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1. Eine Liebesbeziehung und ein kühles Bier, bitte!

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Aline rief mich an, als ich gerade meinen Koffer packte. Genervt nuschelte sie durch den Hörer: „Du willst tatsächlich fliegen?“

Zwei Minuten später, ohne dass ich überhaupt auf ihre Frage antworten konnte, stand sie schon vor meiner Wohnungstür, schlurfte ohne zu fragen herein, warf einen skeptischen Blick in mein Zimmer, verdrehte die Augen über das Chaos und den großen Koffer auf dem Bett, seufzte, schnappte sich den Aschenbecher, der im Flur auf dem Boden stand und scharwenzelte in die Küche. Sie öffnete das Fenster, grinste frech beim Anblick des riesigen Abwaschberges, setzte sich auf den verschlissenen Sessel neben der Spüle und zündete sich eine Zigarette an. Ich setzte mich ihr gegenüber. Meine liebe Freundin nahm einen tiefen Zug, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, schob die Vase mit den verblühten netto-Blumen zur Seite und starrte einen kurzen Moment auf das Elvis-Bild, das an der schmierigen Wand über dem Küchentisch hing, die voller Fettspritzer war.

„Neu?“, fragte sie.

„Ja“, murmelte ich, „von Issy.“

„Aha“, kommentierte sie ironisch.

Wir schwiegen einen Moment. Dann sagte ich: „Ich will es nochmal versuchen, ich kann nicht so tun, als sei es nie ernst zwischen uns gewesen. Sieben Jahre wirft man doch nicht einfach so weg!“

Aline sah mich verständnislos an. Sie nahm noch einen Zigarettenzug, runzelte die Stirn und trommelte wieder. Ihr Trommeln klang wie die Miniaturausgabe eines Zapfenstreiches, der für Staatsmänner gemacht wird, immer dann, wenn etwas Feierliches und Großes geschieht. Ich spürte, dass es sich in ihrem Fall um ein großes Fass handelt, das sie gleich aufmacht und lenkte schnell ein, weil ich nun wirklich keine Lust auf ihre Beschwörungen und Moralpredigten hatte: „In einem Monat bin ich spätestens zurück, maximal hänge ich eine Woche ran“.

Mit einer coolen Bewegung schnippte ich das Feuerzeug in ihre Richtung.

„Du bist wirklich total bekloppt“, meckerte sie natürlich doch und wechselte plötzlich wie aus heiterem Himmel, und so wie sie es immer tat, einfach das Thema. Ich hasste sie ein bisschen dafür. Ihre tüdelige Art machte auf mich jedes Mal den Eindruck, als würde sie mich überhaupt nicht für voll nehmen. Und schon wieder gab es nur ein Thema für sie: Ihren Ex-Mann.

„Toni hat mich angezeigt! Ähm, also, ich steh gerade ein bisschen auf dem Schlauch und weiß jetzt gar nicht so genau, ob ich dir davon nicht schon neulich berichtet hatte, egal, dann erzähle ich es einfach nochmal, also: ich hab ihn doch vor seinen Kollegen in der Firma rundgemacht!“

„Doch, doch“, sagte ich und nickte, „das hattest du schon erzählt, wie könnte ich die Causa Tony auch vergessen?“

„Also, wirklich jetzt mal: So ein Idiot! Von mir aus kann die ganze Welt erfahren, dass er ein Wichser ist - betrügt mich mit der Sekretärin. Was für ein billiges Klischee! Und er erfüllt es auch noch. Ich hasse ihn dafür, also jetzt mal im Ernst, von mir aus kann ruhig jeder wissen, dass ich ihn hasse. Er hat jetzt sogar eine Unterlassungsklage gegen mich eingereicht, hab ich dir davon berichtet? Das ist doch ein Witz, findest du nicht? Haha, diese Unterlassungsklage ist der allergrößte Beweis für seinen schlechten Charakter, denkst du nicht auch? Dass er sich so etwas erlaubt hat, also, das spiegelt doch sein beschissenes, kompromissloses Leben aufs Eindrucksvollste wider. Ich könnte ihn dafür erwürgen! Aber fast vergesse ich die eigentliche Story, deswegen bin ich ja auch hier, Mensch, das wollte ich dir schon die ganze Zeit erzählen...“

Aline machte ein Gesicht als müsse sie irgendein Manko korrigieren. Lümmelnd lehnte sie sich in den Sessel zurück. Ihre langen, dunklen Haare lagen seitlich auf ihrer Schulter, der fransig geschnittene Pony war zu lang und fiel ihr ins Gesicht. Hin und wieder pustete sie ihn zur Seite. Sie trug ein Totenkopfhalstuch eng um den Hals gewickelt, ein T-Shirt, mit Farbspritzern und Jeans, die an den Knien aufgerissen waren. Ihre linke Brust zierte ein aufgenähtes Emblem mit dem Schriftzug: BOY LONDON. Aline rieb sich über die Mundwinkel. Sie sagte:

„Martin tauchte gestern Nacht bei mir auf, er war total besoffen. Er hat in die Türsprechanlage gelallt, dass er mich liebt und ich ihn reinlassen soll...“

Ihre ständigen Themenwechsel nervten mich, ,andauernd riss sie das eine Thema an und war dann schon wieder beim nächsten, hach, aber ich war zu müde, sie darauf anzusprechen und ihr zu sagen, dass ich das anstrengend finde.

„Und, hast du ihn reingelassen?“, fragte ich ein bisschen gelangweilt, obwohl ich es mir denken konnte.

Aline kicherte wie ein kleines Mädchen und nickte. Sie drückte ihre Zigarette aus, die sie bis auf den Filter eingesaugt hatte, und zündete sich, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten, nicht sofort eine neue an. Ich ging zum Kühlschrank und öffnete ihn.

„Willst du was trinken?“

Aline nickte und verdrehte die Augen, so als wolle sie mir damit klar machen, dass so eine blöde Frage ja wohl nur rhetorisch gemeint sein konnte.

„Was darf‘s denn sein?“, fragte ich wie eine gestresste Kellnerin.

„Eine heiße Liebesbeziehung und ein kühles Bier bitte“, antwortete sie und grinste.

„Beides gerade aus“, kicherte ich und nahm die angefangene Flasche Weißwein aus dem Seitenfach und zwei Gläser aus dem Abwasch. Ich hielt sie kurz unter den Wasserhahn, teilte den Rest des Inhalts auf und reichte eines der Gläser rüber. Draußen regnete es. Durch das Küchenfenster wehte eisiger Wind.

„Ich frier mir den Hintern ab, kannst du endlich das Brett ranmachen?“, moserte Aline. „Hat Ole eigentlich schon angerufen?“

„Ständig“, sagte ich und konnte mir den Stolz in der Stimme nicht verkneifen, „allein heute Vormittag viermal.“

Ich schloss das Fenster und drehte die Heizung auf.

„Siehst du! Was hab ich dir gesagt? Ha, eine neue Liebe wirft doch alles durcheinander!“

Alines Worte erinnerten mich an die Wahrsagerinnen von Astro-TV. Ihre Finger trommelten nun richtig drauf los.

„Und genau das ist auch der Grund, warum ich dagegen bin, dass du schon wieder in den blöden Flieger steigen willst. Bleib doch hier! Ständig reist du in der Weltgeschichte rum, bleibst nie lange an einem Ort, heute hier, morgen dort, Mensch, geht dir das nicht langsam selber auf den Keks? Diese Rastlosigkeit würde mich schier wahnsinnig machen. Und sowieso: Sollte in Neuseeland nicht alles besser zwischen Finn und dir werden? Ich hab gedacht, das sei der einzige Grund, warum du überhaupt mit ihm ausgewandert bist? Damit ihr zur Ruhe kommt! Häuschen im Grünen, kein Großstadtdschungel, Drillionen Schafe. Hast du nicht erst kürzlich was von leidenschaftlichem Sex auf blühenden Lavendelfeldern erzählt? Und jetzt? Bist du hier und dein Kram ist noch dort, Kindchen! Alles aus, alles vorbei, nichts mit cute and cosy in Takapuna! Wo genau ist das überhaupt? Ach, mir doch egal! Aber was mich am meisten stören würde, ist die Tatsache, dass deine schönen Möbel jetzt gewiss in feuchten Containern vor sich hin gammeln. Mir unbegreiflich, dass es dir zu blöd ist, ihm die Kosten für den Rücktransport nach Deutschland aufzubrummen. Stell ihm das gefälligst in Rechnung! Und addiere die verlorengegangene Zeit, die du in diesen wandelnden Workaholic investiert hast hinzu! Das Ganze multiplizierst du anschließend mit fünftausend und setzt es ins Quadrat!“

Nach einer kurzen Unterbrechung für einen Schluck Wein redete sie sofort weiter auf mich ein, sie konnte wirklich quasseln ohne Luft zu schnappen.

„Reichen zehn Monate nicht, um zu merken, dass das Leben in Kiwi-Land nichts für dich ist? Meine Fresse, diese Liebe hat sich meiner Meinung nach als riesengroßes Arschloch entpuppt. Mensch, jetzt sag doch auch mal was! Dein Mittelpunkt ist doch jetzt hier! Bei Ole. Er liebt dich, jedenfalls nehme ich an, dass er dich liebt. Also, bekäme ich viermal am Tag solche Anrufe, würde ich denken: ’Mann, ist der Typ in mich verknallt!’“

„Mmh“, murmelte ich und überlegte einen Augenblick, ob ich Aline wegen ihrer blöden Trommelei ein Schlagzeug schenken sollte.

„Du wirst mit zwei Lovern gleichzeitig durchdrehen! Das eskaliert!“, prophezeite sie, „kann nicht mehr lange gut gehen!“

Ich war von ihren schrägen Analysen, die oft nur wenig mit mir zu tun hatten, extrem genervt und versuchte, das Thema zu wechseln.

„Einmal, nur noch ein allerletztes Mal will ich es noch mit ihm versuchen, bestimmt wird es diesmal funktionieren“, versuchte ich sie abzuwiegeln.

„Das glaubst du doch wohl selber nicht!“, stöhnte sie und zog die Augenbrauen nach oben.

Mein Magen knurrte. Der Wein war bis auf ein paar abgelaufene Oliven alles, was der Kühlschrank hergab. Ich hatte Appetit auf Linseneintopf. Und auf Barbecue. Erst recht auf Miesmuscheln. Vielleicht auf Pellkartoffeln. Oder auf Pizza, ich hatte auf einmal wirklich einen mordsmäßigen Kohldampf.

„Schade, dass es in Deutschland so selten Miesmuscheln gibt“, stellte ich fest, „in Takapuna gibt es zu fast jeder Jahreszeit. Und es gibt Tonnen davon!“

Aline trommelte nicht mehr.

„Pff!, ich werd verrückt! Was soll das denn jetzt. Miesmuscheln? Redest du dir das jetzt schön?“, fragte sie ernst, „meine Güte, dann iss'te halt was anderes. Sehnsucht nach Miesmuscheln, ich glaub, mein Schwein pfeift!“

Ich zählte das Geld in meinen Hosentaschen.

Ein Mann fürs Herz und einer fürs Bett

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