nicht lügen. Wenn ich also Euren Worten glauben will, so lehnt sich meine Armseligkeit dagegen auf. Will ich aber anstreiten, was zu meinem Lob gesagt wird, so steht Eure Heiligkeit dagegen. Aber ich bitte, heiliger Mann, laßt uns diesen Streit durch einen Vergleich dabin beenden, daß Euer Wort Wahrheit werde, weil Ihr es sprächet, obschon es bis jetzt nicht Wahrheit ist. Übrigens habe ich das Synodalschreiben ebenso an Euch wie an die andern Patriarchen als Eure Standesgenossen gerichtet; denn vor mir seid Ihr immer das, wozu euch der allmächtige Gott durch seine Gnadengabe gemacht hat, nicht was die Menschen durch willkürliche Entsetzung aus Euch gemacht haben. Dem Überbringer dieses Briefes, dem Defensor Bonifacius, habe ich Einiges aufgetragen, was er Euch im Geheimen melden soll. Auch übersende ich Euch Schlüssel des Apostels Petrus, der Euch lieb hat; Kranken aufgelegt, pflegen sie durch Wunder zu glänzen.
XIV. (27.) An den Erzbischof Anastasius von Korinth.
XIV. Gesammtausgabe 27.
An den Erzbischof Anastasius von Korinth.69
Inhalt: Anzeige der Wahl und Weihe. Aufforderung zur Kirchengemeinschaft. Empfehlung des Gesandten an den kaiserlichen Hof.
So unerforschlich die Gerichte Gottes sind, so furchtbar sind sie für menschliche Gedanken; aber weil die sterbliche Vernunft sie nicht zu begreifen vermag, darum muß sich das Herz ihnen demüthig unterwerfen, und wohin der Wille des Herrn führt, dorthin muß ihm die Seele mit gehorsamen Schritten folgen. Ich wollte nun in der Erwägung, daß meine Schwäche der Erhabenheit des apostolischen Stuhles nicht zu entsprechen vermöge, dieser Last mich entziehen, um nicht in der Ausübung des Hirtenamtes durch zu ungeeignete Verwaltung zu unterliegen. Aber weil man sich dem Befehle des Herrn nicht widersetzen darf, so habe ich mich gehorsam der Arbeit unterzogen, welche die barmherzige Hand des Herrn mir angewiesen hat. Ew. Brüderlichkeit aber hatte ich es, auch wenn sich die gegenwärtige Gelegenheit nicht ergeben hatte, doch nothwendig anzeigen müssen, daß mich der Herr trotz meiner Unwürdigkeit auf den apostolischen Stuhl erhoben habe. Da also sowohl die Natur der Sache Dieß mit sich brachte als auch durch den Überbringer dieses Schreibens, den Defensor Bonifacius, eine Gelegenheit sich darbot, so wollten wir Ew. Brüderlichkeit nicht nur schriftlich Unsre Liebeswünsche darbringen, sondern auch Unsre Weihe anzeigen, was Euch, wie Wir glauben, erwünscht sein wird. Möge also Ew. Liebe Uns durch ein Antwortschreiben hinsichtlich der Kirchengemeinschaft und durch erwünschte Nachricht über Euer Wohlergehen erfreuen, damit die leibliche Trennung, welche Uns durch die örtliche Entfernung auferlegt ist, durch Briefwechsel aufgehoben werde. Auch ersuchen Wir Eure priesterliche Liebe, dem Überbringer dieses Schreibens, da Wir ihn wegen einigen nothwendigen Angelegenheiten an den Hof Unsers allergnädigsten Kaifers beordert haben und die veränderliche Jahreszeit mannigfache Reisehindernisse zu bereiten pflegt, in Allem verhilflich zu sein, was er bedarf, sei es für eine Landreise oder ein geeignetes Schiff ausfindig zu machen, damit er seine Sendung mit Gottes Gnade schneller vollziehen könne.
XV. (30.) An erlauchten Andreas.
XV. Gesammtausgabe 30.
An erlauchten Andreas.
Inhalt: Freundschaftliche Uebersendung eines Schlüssels, der am Leibe des hl. Petrus berührt war, mit einem Stück der Ketten desselben hl. Apostels.
Der allmächtige Gott präge es Eurem liebreichen Herzen ein, daß Wir, obwohl dem Leibe nach abwesend, Eurer Liebe nicht untreu geworden sind. Denn wenn ich auch wollte, könnte ich Eure Gutthaten nicht vergessen. Daß ich aber, wie Ihr wisset, zur Bischöflichen Würde gekommen bin, das beweinet, wenn Ihr mich liebet! Denn da muß ich mich so sehr mit der Welt beschäftigen, daß ich gerade durch die bischöfliche Würde mich fast von der Liebe Gottes losgetrennt sehe. Dieß beweine ich unaufhörlich und bitte, daß Ihr für mich zum Herrn flehet — Ausserdem schicke ich Euch einen Schlüssel, der am Leihe des hl. Apostels Petrus berührt ist; Kranken aufgelegt, pflegt er durch mancherlei Wunder zu glänzen. Es befindet sich in demselben eingeschlossen auch Etwas von den Ketten desselben hl. Apostels. Jene Ketten, die einst einen so heiligen Nacken fesselten, mögen, um euren Hals gehängt, denselben heiligen!
XVI. (31.) An den Exconsul, Patricier und Quästor Johannes.
XVI. Gesammtausgabe 31.
An den Exconsul, Patricier und Quästor Johannes.
Inhalt: Klage über die Erhebung zur päpstlichen Würde, wozu der Adressat beigetragen. Mahnung, die Welt zu fliehen. Reliquiensendung.
Nachdem ich die Güte Ew. Excellenz erfahren, bin ich von solcher Liebe zu Euch durchdrungen, daß der Gedanke an Euch nicht aus meinem Herzen schwindet. Aber trotz dieser Liebe bin ich über Euch nicht wenig betrübt, weil Ihr wußtet, daß ich nach Ruhe verlange, und mich doch in Unruhe gestürzt70habt. Der allmächtige Gott verleihe Euch dafür die ewigen Güter, weil Ihr es mit guter Meinung gethan habt; mich aber möge er von einer so gefährlichen Stellung befreien, wie es Ihm wohlgefällig sein wird. Denn zur Strafe für meine Sünden bin ich nicht sowohl Bischof der Römer als vielmehr der Longobarden geworden, deren Freundschaftserweisungen Schwertschläge, deren Gunst Bestrafung ist. Sehet, wohin mich Eure Verwendung geführt hat! Täglich seufze ich von Geschäften erdrückt und komme kaum zu Athem. Ihr aber fliehet die Weltgeschäfte, da es Euch noch möglich ist! Denn je mehr Jemand in der Welt vorwärts kommt, um so mehr nimmt er ab, wie ich erfahre, in der Liebe Gottes.
Hiebei schicke ich Euch einen hochheiligen, am Leibe des Apostelfürsten Petrus berührten Schlüssel, der, Kranken aufgelegt, häufig durch Wunder zu glänzen pflegt; es befindet sich in denselben eingeschlossen auch Etwas von den Ketten desselben Apostelfürsten. Dieselben Ketten, welche einst jenen heiligen Nacken fesselten, mögen, um Euren Hals gehängt, denselben heiligen!
XVII. (32.) An Philippus, den Befehlshaber der Leibwache.
XVII. Gesammtausgabe 32.
An Philippus, den Befehlshaber der Leibwache.
Inhalt: Dank für erwiesene Gunst. Empfehlung Italiens.
So wenig der Mensch die Urtheile des Himmels anstreiten oder in Untersuchung ziehen darf, so sehr ist er schuldig, sein Herz denselben zu unterwerfen. Weil er aber nicht weiß, aus welchem Grunde ihm Etwas zu Theil werde, darum darf er weder übereifrig sich um eine Stellung bewerben, noch hartnäckig eine solche zurückweisen. So habe denn auch ich Unwürdiger mich darein gegeben, die Last der bischöflichen Würde nach Gottes Befehl und nach Eurem Willen auf mich zu nehmen. Mehr aus übergroßer Gunst als nach abwägendem Urtheil habt Ihr gewollt, daß ich in dieses Amt eingesetzt werde. Gott, um dessen willen Ihr mich Unwürdigen liebet, ist indessen mächtig genug, Euch diese Gunst auf ewig zu vergelten und Euch bei Ihm reichlich vervielfältigt die Gnade finden zu lassen, die Ihr seinen unwürdigen Dienern erweiset. Möge sich aber Ew. Excellens die Angelegenheiten Italiens empfohlen sein lassen, damit Ihr, wie Ihr Euch gerne den Hilfsbedürftigen zuwendet, auch schnell in Allem Erhorung erlanget, was Ihr von Gott erbittet.
XVIII. (34.) An den ausgetretenen Mönch Venantius, Patrizier von Syrakus.
XVIII. Gesammtausgabe 34.
An den ausgetretenen Mönch Venantius, Patrizier von Syrakus.
Inhalt: Mahnung an denselben, ins Kloster zurückzukehren, zunächst sich dem Papste oder einer römischen Synode zu stellen. — Venantius war ohne Zweifel aus dem Kloster des hl. Andreas getreten, dessen Vorsteher Gregor selbst vor seiner Erhebung gewesen.
Viele thörichte Leute haben gemeint, daß ich, zum bischöflichen Amte erhoben, mich nicht mehr dazu verstehen würde, Dich zu ermahnen und mit Dir in Briefwechsel zu treten. Aber so ist es nicht, sondern gerade meine Stellung verpflichtet mich, nicht zu schweigen. Denn es steht geschrieben: „Rufe ohne Unterlaß, erbebe gleich einer Posaune deine Stimme!„71 Und anderswo: „ Ich habe dich zum Wächter über das Haus Israel bestellt; du sollst aus meinem Munde das Wort hören und es ihnen verkünden in meinem Namen.“72 Gleich darauf wird erklärt, welche Folgen es sowohl für den Wächter als den Hörer habe, je nachdem diese Verkündigung vollzogen oder unterlassen worden ist. „Wenn ich zu dem Gottlosen sage: Du wirst des Todes sterben, und du verkündigst es ihm nicht und sagst ihm’s nicht, daß er von seinem bösen Wege sich bekehre und lebe, so soll derselbe Gottlose in seiner Missethat sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Wenn Du’s aber dem Gottlosen verkündest und er sich nicht bekehrt von seiner Missethat und seinem bösen Wege, so soll derselbe zwar sterben in seiner Missethat, Du aber hast gerettet Deine Seele.“ Deßhalb sagt auch Paulus den Ephesiern: „Darum bezeuge ich auch an dem heutigen Tage, daß meine Hände rein sind von dem Blute Aller. Denn ich habe mich nicht entzogen, euch den ganzen Rathschluß Gottes zu verkünden.„73 Rein wäre er nicht von dem Blute Aller, wenn er ihnen den Rathschluß Gottes nicht hätte verkündigen wollen; denn hätte er als Hirte die Fehlenden nicht tadeln wollen, so hätte er sie ohne Zweifel durch sein Schweigen getödtet. Diese Erwägung treibt mich an, zu reden, es mag Dir lieb sein oder nicht; denn mit aller Entschiedenheit verlange ich, entweder Dich zu retten, oder schuldlos zu sein an Deinem Tode. Denn Du erinnerst Dich Deines frühern Standes und siehst den Abgrund, in welchen Du durch Nichtbeachtung des strengen Gerichtes Gottes gerathen bist. Bedenke also Deine Schuld, so lange es noch Zeit ist; fürchte Dich vor der Strenge des zukünftigenRichters, so lange Du Dich noch fürchten kannst, damit Du nicht erst dann die Bitterkeit dieser Strenge empfindest, wenn Du mit keinen Thränen ihr mehr zu entrinnen vermagst. Erwäge das Wort der Schrift: „Betet, daß eure Flucht nicht im Winter oder am Sabbath vor sich gehe.“ 74 Im Winter hindert nämlich der Frost die Reise, und nach der Vorschrift des Gesetzes ist das Reisen am Sabbath verboten. Im Winter oder am Sabbath sucht also zu fliehen, wer dem Zorne des strengen Richters erst dann zu entkommen sucht, wenn er nicht mehr gehen kann. So lange es also Zeit, so lange es gestattet ist, fliehe eine so schreckliche Strafe; erwäge, was geschrieben steht: „Thu‘ eifrig, was immer Deine Hand thun kann; denn in der Unterwelt, wohin Du eilst, ist weder Werk noch Vernunft, noch Weisheit, noch Wissenschaft.“75 Du weißt, daß nach Zeugniß des Evangeliums die Strenge Gottes uns müssiges Gerede vorhält und über jedes unnütze Wort genaue Rechenschaft fordert. Bedenke, wie sie gegen jedes böse Werk verfahren wird, wenn im Gerichte Einige schon wegen ihrer Worte verdammt werden! Ananias hatte Gott eine Geldsumme gelobt und sie ihm später auf Anrathen des Teufels vorenthalten. Aber Du weißt, welchen Tod er zur Strafe erlitt. Wenn also der Todesstrafe schon der schuldig war, welcher das Geld wieder zurücknahm, das er schon Gott gegeben hatte, so erwäge, welcher Strafe im göttlichen Gerichte schuldig sein wird, wer nichtt Geld, sondern sich selbst dem allmächtigen Gott, dem Du Dich im Ordensstande geweiht hattest, entzog. (Bedenke das Gericht Gottes und was Derjenige verdient, der sich selbst Gott geweiht und sodann, durch Weltlust verführt, sein Gelübde gebrochen hat.)76Wenn Du nun mit folgsamem Sinn auf meine Tadelworte hörst, so wirst Du am Ende erkennen, wie freundschaftlich und liebreich sie waren. Siehe, mit Betrübniß rede ich, ich müß es gestehen, und aus Trauer über Deinen Fehltritt kann ich kaum sprechen, und doch kann Dein schuldbewußtes Herz meine Worte kaum ertragen, es schämt sich, geräth in Verwirrung, wird böse. Wenn es also die Worte eines Staubgeborenen nicht ertragen kann, was wird es thun vor dem Richterstuhl des Schöpfers? Indessen muß ich gestehen, ich halte es für den größten Beweis der göttlichen Barmherzigkeit, daß sie Dich noch bei Leben erhält, obwohl sie Dich das wahre Leben fliehen sieht; sie sieht Dich im Übermuth und erträgt Dich; sie läßt durch ihre unwürdigen Diener Dir Worte der Zurechtweisung und Mahnung zukommen. Dieß ist etwas so Großes, daß Du sorgfältig erwägen solltest, was Paulus spricht: „Wir ermahnen euch, Brüder, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget; denn er spricht: Zur gnadenvollen Zeit erhöre ich Dich, und am Tage des Heiles helfe ich Dir. Sieh‘, nun ist die gnadenvolle Zeit, nun sind die Tage des Heiles.„ 77
Aber ich weiß, daß bei Empfang meines Briefes sogleich die Freunde zusammenkommen, die gelehrten Schützlinge gerufen werben, in einer Lebensfrage von Todesfreunden Rath erholt wird. Da diefe nicht Dich, sondern nur Dein Vermögen lieben, so sagen sie Dir nur, was Du gerade jetzt gerne hörst. Solche Ratbgeber sind es einst gewesen, wie Du Dich selbst erinnerst, die Dich zu Deinem so großen Fehltritt verleitet haben. Um Dir Etwas aus einem weltlichen Schriftsteller anzuführen: „Alles muß man mit den Freunden verhandeln, aber zuerst muß es gewiß sein, daß sie Freunde sind.“ 78Wenn Du aber in Deiner Sache einen Ratgeber suchst, so nimm mich als solchen an, ich bitte Dich darum. Niemand kann Dir mit größerer Treue rathen, als wer nicht Dem Vermögen, sonder Dich selbst liebt. Möge es Dir der allmächtige Gott zu erkennen geben, mit welcher Liebe und Zuneigung mein Herz Dich umfängt, jedoch ohne Hintansetzung der göttlichen Liebe. Denn so befeinde ich Deine Schuld, daß ich Deine Person dabei liebe; aber in solcher Weise liebe ich Deine Person, daß ich Deinen Fehltritt verabscheue. Wenn Du also an meine Liebe glaubst, so erscheine an der Schwelle des apostolischen Stuhles und laß mich Dein Rathgeber sein. Wenn man aber vielleicht mich für übertrieben hält in der Vertheidigung der Sache Gottes und wegen der Gluth meines Eifers für parteiisch, so will ich die ganze Kirche mit der Berathschlagung dieser Angelegenheit beschäftigen, und was Allen nützlich scheint, dem will ich in keinem Stücke entgegen sein, sondern mit Freuden einen allgemeinen Beschluß ausführen und genehmigen. Führe aber auch Du aus, wozu ich Dich gemahnt, — und die Gnade Gottes möge Dich behüten!
XIX. (Ges. Ausg. Nr. 35.) An den Bischof Petrus von Terracina.
XIX. Gesammtausgabe 35.
An den Bischof Petrus von Terracina.
Inhalt: Demselben wird seine zu harte Behandlung der Juden verwiesen und befohlen, ein denselben zugefügtes Unrecht wieder gut zu machen.
Der Jude Joseph, der Überbringer dieses Schreibens hat Uns in Kenntniß gesetzt, daß Deine Brüderlichkeit die Judenschaft von Terracina von einem Platze vertrieben habe, an dem sie zur Feier ihrer Feste zusammen zu kommen pflegte; sie hätten sich dann mit Deinem Wissen und Willen an einen andern Ort zu gleichem Zwecke begeben; jetzt beklagen sie sich, auch von diesem Orte verjagt zu sein. Wenn sich Dieß nun so verhält, so wollen Wir, daß Deine Brüderlichkeit diesen Grund zur Klage hinwegräume, und daß es der Judenschaft erlaubt sei, an dem Versammlungsplatz, den sie, wie gesagt, mit Deinem Vorwissen gewählt haben, nach bisheriger Sitte zusammen zu kommen. Denn die der christlichen Religion Fernstehenden müssen durch Sanftmuth, Wohlwollen, Ermahnung und Belehrung zum wahren Glauben geführt werden, damit sie nicht durch Drohungen und Schrecken abgehalten werden, während man sie durch liebreiche Ansprache und durch die Furcht vor dem zukünftigen Richter hätte für den Glauben gewinnen können. Sie sollen also gerne kommen, um von Euch das Wort Gottes zu hören, nicht aber vor Eurer übertriebenen Strenge erzittern.
XX. (36.) Gregorius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes,an den Subdiakon Petrus.
XX.Gesammtausgabe 36.
Gregorius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes,79an den Subdiakon Petrus. 80
Inhalt: Anweisungen hinsichtlich der Verwaltung der Kirchengüter. Ein schönes Denkmal der Gerechtigkeitsliebe Gregor’s.
Die Anweisung,81die ich Dir bei Deiner Abreise nach Sicilien mitgegeben, mußt Du fleißig und öfters lesen, denn mit größter Sorgfalt ist darüber zu wachen, daß sich die Bischöfe nicht mehr in zeitliche Angelegenheiten einlassen, als es die Noth und der Schutz der Armen erfordert. Was aber in dieser Anweisung hinsichtlich der Mönche und Kleriker steht, das, glaube ich, muß für jetzt beruhen. Gib gemäß Deiner Erfahrung so viel darauf Obacht, als es Dir möglich ist, in diesem Stücke meinen Wunsch zu erfüllen. Ausserdem habe ich vernommen, daß von den Zeiten des Defensors Antoninus bis jetzt, d. h. seit zehn Jahren, viele Leute durch die Verwalter des römischen Kirchengutes gewsames Unrecht erlitten hätten, so daß sie öffentlich klagten, man sei in ihren Besitz gewaltsam eingedrungen, habe ihre Sklaven fortgeschleppt, auch bewegliche Gegenstände ohne irgendwelchen Urtheilsspruch ohne Weiteres fortgenommen. Hinsichtlich all‘ dieser Punkte ist es mein Wille, daß Du gemäß Deiner Erfahrung sorgfältig nachforschest, und wenn Du findest, daß seit diesen zehn Jahren irgend Etwas mit Gewalt entrissen worden sei oder ungerechter Weise im Namen der Kirche vorenthalten werde, so gib es Dem, den Du als Eigenthümer erkennst, in Kraft gegenwärtiger Anordnung zurück. Denn es soll der Beschädigte nicht genöthigt sein, zu mir zu kommen und die Mühe einer so weiten Reise auf sich zu nehmen, besonders da die Wahrheit seiner Aussage hier doch nicht festgestellt werden kann. Im Hinblick also auf die Majestät des kommenden Richters gib Alles zurück, was mit Sünde genommen ist, und wisse, daß Du mir großen Gewinn verschaffest, wenn Du eher Verdienste als Reichthümer sammelst. Viele beklagen sich, wie Wir hören, über den Verlust ihrer Sklaven und geben an, wenn ein vielleicht seinem Herrn entfaufener Sklave sich als Eigenthum der Kirche erklärt habe, so hätten die Verwalter des Kirchengutes ihn sogleich als Eigenthum der Kirche in Beschlag genommen und ohne gerichtliches Urtheil die Aussage des Sklaven mit Gewalt zur Geltung gebracht. Dieß mißfällt mir ebenso sehr, als es Jeder Gerechtigkeit widerspricht. Deßhalb ist es mein Wille, daß Du nach Deiner Erfahrung von allen diesen Vorkommnissen Dir Kenntniß verschaffest und sie ohne alles Säumen in’s Reine bringest. Sollten noch solche Sklaven im Besitze der Kirche sein, so geziemt es sich, daß man sie vor jedem Urtheilsspruch zurückerstatte, wie sie ohne gerichtliches Urtheil ihrem Herrn entzogen worden sind. Sollten einige von diesen dennoch der heiligen Kirche von Rechtswegen zugehören, so müßte man gegen ihre Besitzer auf geordnetem Rechtsweg vorgehen. Mache Dieß alles ohne Zögern gut, denn dann wirst Du in Wahrheit ein Streiter des hl. Apostels Petrus sein, wenn Du in seiner Sache Recht und Wahrheit auch ohne Rückficht auf seine eigene Person aufrecht hältst! Wenn Du aber auch siehst, daß die Kirche Etwas mit Recht beanspruchen könne, so hüte Dich doch, bei Vertheidigung dieses Rechtes jemals Gewalt anzuwenden, besonders weil ich ein Gesetz mit Bannesandrohung erlassen habe, daß niemals von unsrer Kirche auf einem Stadt- ober Landgute Eigenthumszeichen82errichtet werden dürften; sondern was mit Recht den Armen gehört, das muß auch mit Recht vertheidigt werden, damit nicht durch schlechte Führung einer guten Sache uns vor dem allmächtigen Gott als Ungerechtigkeit angerechnet werde, was an und für sich mit Gerechtigkeit von uns hätte beansprucht werden dürfen. Ich wünsche, daß der Adel und der Mann von Verdienst Dich wegen Deiner Demuth liebe, nicht wegen Stolzes verabscheue. Und doch wenn Du sie etwa gegen Arme eine Ungerechtigkeit verüben siehst, so erhebe Dich von Deiner Demuth schnell in die Höhe, so daß Du ihnen unterwürfig bist, so lange sie recht handeln, aber ihr Gegner, wenn sie Böses thun. Handle so, daß Deine Demuth nie als Schwäche, Deine Autorität nie als Härte erscheine. Denn Deine Demuth muß gewürzt sein durch Gerechtigkeitsliebe, und diese muß durch die Demuth liebenswürdig gemacht werben. — Obwohl es sonst Sitte war, daß die Bischöfe am Geburtstage des Papstes eine Zusammenkunft hielten, so verhindere Dieß doch an dem Tage meiner Weihe, weil mir das übertriebene Wesen mit seiner Thorheit und Eitelkeit keine Freude macht. Wenn aber eine Zusammenkunft nothwendig ist, so soll sie am Feste des Apostelfürsten Petrus stattfinden, um Dem zu danken, durch dessen Gunsterweisung sie Hirten sind. Lebe wohl!
Gegeben den 16. März, im neunten Jahre des Kaisers Mauritius.
XXI. (42.) An den Subdiakon Anthemius.
XXI. Gesammtausgabe 42.
An den Subdiakon Anthemius.83
Inhalt: Adressat wird beauftragt, mit großer Strenge gegen berufsvergessene Mönche einzusschreiten.
Unser Bruder und Mitbischof Johannes hat durch seinen Kleriker Justus an Uns ein Schreiben gerichtet, worin er Uns unter Anderm mittheilt, daß einige Mönche aus den in der Diöcese Sorento gelegenen Klöstern nach Belieben von einem Kloster ins andere ziehen, sich von der Zucht ihres eigenen Abtes aus Weltsinn losmachen, und auch, daß sie, was bekanntlich verboten ist, der Sorge für ein persönliches Eigenthum sich hingeben. Deßhalb geben Wir Deiner Wohlerfahrenheit durch gegenwärtiges Schreiben den Auftrag, keinem Mönche mehr den Übertritt von einem Kloster ins andere zu gestatten, noch auch ihnen den Besitz irgend eines persönlichen Eigenthums zu gewähren. Wenn aber irgend ein Mönch Solches sich herausnehmen sollte, so werde er in sein erstes Kloster und unter die Zucht des Abtes, der er sich entzogen, sammt gebührender Strafe zurückversetzt, damit nicht, weil Wir solche Unordnung ungeahndet hingehen ließen, der Untergang der Seelen auf der Seele der Vorgesetzten laste. Solchen aber, die (aus irgend welcher Veranlassung) vom Stande der Weltgeistlichen in den Ordensstand übergetreten sind, sei es nicht gestattet, nach eigenem Ermessen wieder sich in Kirchendienste zurückzubegeben, sei es zu jener Kirche, bei der sie früher Dienste leisteten, oder zu einer andern. Nur dann soll Dieß gestattet sein, wenn ein Bischof einen erprobten Mönch, der früher sich in seinem Klerus84 befand, als des Priesterthums für würdig erachtet, ihn zu demselben auserwählt und ihm für eine bestimmte Stellung die Weihe ertheilt. 85 Da aber, wie Wir erfahren haben, einige Mönche sogar den Frevel gewagt haben, sich öffentlich zu verheirathen, so forsche sorgfältig diesen nach und schicke sie, wenn Du sie gefunden hast, mit gebührenber Strafe in die Klöster zurück, in welchen sie sich früher befanden. Aber auch mit den Klerikern, die zum Ordensstande übergetreten waren, verfahre so, wie Wir oben angegeben haben. Denn so wirst Du Gottes Antlitz versöhnen und des vollen Lohnes theilhaftig werden.
XXII. (43.) An den Bischof Leandervon Sevilla.
XXII. Gesammtausgabe 43.
An den Bischof Leander86von Sevilla.
Inhalt: Klage über Amtssorgen; Freude über die Bekehrung des Königs Reccareb; ob bei der Taufe eine einmalige oder dreimalige Untertauchung stattzufinden habe; Ueberschickung von Büchern, besonders der Erklärung des Job.
Von Herzen gerne hätte ich auf Eure Briefe geantwortet, wenn mich nicht die Mühseligkeit des Hirten-Amtes so sehr in Anspruch genommen hätte, daß mir das Weinen näher steht als das Reden. Ew. Hochwürden mag Dieß sogleich an der Form dieses Briefes erkennen, da ich mich so nachlässig gegen Denjenigen ausdrücke, den ich so sehr liebe. So sehr werde ich in meiner gegenwärtigen Stellung von den Fluthen dieser Welt hin und her gestoßen, daß ich mich ausser Stande sehe, das alte und morsche Schiff, dessen Leitung ich nach Gottes verborgenen Rathschlüssen übernommen habe, zum Hafen zu führen. Jetzt stürzen die Wogen gerade auf mich zu, jetzt bäumen sich mir zur Seite die schäumenden Meereswellen, jetzt bedroht mich ein Gewitter im Rücken. Bei all‘ dem muß ich verwirrten Sinnes bald das Steuerruder gerade gegen den Sturm lenken, bald den drohenden Fluthen mit seitwärts gesenktem Schiffe durch eine schiefe Wendung auszuweichen suchen. Ich seufze, weil ich bemerke, daß durch meine Nachlässigkeit das Bodenwasser der Laster87 zunimmt und bei der Heftigkeit des Sturmes schon die Bretter schiffbrüchig ächzen. Weinend gedenke ich des freundlichen Gestades meiner Ruhe, das mir entschwunden, und sehe seufzend das Land, das ich bei dem Gegenwind der Verhältnisse nicht zu erreichen im Stande bin. Wenn Du mich also liebst, theuerster Bruder, so reiche mir in diesen Wogen mit Deinem Gebete die Hand, damit Du, weil Du mir bei meiner Mühseligkeitt zur Seite stehest, zum gerechten Lohn dafür auch Kraft in Deinen eigenen Arbeiten empfangest.
Mit Worten kann ich meine Freude nicht ausdrücken über bie Nachricht, daß unser gemeinsamer Sohn Reccaredus, der ruhmwürdigste König, sich mit aufrichtigster Hingebung zum katholischen Glauben bekehrt habe. Durch Eure schriftliche Schilderung seines Charakters habt ihr mir Liebe gegen ihn eingeflößt, obwohl ich ihn nicht kenne. Aber weil Ihr, der Hinterlist des Urfeindes kundig, wohl wisset, daß er gegen die Sieger noch heftigern Krieg zu führen pflegt, so möge Ew. Herrlichkeit auch mit größerer Sorgfalt über ihn wachen, damit er das Begonnene gut vollende, auch auf seine vollbrachten guten Werke nicht stolz werde, den erkannten Glauben durch ein verdienstliches Leben sich bewahre und durch Thaten zeige, daß er ein Bürger des ewigen Reiches sei. So wird er dann nach dem Verlauf vieler Jahre vom irdischen zum himmlischen Reich übergehen.
Hinsichtlich der dreifachen Untertauchung bei der Taufe aber läßt sich nicht besser antworten, als Ihr selbst über die Sache geurtheilt habt; denn bei der Einheit im Glauben schadet der heiligen Kirche seine Verschiedenheit in den Gebräuchen. Wenn aber Wir88dreimal untertauchen, so deuten Wir damit das Geheimniß des dreitägigen Begräbnisses an, so daß durch die dritte Erhebung des Kindes aus dem Wasser die Auferstehung am dritten Tage versinnbildet wird. Wollte Jemand annehmen, daß Dieß zur Verehrung der allerheiligsten Dreifaltigkeit geschehe, so ist auch Nichts dagegen einzuwenden, daß der Täufling nur einmal im Wasser untergetaucht werde; denn da die eine Wesenheit dreipersönlich ist, so kann es nicht tadelswerth sein, ob das Kind nun einmal oder dreimal untergetaucht werde, weil durch die dreimalige Untertauchung die Dreiheit der Personen, durch die einmalige aber die Einheit der Gottheit ausgedrückt werden kann. Weil aber bis jetzt von den Irrgläubigen das Kind bei der Taufe dreimal untergetaucht wurde, so sollte es nach meiner Meinung bei Euch nicht geschehen, damit sie nicht eine Theilung in der Gottheit einführen, wahrend sie auf die Zahl der Untertauchungen halten, und sich nicht rühmen, über unsern Gebrauch den Sieg davon getragen zu haben, während sie den ihrigen beibehalten.89
An Ew. allerliebste Brüderlichkeit aber habe ich die Bücher abgesandt, von denen ich unten Erwähnung gethan. Was aber zur Erklärung des hl. Job gesprochen wurde und Ich Euch, wie ihr schreibet, schicken soll, so habe ich Dieß, weil ich es mit mattem Wort und Gefühl in Homilien vorgetragen hatte, in Bücherform umzuwandeln gesucht, und es befindet sich gerade jetzt unter den Händen der Abschreiber. Würde mich nicht die Eile des Überbringers dieses Schreibens drängen, so hätte ich Euch gerne Alles unverkürzt überschickt, besonders weil ich auch dieses Werk Ew. Hochwürden gewidmet habe, damit es scheine, ich hätte für Den, den ich mehr als Andere liebe, eine so schwere Arbeit übernommen. Wenn Euch indessen die kirchlichen Amtsgeschäfte eine Zeit lassen, so wisset Ihr schon, was Ihr zu thun habt. Obwohl Du mir dem Leibe nach abwesend bist, so sehe ich Dich doch immer vor mir, denn ich trage Dein Bildniß in mein Herz eingedrückt.
Gegeben im Monat Mai.
XXIII. (44.) An den Subdiakon Petrus in Sicilien.
XXIII. Gesammtausgabe 44.
An den Subdiakon Petrus in Sicilien.
Inhalt: Entscheidung vieler Rechtsfälle, woraus Gregors große Gerechtigkeitsliebe und Fürsorge für das Landvolk ersichtlich ist. Ueber den Cölibat der Subdiakonen.
Daß Wir Deinen Geschäftsträger erst so spät entlassen, hat seinen Grund in den Verrichtungen des Osterfestes, denen Wir obliegen mußten, so daß Wir ihn unmöglich früher hätten abordnen können. Die Angelegenheiten aber, die Du Uns zur Kenntniß bringen ließest, haben Wir sorgfältig untersucht, und Du wirst im weitern Verlauf ersehen, wie Wir sie entschieden haben.
Wir haben in Erfahrung gebracht, daß man die Bauern auf den Kirchengütern in Bezug auf den Getreidepreis sehr beschwere, indem man ihnen die bestimmte Ablösungssumme in fruchtbaren Jahren nicht einhalte. Wir wollen also, daß ihnen jederzeit nach dem öffentlichen Marktpreis, es mag nun viel oder wenig Getreide gegeben haben, die Ablösung gestattet werde.90 Was aber von Getreidelieferungen durch Schiffbruch verloren geht, das soll ihnen durchaus angerechnet werden, unter der Bedingung jedoch, daß Du keine Nachlässigkeit bei der Übersendung begangen habest und nicht etwa der Schaden durch Deine Schuld entstanden sei, weil Du die rechte Sendungszeit91versäumt hattest.92 Für sehr unbillig und ungerecht haben Wir es aber befunden, daß man von den Bauern der Kirche noch Etwas über die 16 Theile eines Modius annimmt und man sie zwingt, den Modius nach einem größeren Maße zu liefern, als er in den kirchlichen Scheunen üblich ist. Deßbalb verordnen Wir durch gegenwärtiges Schreiben, daß man von den Kirch-Bauern nie einen größern Modius (Schäffel) als einen solchen, der 18 Sextare faßt, annehmen dürfe.93 Hievon werde jedoch die gewohnheitsmäßige Dazugabe für die Schiffer nicht berührt, da nach deren Angabe das Getreide auf dem Schiffe sich mindert.
Auch haben Wir in Erfahrung gebracht, daß man an einige Landgüter der Kirche eine höchst ungerechte Forderung stelle, indem man den Pächtern von 70 Modien 3½ abverlangt; 94und auch Dieß ist noch nicht genug, sondern — man kann es kaum aussprechen, — aber wie man sagt, fordert man von ihnen unter dem Vorwand langer Verjährung noch Etwas darüber. Diesen Unfug verabscheuen Wir und wollen, daß er auf unsern Ländereien gänzlich abgeschafft werde. Deine Wohlerfahrenheit schätze ab, was von den Landleuten zu viel verlangt wird, sei es in Bezug auf Maß und Gewicht, oder hinsichtlich kleiner Gefälle, oder sonst gegen Recht und Billigkeit. Bringe Alles unter eine Abgabe zusammen und lasse, wie es der Landmann zu leisten vermag, als ganze und abgeschätzte Abgabe 2 Modien von 70 einliefern; weder eine Verkaufsteuer, noch ein höheres Maß, noch andere höhere Abgaben sollen von ihnen verlangt werden ausser jener Schätzungs-Abgabe; sondern nach Deiner Schätzung soll Jeder je nach seinem Vermögen seine Gesammtabgabe zugewiesen bekommen und so der schändlichen Ausbeutung ein Ende gemacht werden.
Damit aber nicht nach meinem Tode jene Auflagen, die Wir als ungehörige aufgehoben und statt derer Wir den Schätzungs-Preis erhöht haben, 95wieder Jedem angerechnet werden und so einerseits der erhöhte Schätzungspreis bleibe, anderseits aber doch wieder die Nebenabgaben eingetrieben werben, so wollen Wir, daß Du über die abgeschätzte Gesammtabgabe einen Revers ausstellest, in welchem die Gesammtabgabe genau angegeben und dazu bemerkt ist, daß der Betreffende frei sei von Verkaufgebühren, Nebenabgaben und sonstigen kleinen Gefällen. Was von diesen kleinen Abgaben bisher dem Verwalter zu Gute kam, das soll, wie Wir hiemit befehlen, Dir aus der Gesammtabgabe zu Theil werden.
Vor Allem wollen Wir, daß Du sorgfältig darauf Acht habest, daß ja bei der Einforderung der Abgabe kein ungerechtes Gewicht gebraucht werde. Findest Du irgendwo ein solches, so zerbrich es und setze ein neues und rechtes an dessen Stelle. Auch mein Sohn, der Diakon Servusdei, hat schon solche gefunden, die ihm mißfielen; ader er hattte nicht die Vollmacht zu einer Abänderung. Ausser dem schon oben Ausgenommenen und den geringen Kirchengefällen soll also Nichts von den Pächtern der Kirche über das rechte Gewicht gefordert werden.
Ausserdem haben Wir erfahren, daß der erste Steuertermin Unsre Landleute in große Noth versetzt, weil man sie den Zins zu zahlen zwingt, noch ehe sie ihre Ernte verkaufen konnten. Wenn sie dann ausser Stande sind, aus ihrem Eigenen zu geben, so entlehnen sie bei öffentlichen Mäklern und geben noch bedeutendes Aufgeld für diese Aushilfe; so kommen sie in schwere Verluste. Deßhalb befehlen Wir durch Gegenwärtiges, daß Du nach Deiner Wohlerfahrenheit für diesen Zweck jeden Vorschuß von Amtswegen machest, den sie sonst bei fremden Leuten sich geben ließen, und daß ihnen gestattet sein solle, ihre Schuldigkeit ratenweise, wie sie es gerade vermögen, zu entrichten. Denn wenn man sie zur unrechten Zeit drängt, so müssen sie, was ihnen sonst zur Abgabe ausgereicht hätte, früher und billiger verkaufen, und dann reicht es ihnen nicht zu.
Es ist Uns auch zugekommen, daß man bei den Heirathen der Landleute übermäßige Sporteln erhebe. In dieser Hinsicht verordnen Wir, daß keine Heirathssportel die Höhe eines Solidus96übersteigen solle. Wenn die Leute arm sind, sollen sie auch weniger geben dürfen; sind sie aber auch reich, so werde doch der genannte Solidus nicht überschritten. Auch soll diese Heirathssportel nicht in Unsre Kasse fließen, sondern zum Nutzen der Pächter verwendet werden.
Auch ist Uns kund geworden, daß man mehrmals beim Tode der Pächter deren Eltern nicht gestatten wollte, als Erben in die Pacht einzutreten, sondern daß man das Erbgut zum Kirchenfond schlug. In dieser Beziehung bestimmen Wir, daß die Eltern der gestorbenen Pächter, wofern sie im Gebiete der Kirche leben, als Erben in die Pacht eintreten sollen, und es soll Nichts von dem Vermögen der Verstorbenen abgezogen werden. Wenn aber ein Pächter unmündige Söhne hinterläßt, so soll man zuverlässige Personen aufstellen, denen man ihr Elterngut zur Bewahrung übergeben kann, bis die Kinder das gehörige Alter erlangt haben, um ihr Vermögen selbst zu verwalten.
Man hat Uns auch gemeldet, daß, wenn Jemand aus einer Familie einen Fehler begeht, man ihn nicht an seiner Person, sondern am Vermögen bestrafe. Wir befehlen deßhalb, daß jeder Schuldige an seiner Person nach Verdienst bestraft werde. Sein Eigenthum aber bleibe unberührt, das Wenige ausgenommen, was dem abgeordneten Gerichtsdiener zu geben ist.
So haben Wir auch erfahren, daß man zwar von dem Pächter allzeit Dasjenige zurückfordert, was er auf ungerechte Weise seinem Unterpächter97entzogen hat, aber dasselbe dem Beschädigten nicht einhändigt. Deßhalb befehlen Wir, daß, was immer aus einem Hause gewaltsam entfremdet worden, dem Beschädigten zurückzuerstatten sei und nicht Uns zugewendet werden dürfe; denn Wir wollen nicht als Vorwand einer Gewaltthat erscheinen. Ausserdem ist es Unser Wille, daß die Diener Deiner Wohlerfahrenheit, wenn Du sie in vorkommenden Angelegenheiten ausserhalb des Kirchengutes sendest, zwar einige kleine Vortheile davon haben sollen, jedoch sollen dieselben nur ihnen selbst zu gute kommen; denn Wir wollen nicht, daß die Kirchenkasse durch schändlichen Gewinn verunreinigt werde. Auch befehlen Wir Deiner Wohlerfahrenheit, wohl darauf zu achten, daß die Verpachtung der Kirchenguter nicht nach dem Angebot des größern Pachtschillings geschehe, weil bei der ausschließlichen Rücksicht auf denselben ein zu großer Wechsel in den Pächtern veranlaßt wird. Wohin kommt es aber mit diesem Wechsel, als dahin, daß die Landgüter der Kirche unkultivirt bleiben? Ja ermäßige sogar die Pachtbriefe, wenn die Gesammtabgabe zu groß ist. Nimm nicht mehr in die Scheunen und Getreideböden aus den Landgütern der Kirche, als Gewohnheit ist. Was Wir aber für Dich anzuschaffen befohlen haben, soll hei Auswärtigen gekauft werden.
Man hat Uns auch gemeldet, daß man dem Pächter Petrus von Suppatriana drei Pfund Gold ungerecht abgenommen habe; forsche den Defensor Fantinus vorsichtig über diesen Punkt aus, und wenn das Gold offenbar wider Recht und Gebühr abgenommen wurde, so gib es ungesäumt wieder zurück. Auch wissen Wir, daß die Steuer, welche Theodosius eingefordert, aber nicht abgeliefert hatte, von den Landleuten nochmals bezahlt worden ist, so daß sie doppelt besteuert wurden. Dieß geschah, weil das Vermögen des Theodosius nicht hinreichte, um den der Kirche zugefügten Schaden zu decken. Weil Uns aber Unser Sohn, der Diakon Servusdei, in Kenntniß setzt, der Schaden könne deßungeachtet aus seinem Vermögen hinreichend gut gemacht werden, so wollen Wir, daß den Landleuten 507 Solidi unverkürzt erstattet werden sollen, damit sie nicht als doppelt besteuert erscheinen. Wenn aber noch ausserdem jene 40 Solidi aus dem Vermögen des Theodosius übrig bleiben, die sich in Deinem Gewahrsam befinden sollen, so sollst Du dieselben seiner Tochter übergeben, damit sie ihr Eigenthum einlösen könne, das sie zum Pfand gegeben. Auch das Trinkgeschirr ihres Vaters soll ihr zurückgegeben werden.
Der ruhmvolle Kriegsoberst Campanianus hat seinem Geheimschreiber Johannes eine Rente von 12 Solidi aus dem Varrontanischen Landgut hinterlassen; ohne alles Bedenken geben Wir Dir den Befehl dieselben jährUch der Nichte des Pächters Euplus auszubezahlen, obrwohl sie auch alles bewegliche Eigenthum des Euplus in Empfang genommen hat, das baare Geld allein ausgenommen; auch von diesem gib ihr 25 Solidi.
Ein silberner Untersatz soll zu einem, ein Becher zu sechs Solidi angesetzt worden sein. Frage hierüber den Sekretär Dominikus oder Andere, die es wissen können, nimm die Schuld in Empfang und gib die genannten Geräthschaften zurück.
Deiner Wohlbeflissenheit aber müssen Wir gar sehr danken, denn ich habe Dir in der Sache meines Bruders den Befehl gegeben, sein Silber zurückzuschicken, und Du hast es so in Vergessenheit gerathen lassen, als ob Dir von Deinem geringsten Sklaven Etwas gesagt worden wäre. Möge sich jetzt nicht sowohl Deine Wohlerfahrenheit, sondern viel mehr Deine Wohtvergeßlichkeit bemühen, die Sache in‘s Reine zu bringen, und Alles, wovon Du weißt, daß es sich bei Antoninus befunden habe, schleunigst übersenden.
In Bezug auf die Sache des Juden Salpingus hat sich ein Brief vorgefunden, den Wir Dir überschicken lassen, damit Du ihn durchlesest, sorgfältig seine oder seiner Wittwe Sache, die in dasselbe Geschäft verflochten sein soll, untersuchest und hinsichtlich der 51 Solidi, um deren Rückgabe es sich bekanntlich handelt, nach Deinem Gutbefinden eine Rechtsentscheidung fällest. Auf keinen Fall darfst Du gestatten, daß fremdes Eigenthum von den Leihanstalten ungerecht zurückbehalten werde.
Dem Antonius ist die Hälfte seines Vermächtnisses bereits ausgehändigt worden, die andere Hälfte wird mit Geld abgelöst werden. Dieß wollen Wir aus dem Kirchenvermögen bestreiten und nicht nur für ihn, sondern auch für die Defensoren und Pilger, denen Etwas als Vermächtnis hinterlassen wurde. Auch der Familie wollen Wir ihr Vermächtniß auszahlen lassen, obwohl dasselbe eigentlich Uns zusteht. Berücksichtige also auch Unsre Ansprüche und zahle ¾ der Verlassenschaft hinaus.
Was die Solidi der Kirche zu Canosa anlangt, so wollen Wir, daß Du der Geistlichkeit jener Kirche Etwas schenkest, damit Jene, die sich jetzt in Noth befinden, einen Lebensunterhalt besitzen und, wenn Gott will, daß dort ein Bischof eingesetzt werde, er auch ein Einkommen habe.
Hinsichtlich gefallener Priester oder anderer gefallener Kleriker wollen Wir Dich gewarnt haben, Dir mit ihrem Vermögen schmutzige Hände zu machen. Suche hingegen sehr arme, aber regelgetreue Klöster, in welchen man ein gottgefälliges Leben zu führen versteht, und liefere die Gefallenen zu ihrer Buße in solche Klöster. Das Vermögen der Gefallenen soll dann jenen Orten zu gute kommen, an die sie zur Abbüßung verwiesen wurden. Denn Jene haben einen Anspruch auf ihr Vermögen, welche sich um ihre Besserung bemühen. Haben sie aber Eltern, so soll ihr Vermögen den rechtmäßigen Eltern übergeben werden, jedoch so, daß ihr Unterhalt während der Bußzeit immer noch bestritten werden kann. Wenn aber Priester, Leviten, Mönche oder Mönche aus der Kirchenfamilie98gefallen stnd, so wollen Wir, daß sie zwar auch in Bußhäuser gethan werden, die Kirche aber soll den Rechtsanspruch auf ihr Vermögen dadurch nicht verlieren. Sie sollen so viel erhalten, als sie für ihre Buße bedürfen, damit sie nicht als Vermögenslose den Orten zur Last fallen, an die sie gewiesen werden. Haben sie aber vermögliche Eltern, so sollen diese ihr Einkommen beziehen und die Rechte der Kirche wahren.99
Vor drei Jahren ist es den Subdiakonen der asiatischen Kirche geboten worden, nach der Sitte der römischen Kirche sich des ehelichen Umgangs zu enthalten. Es scheint mir hart und ungebührlich, Jene zur Trennung von ihren Frauen zu zwingen, welche sich in die Enthaltsamkett noch nicht hineingefunden und auch früher die Keuschheit nicht gelobt hatten; sie könnten, was fern bleiben möge, gerade in Folge dieser Strenge noch tiefer fallen. Darum dünkt es mir gut, daß vom heutigen Tage an alle Bischöfe verpflichtet werden, keinen zum Subdiakon zu weihen, der nicht keusch zu leben versprochen hat. So soll, was in der Vergangenheit nicht im Vorsatz und Willen gelegen war, jetzt nicht zwangsweise gefordert, für die Zukunft aber weise Sorge getragen werden. Diejenigen aber, welche seit jenem vor drei Jahren ergangenen Verbot enthaltsam mit ihren Frauen gelebt haben, soll man beloben und belohnen, auch ermahnen, in ihrer Tugend standhaft zu bleiben. Jene aber, welche nach ergangenem Verbot sich ihrer Frauen nicht enthalten wollten, sollen zu keiner höheren Weibe zugelassen werden; denn Keiner darf zum Altardienste100 zugelassen werden, dessen Keuschheit sich nicht schon vor der Übernahme dieses Dienstes bewährt hat.
Dem Handelsmann Liberatus, der sich der Kirche empfohlen hat und auf dem Cincinianischen Landgute wohnt, soll von Dir ein jährlicher Unterhalt gereicht werden. Bestimme selbst die Höhe dieser Summe und mache Uns davon Anzeige, damit Wir sie bei Deinen Abrechnungen in Anschlag bringen. Für das laufende Jahr habe ich die Anzeige schon von Unserm Sohn, dem Diakon Servusdei, erhalten.
Ein gewisser Mönch101Johannes hat auf seinem Todbette den Defensor Fatinus zum Erben seines halben Vermögens eingesetzt Gib ihm die Verlassenschaft zwar hinaus, aber beschwöre ihn, so Etwas in Zufunft nicht mehr geschehen zu lassen. Setze fest, was er als Taxe zu bekommen habe, damit seine Mühe nicht unbezahlt bleibe, aber er soll auch eingedenk bleiben, daß auf seinen eigenen Vortheil nicht bedacht sein soll, wer vom Kirchenvermögen lebt. Wenn aber ohne Sünde, ohne Geldgier durch die Sachwalter der Kirche Etwas der Kirche zukommt, so geziemt es sich, daß sie für ihre Mühe auch Etwas bekommen. Unserm Urtheil aber bleibe es vorbehalten, wie sie zu belohnen seien.102
Die Streitfache wegen des Silbers des Rusticianus untersuche mit aller Genauigkeit und thue, was Dir recht scheint. Den erlauchten Mann Alexander ermahne, seine Sache mit der heiligen Kirche in Richtigkeit zu setzen. Sollte er sich dessen weigern, so bringe die Sache in Gottesfurcht und mit Rücksicht auf die Ehrbarkeit nach bestem Vermögen in’s Reine. Wir wollen auch, daß Du Dich dabei nachgiebig erweisest und, wenn möglich, lasse ihm nach, was er Andern schuldet. Sorge nur, daß Wir ganz von ihm loskommen.
Die Schenkung der Dienerin Gottes, welche gefallen und in ein Kloster gewiesen worden war, erstatte ungesäumt zurück. Denn, wie oben bemerkt, jener Ort soll den Vortheil von ihrem Vermögen haben, der die Last, für sie zu sorgen, auf sich genommen hat. Aber auch was Andere von ihrem Vermögen in Händen haben, laß Dir ausliefern und gib es dem genannten Kloster.
Die Gelder des Spitales am neuen Weg, die sich nach Deinem Berichte in Deinen Händen befinden, schicke mir zu. Dem Verwalter aber, den Du über die Spitalgüter gesetzt hast, gib Etwas nach Deinem Ermessen.
Der Dienerin Gottes, Namens Extranea, die mit dem Theodosius gelebt hat, sollst Du, wie mir scheint, ein Einkommen zusichern oder jedenfalls die Schenkung erstatten, die sie gemacht hat. Das dem Kloster zugehörige Haus, welches Antoninus um 30 Solidi an sich gebracht, stelle ungesäumt nach Rückgabe der Solidi dem Kloster wieder zu. Auch die Meßkännchen von Onyxstein, die ich durch den Überbringer dieses Schreibens übermache, stelle zurück, nachdem ihre Ächtheit sorgfältig geprüft worden.
Schicke den Saturninus zu Uns, wenn er gerade entbehrlich und nicht für Dich in Anspruch genommen ist.
Felix, der Pächter der Frau Campana, den sie freigelassen, und den man nach ihrem Befehl nicht gerichtlich vernehmen sollte, hat erklärt, es seien ihm von dem Subdiakon Maximus 72 Solidi genommen worden; um sie geben zu können, mußte er nach seiner Behauptung alle seine Güter in Sicilien verkaufen oder verpfänden. Die Rechtskundigen haben nun behauptet, in Betrugssachen dürfe Niemand der gerichtlichen Vernehmung entzogen werden. Als sich aber Felix von Campanien zu Uns begeben wollte, büßte er hei einem Ungewitter das Leben ein. Suche seine Frau unb seine Kinder auf, löse ein, was er verpfändet, erstatte, was er verkauft hat, und reiche noch überdieß ihnen einen Lebensunterhalt. Denn Maximus hatte ihn nach Sicilen geschickt und ihm das Angegebene abgenommen. Suche also zu erfahren, was man ihm genommen hat, und gib es unverzüglich zurück.
Lies Dieß alles mit Bedachtsamkeit und setze jene Nachlässigkeit ganz bei Seite, der Du Dich nicht ungern hingibst. Laß die Schreiben, die ich an alle Landbewohner gerichtet habe, auf allen Landgütern verlesen, damit sie wissen, worin sie sich gegen Gewaltthätigkeit durch Berufung auf Unsre Autorität vertheidigen können. Auch sollen ihnen beglaubigte Abschriften derselben mitgetheilt werden. Sieh wohl zu, daß Du Alles aufs Genaueste befolgest. Dadurch, daß ich Dir schreibe, was die Handhabung der Gerechtigkeit erfordert, entledige ich mich meiner Pflicht: bist Du aber lässig, so fällt es auf Dich zurück. Denke an das Kommen des furchtbaren Richters und laß jetzt Dein Gewissen vor seiner Ankunft zittern,- damit es nicht vergebens dann zittern müsse, wenn Himmel und Erde vor ihm zittern werden. Du hast gehört, was ich will; habe Acht, wie Du es ausführst.
XXIV. (47.) An die Bischöfe Virgilius von Arles und Theodor von Marseille in Gallien.
XXIV. Gesammtausgabe 47.
An die Bischöfe Virgilius von Arles und Theodor von Marseille in Gallien.
Inhalt: Die Juden sollen nicht mit Zwang getauft werden.
Würde mir auch nicht die Rücksicht auf Zeit und Personen eine passende Gelegenheit bieten, an Ew. Brüderlichkeit zu schreiben und die pflichtmäßige Begrüßung zu erwidern, so hätte es sich doch so gefügt, daß ich zugleich abstatten kann, was der brüderlichen und nachbarlichen Liebe geziemt, und dabei auch nicht die mir vorgetragene Klage Einiger zu verschweigen brauche, die sich auf die Art und Weise bezieht, wie wir Die Seelen der Irrenden auf den Weg bringen sollen. Sehr viele Männer, allerdings jübi-schen Glaubens, die sich hier zu Lande aufhalten, aber auch in verschiedenen Geschäften in die Gegend von Marseille reisen, haben zu Unsrer Kunde gebracht, daß viele in jener Gegend befindliche Juden mehr durch Gewalt als durch die Predigt zur Taufquelle geführt worden seien. Gerne glaube ich, daß die Absicht hiebei lobenswürdig sei und von der Liebe zu unserm Herrn herkomme. Aber wenn diese Absicht nicht von dem entsprechenden, in der hl. Schrift angegebenen Erfolg103 begleitet ist, so fürchte ich, daß damit entweder kein verdienstliches Werk geschehe, oder daß gerade für die Seelen, die wir retten wollen, ein Schaden daraus entstehe, was Gott verhüten wolle! Denn wer nicht durch die Lieblichkeit des göttlichen Wortes gezogen, sondern aus Zwang zur Taufquelle gekommen ist, der kehrt wieder zum frühern Irrthum zurück und stirbt dann gerade aus dem Grunde eines schlimmen Todes, aus welchem man ihn für wiedergeboren gehalten hatte. Möge also Eure Brüderlichkeit solche Leute durch öfteres Predigen zu gewinnen suchen, so daß ihnen die Freundlichkeit des Predigers ein Verlangen einflöße, ihr bisheriges Leben aufzugeben. So wird Eure Absicht wohl erreicht, und die Seele des Bekehrten kehrt nicht zu Dem zurück, was sie ausgespieen. Die Predigt muß bei ihnen, einerseits die Dornen des Irrthums verbrennen, anderseits ihrer Verfinsterung Licht geben. So wird Ew. Brüderlichkeit für so oftmalige Ermahnung Lohn empfangen und Jene werden dadurch, so weit Gott es ihnen zu Theil werden läßt, zur Wiedergeburt eines neuen Lebens geführt werden.
XXV. (55.) An den Subdiakon Anthemius.
XXV. Gesammtausgabe 55.
An den Subdiakon Anthemius.
Inhalt: Derselbe soll nicht gestatten, daß die Sache der Armen vernachlässigt werde, und insbesondere verhindern, daß der Sohn einer Freigelassenen Namens der Kirche als Sklave reklamirt werde.
Nicht nur in oftmaligen Anweisungen, sondern persönlich Dir gegenüber habe ich Dich, wie ich mich erinnere, ermahnt, daß Du in Deinem Amtsbezirke als Unser Stellvertreter sogar weniger den zeitlichen Nutzen der Kirche als die Erleichterung der Bedrängnisse armer Leute in’s Auge fassen und sie vielmehr gegen Bedrückung wessen immer beschützen sollest. Gaudiosus, der Überbringer des gegenwärtigen Schreibens, hat Uns mitgetheilt, daß ihm von den Sachwaltern der heiligen römischen Kirche, deren Vorsteher Wir sind, Gewalt angethan werde; er sagt, daß die Männer Genannter Kirche auf seine Söhne einen Anspruch erheben. Er hat Uns aber Schriftstücke vorgewiesen, aus denen hervorgeht, daß Sirika, die Frau des Überbringers dieses Schreibens, einst von Ecia, ruhmwürdigen Andenkens, einer Frau Morena zum Geschenk gemacht, von dieser Morena aber durch einen Freibrief entlassen worden sei. Deßhalb halten Wir es für ungeziemend, daß die einer Freien entsprossenen Söhne wieder in den Sklavenstand zurückversetzt werden. Wir befehlen darum Deiner Wohlerfahrenheit kraft gegenwärtigen Schreibens, diese Schriftstücke vorurteilslosen Sinnes zu erwägen, wie auch Wir gethan haben, und wenn sich von Seite der Kirche keine Dokumente finden, welche die Schriftstücke dieses Mannes entkräften, von jeder Belästigung desselben unverzüglich abzulassen. Denn es wäre unerträglich, wenn die Kirche die Freilassungen, welche Andere zu ihrem Verdienste vornehmen, statt sie zu begünstigen, für nichtig erklären würde. Wieder und wieder sehen Wir Uns darum genöthigt Deine Woblerfahrenbeit zu ermahnen, die Streitigkeiten zwischen Armen und der römischen Kirche mit aller Unbefangenheit zu untersuchen und aus den Nutzen des Kirchenamtes nur soweit bedacht zu sein, als dadurch die Menschenfreundlichkeit und die Gerechtigkeit nicht verletzt wird.
XXVI. ( 68.) An den Subdiako Anthemius.
XXVI. Gesammtausgabe 68.
An den Subdiako Anthemius.
Inhalt: Heilige Gefäße, die an einen Juden verkauft wurden, müssen zurückgestellt werden. Die Verkäufer werden zu strenger Buße verurtheilt.
Fuscus Archiater, von Glaubenseifer getrieben, hat sich bittlich an Uns gewendet, indem er angibt, der Diakon Opilic, ein Diener Gottes, und Crescentius, beide Kleriker der Kirche zu Benafri, hätten, die Furcht vor dem kommenden Gerichte hintansetzend, die Geräthschaften der genannten Kirche — es ist schrecklich zu sagen — einem gewissen Hebräer verkauft; nämlich: zwei Kelche in Silber, zwei Kronleuchter mit Delphinen, 104die Lilien von andern Kronleuchtern, sechs größere und sieben kleinere Altartücher. Sobald also Deine Wohlerfahrenheit den gegenwärtigen Befehl empfangen hat, so lasse sie die genannten Geistlichen unverzüglich zu sich kommen. Erforsche, wie es in Wahrheit sich verhält, und wenn es sich so herausstellt, wie es berichtet worden, so lasse den erwähnten Hebräer, der die Strenge der Gesetze vergessen und heilige Geräthe zu kaufen gewagt hat, vor dem Richter der Provinz erscheinen. Ohne Verzug werde er gezwungen, die genannten Geräthe zurückzugeben, so das die erwähnte Kirche vollkommen schadlos gehalten ist. Den genannten Diakon aber, oder überhaupt die Kleriker, die ein so großes Verbrechen begangen haben, verweise ohne Verzug unter die Büßer, damit sie ein so großes und schreckliches Verbrechen mit ihren Thränen sühnen können.
XXVII. (74.) An den Patricier Gennadius, den Exarchen von Afrika.
XXVII. Gesammtausgabe 74.
An den Patricier Gennadius, den Exarchen von Afrika.
Inhalt: Dem Adressaten wird der Schutz der Kirche und die Vertheidigung derselben gegen die Irrlehrer anempfohlen. Der Primas soll nicht nach Rang, sondern nach Würdigkeit gewählt werden. Den numidischen Bischöfen ist die Reise nach Rom unbehindert zu gestatten.
Wie der Herr Ew. Excellenz schon in diesem Leben in Kriegen gegen Staatsfeinde im Siegeslicht erglänzen ließ, so muß Hochdieselbe auch den Feinden der Kirche mit aller geistigen und körperlichen Kraft entgegentreten. So wird Euer Ruf in Folge beider Siegesweisen immer mehr und mehr erstrahlen, wenn Ihr in den bürgerlichen Kriegen für das christliche Volk den Gegnern der katholischen Kirche kräftig widerstehet und als Krieger des Herrn in den Schlachten der Kirche tapfer kämpfet. Denn es ist bekannt, wie die Irrgläubigen, wenn ihnen unglücklicher Weise die Möglichkeit zur Schadenstiftung gegeben ist, sich gewaltig gegen den katholischen Glauben erheben, um wo möglich das Gift ihrer Irrlehre zur Schwächung der Glieder des Leibes Christi auszugießen. Wir wissen ja, daß sie gegen den katholischen Glauben in Widersetzlichkeit gegen den Herrn selbst ihren Nacken erheben und den christlichen Glauben und Namen erniedrigen wollen. Möge aber Ew. Eminenz ihre Anschläge vereiteln und ihren stolzen Nacken unter das rechte Joch beugen.
Lasset die Versammlung der katholischen Bischöfe ermahnen, den Primas nicht nach der Ordnung des Ranges, sondern im Hinblick auf seine Lebensverdienste zu wählen. Denn bei Gott kommt es nicht auf den höhern Rang, sondern auf das bessere, in der That erprobte Leben an. Der Primas selbst aber soll nicht, wie bisher üblich, bald in diesem, bald in jenem Städtchen sich aufhalten, sondern in einer größern Stadt, über deren Wahl man sich einigen möge, damit das Ansehen seiner Würde ihm mehr Kraft zum Widerstand gegen die Donatisten verleihe.105
Gestattet es, wenn einige Bischöfe des numidischen Conciliums zum apostolischen Stuhle zu kommen verlangen, und duldet nicht, daß Jemand sich ihrer Reise widersetze. Die Ehre Ew. Excellenz wird keinen geringen Zuwachs bei dem Schöpfer erlangen, wenn die innige Verbindung der getrennten Kirchen durch Hochdieselbe wieder hergestellt zu werden vermag. Denn wenn der Herr sieht, daß man seine Gaben zur Ehre seines Namens verwendet, so theilt er sie um so reichlicher mit, je mehr seine Religion dadurch verherrlicht und ausgebreitet wird. Indem Wir Euch übrigens Unsere väterliche Liebe und Zuneigung bezeigen, bitten Wir den Herrn, Euern Arm zur Bekämpfung der Feinde zu stärken und Euern Geist durch Eifer für den Glauben wie ein zweischneidiges Schwert zu schärfen.
XXVIII. (75.) An den Patricier Gennadius, den Exarchen von Africa.
XXVIII. Gesammtausgabe 75.
An den Patricier Gennadius, den Exarchen von Africa.
Inhalt: Lob des Gennadius, der durch seine Kriege nicht bloß den Staat, sondern auch die Kirche erweitere. Dank für Bevölkerung des kirchlichen Patrimoniums. Empfehlung des Ueberbringers.
Würde das Kriegsglück Ew. Excellens nicht im Verdienste des Glaubens und in der Sache der christlichen Religion seinen Grund haben, so wäre es nicht so sehr zu bewundern; denn wir wissen, daß auch den Kriegsheiden des Alterthums Solches verliehen war. Weil Ihr aber auf Antrieb Gottes Euch nicht durch fleischliche Klugheit, sondern durch Gebete den Sieg bereitet, so ist es zu bewundern, wie Euer Ruhm als Gottes Geschenk und nicht als Menschenwerk von oben herab kommt. Denn wohin ist der volltönende Ruf Eurer Verdienste nicht gedrungen? Er sagt von Euch, daß Ihr nicht aus Lust am Blutvergießen so häufig Kriege unternehmet, sondern um das Staatswesen auszubreiten, in welchem Wir die wahre Gottesverehrung erblicken, damit Christi Namen durch die Predigt des Glaubens sich überall bei den unterjochten Völkern verbreite. Denn wie Euch äussere Tugendwerke einen Vorrang in diesem Leben verleihen, so verherrlicht Euch der innere Tugendschmuck, der aus des Herzens Reinheit entspringt, für die künftige Theilnahme an den himmlischen Freuden.
Wir haben auch erfahren, daß Ew. Ercellenz sehr viel zum Nutzen der Schafe gethan habe,106welche der hl. Apostel-Fürst Petrus zu weiden hat, indem Ihr nicht unbedeutende Strecken des Patrimoniums, die ihre Bevölkerung verloren hatten, durch Zuwendung von Einwohnern aus der Provinz Dara107wieder in Blüthe versetzt habet. Was immer Ihr in christlicher Gesinnung für den hl. Petrus thuet, dafür habt Ihr Vergeltung im zukünftigen Gerichte zu hoffen. Deßhalb glaubten Wir auch Hilarus, den Uberbringer dieses Schreibens, Ew. Eminenz empfehlen zu sollen, damit Ihr ihm in Dem, was er im Einklang mit der Gerechtigkeit für nothwendig findet, Euer gewohntes Wohlwollen zu Theil werden lasset.108 Indem Wir aber mit väterlicher Liebe zu Euch sprechen, bitten Wir den Herrn, unsern Erlöser, daß er Ew. Eminenz zum Troste seiner heiligen Kirche erbarmungsvoll beschütze und Euch durch die Kraft seines Armes immer mehr stärke, damit Ihr seinen Namen bei den benachbarten Völkern ausbreiten könnet.
XXIX. (77.) An alle Bischöfe Numidiens.
XXIX. Gesammtausgabe 77.
An alle Bischöfe Numidiens.
Inhalt: Bestätigung ihrer hergebrachten Privilegien. Kein früherer Donatist soll Primas werden. Ermahnungen.
Wenn je, geliebteste Brüder in Christo, sich zum Schaden der keimenden Saat Unkraut unter dieselbe gemischt hat, so muß die Hand des Landmannes dasselbe sogleich von Grund aus entfernen, damit nicht die künftige Frucht der guten Saat dadurch erstickt werde. Darum wollen auch Wir, die Wir trotz Unserer Unwürdigkeit den Acker des Herrn zu Pflegen übernommen haben, Uns beeilen, die Saat von jedem unkrautähnlichen Ärgerniß frei zu machen, damit der Acker des Herrn reichlichere Früchte bringe. — Ihr habt Unsern Vorfahrer seligen Angedenkens durch Unsern Geschäftsträger Hilarus gebeten, alle Eure bisherigen Gewohnheiten beibehalten zu dürfen, wie sie von uralter Zeit her durch die ursprünglichen Anordnungen des Apostelfürsten Petrus bis jetzt üblich, gewesen sind. Wir gestatten, daß diese Gewohnheit, welche nach Euerm Berichte keinen Verstoß gegen den katholischen Glauben erkennen läßt, unverändert bleibe, sowohl hinsichtlich der Aufstellung des Primas als auch der übrigen Punkte; nur verbieten Wir durchaus, daß die Bischöfe, welche früher Donatisten waren, zur Primaswürde erhoben werden, selbst wenn ihr Bischofsalter sie hiefür zu bestimmen schiene.109Es genüge ihnen, die Seelsorge für das ihnen anvertraute Volk auszuüben; sie sollen nicht verlangen, auch noch vor den Bischöfen, welche im Schooße der Kirche und im katholischen Glauben geboren und erzogen worden sind, einen Vorrang in Bezug auf Erlangung der Primaswürde zu haben.
Ihr aber, geliebteste Brüder, kommet Unsern Ermahnungen durch Eifer in der Liebe zu unserm Herrn zuvor; denn Ihr wisset ja, daß der strenge Richter all unser Thun erforschen und Jeden nicht nach den Vorrechten seiner höhern Stellung, sondern nach dem Verdienste seiner Werke loben wird. Darum bitte ich Euch, in wechselseitigem Frieden einander christlich zu lieben und den Irrlehrern oder Kirchenfeinden einmüthigen Herzens Widerstand zu leisten. Laßt euch die Seelen eurer Mitmenschen angelegen sein; suchet so Viele als möglich durch liebevolle Predigt, aber auch durch Erinnerung an die Schrecken des künftigen Gerichtes zum Glauben zu bringen. Denn ihr seid als Hirten aufgestellt, und der Herr der Heerde erwartet von den Hirten, denen er sie übertragen hat, das Erträgniß einer vergrößerten Heerde. Wenn er sehen wird, daß durch Euren angewendeten Fleiß seine Heerde zugenommen habe, so wird er Euch sicherlich mit vielfachen Gaben im Himmelreich belohnen. Indem ich aber zu Euch in brüderlicher Liebe rede, Bitte ich den Herrn, euch, die er erwählt hat, zu würdigen Hirten vor seinen Augen zu machen und selbst unsere Handlungen hier auf Erden so zu lenken, daß er sie im zukünftigen Leben mit Wohlgefallen annehmen kann.