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Zweites Buch. Briefe aus den Jahren 591—592.
ОглавлениеI. (23.) An den Bischof Johannes von Locrida in Illyrien.
I. Gesammtausgabe 23.
An den Bischof Johannes von Locrida in Illyrien.110
Inhalt: Gregor wünscht dem Adressaten Glück zu seiner einstimmigen Wahl, bestätigt ihn als seinen Stellvertreter, gibt ihm heilsame Anweisungen und warnt ihn vor Simonie.
Offenbar ist es ein Zeichen von Vortrefflichkeit, wenn bei der Wahl eines Mannes Alle übereinstimmen. Weil Ihr nun nach dem Bericht Unsrer Brüder und Mitbischöfe mit einhelliger Zustimmung der ganzen Wahlsynode und nach dem Willen des erlauchtesten Kaisers zur bischoflichen Würde erhoben seid, so danken Wir dafür mit großer Freude dem allmächtigen Gott, unserm Schöpfer, der Euer früheres Leben und Eure bisherigen Werke so lobwürdig gemacht hat, daß er Euch dadurch dem Urtheil Aller, was sehr lobenswürdig ist, wohlgefällig werden ließ. Dem stimmen anch Wir in Bezug auf die Person Deiner Brüderlichkeit vollkommen bei. Auch bitten Wir den allmächtigen Gott, wie er Ew. Liebden111 durch seine Gnade erwählt, so wolle er Euch auch durch seinen Schutz in Allem behüten. Wir übersenden nach Sitte das Pallium und erneuern wiederholt die Vollmacht, den apostolischen Stuhl zu vertreten. Dabei ermahnen Wir Euch jedoch, Euch gegen die Untergebenen friedliebend zu erweisen, damit sie Eure Rechte mehr lieben als fürchten lernen. Sollte eine Verschuldung es erfordern, so werdet Ihr den Fehler in solcher Weise gut zu machen suchen, daß Euch dabei die väterliche Liebe ja nicht aus dem Herzen schwinde.112Seid wachsam und eifrig in der Sache für die anvertraute Heerde und streng in Aufrechthaltung der Zucht, damit der gierige Wolf weder den Schafstall des Herrn zu stören noch bei irgend einer Gelegenheit durch Betrug den Schafen zu schaden vermöge. Bereitet Euch, mit aller Anstrengung des Geistes, unserm Gott einen Gewinn an Seelen anzubringen. Bedenket, daß wir den Hirtennamen nicht angenommen haben, um auszuruhen, sondern um zu arbeiten. In der That also müssen wir zeigen, was unser Name bezeichnet. Wenn wir den Vorrang des Priesterthums ernstlich erwägen, so finden wir, daß er den Eifrigen und Wohlhandelnden zur Ehre, den Nachlässigen aber zur Belästigung gereiche. Wie also dieser Name die Thätigen und Seeleneifrigen vor Gott zum ewigen Heile führt, so stürzt er die Trägen und Lauen in Strafe. Das untergebene Volk erkenne aus unsern Reden, daß es ein anderes Leben gebe. Die Lehre Ew. Brüderlichteit sei ihm ein freundlich abhaltender Zügel, Euer Leben ein Muster zur Nachahmung. Die Predigt Ew. Liebden zeige, was es lieben, was es fürchten solle; Eure Wirksamkeit erlange die Frucht des ewigen Lohnes.
Dabei muß aber Eure Hauptsorge darauf gerichtet sein, daß Ihr nie unerlaubte Weihen zu ertheilen Euch herbeilasset; sondern wenn Jemand zum geistlichen Stand oder zu einer höhern Weihe zugelassen werden soll, so muß hiebei nach Verdiensten und nicht nach Bitten und Geschenken verfahren werden. Bei keiner Weihe sollen sich auf irgendeine Art Vortheile für Ew. Brüderlichkeit ergeben, damit Ihr nicht in die Schlingen der simonistischen Ketzerei113gerathet, was Gott verhüte! „Denn was nützt es dem Menschen“, lehrt die ewige Wahrheit, „wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?”114 Darum müssen wir in all’ unserm Thun Gott vor Augen haben, das Vergängliche und Zeitliche gering schätzen und dasVerlangen unsers Herzens auf die ewigen Güter richten. Die Geschenke Ew. Heiligkeit wollte ich durchaus nicht annehmen; denn ich wollte den Schein vermeiden, als würde ich mich von beraubten und betrübten115Brüdern beschenken lassen. Aber Eure Gesandten haben über mich auf eine andere Art den Sieg davon getragen, indem sie dieselben Dem überbrachten, der die Opfer Ew. Brüderlichkeit nicht zurückzuweisen vermag.116Darnach müßt Ihr vor Allem, wie gesagt, streben, daß Ihr dem kommenden Richter Seelen, nicht vergängliche Dinge zum Geschenke bringet, damit er Euch um Eurer verdienstlichen Werke und auch Uns um Unsrer Ermahnung willen in Gnaden ansehe.
II. (27) An die Patricierin Rusticiana.
II. Gesammtausgabe 27
An die Patricierin Rusticiana.117
Inhalt: Tadel wegen Unterlassung einer vorgenommenen Wallfahrt, Trost wegen Verläumdung.
Als ich den Brief Ew. Excellenz empfing, wurde ich durch die höchst erwünschte Nachricht von Euerm Wolergehen erquickt, und ich habe nur das Verlangen, daß der Herr in seiner Barmherzigkeit auch ferner Euer Leben und Wirken beschütze und lenke. Gar sehr habe ich mich aber gewundert, daß Ihr die Absicht, geraden Weges die heiligen Stätten zu besuchen, den Vorsatz eines so verdienstlichen Unternehmens, wieder aufgegeben habet. Denn wenn durch die Gnade des Schöpfers in unserm Herzen etwas Gutes aufkommt, so muß man es mit schleuniger Hingebung erfüllen, weil sonst unser schlauer Feind die Seele irre zu machen sucht und dann unversehens Hindernisse in den Weg legt, damit die Seele, durch anderweitige Beschäftigungen entkräftet, nicht zur Ausführung ihres Vorhabens komme. Darum muß Ew. Excellenz allen Hindernissen, die frommen Unternehmungen im Wege stehen, zuvorkommen und mit aller Kraft des Herzens die Frucht des guten Werkes an sich reissen, um in der gegenwärtigen Zeit ruhig leben und in der zukünftigen das Himmelreich besitzen zu können,
Hinsichtlich der Mittheilung in Euerm Brief, daß Passinus gegen Euch Verläumdungen vorgebracht, daß aber die allerfrömmsten Kaiser sie nicht nur ungern gehört, sondern auch mit Strenge zurückgewiesen hätten, — erwäget, wessen Fügung Dieß gewesen sei, und setzet alle Hoffnung Eurer Seele auf Denjenigen, der mit seiner Macht Allen im Wege stehtt die uns, wie sie es vorhaben, zu schaden vermögen. Dann wird er auch in Zukunft dem bösen Willen der Menschen seinen Arm entgegenhalten und ihre Anschläge wie bisher selbst vernichten.
Den ruhmreichen Herrn Appio, die Frau Eusebia, den Herrn Eudoxius und die Frau, Gregoria bitte ich meinerseits zu grüßen.
III. (42.) An den Bischof Castorius von Rimini.
Inhalt
III. Gesammtausgabe 42.
An den Bischof Castorius von Rimini.
Inhalt: Die Bischöfe sollen sich aller Einmischung in Klosterangelegenheiten enthalten.
Mit welch‘ jammervollen Bitten sich Luminosus, der Abt des Klosters von Andreas und Thomas, welches sich zu Rimini befindet, an Uns gewendet habe, zeigt der beiliegende Text seines Bittgesuches. Deßhalb ermahnen Wir Deine Brüderlichkeit, dass Deine Kirche, wenn der Abt eines Klosters stirbt, keine Veranlassung ergreifen möge, um sIch in eine Inventarausfertigung oder in eine Fürsorge für das erworbene oder noch zu erwerbende Eigenthum des Klosters zu mischen. Als Abt sollst Du aber dem Kloster keinen Andern weihen, als den die ganze Congregation einstimmig als würdig hinsichtlich seiner Tugenden und als tauglich zur Aufrechthaltung der Klosterzucht erkoren Hat. Durchaus aber verbieten wir, daß der Bischof dortselbst feierliche Messen lese, damit nicht dem Volk Gelegenheit geboten werde, die Zurückgezogenheit der Diener Gottes durch Zusammenströmung zu stören, und nicht am Ende ein öfteres Kommen von Frauenspersonen — was Gott verhüte — schwächern Seelen zum Ärgernis gereiche. Zugleich befehlen Wir, daß Unsre folgende Vorschrift von Dir und Deinen Nachfolgern unverbrüchlich festgehalten werde, auf daß sowohl Deine Kirche mit der Hilfe des Herrn sich mit Dem begnüge, was ihr zusteht, als auch jenes Kloster keiner andern Gerichtsbarkeit als der allgemein kanonischen untergeben sei und ohne weitere Belästigungen und ohne allen Grund zur Beschwerde seinen heiligen Zweck mit aller Geistesgluth verfolgen könne.
Gregorius an den Bischof Castorius von Rimini.118
Welch’ jammervolle Bitten der Abt des Klosters der hl. Thomas und Andreas, das sich zu Rimini befindet, an Uns gerichtet habe, zeigt der Text des beiliegenden Bittgesuches. Aus seinem Berichte haben Wir entnommen, daß in sehr vielen Klöstern die Mönche viele Eingriffe und Belästigungen von den Bischöfen zu ertragen hatten. Deine brüderliche Sorgfalt muß also zu ihrer Beruhigung heilsame Anordnungen treffen, damit sie sich darnach richten und mit Gottes Gnade mit ungestörter Seele im Dienste Gottes verharren können. Damit aber nicht in Folge der Gewöhnheit, die eben jetzt verbessert werden soll, Jemand den Mönchen irgend ein Leid zuzufügen wage, so müssen die Vorschriften, die Wir unten haben zusammenstellen lassen, so von dem Eifer der vereinigten Bischöfe beachtet werden, daß dadurch jedem Anlaß zur Störung der Ruhe vorgebeugt wird.
Privilegium für die Klöster.
Wir verbieten also im Namen unsers Herrn Jesu Christi und untersagen, gestützt auf das Ansehen des h. Apostelfürsten Petrus, an dessen Statt Wir der römischen Kirche vorstehen, allen Bischöfen und weltlichen Personen, sich mit den Einkünften, mit dem Vermögen oder den Urkunden der Klöster, mit deren Häusern und Landgütern sammt Zugehör zu schaffen zu machen oder sonst eine listige Einmischung su versuchen. Sollte etwa eine Grenzstreitigkeit zwischen ihren Kirchen und den Klöstern sich ergeben, die nicht gütlich beigelegt werden könnte, so soll sie vor erwählten Äbten und andern gottesfürchtigen Vätern ohne freiwillige Verzögerung geschlichtet werden; die hl. Evangelien sollen sich hiebei in der Mitte befinden. Ist der Abt einer Genossenschaft gestorben, so soll kein Auswärtiger, der nicht zu derselben Genossenschaft gehört, und nur Derjenige, auf welchen die einmüthige und freigewollte Wahl der Brüder gefallen, ohne Hinderniß und Bestechlichkeit geweiht werden. Können sie sich nicht über eine geeignete Person einigen, so sollen sie sich eine solche aus andern Klöstern wählen, der dann auf die gleiche Weise die Weihe zu ertheilen ist. Auch darf nicht, nachdem ein Abt aufgestellt worden, ihm bei irgend einer Gelegenheit eine andere Person vorgezogen werden, ausser er wäre, was Gott verhüte, mit Verbrechen behaftet, die nach kanonischem Rechte strafbar sind. Ebenso gilt zur Darnachachtung, daß gegen den Willen des Abtes keine Mönche dem Kloster entnommen werden dürfen, um andere Klöster in Ordnung zu bringen, um ihnen die hl. Weihe zu ertheilen ober ihnen das Amt eines Klerikers zu verleihen.
Auch verbieten Wir durchaus, daß die Bischöfe Kirchenbücher über die Klöster oder deren Eigenthum anlegen; sondern wenn es die Sachlage erfordert, soll der Abt des betreffenden Klosters mit andern Äbten ein Verzeichnis der vorfindlichen Gegenstände anfertigen und dasselbe nach ihrem Rath und Urtheil abschließen. Auch beim Todesfall eines Abtes soll sich der Bischof unter keinem Vorwand in die Inventarisirung des Klostergutes ober in der Sorge für dessen erworbenes, geschenktes oder noch zu erwerbendes Eigenthum mischen. Auch verbieten Wir durchaus, daß derselbe im Kloster öffentlich die hl. Messe lese, damit sich kein Anlaß zum Zusammenströmen des Volkes an die Orte der Einsamkeit und Zurückgezogenheit der Diener Gottes biete oder gar Frauenspersonen gegen den bisherigen Gebrauch der Eintritt geöffnet werde, was zum Seelenheil der. Mönche keineswegs nützlich wäre. Auch wage er nicht, sich dort einen Bischofsstuhl zu errichten oder in befehlender Weise eine Macht auszuüben noch irgend eine Weihung, selbst nicht die niederste, vorzunehmen, ausser er wäre von dem betreffenden Abt darum ersucht worden. In diesem Falle sollen aber die Mönche immer unter der Gewalt ihres Abtes bleiben, und kein Bischof darf einen Mönch ohne Genehmigung und Entlaßschein seines Abtes in einer Kirche festhalten, oder zu einer Ehrenstelle erheben. Wir befehlen also, daß alle Bischöfe für die Zukunft an dieser unsrer Vorschrift unverbrüchlich festhalten, auf sowohl sie selbst sich mit den Rechten ihrer Kirche mit Gottes Hilfe begnügen als auch die Klöster von Einreden, Belästigungen und sonstigen Rücksichten auf Weltpersonen frei seien, 119 sich keinen rechtsgelehrten Kanonikern zu unterwerfen haben, sondern ohne weitere Störung und ohne allen Grund zur Klage ihren heiligen Zweck mit aller Geisteshingabe verfolgen können.
IV. (28.) An den Subdiakon Petrus in Sicilien.
IV. Gesammtausgabe 28.
An den Subdiakon Petrus in Sicilien.
Inhalt: Verschiedene Aufträge und Anordnungen, aus welchen Gregor’s Gerechtigkeit und Weisheit hervorleuchtet. Petrus wird nach Rom berufen.
Aus einer Mittheilung des Defensor Romanus ersehe ich, daß das Kloster der Gottesmägde auf der Flur von Monotheum hinsichtlich eines ihm zugehörigen Grundstückes, welches dem Kloster überlassen worden sein soll, von unsrer Kirche zu Villanova eine Gewaltthat erlitten habe. Wenn es sich so verhält, so gebe Deine Wohlerfahrenheit das Grundstuck den Gottesmägden zurück sammt den Erträgnissen zweier Indiktionen, die Du eingenommen. Weil sich aber auch viele Juden auf den Landgütern der Kirche aufhalten, so will ich, daß ihnen Etwas von der Abgabe nachgelassfen werde, falls sie Christen werden wollen, damit durch diese Erleichterung angezogen auch andere sich zu solchem erlangen erschwingen.
Kühe, die schon vor Alter unfruchtbar sind, oder Ochsen, die nicht mehr brauchbar scheinen, soll man verkaufen, damit wenigstens aus ihrem Erlös sich ein Nutzen ergebe. Die Stutereien aber, die wir sehr nutzlos halten, sollen alle aufgelöst und nur 40 junge Stuten zur Nachzucht behalten werden. Man soll jedem der 400 Pächter eine Stute überlassen, wofür sie dann jedes Jahr Etwas zu entrichten haben. Denn es ist höchst unwirthschaftlich, 60 Solidi für die Roßknechte auszugeben und kaum 60 Denare aus den Stutereien zu beziehen. Deine Wohlerfahrenheit gehe also so zu Werk, daß ein Theil, wie gesagt, unter alle Pächter vertheilt, der andere verkauft und zu Geld gemacht werde. Die Roßknechte aber vertheile in den Besitzungen, damit sie durch Landbau sich nützlich machen können. Alles Sattelzeug aber, das etwa in Syracus oder Palermo der Kirche angehört, muß man verkaufen, ehe es vor Alter gänzlich zu Grunde geht.
Als der Diener Gottes, der Bruder Cyriakus, nach Rom kam, forschte ich ihn sorgfältig aus, ob er mit Dir vertraulich wegen der Annahme eines Geschenkes in der Sache einer gewissen Frau gesprochen habe. Der Bruder erklärte, er habe davon durch Deine Mittheilung erfahren, weil er von Dir gesandt worden sei, um zu erforschen, wer mit Überbringung des Geschenkes beauftragt sei. Ich glaubte ihm, nahm ihn freundlich in meine Gunst auf, führte ihn vor Klerus und Volk, vergrößerte seine Einkünfte,120 gab ihm eine höhere Stelle unter den Defensoren und lobte vor Allen seine Treue, die er in Deinem Dienste bewiesen habe, und sandte ihn deßhalb schleunig zu Dir zurück. Weil Du sehr Eile hast und ich trotz meiner Krankheit Dich zu sehen wünsche, so lasse ihn, den Du selbst in Allem erprobt hast, als Deinen Stellvertreter zu Syrakus121und beeile Dich zu mir zu kommen, damit wir, wenn es dem allmächtigen Gott so gefällt, gemeinsam darüber berathen können, ob Du selbst wieder dorthin zurückkehren sollst, oder ob ein Anderer an Deiner Statt aufgestellt werden soll. Zugleich habe ich den Notar Benenatus gesandt, damit er Deinen Platz im Palermischen Gebiete des Patrimoniums ausfülle, bis der allmächtige Gott bestimmt, was ihm wohlgefällt.
Den Romanus habe ich wegen seines Leichtsinnes tüchtig ausgescholten; denn ich finde jetzt, daß er in dem ihm anvertrauten Pilgerhause mehr auf seinen Nutzen als auf sein Verdienst bedacht war. Sollte es Dir also etwa gut scheinen, so hinterlasse ihn als Deinen Stellvertretet:!122 Siehe, wie Du ihn durch Drohung und Ermahnung dahin bringst, daß er einmal lerne, sich gegen die Landleute freundlich und dienstfertig zu betragen, gegen Fremde und Stadtleute aber in Allem gewandt und geschäftstüchtig sich zu erweisen. Indem ich aber Dieß sage, will ich nicht selbst die Wahl der Person vornehmen – sondern überlasse sie Deinem Urtheil; es genügt mir, für das Palermische Gebiet einen Stellvertreter für Dich erwählt zu haben. Ich will sehen, wie Du selbst für das Gebtet von Syrakus Sorge trägst. Wenn Du aber kommst, so bringe das Geld und die Schmucksachen mit, welche zum Antheil oder zum Vermögen des Antoninus gehören. Ebenso bringe die von Dir eingeforderten Erträgnisse der neunten und zehnten Indiktion, sowie auch alle Deine Rechnungen. Bemühe Dich, wenn es Gottes Wille ist, vor dem Feste des hl. Cyprian hieher zu kommen, damit nicht aus dem Zustand, in welchem sich das Meer immer in diesen Tagen befindet, eine Gefahr entstehe, Was Gott verhüte!
Auch sollst Du wissen, daß ich in meinem Herzen mir große Vorwürfe mache, weil ich den Gottesdiener Pretiosus wegen einer kleinen Schuld hart angelassen und ihn betrübt und erbittert von mir habe fortgehen lassen. Ich schrieb an seinen Herrn Bischof, er solle ihn mir wieder schicken, aber dieser wollte durchaus nicht. Ich darf und kann ihn nun nicht betrüben; denn weil er mit Gottes Angelegenheiten betraut ist, muß man ihm mit Trost zu Hilfe kommen, nicht ihn mit Bitterkeit überhäufen. Pretiosus aber, wie ich höre, betrübt sich sehr, weil er nicht wieder zu mir kommen darf. Ich kann nun, wie gesagt, dem Herrn Bischof, der ihn nicht fortlassen will, nicht vor den Kopf stoßen, und so bleibe ich unschlüssig zwischen zwei Klippen. Wenn nun Deine Weisheit größer ist als Dein kleiner Körper, so richte die Sache so ein, daß mein Wille geschieht, ohne daß dem Herrn Bischof vor den Kopf gestoßen wird. Merkst Du jedoch, daß es ihn nur ein klein wenig verdrieße, so rede von der ganzen Sache Nichts. Mich hat es aber von ihm verdrossen, daß er den Herrn Eusebius, einen so hochbetagten und schwer kranken Mann, excommunicirt hat. Darum mußt Du schon diesen Herrn Bischof im Vertrauen sagen, er möge in Fällung seiner Urtheilssprüche nicht voreilig sein; denn Fälle, die man durch Urtbeilssprüche entscheiden muß, müssen zuvor durch sorgfältige und oftmalige Untersuchung abgewogen werden.
Wenn die Listenführer des Heeres kommen, welche, wie ich höre, schon Rekruten ausheben, so gebe Deinem Vertreter den Auftrag, ihnen ein kleines Geschenk anzubieten, damit er sie in gute Stimmung gegen sich versetze. Gib auch den Beamten des Prätors Etwas nach alter Gewohnheit, bevor Du abreisest, jedoch durch die Hände Dessen, den Du zurücklassest, damit Du ihm ihre Gunst erwerbest. Damit auch Wir nicht als menschenfeindlich erscheinen, befiehl Deinen Stellvertretern, Alles genau auszuführen, was ich Deiner Wohlerfahrenheit einzelnen Personen oder Klöstern zu geben aufgetragen habe. Wie Dieß näher einzurichten sei, werden wir mit Gotteß Hilfe nach Deiner Ankunft verhandeln. Die 300 Solidi aber, die ich durch Dich den Armen zugewendet, sollen nach meiner Meinung nicht deren willkürlichen Verwendung überlassen werden. Deine Stellvertreter also sollen ibre Aufträge an die einzelnen Personen und Orte erfüllen.
Schon früher erinnere ich mich geschrieben zu haben, es sollten die Vermächtnisse, die nach der Testamentsbedingung des Antoninus von Uns auszuzahlen sind, den Klöstern und den andern bezeichneten Personen eingehändigt werden. Ich weiß nicht, warum Deine Wohlerfahrenbeit mit der Ausführung gezögert hat. Wir wollen also, daß Du aus den Kirchengeldern die Uns obliegenden Verpflichtungen erfüllest, damit Du nicht bei Deiner Hieherreise in Sicilien die Seufzer der Armen, die gegen Dich Klage führen, zurücklassest. Die Schuldscheine aber, die sich beim Vermögen des Antoninus gefunden haben, nimm gleichfalls mit Dir.
Romanus hat mir berichtet, die Gemahlin des Redemtus habe bei ihrem Tode mit ausdrücklichen Worten erklärt, eine ihr gehörige Schale solle verkauft und der Lösepreis ihren Freigelassenen gegeben werden; auch habe sie ein silbernes Schildchen einem Kloster vermacht. In beiden Fällen wollen Wir, daß ihr Wille genau erfüllt werde, damit wir nicht an kleinen Dingen uns großer Sünden schuldig machen.
Wie ich aus einer Anzeige des Bruders Marinianus, des Abtes, sehe, ist der Bau im Prätorianischen Kloster nicht einmal bis zur Hälfte ausgeführt. Wen sonst soll ich dafür loben, als den Eifer Deiner Wohlerfahrenheit?123
Aber wache wenigstens jetzt auf, nachdem man Dich ermahnt hat, und verlege Dich, soviel Du nur kannst, auf diesen Klosterbau. Ich habe gesagt, man solle den Mönchen Nichts von den Einkünften geben, nicht aber verboten, aus denselben das Kloster zu bauen. Schärfe also Deinem Stellvertreter in Palermo auf jegliche Weise ein, mit den kirchlichen Erträgnissen und Einkünften dieses Kloster zu bauen, damit der Abt Privatus nicht noch einmal mit einer Klage zu mir komme.
Auch ist mir kund geworden, Du wissest gar wohl, daß einige Gegenstände und Grundstücke andern Leuten gehören. Du nehmest aber wegen der Bitten gewisser Personen und aus Scheu vor ihnen Anstand, dieselben ihren rechtmäßigen Eigenthümern zuzustellen. Wenn Du ein wahrer Christ wärest, so würdest Du mehr das Gericht Gottes als das Gerede der Leute fürchten. Bedenke, daß ich Dich gerade in dieser Beziehung unaufhörlich ermahne. Wirst Du hierin nicht Folge leisten, so wird sich auch meine Stimme gegen Dich zum Zengniß erheben.
Wenn Du gottesfürchtige Laien findest, denen man die Tonsur geben kann, und die dann Sachwalter bei dem Landpfleger124werden sollen, so ist es mir sehr lieb. Man muß ihnen dann auch Zeugnisse zustellen.125
Du hast in der Sache des Sohnes des Rhetors Commissus angefragt; aber sein Verlangen ist nicht den Gesetzen gemäß. Wir wollen aber nicht, daß arme Leute um ihren Vortheil kommen; gib ihm also für seine Mühe 50 Solidi, die Du aber natürlich verrechnen mußt. — Die Auslagen, welche Du in der Sache des Prochifsus vom Kirchenvermögen gemacht hast, laß Dir entweder an Ort und Stelle von seinen Einkünften ersetzen, oder wenn dieselben dazu nicht ausreichen, mußt Du hier vom Diakon den Ersatz in Empfang nehmen.
Wage nicht mehr, vom Subdiakon Gelasius zu sprechen; denn sein Verbrechen erfordert die strengste Buße bis an‘s Lebensende.
Übrigens hast Du uns ein schlechtes Pferd und fünf gute Esel geschickt. Auf dem Pferd kann ich nicht reiten, weil es schlecht ist, und auf den guten Eseln nicht, weil sie Esel sind. Wir bitten, Uns etwas Brauchbares zu schicken, wenn Ihr Uns zufrieden stellen wollt.
Dem Abt Eusebius sollst Du 100 Goldstücke reichen, die Du natürlich verrechnen mußt. Wir haben erfahren, daß Sisinnius, der Richter in Samnium war, sich in großer Noth befinde. Wir wollen, daß Du ihm jährlich 20 Decimate Wein126und vier Solidi geben sollst. Der gottgeweihte Anastasius soll bei der Stadt Palermo im Bethaus der hl. Agna wohnen; gib ihm 6 Goldstücke. Der Mutter des Priors Urbikus sollst Du 6 Solidi geben, die Du zu verrechnen haben wirst. — In der Angelegenheit der Gottesmagd Honorata scheint es mir am besten, daß Du das ganze Vermögen, so weit es feststeht, daß dasselbe schon vor der Zeit der bischöflichen Verwaltung des Bischofs Johannes von Laurina vorhanden war, bei Deiner Hieherreise mitbringest. Aber auch die Gottesmagd soll mit ihrem Sohn kommen, damit Wir mit ihr Uns besprechen und dann thun können, was Gott wohlgefällig sein wird. Die Rolle mit den sieben ersten Büchern der hl. Schrift127aus dem Nachlaß des Antoninus wollen Wir dem prätorianischen Kloster schenken; die übrigen bringe mit!
V. (46) An den Bischof Johannes von Ravenna.
V. Gesammtausgabe 46.
An den Bischof Johannes von Ravenna.
Inhalt: Klage über Nachlässigkeit des Exarchen Romanus. Das Schisma von Istrien. Ein gefangenes Mädchen. Keine Wiederholung der Priesterweihe. Bitte um Hilfe für das gefährdete Neapel. Das Almosen ist zuerst den Rechtgläubigen und dann erst den Schismatikern zu spenden. Freude über die Unterwerfung des Bischofs Natalis von Salona.
Wenn ich auf so viele Zuschriften Ew. Heiligkeit noch nicht geantwortet habe, so schreibet das nicht meiner Trägheit, sondern meiner Krankheit zu. Denn zur Zeit, als Ariulph128 nach Rom kam und die Einen tödtete, die Andern verstümmelte, da wurde ich in Folge meiner Sündben von solcher Traurigkeit ergriffen, daß ich in ein Kolikleiden verfiel.. Sehr verwundert habe ich mich, woher es wohl komme, daß die mir so wohlbekannte Sorgfalt Ew. Heiligkeit unsrer Stadt und meinen Nöthen nicht zu Hilfe komme; aber aus Eurem eingelaufenen Schreiben habe ich ersehen, daß Ihr zwar mit Eifer thätig seid, daß es aber an Dem fehle, bei dem Ihr allein thätig sein könnet. Meinen Sünden schreibe ich also zu, daß Derjenige, den doch jetzt die Sache angeht, den Kampf gegen unsre Feinde ablehnt und dabei doch Uns verbietet, Frieden zu schließen.129 Freilich könnten Wir gerade jetzt, selbst wenn er es geschehen ließe, Dieß nicht thun; denn Ariulph, der das Heer des Autharis und des Nordulphus bei sich hat, verlangt, daß man ihm zuerst den Sold für dasselbe bezahle, ehe er mit Uns vom Frieden zu sprechen sich würdigt.
In Bezug auf die Angelegenheit der Bischöfe Istrien’s habe ich schon früher aus den Befehlen, die mir von den allerfrömmsten Herrschern zugekommen sind, ersehen, daß Alles so sei, wie mir Ew. Brüderlichkeit geschrieben, daß ich nämlich vorläufig unterlassen solle, sie anzutreiben.130Ich freue mich zwar hinsichtlich dessen, was Ihr geschrieben, über Euern Fuereifer und bekenne vielfältig Euer Schuldner geworden zu sein. Jedoch sollt Ihr wissen, daß ich nicht unterlassen werde, den erlauchtesten Gebietern mit allem Eifer und Freimuth über diese Angelegenheit zurückzuschschreiben. Die Heftigkeit Sr. Excellenz des Patriciers Romanus, den ich vorhin erwähnte, darf Euch nicht erschüttern; denn, da wir ihn an Stellung und Rang weit überragen, so müssen wir auch seine Kleinlichkeiten mit Ruhe und Ernst ertragen.
Sollte jedoch mit ihm einmal Etwas zu machen sein, so möge es Ew.Brüderlichkeit betreiben, daß Wir mit Ariulph Frieden schließen dürfen, wofern es Uns nur ein wenig möglich ist. Denn die Besatzung hat man von Rom hinweggezogen, wie er gar wohl weiß; die Theodosianer131aber, die zurückgeblieben sind, bekommen keinen Sold und verstehen sich kaum zum Wachdienst auf den Mauern. So ist die Stadt von Allem entblößt, und wenn nicht Friede, was soll aus ihr werden?
Hinsichtlich des Mädchens, von Dem Ihr schreibet, daß es aus der Gefangenschaft losgekauft worden sei, und daß Wir über ihre Herkunft Nachforschung anstellen sollen, möge Ew. Heiligkeit wissen, daß sich über eine unbekannte Persönlichkeit Nichts ausforschen läßt. Was Ihr aber von einer Wiederholung priesterlicher Weihen bemerket, ist sehr lächerlich und steht Eurer Besonnenheit schlecht an. Ihr müßtet Euch nur auf das angeführte Beispiel berufen wollen, hinsichtlich dessen Derjenige zu verurteilen wäre, der so Etwas gethan haben soll. Solche Gedanken seien aber ferne von Ew. Brüderlichkeit. Denn wie der einmal Getaufte nicht wieder getauft werden kann, so kann auch der einmal Geweihte nicht noch einmal dieselbe Weihe empfangen. Sollte Jemand aber mit einer leichtern Schuld in’s Priesterthum eingetreten sein, so muß ihm dafür eine Buße auferlegt werden; seine Weihe aber soll er behalten.
Hinsichtlich der Stadt Neapel theilen Wir Euch auf Andringen Sr. Excellenz des Exarchen mit, daß sich, wie wir erfahren haben, Arigis mit Ariulph vereinigt habe und, nachdem er dem Staate die Treue gebrochen, die genannte Stadt sehr bedrängt. Wird nicht schnell dorthin Entsatz gesendet, so ist sie für verloren zu erachten.
Wenn Ihr aber sagtet, daß man nach der abgebrannten Stadt des Schismatikers Severus Almosen schicken müsse, so beruht diese Meinung Ew. Brüderlichkeit darauf, daß Ihr von den Liebesgaben132Nichts wisset, die er gegen uns in den Kaiserpalast schleudert. Wäre aber auch Dieß nicht der Fall, so hätten Wir doch zu bedenken, daß man zuerst den Gläubigen und erst dann den Feinden der Kirche Barmherzigkeit erweisen müsse. Ganz in der Nähe ist die Stadt Phanum, in der sich viele Gefangene befinden. Schon voriges Jahr wollte ich dorthin Etwas schicken, wagte es aber nicht, weil der Weg mitten durch die Feinde geführt hätte. Mir scheint also, Ihr solltet den Abt Claubius mit einigem Geld dorthin schicken, um die Kinder, die er dort als käufliche Sklaven findet, oder auch Kriegsgefangene, wenn solche noch da sind, loszukaufen. Was die Summe betrifft, die Ihr dorthin schicken wollt, so seid versichert, daß ich Alles genehmige, was Ihr darüber beschließet. Wenn Ihr aber mit Sr. Excellenz dem Patricier Romanus in Unterhandlung tretet, damit Wir mit Ariulph Frieden schließen dürfen, so bin ich bereit, Euch noch eine andere Person an die Seite zu geben, mit der sich über die zu leistende Geldentschädigung wird leichter verhandeln lassen. Über unsern Bruder und Mitbischof Natalis war ich sehr betrübt, weil ich einige Züge von Hochmuth über ihn erfahren hatte; da er nun aber sein Betragen selbst verbessert hat, so hat er meine Trübsal getröstet und mich zugleich entwaffnet. 133Erinnere deßhalb unsern Mitbischof Malchus, noch bevor er zu Uns kommt, seine Rechnungen in Vorlage zu bringen; dann erst möge er anderswohin reisen, wofern es noth thut. Wenn Wir sein Verfahren als gut erkennen, müssen Wit ihn vielleicht in die Stellung, die er im Patrimonium eingenommen, wieder einsetzen.
VI. (47.) An den Bischof Dominikus von Karthago.
VI. Gesammtausgabe 47.
An den Bischof Dominikus von Karthago.
Inhalt: Danksagung für das allerdings verspätete Glückwunsch-Sreiben zur Erhebung auf den päpstlichen Stuhl. Von der Liebe und Einheit. Schwierigkeit des apostolischen Amtes. Wahrung der kirchlichen Rechte.
Die Briefe, die Uns etwas verspätet von Unsern hochwürdigsten Brüdern und Mitbischöfen Donatus und Quodvultdeus, sowie von dem Diakon Viktor und von Agilegius, dem Schriftführer Ew. Brüderlichkeit, überbracht wurden, haben Wir mit der größten Freude in Empfang genommen. Obwohl Wir den Verlust bedauerten, den Wir durch die Verzögerung erlitten, so haben Wir Doch in denselben einen um so reichern Schatz von Liebe gefunden, so daß die zeitliche Verzögerung die Zuneigung nicht unterbrochen, sondern nur genährt haben dürfte. Wir ersehen nämlich, daß dieselbe durch Gottes Gnade, durch Erwägung der priesterlichen Würde, durch die Gewohnheit frommer Lesung un durch Reife des Alters schon fest in Euch begründet sei. Nicht so reichlich würde sie aus Deinem Herzen strömen, wenn sie nicht dort zahlreiche und wohlgefüllte Quellen hätte. An dieser Mutter und Bewahrerin der Tugenden, heiligster Bruder, wollen wir mit unerschütterlicher Standfestigkeit festhalten. Keine listige Zunge soll sie uns schwächen, keine Versuchung des Urfeindes soll sie in uns tilgen. Sie vereinigt das Getrennte und erhält in der Einheit. Sie erhebt das Niedrige, ohne zum Stolz zu verleiten. Sie senkt das Hohe, ohne zu entwürdigen. Durch sie verbreitet die Einheit der Gesammtkirche, welche die Verbindung mit dem Leibe Christi ist, Freude in den Einzelnen, deren Gemüther sie beruhigt, 134obwohl in Bezug auf die verschiedenen Glieder Mannigfaltigkeit herrscht. Sie bewirkt, daß eben diese Glieder bei fremder Freude frohlocken. auch wenn sie selbst Trübsal leiden, und bei fremdem Kummer trauern, auch wenn sie selbst in Freude sind. Da also, wie der Völkerlehrer bezeugt, alle Glieder mitleiden, wenn eines leidet, und, wenn ein Glied sich freut, alle Glieder sich mitfreuen, so zweifle ich nicht, daß ihr über unsre Heimsuchung seufzet, da Ihr auch versichert sein dürfet, daß wir über Euer Wohlergehen uns freuen.
Daß sich aber Ew. Brüderlichkeit über Unsre Erhebung auf diesen Stuhl erfreut, ist mir ein Beweis Eurer aufrichtigsten und herzlichsten Zuneigung. Aber, ich gestehe, bei dem Gedanken an diese Erhebung durchbohrt meine Seele ein gewaltiger Schmerz. Denn schwer ist die Last des Priesterthums; zuerst muß ja der Priester als Muster für Andere leben und dann dafür sorgen, daß sich seine Seele nicht um der gegebenen Beispiele willen in Eitelkeit verliere. Immer soll er des Predigtamtes eingedenk sein und mit ernstlicher Furcht erwägen, daß der Herr, da er hingeht, um sein Reich in Besitz zu nehmen, sowie bei der Austheilung der Talente zu den Knechten spricht: „Machet Geschäfte bis ich wieder komme.„135 Dieses Geschäft betreiben wir ohne Zweifel dann auf die rechte Weise, wenn wir durch unser Leben und unser Wort Seelen gewinnen, wenn wir auch die Schwachen in der himmlischen Liebe bekräftigen, indem wir ihnen die Freuden des Himmels vor Augen halten, wenn wir die Frechen und Stolzen durch furchtbare Androhung der Höllenstrafe erschüttern, wenn wir gegen Niemand eine Schonung kennen, die mit der Wahrheit unvereinbar ist, wenn wir Freundschaft mit Gott unterhalten, vor Feindschaft mit Menschen uns nicht fürchten. Solches ausübend glaubte der Psalmist Gott ein Opfer dargebracht zu haben, indem er sprach: „Sollte ich nicht hassen, o Herr, die Dich hassen und über Deine Feinde mich nicht grämen? Mit vollkommenem Hasse hasse ich sie, und Feinde sind sie mir.“136 Aber bei der Größe meiner Schwachheit zage ich vor dieser Anforderung und sehe doch, daß der Hausvater, nachdem er sein Reich in Besitz genommen, zurückkehrt, um Abrechnung mit uns zu halten. Aber in welcher Stimmung kann ich ihn erwarten, der ich keinen oder fast keinen Gewinn an Seelen aus dem übernommenen Geschäfte mitbringe? Hilf mir also, theuerster Bruder, durch dein Gebet und erwäge auch Du täglich bei Dir selbst mit vorsichtiger Sorge und Furcht, was Du siehst, daß ich für mich fürchte. Das Band der Liebe bewirkt ja, daß auch Dich angeht, was ich von mir sage, und auch mir gehört, was ich wünsche, daß Du thun sollst.
Bezüglich der kirchlichen Vorrechte aber, von denen Ew. Brüderlichkeit schreibt, mögt Ihr Euch mit Beseitigung aller Bedenken an Folgendes halten. Wie Wir Unsre eigenen Rechte vertheidigen, so halten Wir auch die aller Einzelkirchen aufrecht. Ich gebe Keinem aus Begünstigung mehr als ihm gebührt und mache Keinem aus ehrsüchtigem Antrieb streitig, was ihm von Rechts wegen zukommt, sondern ich wünsche meine Brüder in Allem zu ehren, und so suche ich Jeden mit Ehre zu überhäufen, soweit nur nicht das Recht eines Andern ihm im Wege steht. Die Gesinnungen aber, die Eure Gesandten zu erkennen geben, waren mir sehr erfreulich; ich habe daraus ersehen, wie sehr Ihr mich liebet, da Ihr so auserwählte Brüder und Söhne zu mir gesandt habt.
Gegeben den 21. Juli der 10. Indiktion (592).
VII. (48.) An den Bischof Columbus.
VII.Gesammtausgabe 48.
An den Bischof Columbus.
Inhalt: Adressat wirb beauftragt, eine Synode zu versammeln und auf derselben den Bischof Maximian von Pudentiana (Stadt in Numidien) abzusetzen, wofern sich die Anklage als wahr erweisen sollte, daß er, mit Geld bestochen, einen Donatisten zum Bischof gemacht habe. Klage über die Donatisten, welche für Geld Leute gewinnen, um sie nochmals taufen zu lassen, und ernste Aufforderung, kräftig denselben entgegenzuwirken.
Es ist bekannt, liebster Bruder in Christo, daß der Urfeind, der schon den ersten Menschen durch seine listige Überredung von den Freuden des Paradieses in dieses kummervolle Leben gestürzt und schon damals dem Menschengeschlechte die Strafe der Sterblichkeit zugezogen hat, auch jetzt noch den Hirten der Schafe unsers Herrn sein Gift einzuträufeln und sie in seine rechtliche Gewalt zu bringen sucht, damit er dann um so leichter sich der Heerde bemächtigen könne. Wir aber, dieWir obschon ohne Unser Verdienst an Stelle des Apostelfürsten Petrus den apostolischen Stuhl und die ihm zustehende Verwaltung übernommen haben, sehen Uns gerade durch das päpstliche Amt gezwungen, dem Feinde der ganzen Kirche mit aller Uns möglichen Anstrengung entgegenzutreten. 137 Die Überbringer gegenwartigen Schreibens also, Constantius und Mustellus, Diakone der in Numidien gelegenen Kirche Pudentiana, haben sich an Uns durch eine bittliche Vorstellung gewendet und behaupten in derselben, Maxmian, Bischof derselben Kirche, habe, von den Donatisten durch Geld bestochen, die bisher unerhörte Erlaubniß dazu gegeben, daß an seinem Aufenthaltsorte ein Bischof eingesetzt werde. 138Hätte auch der bisherige Gebrauch Solches gestattet, so wäre doch die Fortdauer eines solches Gebrauches gegen den katholischen Glauben. Deßhalb halten Wir es für nothwendig, Deine Brüderlichkeit durch gegenwärtiges Schreiben zu ermahnen, daß Du, sobald Unser Schriftführer Hilarius zu Dir kommt,eine allgemeine Bischofsversammlung veranstalten und dieseSache im Hinblick auf den Schrecken des kommenden Gerichtes mit aller Sorgfalt und Genauigkeit untersuchen mögest. Erweist sich dann die Anklage der Überbringer dieses Schreibens gegen den Bischof durch glaubwürdige Zeugnisse als wahrhaft, so soll er seiner Würde und seines Amtes ganz und gar entkleidet werden, damit er sein Verbrechen erkenne und sein Heil in der Buße suche, auch fernerhin Niemand mehr Solches wage. Es ist ja nur billig, daß Derjenige,der laut der Anklage unsern Herrn Jesum Christum an einen Ketzer verkauft hat, von der Verwaltung der Geheimnisse des Leibes und Blutes fern gehalten werde. Sollte es sich hiebei ergeben, wie es auch in der bittlichen Vorstellung der Diakonen enthalten ist, daß ausser diesem Verbrechen noch die Absicht vorhanden war, Andern Schaden zuzufügen und Privatvortheile zu erringen, — so wolle Deine Brüderlichkeit mit Unserm erwähnten Schriftführer auch Dieß sorgfältig untersuchen und zwischen beiden Theilen nach Erforderniß der Gerechtigkeit entscheiden.
Auch haben Uns die Überbringer mitgetheilt, daß sich um unsrer Sünden willen die Sekte der Donatisten täglich weiter ausbreitet, und daß sehr Viele, nachdem sie katholisch getauft wurden , einwilligen, sich von denselben für Geld wiedertaufen zu lassen. Wie verhängnisvoll Dieß sei, das müssen wir, o Bruder, mit allem Ernft erwägen. Siehe, der Wolf zerfleischt die Heerde des Herrn nicht mehr heimlich bei Nacht, sondern am hellen Tage, und wir sehen ihn im Blute der Schafe schwelgen, und wir treten ihm durch keine vorsorgende Maßregel, ja nicht einmal mit den Ge schoßen unsers Wortes entgegen. Wie werden wir dem Herrn das Erträgniß einer größern Heerde vorweisen können, wenn wir trägen Sinnes zuschauen, wie sogar die Heerde, die wir zu weiden übernommen haben, von wilden Thieren gefressen wird? Entflammen Wir also unser Herz durch den Hinblick auf die irdischen Hirten, welche oft, dem Reif und der Kälte preisgegeben, die Winternächte durchwachen, um nur ein Schaf; das nicht einmal besonders werthvoll ist, vor dem Verderben zu bewahren! Und hat der lauernde Unhold eines mit gefräßigem Rachen gepackt, wie thun sie da ihr Äusserstes, wie erglühen sie im Herzen, wie erheben sie angsterfüllt ein Geschrei, um das geraubte Thier noch zu retten, damit nicht der Herr der Heerde ihnen abfordere, was durch ihre Sorglosigkeit zu Grunde gegangen! Wachen also auch wir, auf daß Nichts zu Grunde gehe; und ist eines schon ergriffen worden, so wollen wir es durch die Verkündigung des göttlichen Wortes wieder zur Heerde des Herrn zurückführen, damit der Hirte der Hirten in seinem Gerichte uns gnädig bezeuge, daß wir über seinen Schafstall gewacht haben.
Auch darauf müßt Ibr wohl Acht haben, daß es mit aller Sorgfalt zu untersuchen sei, wenn etwa der Bischof gegen die Überbringer eine gerechte Einwendung vorbringen sollte. Sollten sich etwa diese selbst wegen eigener Schuld als strafwürdig von Rechts wegen erweisen, so meinen Wir durchaus nicht, daß man sie deßbalb verschonen solle, weil sie sich zu Uns bemüht haben.
Im Monat August der 10. Indiktion (592).
VIII. (51.) An alle in den Drecapitelstrei verflochtenen Bischöfe.
VIII. Gesammtausgabe 51.
An alle in den Drecapitelstrei verflochtenen Bischöfe.139
Inhalt: Die Schismatiker erleiden ohne Verdienst Verfolgung, so lange sie nicht zur kirchlichen Einheit zurückkehren. Die Verurtheilung der drei Kapitel hat am Glauuben Nichts geändert. Die Leiden Italiens sind nicht als Strafe für die Annahme des fünften Conciliums zu betrachten. Sie sollen aus einem Briefe des Papstes Pelagius, der ihnen mitgetheilt wird, Belehrung schöpfen.
Eure Zuschriften habe ich mit größter Freude in Empfang genommen; aber noch weit größer würde mein Jubel sein, wenn es mir beschieden wäre, über Eure Rückkehr zu frohlocken. An der Spitze Eures Briefes befindet sich die Mittheilung, daß Ihr eine schwere Verfolgung zu erleiden haht. Wenn nun diese Verfolgung nicht in der rechten Gesinnung ertragen wird, so gereicht sie Euch keineswegs zum Heile. Denn Niemand darf eine Belohnung für seine Sünde erwarten. Iht müßt wissen, daß, wie der hl. Cyprian sagt, nicht die Marter den Martyrer ausmacht, sondern die Ursache derselben. Wenn es sich nun so verhält, so habt Ihr keinen Grund, Euch der Verfolgung, die Ihr nach Eurer erleidet, zu rühmen, da es gewiß ist, daß Ihr durch dieselbe nicht zur ewigen Belohnung gelangen werdet. Möge endlich die Unversehrtheit des Glaubens Euer Liebden zur Mutter, die Euch geboren, zur Kirche, zurückführen. Keine Erbitterung des Gemüths trenne Euch von der Eintracht und Einheit, keine Überredung halte Euch ab, den rechten Weg wieder einzuschlagen! Denn es liegt offen zu Tage, daß in der Synode, in welcher über die drei Kapitel verhandelt wurde, vorn Glauben Nichts hinweggenommen, Nichts irgendwie an demselben abgeändert worden, sondern es hat sich, wie Ihr wisset, hiebei nur um gewisse Personen gehandelt, von welchen eine, deren Schriften offenbar mit dem rechten katholischen Glauben im Widerspruch waren, nicht ungerecht verurtheilt worden ist.
Wenn Ihr aber schreibet, daß von dieser Zeit an Italien mehr als alle anderen Provinzen von Plagen heimgesucht sei, so sollt Ihr Dieß demselben nicht zur Schmach anrechnen, da geschrieben steht: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt jeden Sohn, den er aufnimmt.„140Wenn es also sich so verhält, wie Ihr saget, so ist Italien von jener Zeit an mehr bei Gott beliebt und in jeder Weise bewährt und hat deßhalb die Schläge seines Herrn zu erdulden verdient. Beachtet aber wohl den Grund, warum es sich nicht so verhalten könne, wie Ihr zum Hohne dieses Landes zu behaupten waget.
Als der Papst Vigilius, berühmten Andenkens, sich in der Kaiserstadt befand und gegen die damalige Kaiserin Theodora und gegen die Acephaler141 das Verwerfungsurtheil veröffentlichte, da drang der Feind in die Stadt Rom und nahm sie in Besitz. War also die Sache der Acephaler eine gute, und sind sie etwa ungerecht verurtheilt worden, weil sich Dieß nach ihrer Verurtheilung ereignet hat? Das sei ferne! Denn es steht weder einem von Euch noch Andern zu, die mit den Geheimnissen des katholischen Glaubens bekannt sind, Dieß zu sagen oder auf irgend eine Weise zuzugestehen. Da ihr Dieß also wisset, so lasset jenes Bedenken einmal fallen! Damit aber Euern Gemüthern aller Zweifel hinsichtlich der drei Kapitel benommen und euch vollständige Befriedigung hinsichtlich derselben verliehen werde, halte ich es für nützlich, Euch das Buch142zu schicken, welches mein Vorfahrer, heiligen Angedenkens, der Papst Pelagius, über diesen Punkt geschrieben hat. Wenn Ihr dasselbe mit Ablegung aller hartnäckigen Vertheidigungssucht und mit aufrichtigem und aufmerksamem Herzen öfters lesen wollt, so habe ich das Vertrauen, daß Ihr demselben in Allem zustimmen und deßungeachtet zur Einheit mit Uns zurückkehren werdet. Wenn Ihr aber auch nach Lektüre dieses Buches bei Euern gegenwärtigen Bedenklichkeiten beharren wollet, so zeiget Ihr zweifellos, daß Ihr Euch nicht von der Vernunft, sondern vom Eigensinn leiten lasset. Darum ermahne ich nochmals mit allem Mitleid Euer Liebden, daß Ihr — da mit Gottes Hilfe in der Angelegenheit der drei Kapitel die Unversehrtheit des Glaubens Nichts eingebüßt hat — allen Geisteshochmuth ableget und um so schneller zu Eurer Mutter, der Kirche. die ihre Söhne erwartet und einladet, zurückkehret, da ihr wisset, daß Ihr täglich von ihr zu Euerm eigenen Besten erwartet werdet.
IX. (52.) An den Bischof Natalis von Salona.
IX. Gesammtausgabe 52.
An den Bischof Natalis von Salona.
Inhalt: Tadel wegen Abhaltung weltlicher Gaslmähler, Unterlassung der geistlichen Lesung und früherer Nichtachtung des päptslichen Urtheilsspruches. Lob wegen fleissiger Predigt.
Als hätte ich die ganze Reihe Eurer früheren Zuschriften vergessen, hatte ich mir vorgenommen, nur Angenehmes zu Ew. Herrlichkeit zu sprechen; aber da Euer Brief in der Erörterung auf die früheren Zuschriften zurückgreift, so sehe ich mich gezwungen, wieder Manches anzuführen, was vielleicht weniger angenehm zu hören ist.
So erwähnt Ew. Brüderlichkeit zur Vertheidigung der Gastmähler das Gastmahl Abraham’s, bei welchem er, wie die hl. Schrift bezeugt, drei Engel bewirthet habe. Allerdings werden auch Wir im Hinblick auf dieses Beispiel Ew. Herrlichkeit nicht wegen eines Gastmahls tadeln, wenn Wir vernehmen, daß Hochdieselbe an Engeln Gastfreundschaft geübt habe. Ferner führt Hochdieselbe an, Isaak habe, nachdem er sich gesättigt, seinem Sohn den Segen gegeben. Da beide Beispiele aus dem alten Testamente sich zwar geschichtlich ereignet haben, aber doch auch eine vorbildliche Bedeutung in sich schließen, — möchten wir im Stande sein, die gechichtlichen Ereignisse so aufzufassen, daß wir auch einen Blick in die Zukunft werfen und zu erkennen vermögen, was geschehen muß. So hat Jener, da er unter den drei Engeln einen begrüßte, erklärrt, daß die drei Personen der Dreifaltigkeit eines Wesens seien. Dieser aber hat, nachdem er sich gesättigt, seinen Sohn gesegnet, weil das Gemüth dessen sich zur Kraft der Weissagung erhebt, der sich am göttlichen Mahle gesättigt hat. Das göttliche Mahl aber sind die Worte der hl. Schrift. Wenn Ihr also beständig der Lesung oblieget, wenn Euch die äussern Dinge nur als Vorbild dienen, um in das Innere zu dringen, dann erfüllt Ihr das Fassungsvermögen der Seele von dem Erträgniß der Feldjagd und seid gesättigt, um dem vor Euch befindlichen Sohne, dem Euch anvertrauten Volke, die Zukunft verkünden zu können. Aber wer von Gott Etmas weissagt, dem ist die Welt schon dunkel geworben; denn es geziemt sich fürwahr, daß das Auge Dessen der Begierlichkeit sich verschließe, dessen Seele von innerem Verständniß erglänzt. Beziehet dar auf Euch selbst, und wenn Ihr Euch als so beschaffen erkennet, so dürft Ihr an Unsrer Hochschätzung nicht zweifeln.
Ich finde auch, daß Ew. Herrlichkeit sich darüber freut, zugleich mit dem Weltenschöpfer den Namen eines Fressers ertragen zu müssen. Darüber sage ich in Kürze: Wenn Dieß fälschlich von Euch ausgesagt wird, so ertraget Ihr in Wahrheit diese Beschimpfung mit dem Weltenschöpfer. Wenn sie aber mit Beziehung auf Euch Wahrheit ist, wer könnte in Bezug auf Jenen zweifeln, daß sie Lüge sei? Der gleiche Name kann Euch nicht freisprechen, wenn sich die Sache ungleich verhält. Denn auch einem Räuber ward zugleich mit ihm das Kreuz zu Theil, um daran zu sterben; aber die Gleichheit der Kreuzesstrafe hat ihn nicht von den Fesseln der eigenen Schuld befreit. Ich aber erflehe mit meinen kräftigsten Bitten, daß Ew. heiligste Brüderlichkeit nicht nur den Namen, sondern auch die Sache mit unserm Schöpfer gemeinsam habe.
Mit Recht lobt Ew. Heiligkeit in ihren Briefen die Gastmähler, welche in der Absicht, Liebe zu erweisen, veranstaltet werden. Jedoch ist hiebei zu bemerken, daß sie nur dann in Wahrheit auf Liebe sich gründen, wenn dabei nicht das Leben Abwesender durchgehächelt, Niemand mit Spott herabgezogen wird, und wenn man dabei nicht eitle Berichte von Weltgeschäften, sondern die Worte heiliger Lesung vernimmt; wenn man dem Leibe nicht über Bedürfniß dient, sondern nur seiner Schwachheit zu Hilfe kommt, damit er zur Ausübung der Tugend tauglich sei. Wenn Dieß bei Euern Gastmählern beachtet wird, dann, ich gestehe es, seid Ihr Lehrer der Enthaltsamen.
Wenn Ihr mir aber die Vorschrift des Apostels Paulus entgegenhaltet: „Wer nicht ißt, richte Den nicht, welcher ißt!„143 so scheint mir Dieß durchaus nicht hieher zu gehören; denn einerseits bin ich Keiner, der nicht ißt, anderseits hat Paulus Dieß nicht gesagt, damit die Glieder Christi, die in dessen Leib d. h. in der Kirche durch das Band der Liebe mit einander verbunden, sich gar nicht mehr um einander kümmern sollten. Wenn weder ich zu Dir noch Du zu mir in irgend einer Beziehung stündest, dann müßte ich freilich von Rechts wegen schweigen, um nicht einen Unverbesserlichen zu tadeln. Jener Ausspruch geht also nur Diejenigen an, welche über Solche Gericht halten wollen, die nicht ihrer Sorge anvertraut sind. Aber nachdem wir durch Gottes Fügung Eines ausmachen, so würden Wir uns sehr verfehlen, wenn wir schweigen würden, wo wir Etwas zu verbessern finden. Siehe, Deine Brüderlichkeit hat es übel genommen, daß ich Dich wegen der Gastmähler getadelt habe, obgleich ich selbst, der ich Dich zwar nicht durch mein Leben, aber durch meine Stellung überrage, bereit bin, mich von Allen tadeln, von Allen meistern zu lassen. Und Den allein halte ich für meinen Freund, dessen Zunge mir dazu verhilft, die Flecken aus meiner Seele zu wischen, noch ehe der strenge Richter erscheint.
Wenn Du aber sagst, liebster Bruder, Du könnest Dich nicht mit Lesung beschäftigen, weil Du von Trübsal niedergedrückt seiest, so scheint mir Dieß keine passende Entschuldigung zu sein, da Paulus spricht: „Alles, was geschrieben steht, ist zu unsrer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost aus der Schrift Hoffnung haben.“144Wenn also die hl. Schrift zu unserm Troste da ist, so müssen wir um so mehr lesen, je mehr wir uns von der Bürde der Trübsal ermüdet finden. Kann man sich aber unbedingt auf jenen Ausspruch verlassen, den Ihr in Euerm Brief anführt, daß nämlich der Herr gesagt habe: „Wenn sie euch aber überliefern, so denkt nicht, wie oder was ihr reden sollet; denn es wird euch gegeben werden in jener Stunde, was ihr reden sollet. Dennn nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet;„145 — dann sind uns die hl. Schriften umsonst gegeben, da wir, vom Geiste erfüllt, äusserer Worte nicht bedürfen. Aber etwas Anderes, liebster Bruder, ist es, worauf wir in der Zeit der Verfolgung in unsrer Bedrängniß ohne Bedenken rechnen dürfen, und etwas Anderes, was wir im Kirchenfrieden thun sollen. Denn jetzt müssen wir in diesem Geiste der Lesung obliegen und so in Empfang nehmen, was wir, wenn der Fall für uns eintrifft, auch durch Leiden zu bekräftigen haben.
Sehr gefreut hat mich hingegen in Eurem Brief, daß Ihr Fleiß auf die Ermahnung Anderer zu verwenden erkläret. Denn daraus ersehe ich, daß Ihr Eure Standespflicht getreu erfüllet, wenn Ihr auch Andere zu Euren Schöpfer zu führen bemüht seid. Wenn Ihr aber an derselben Stelle saget, daß Ihr mir nicht ähnlich seiet, so habt Ihr mir gleich nach der Freude wieder Betrübniß gemacht, weil ich ein Lob für Spott halte, dessen Wahrhaftigkeit ich durchaus nicht einsehen kann. Ich danke aber dem allmächtigen Gott, daß durch Euch die Ketzer wieder zur hl. Kirche zurückgerufen werden. Aber Ihr müßt auch dafür sorgen, daß die im Schooße der hl.. Kirche Befindlichen so leben, daß sie nicht durch ihre schlechten Sitten ihre Gegner werden. Denn wenn sie nicht dem Verlangen nach himmlischen Dingen, sondern irdischen Begierden und Lüsten sich hingeben , so werden unächte Kinder im Schooße der Kirche herangezogen.
Wenn Ihr aber zugestehet, daß Ihr Euch in Betreff der kirchlichen Ordnung in keiner Unwissenheit befinden könnet, so bin ich hievon hinsichtlich Eurer vollkommen überzeugt und eben deßhalb sehr betrübt; denn da ihr die rechte Ordnung kennet, so habt Ihr, was das Schlimmste ist, mit Wissen gegen mich gefehlt. Nachdem nämlich in der Sache des Archidiakons Honoratus meine und meines Vorgängers Zuschriften an Ew. Herrlichkeit gelangt waren, habt Ihr das Urtheil von uns Beiden verachtet und den erwähnten Honoratus seiner Stelle enthoben.146Hätte Dieß einer von den vier Patriarchen gethan, so hätte man eine so große Widerpenstigkeit nicht ohne das größte Ärgernis übersehen können.147 Nachdem jedoch Eure Brüderlichkeit wieder zur Ordnung zurückgekehrt ist, so gedenke ich nicht mehr der mir und meinem Vorfahrer zugefügten Unbill.
Wenn Ihr aber behauptet, auch in unsrer Zeit müsse man aufrecht erhalten, was von meinen Vorgängern überliefert und eingehalten worben sei, — so sei es ferne von mir, gegen die Verordnungen der Vorfahren an meinen Mitbischöfen in den Einzelkirchen zu verstoßen; denn ich würde mir selbst eine Unbill zufügen, wenn ich die Rechte meiner Brüder verletzen wollte. Wenn also Eure Gesandten ankommen, so werde ich schon sehen, was zwischen Euch und dem erwähnten Archidiakon Honoratus Rechtens ist, und Iht werbet schon aus meiner Behandlung der Sache ersehen, daß Ihr, wenn die Gerechtigkeit auf Eurer Seite ist, keine Benachtheiligung zu erleiden haben werdet, wie Ihr auch nie eine solche erlitten habt. Wenn aber dem mehrerwähnten Archidiakon Honoratus die Gerechtigkeit bei seinen Aussagen zur Seite steht, so wird seine Freisprechung beweisen, daß ich als Richter keine Rücksicht auf mir sonst bekannte Personen nehme. Uber die Excommunikationssentenz, welche jedoch in bedingter Weise schon das zweite oder dritte Mal, so zu sagen aus Nothwendigkeit angedroht ist, beklagt sich Ew. Herrlichkeit mit Unrecht, da der Apostel Paulus spricht: „Seid bereit jeden Ungehorsam zu bestrafen.“ 148Doch, fort mit dieser Sache, kehren Wir zu Unsrer eigenen zurück! Denn wenn Herr Natalis recht handelt, so kann ich nicht anders, als ihm Freund sein, da ich wohl weiß, wie sehr ich ihm für seine Zuneigung verpflichtet bin.
X. (54.) Seinem heiligsten Herrn dem Papste Gregorius der Bischof Licinianus.
X. Gesammtausgabe 54.
Seinem heiligsten Herrn dem Papste Gregorius der Bischof Licinianus.149
Inhalt: Lob der Pastoralregel. Bedenken hinsichtlich zu großer Forderungen an die Ordinanten; Bitte um Zusendung der Erklärung des Job.
Das Regelbuch, 150 welches Deine Heiligkeit herausgegeben, ist uns durch Gottes Gnade zugekommen, und wir lesen es mit größter Freude, weil wir sehen, daß geistige Regeln in demselben enthalten sind. Wer sollte nicht gerne in dem Buche lesen, in welchem er eine Seelenarznei bei beständiger Erwägung findet, welches ihn die hinfälligen, beständig wechselnden irdischen Dinge verachten lehrt und sein Geistes Auge zur ewigen Wohnung erhebt? Dieses Dein Buch ist eine Fundgrube aller Tugenden. Da befestigt die Klugheit die Scheidegrenze zwischen Gutem und Bösem; die Gerechtigkeit gibt Jedem das Seine, die Seele wird Gott, der Leib der Seele unterthan. Da findet sich auch die Stärke, die sich bei Glück unb Unglück gleich bleibt, durch Widerwärtigkeit nicht gebeugt, durch Glück nicht stolz gemacht wird. Da bricht die Mäßigkeit die Gewalt der Wollust und setzt mit Bescheidenheit den Lüsten ein Ziel. Hier fassest Du Alles zusammen, was zur Theilnahme am ewigen Leben gehört, und schreibst nicht nur eine Lebensregel für die Hirten, sondern gibst auch Jenen, die kein Vorsteheramt haben, eine solche. Die Hirten ersehen daraus nach Deiner Eintbeilung in vier Abschnitten, wie beschaffen sie dieses Amt antreten, welches Leben sie nach der Übernahme desselben führen, wie und was sie lehren und was sie thun sollen, damit sie bei so hoher priesterlicher Stellung nicht in Selbsterhebung verfallen. Mit Deiner vortrefflichen Lehre stimmen überein die alten heiligen Väter, die Lehrer und Vertheidiger der Kirche, Hilarius, Ambrosius, Augustinus, Gregor von Nazianz. Diese alle geben Dir Zeugniß, wie es die Propheten den Aposteln gegeben haben. So sagt der hl. Hilarius bei Erklärung der Worte des apostolischen Völkerlehrers: „Selbstbeherrschung und sittlichen Wandel bezeichnet er (Paulus) nur insofern als tauglich zur Priesterwürde, als bei den übrigen Tugenden die zur Predigt und Vertheidigung des Glaubens nothwendige Wissenschaft nicht felht. Denn Das macht noch keinen guten und nutzbringenden Priester aus, daß man entweder nur der Lehre entsprechend handle oder wissenschaftlich predige. Sondern auch wer für sich schuldlos ist, genügt nur dann, wenn er auch gelehrt ist, und wer gelehrt ist, nur dann, wenn er auch nach seiner Lehre lebt.“151 Auch der hl. Augustinus stimmt Dir bei, wenn er sagt: „Bei den Werken in diesem Leben darf man nicht Ehre oder Macht lieben; denn Alles ist eitel unter der Sonne, sondern nur jenes Werk, das mit Ehre oder Macht geschieht, wird gut und nutzbringend verrichtet, welches zum gottgewollten Heil der Untergebenen gereicht …. Deßhalb sagt der Apostel: „Wer ein Bischofsamt verlangt, der verlangt ein gutes Werk,” Er wollte erklären, was ein Bischofsamt sei, — es ist nämlich der Name eines Werkes, nicht ein Ehrenname. Das griechische und das aus dieser Sprache abgeleitete Wort bedeutet, daß der Vorgesetzte seine Untergebenen überschaut d. h. für sie Sorge trägt. Bischofsamt heißt also Aufsicht; so können wir es wenigstens, wenn wir wollen, in unsre Sprache übertragen. Daraus möge man ersehen, daß Derjenige kein Bischof sei, der nur den Vorrang im Auge hat, nicht aber den Nutzen der Heerde. Denn von dem Streben nach Erkenntniß der Wahrheit wird Niemand abgehalten, da dasselbe nur eine löbliche Zeitverwendung in sich schließt, immer aber ist es ungeziemend, ein hohes Amt, welches zur Leitung des Volkes unumgänglich nothwendig ist, anzustreben, selbst wenn es dann auf geziemende Art eingenommen und verwaltet würde. Deßhalb verlangt die Liebe nach heiliger Ruhe, um sich der Erforschung und Vertheidigung der Wahrheit widmen zu können. Wird aber das Bischofsamt übertragen, so erfordert die Liebe, daß man es übernehme. Aber auch dann darf man nicht aufhören, sich der Erforschung der Wahrheit mit Lust hinzugeben, damit man nicht, der innern Freude entblößt, der übernommenen Last unterliege."152 Auch stimmt Dir bei der hl. Gregorius,153 dessen Schreibweise Du nachahmst und nach dessen Beispiel Du in Verborgenheit bleiben wolltest um der Bürde der bischöflichen Würde zu entgehen, deren Größe in Deinem ganzen Buche unwiderleglich dargelegt wird. Und doch trägst Du diese gefürchtete Last. Denn Deine Bürde zieht nach oben, nicht nach unten; sie drückt Dich nicht nieder, sondern erhebt Dich bis zu den Sternen, weil Gottes Gnade das Verdienst des Gehorsams und die Ausführung guter Werke Das versüßt, was für die menschliche Schwachheit eine Bürde zu sein schien. Du sprichst, wie es Aposteln und apostolischen Männern eigen ist. Weil Deine eigene Seele schön ist, hast Du auch Schönes gesprochen und dadurch die Dir eigene Schönheit bewiesen.154 Vergleiche Dich also nicht dem häßlichen Maler eines schönen Gemäldes; denn geistige Lehre entquillt nur einem geistigen Gemüthe. Immerhin wird auch der Maler von den Meisten höher geschätzt als ein lebloses Bild. Rechne mir Dieß aber nicht als Lobhudelei und Schmeichelei an, sondern als Wahrhaftigkeit; denn für mich schickt sich die Lüge so wenig als für Dich ein unverdientes Lob. Ich habe also ganz unparteiisch Dich und Deine schönen Bilder betrachtet und habe mich im Vergleich mit Dir sehr unschön gefunden. Deßhalb Bitte ich durch die Dich überfluthende Gnade Gottes, meine Bitte nicht unerhört zu lassen, sondern mich bereitwillig zu lehren, worin ich mich als unwissend erkenne. Denn nothwendig müssen wir Deine Lehre befolgen.
Was muß nämlich geschehen, wenn sich kein Erfahrener für das Priesteramt findet, sondern nur ein Unerfahrener, wie ich es bin? Du willst, daß kein Unerfahrener geweiht werde. Aber möge Deine Weisheit überlegen, ob es nicht genug Erfahrenheit sei, Jesum Christum und zwar den Gekreuzigten zu kennen. Genügt Das nicht, so wird sich Niemand finden, der nach diesem Buche auf den Namen eines Erfahrenen Anspruch machen könnte. Niemand wird also Priester werden, wenn nur ein Erfahrener es werden darf. Zweimal Verehelichte weisen wir aufs Entschiedenste zurück, damit das Sakrament nicht verunehrt werbe. Wie nun, wenn Jemand zwar nur einmal verehelicht ist, aber vor der Ehe sich mit einer Frauensperson versündigt hat? Wie, wenn er nie eine Ehefrau gehabt, aber doch nicht ohne geschlechtliche Versündigung geblieben? Tröste uns mit Deiner Feder, denn wir möchten weder wegen eigener noch wegen fremder Sünde Strafe erleiden. Wir fürchten sehr, nothgedrungen Ungehöriges zu thun. Siehe, man muß Deinen Vorschriften gehorchen und Solche weihen, denen die apostolische Würde geziemt; aber man findet nicht, die man sucht. Also muß der Glaube erlöschen, denn er kommt vom Anhören; die Taufe muß unterbleiben, denn es fehlt der Täufer; unterbleiben müssen all’ jene heiligen Geheimnisse, die von Priestern und geweihten Dienern vollzogen werden. Beiderseits droht Gefahr; entweder muß man Solche weihen, die eigentlich nicht geweiht werden sollten, oder es wird an Darnringern und Ausspendern der hl. Geheimnisse fehlen.155 Vor wenigen Jahren besuchte uns, auf der Rückreise von der Kaiserstadt begriffen, mit ganz kurzem Aufenthalt der Bischof Leander von Sevilla und sagte uns, er besitze Homilien, die Ew. Heiligkeit über das Buch Job herausgegeben. Später schriebst Du ihm wegen der dreimaligen Untertauchung; in diesem Brief soll vorkommen, es habe Euch jenes Werk nicht gefallen, und Ihr hättet Euch nach reiflicherer Überlegung entschlossen, dasselbe in Abhandlungsform umzugestalten.156Wir haben zwar sechs Bücher des hl. Bischofs Hilarius von Poitiers, die er vom griechischen Text des Origenes in’s Latein übertragen; aber darin ist nicht Alles nach der Ordnung des Buches Job erklärt. Auch wundere ich mich, daß ein so gelehrter und heiliger Mann die sonderbaren Einfälle des Origenes über die Sterne übersetzt hat. Ich, heiligster Vater, kann auf keine Weise überredet werden, die Himmels-Gestirne für vernünftige Geister zu halten, da sie nach der hl. Schrift weder mit den Menschen noch mit den Engeln erschaffen worden sind. Möchte also Ew. Heiligkeit jenes Werk über das Buch des hl. Job, sowie auch die andern Moralbücher, deren Abfassung Du in der Pastoralregel Erwähnung gethan, meiner Wenigkeit übersenden. Denn Dir gehören wir an, Deine Schriften zu lesen, ist unsre Lust. Mein Wunsch und mein Vorzug soll es sein, wie Dein hl. Gregorius sagt, bis in’s höchste Greisenalter zu lernen. Möge die hl. Dreifaltigkeit zur Belehrung der Kirche Eure Krone Euch unversehrt bewahren! Das ist es, was wir wünschen, heiligster Vater!