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Aucassin und Nicolette

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Aucassin, der Sohn des Grafen von Beaucaire, liebte eine Jungfrau, welche Nicolette hieß. Sie hatte blonde, dichtgelockte Haare, blaue, lachende Augen, ein längliches Angesicht, eine hohe wohlstehende Nase, Lippen von zarterem Rot als Kirschen und Rosen zur Sommerszeit und kleine weiße Zähne. Ihre Brüstlein waren hart und hoben ihr Gewand nicht höher als es zwei Walnüsse getan hätten. Sie war schlank um die Lenden, daß ihr sie mit euren beiden Händen hättet umspannen können, und die Maßliebchen, die, von ihren Zehen geknickt, ihr auf den Reihen des Fußes fielen, waren geradezu schwarz gegen ihre Füße und Beine: so weiß war das Mägdlein. Nicolette war aber eine Gefangene, die aus fremden Landen hergeführt war. Von Sarazenen hatte sie der Vizegraf gekauft, er hatte sie aus der Taufe gehoben und zu seinem Patenkinde gemacht. So kam es, daß der Graf, Aucassins Vater, unter keinen Umständen eine Verbindung seines Sohnes mit der Jungfrau dulden wollte. Diesen hatte sein Liebesgram so niedergedrückt, daß er sich aller ritterlichen Übungen enthielt und nur seinen Gedanken an Nicolette nachhing. Nicht einmal die ewige Seligkeit kümmerte ihn mehr: "Was habe ich im Paradiese zu tun?" sagte er. "Ich will gar nicht hinein, wenn ich nur Nicolette habe, mein süßes Mädchen, das ich von Herzen liebe. Ins Paradies kommen nur jene alten Pfaffen und jene alten Krüppel und Lahmen, die Tag und Nacht vor den Altären und in den alten Grüften hocken, die mit den alten abgeschabten Kapuzen und den alten Lumpen angetan, die nackt sind und barfuß und ohne Hosen, und vor Hunger und Durst, Frost und Elend sterben. Die kommen ins Paradies; mit denen habe ich nichts zu tun. Aber in die Hölle will ich gehen! Denn in die Hölle kommen die weisen Meister und die schönen Ritter, die in Turnieren und in gewaltigen Kriegen gefallen sind, die guten Knappen und die freien Männer. Mit diesen will ich gehn! Auch kommen dahin die schönen höfischen Damen, die neben ihrem Herrn zwei oder drei Freunde hatten. Auch kommt dahin das Gold und das Silber, Pelz und Grauwerk und Harfner und Spielleute und die Könige der Welt. Mit diesen will ich gehn; aber Nicolette, mein süßes Lieb, muß bei mir sein."

Indessen bedrängte ein feindliches Heer die Burg des Grafen, und dieser suchte Aucassin durch die Versprechung, daß er Nicolette, welche in einen Turm eingeschlossen war, sprechen und küssen dürfe, zur Teilnahme am Kampfe zu bewegen. Diese Aussicht veranlaßte auch wirklich den Jüngling, in die Schlacht zu ziehen. Glaubt aber ja nicht, daß er daran dachte, Ochsen, Kühe oder Ziegen zu rauben oder mit einem Ritter Hiebe zu wechseln. Nein, durchaus nicht! Er war so in Gedanken an Nicolette, sein süßes Lieb, verloren, daß er ganz der Zügel vergaß und alles dessen, was er hätte tun sollen. Das Roß aber, das die Sporen gefühlt hatte, trug ihn ins Gedränge und stürzte sich mitten unter die Feinde. Diese legten Hand an ihn von allen Seiten, entrissen ihm Schwert und Lanze, führten ihn spornstreichs als Gefangenen fort und berieten sich schon, welchen Tod sie ihn sterben lassen wollten. Da aber bedachte sich Aucassin, daß er sein süßes Liebchen nicht mehr küssen könne, wenn ihm der Kopf abgeschnitten würde, er legte Hand ans Schwert, richtete um sich her ein Blutbad an und sprengte im Galopp zurück.

Nicolette fühlte sich indessen vor den Nachstellungen des Grafen in ihrem Turme nicht mehr sicher und beschloß, zu fliehen. An Bettlinnen und Handtüchern ließ sie sich herab, durchquerte unter großer Mühe und Drangsal den Burggraben und flüchtete sich in einen Wald. Ohne Säumen schritt sie dann / durch den tiefen dichten Tann / auf verwachsnem Steige fort, / bis sie kam an einen Ort, / wo sich in der Wildnis Mitten / sieben Waldespfade schnitten. / Sie hält hier am Kreuzweg inne / und gedenkt des Freundes Minne, / ob sich die so wahr erprobt, / wie sein Wort es ihr gelobt. / Und aus frischem Stechpalmgrün, / aus den Lilien, die dort blühn, / bildet sie mit schwankem Dach / ein geflochtnes Laubgemach. / Und sie schwört bei Gottes Gnade: / "Kommt mein Freund auf diesem Pfade, / ohne daß sein Herz ihm kündet, /wer dies blum'ge Haus gegründet, / und er mir die Liebe tut, / daß er hier ein Weilchen ruht, / dann ist falsch, was er verspricht, / und wir sollen länger nicht / Lieb und Liebchen heißen!" Und wirklich traf Aucassin, als er einst auf einem Ritt durch den Wald Erholung und Zerstreuung suchte, auf Nicolettes Blumenlaube: "Ha, bei Gott," rief er aus, "hier war Nicolette, mein süßes Lieb, und das baute sie mit ihren schönen Händen. Um ihrer Huld und Liebe willen werde ich absteigen und hier die Nacht über ruhen."

Die Liebenden beschlossen nun, in ein anderes Land zu ziehen, Aucassin nahm die Jungfrau vor sich auf sein Roß, und sie ritten zum Gestade des Meeres, wo sie Kaufleute trafen, die sie willig in ihr Schiff aufnahmen. Doch als sie auf hoher See waren, erhob sich ein großer, gewaltiger Sturm und trieb sie von Land zu Land, bis sie an eine fremde Küste kamen. Sie liefen in den Hafen einer Burg ein und fragten, was das für ein Land sei, und man sagte ihnen, es sei das Land des Königs von Torelore. Aucassin fragte, welch ein Mann das sei und ob er Krieg führe. "Ja, einen großen Krieg." Da nahm er Abschied von den Kauffahrern, und diese befahlen ihn Gott. Er stieg auf sein Roß, sein Schwert umgegürtet und sein Liebchen vor sich, und ritt, bis er in die Burg kam. Er fragte nach dem König, und man sagte ihm, er liege im Kindbett. "Und wo ist denn seine Frau?" Man erwiderte, sie sei auf der Heerfahrt und mit ihr alle Leute des Landes. Als Aucassin das hörte, verwunderte er sich gar sehr. Er kam in den Palast und stieg ab, sowohl er als sein Liebchen. Sie hielt sein Roß; er aber stieg in den Palast hinauf, das Schwert umgegürtet, und kam in das Zimmer, wo der König lag. Aucassin war ganz allein; / in die Kammer drang er ein / und gelangte bis zur Stätte, / wo der König lag im Bette. /Er blieb stehn, als er ihn sah: / "Sag, du Narr, was machst du da?" / Nun vernehmt, was der gesprochen: / "Herr, ich liege in den Wochen! / Wenn mein Monat ist dahin / und ich ganz genesen bin, / werd' ich in die Messe gehn, / wie's von altersher geschehn. / Aber dann mit großem Schall / schlag ich meine Gegner all, / lasse nicht vom Kriege." Als Aucassin den König also reden hörte, nahm er alle Decken, die auf ihm lagen, und schüttelte sie auf den Boden. Er sah hinter sich einen Stock, ergriff ihn und schlug damit so auf den König los, daß er ihn fast umbrachte. "Ach, lieber Herr," rief der König, "was wollt Ihr von mir? Seid Ihr verrückt, daß Ihr mich in meinem eigenen Hause schlagt?" "Beim Herzen Gottes," sprach Aucassin, "armseliger Wicht, ich schlage Euch tot, wenn Ihr mir nicht gelobt, daß in Eurem Lande kein Mann mehr im Kindbett liegen soll!" Er gelobte es ihm, und als dies abgetan war, sagte Aucassin: "Herr, nun führt mich zu Eurer Frau ins Heer!" "Gerne Herr," sprach der König. Er stieg auf ein Roß und Aucassin auf das seine und Nicolette blieb in den Gemächern der Königin. Der König und Aucassin ritten zur Königin ins Feld, wo eben mit gerösteten Holzäpfeln, Eiern und frischen Käsen eine Schlacht geliefert wurde. Aucassin schaute das mit an und verwunderte sich höchlichst. Auf dem Sattel vorgeneigt, / hält der Jungherr, staunt und schweigt. / Vor ihm wogte weit und breit /dieser Heere heißer Streit, / die mit Äpfeln, mürbgekochten / und mit frischen Käsen fochten. / Durch die Luft in hohem Bogen / große Wiesenschwämme flogen. / Wer mit Lärm am lautsten tobt, / wird als erster Held gelobt. / Aucassin, der tapfre Mann / sah die seltne Schlacht mit an / und begann zu lachen. Als Aucassin dieses wunderliche Schauspiel sah, ging er zum König und redete ihn an: "Herr, sind das Eure Feinde?" "Ja, Herr!" sagte der König. "Und wollt Ihr, daß ich Euch an ihnen rächen soll?" "Ja," sprach jener, "gerne!" Da legte Aucassin Hand ans Schwert, stürzte sich mitten unter sie, begann nach rechts und links um sich zu hauen und tötete viele. Doch als der König sah, daß er sie totschlug, fiel er ihm in den Zügel und rief: "Ach, lieber Herr, tötet sie mir nicht so ohne weiteres!" "Wie?" sprach Aucassin, "wollt Ihr denn nicht, daß ich Euch räche?" "Herr," sprach der König, "das habt Ihr schon zuviel getan. Es ist unter uns nicht Brauch, daß wir einander totschlagen." Die Feinde wandten sich zur Flucht, und der König kehrte mit Aucassin ins Schloß Torelore zurück.

Die Leute des Landes aber rieten dem König, Aucassin aus seinem Reiche zu jagen und Nicolette für seinen Sohn zurückzubehalten; denn sie scheine eine Frau von hohem Stande. Als Nicolette das hörte, war sie nicht sehr froh darüber und sprach: "Komm ich, Herr von Torelor, / Eurem Volk so närrisch vor, / daß ich solche Wünsche hätte?" / sprach die holde Nicolette. / "Wenn, von meinem Reiz beglückt, / mich mein Liebster an sich drückt, / nenn' ich alle Wonnen mein. / Ball und Tanz und Ringelreihn, / Fiedel, Geig' und Harfenspiel, / und was sonst der Welt gefiel, / gilt mir nichts dagegen."

Aucassin lebte auf der Burg Torelore herrlich und in Freuden; denn er hatte Nicolette, sein süßes Liebchen, bei sich. Doch als er in diesen Wonnen schwamm, kam ein Schiffsheer Sarazenen übers Meer daher, lief die Burg an und nahm sie im Sturm. Sie raubten das Gut und schleppten Männer und Weiber gefangen fort. Auch Nicolette und Aucassin ergriffen sie, banden dem Jungherrn Hände und Füße und warfen ihn in ein Schiff und Nicolette in ein anderes. Da erhob sich ein Sturm über dem Meere, der sie trennte. Aucassin landete beim Schloß Beaucaire und erfuhr, daß seine Eltern, während er in Torelore war, gestorben seien. Die Bürger führten ihn in sein Schloß und huldigten ihm, und er hielt sein Land im Frieden. Das Schiff aber, darin Nicolette war, gehörte dem König von Karthago, und der war ihr Vater. Sie wurde also mit großer Freude im Sarazenenlande aufgenommen und sollte einem Heidenkönig zur Frau gegeben werden; aber sie hatte keine Lust, sich zu vermählen. Sie verlangte eine Fiedel und lernte darauf spielen, und als man sie eines Tages einem mächtigen Sarazenenfürsten vermählen wollte, schlich sie in der Nacht davon, färbte sich Haupt und Antlitz, daß sie ganz dunkel wurde, ließ sich Rock und Mantel, Hemd und Hosen machen und kleidete sich so in die Tracht eines Spielmanns. Dann nahm sie die Fiedel, ging zu einem Schiffsmann und verhandelte mit ihm, daß er sie in sein Schiff nahm. Sie spannten die Segel aus und fuhren durch die hohe See, bis sie nach dem Lande Provence kamen. Dort stieg Nicolette aus und wanderte fiedelnd durch das Land, bis sie zum Schloß von Beaucaire kam, wo Aucassin wohnte. Sie trat vor Aucassin und sang ihm ein Lied, das von Nicolettes Abenteuern seit ihrer Trennung von ihrem Liebsten handelte. Als die Jungfrau sah, daß Aucassin sie noch liebte, salbte sie sich mit einem Pflänzlein, Schellkraut geheißen, und wurde wieder so schön, als sie je gewesen, dann ließ sie Aucassin durch die Vizegräfin, ihre Pflegemutter, benachrichtigen, daß Nicolette, sein süßes Lieb, aus fernen Landen gekommen sei, ihn aufzusuchen. Als nun Aucassin vernommen, / daß sein Lieb ins Land gekommen, / ward er aller Sorgen bar, / fröhlich, wie er niemals war, / und in ungeduld'ger Hast / eilt er in der Frau Palast. / In die Kammer trat er ein, / und das holde Mägdelein / sprang empor mit flinken Füßen, / um ihn jubelnd zu begrüßen. / Aucassin, der sel'ge Mann / zog mit Armen sie heran, / hielt sie zärtlich fest umfangen, / küßt ihr Augen, Mund und Wangen. / Also ließen sie's die Nacht; / aber als der Tag erwacht, / führt der Graf in stolzer Schar / die Geliebte zum Altar, / und das Kind in Glanz und Ehre / ward zur Dame von Beaucaire – /und sie lebten sonder Klage / lange wonnenreiche Tage. / Alles Glück, das sie begehrt, / war den beiden voll beschert. – / Mehr zu melden weiß ich nicht: /somit endet mein Gedicht, / endet Sang und Sage.

Märchen aus Frankreich, Band 1

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