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Washington Irving Sleepy Hollow

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Unter den Papieren des verstorbenen Dietrich Knickerbocker gefunden.

Für Schläfrige war es ein lieblich Land,

Für Träum’, das halbgeschloßne Aug umgaukelnd,

Mit stattlichen Schlössern an der Wolken Rand’,

Am Sommerhimmel rings sich immer schaukelnd.

Schloss der Trägheit.

In dem Schoße einer der geräumigen Buchten, welche sich in das östliche Ufer des Hudson hineinziehen, an jener breiten Stelle des Flusses, welche die alten holländischen Seefahrer die Tappaan-Zee nennen, und wo sie jederzeit klüglich die Segel einrefften, und den heiligen Nikolaus um Schutz anriefen, während sie hinüber fuhren, liegt ein kleiner Marktflecken oder ländlicher Hafenplatz, den Manche Greensburgh nennen, der aber allgemeiner und besser unter dem Namen Tarry Town (Zauder-Stadt) bekannt ist. Dieser Name ward ihm, wie man uns erzählt, in früheren Zeiten von den guten Hausfrauen in der umliegenden Gegend gegeben, des eingewurzelten Hanges ihrer Männer wegen, sich an Markttagen in der Dorfschenke herumzutreiben. Dem sei nun, wie ihm wolle, ich verbürge die Tatsache nicht, sondern erwähne ihrer nur, um genau zu sein, und bewährte Nachrichten zu geben. Nicht weit von diesem Dorfe, vielleicht gegen drei Meilen davon, ist ein kleines Thal, oder vielmehr eine Vertiefung, zwischen hohen Hügeln, einer der stillsten Orte in der ganzen Welt. Ein kleiner Bach gleitet durch denselben hin, und murmelt gerade nur laut genug, um Jemand dabei einzuschläfern; und der von Zeit zu Zeit ertönende Schlag einer Wachtel, der das Picken eines Holzhackers sind beinahe die einzigen Laute, welche diese einförmige Stille unterbrechen.

Ich besinne mich, dass ich, noch ein junger Bursche, meine erste Eichhörnchenjagd in einer Gruppe hoher Walnussbäume anstellte, welche die eine Seite dieses Thales beschattet. Ich war um die Mittagszeit, wo die Natur besonders ruhig ist, in dieselbe gewandert, und wurde durch den Knall meiner eigenen Flinte erschreckt, als er die Sabbathstille rundumher unterbrach, und von dem zürnenden Widerhall verlängert und vervielfältigt zurückgegeben ward. Wenn ich mir je einen Ort wünschen sollte, wohin ich mich von der Welt und ihren Zerstreuungen zurückziehen, und den übrigen Teil eines bewegten Lebens ruhig verträumen möchte, so kenne ich keinen anziehendern, als dieses kleine Tal.

Wegen der lautlosen Ruhe des Ortes und des eigentümlichen Charakters der Einwohner desselben, welche Abkömmlinge der ursprünglichen holländischen Ansiedler sind, war dieser abgeschiedene Fleck seit langer Zeit unter dem Namen der schläfrigen Schlucht bekannt, und die dortigen Bauernbursche wurden in der ganzen Gegend die Jungen aus der schläfrigen Schlucht genannt. Ein schläfriges, träumerisches Wesen scheint auf dem ganzen Lande zu liegen und selbst in der Atmosphäre vorzuherrschen. Einige behaupten, der Ort sei von einem hochdeutschen Doktor in den früheren Tagen der Niederlassung behext worden; nach Andern hat ein alter indianischer Häuptling, ein Prophet oder Zauberer seines Stammes, seinen Hexensabbath dort gehalten, ehe das Land von Meister Hendrick Hudson entdeckt worden war. Gewiss ist es, der Ort steht noch immerwährend in der Gewalt irgendeiner Zaubermacht, welche über die Gemüter der guten Leute ihre Herrschaft ausübt und Ursache ist, dass sie in einem beständigen Traume umherwandeln. Sie sind allen Arten von Wunderglauben ergeben, Verzückungen und Gesichtern unterworfen, sehen häufig allerhand sonderbare Erscheinungen, und hören Musik und seltsame Stimmen in der Luft. Die ganze Gegend ist voll von Ortssagen, Plätzen, wo es umgeht und Zwielichtsaberglauben. Sterne schnäuzten sich in diesem Thale öfter, Feuerkugeln lassen sich häufiger hier sehen, als in irgend einem Teile des Landes, und der Alp mit allen seinen neun Kindern scheint es zum Lieblingsplatz für seine Spiele erwählt zu haben.

Der Hauptgeist aber, welcher diese bezauberte Gegend besucht, und der Oberbefehlshaber aller der Mächte in der Luft zu sein scheint, ist die Erscheinung eines Reiters ohne Kopf. Einige sagen, es sei der Geist eines hessischen Kavalleristen, dem eine Kanonenkugel, in irgend einer namenlosen Schlacht während des Revolutionskrieges, den Kopf weggenommen habe, und der von Zeit zu Zeit von den Landleuten, in der Dunkelheit, wie auf Windesflügeln dahin reitend, gesehen wird. Seine Besuche sind nicht allein auf das Thal beschränkt, sondern dehnen sich auch zu Zeiten auf die nahegelegenen Landstraßen, und namentlich bis in die Nähe einer Kirche aus, welche in einer nicht großen Entfernung liegt. In der Tat, einige der glaubwürdigsten Geschichtsschreiber jener Gegenden, welche die zerstreuten Angaben über dieses Gespenst sorgfältig gesammelt und mit einander verglichen haben, führen an, dass, nachdem der Körper des Reiters auf dem Kirchhofe beerdigt worden, der Geist Nachts auf das Schlachtfeld reite, um seinen Kopf zu suchen, und dass die gewaltige Eile, in welcher er zuweilen, wie ein mitternächtlicher Sturmwind, durch die Schlucht sauset, daher komme, dass er sich verspätet habe und in solcher Hast vor Tagesanbruch auf dem Kirchhofe zurücksein wolle.

So lautet im Allgemeinen dieser sagenhafte Aberglaube, welcher Stoff zu mancher abenteuerlichen Geschichte in jenem Schattenbezirke geliefert hat; und das Gespenst ist an allen Kaminen im Lande, unter dem Namen des kopflosen Reiters aus der schläfrigen Schlucht bekannt.

Es ist merkwürdig, dass die Neigung, Gesichte zu sehen, deren ich erwähnt habe, sich nicht auf die Eingebornen des Thales beschränkt, sondern dass ein Jeder, der dort eine Zeitlang sich aufhält, unbewusst davon ergriffen wird. So hellwachend und unbefangen er auch gewesen sein mag, ehe er diese schläfrige Gegend betrat, so kann er gewiss sein, in kurzer Zeit äußert sich der bezaubernde Einfluss der Luft bei ihm, und er fängt an, einbildungsreich zu werden – Träume zu haben und Erscheinungen zu sehen.

Ich erwähne dieses friedlichen Flecks mit allem möglichen Lobe; denn in solchen kleinen einsamen holländischen Tälern, welche man hie und da in dem großen Staate von Neu-York antrifft, bleiben Bevölkerung, Sitten und Gewohnheiten unverändert; während der große Strom der Wanderung und Ausbildung, der in anderen Teilen dieses rastlosen Landes so unaufhörliche Veränderungen bewirkt, bei ihnen unbemerkt vorüberrauscht. Sie sind wie jene kleinen Winkel stillen Wassers, welche man an den Ufern eines reißenden Stromes findet; wo man das Stroh und die Wasserblasen ruhig liegen, oder in ihrem kleinen Hafen umhertreiben sieht, von der Gewalt der vorbeieilenden Strömung bewegt. Obgleich manche Jahre verflossen sind, seitdem ich die betäubenden Schatten der schläfrigen Schlucht betreten, so glaube ich dennoch, dass ich noch jetzt eben dieselbe Bäume und dieselben Familien in ihrem geschirmten Schoße fortleben finden würde.

In diesem Schlupfwinkel der Natur wohnte, in einer früheren Periode der amerikanischen Geschichte, das heißt etwa vor dreißig Jahren, ein würdiger Mann, mit Namen Ichabod Crane, der sich in der schläfrigen Schlucht aufhielt, oder dort »zauderte,« wie man sich auszudrücken pflegt, in der Absicht, die Kinder in der Umgegend zu unterrichten. Er war in Connecticut geboren; einem Staate, welcher die vereinigten Provinzen mit Arbeitern für den Geist sowie für die Waldung versieht, und alljährlich ganze Legionen von Grenzholzfällern und Landschulmeistern herausschickt. Der Zunahme Crane (Kranich) passte sich nicht schlecht zu seiner Gestalt. Er war groß, aber sehr dürr, hatte schmale Schultern, lange Arme und Beine, Hände, welche eine Meile weit aus seinen Ärmeln hervorragten, Füße, die zu Schaufeln gedient haben könnten, und seine ganze Gestalt hing höchst locker zusammen. Sein Kopf war klein und oben platt, mit gewaltigen Ohren, großen grünen, glasartigen Augen und einer langen Schnepfennase, die wie ein Wetterhahn aussah, der auf seinem Spindelhalse steckte, um zu verkünden, woher der Wind wehe. Wenn man ihn, an einem windigen Tage, von dem Abhange eines Hügels herabsteigen sah, wie seine Kleider um ihn her beutelten und schwebten, hätte ihn Jedermann für den Genius der Hungersnot, der sich auf die Erde herabließe, oder für eine, auf einem Kornfelde entlaufene Vogelscheuche nehmen mögen.

Sein Schulhaus war ein niedriges Gebäude von einem Zimmer, roh aus Holzblöcken zusammengezimmert; die Fenster teils mit Glasscheiben versehen, teils mit Blättern aus alten Schreibbüchern verklebt. In den Feierstunden wurde es sehr künstlich dadurch verwahrt, dass eine Weidenrute in die Türklinke gebunden und Stangen von außen gegen die Fensterladen gesetzt waren, so dass ein Dieb, wenn er gleich mit vollkommener Leichtigkeit in das Haus gelangen konnte, einige Schwierigkeiten gefunden haben würde, wieder herauszukommen: ein Gedanke, welchen der Baumeister Jost van Houten höchst wahrscheinlich von dem Geheimnis einer Aalreuse geborgt hatte. Das Schulhaus stand in einer etwas einsamen, aber angenehmen Gegend, gerade an dem Fuße eines waldigen Hügels, an dem ein Bach nahe vorbei floß, und an einer Ecke des Gebäudes erhob sich eine furchtbare Birke. Von hier aus konnte man an einem schläfrigen Sommertage das leise Gemurmel der Stimme seiner Schüler, die ihre Aufgaben hersagten, wie das Summen eines Bienenschwarms, vernehmen; dann und wann wurde dieses Geflüster durch die nachdrucksvolle Stimme des Lehrers, der einen Befehl oder eine Drohung laut werden ließ, oder wohl auch durch den entsetzlichen Schall der Rute unterbrochen, wenn er irgend einen auf dem blumigen Pfade des Wissens träge Dahinschlendernden ermunterte. Er war, die Wahrheit zu sagen, ein gewissenhafter Mann, der den goldenen Spruch stets im Sinne trug: »Spare die Rute und verziehe das Kind.« Ichabod Crane’s Schüler wurden gewiss nicht verzogen.

Ich will indessen Niemand zur Ansicht verleiten, er sei einer von den grausamen Schulmonarchen gewesen, welche sich der Leiden ihrer Untertanen freuen; im Gegenteil, er verwaltete die Gerechtigkeit eher mit ruhiger Überlegung, als mit Strenge; denn er nahm von den Schultern der Schwachen die Last hinweg, und legte sie denen der Starken auf. Bei dem schwächlichen Knaben, der bei der geringsten Bewegung mit der Rute zuckte, ging sie mit Milde vorüber; aber den Forderungen der Gerechtigkeit ward volle Genüge dadurch, dass ein doppeltes Maaß irgend einem kleinen, zähen, starrköpfigen, breitschultrigen holländischen Buben aufgezählt wurde, der unter der Rute aufbrauste, sich spreizte, heimtückisch wurde und sich verstockt zeigte. Alles dies nannte er »an ihrer Eltern statt seine Pflicht tun,« und er erteilte nie eine Züchtigung, ohne ihr die für den geschlagenen Buben so tröstliche Versicherung folgen zu lassen, dass »er gewiss daran gedenken, und ihm den spätesten Tag, den er zu leben habe, noch dafür danken werde.«

Nach dem Schlusse der Schulstunden ward er sogar der Gefährte und Spielgenosse der größeren Knaben; und an Feiertagsnachmittagen führte er auch wohl Manche von den Kleineren heim, die zufällig artige Schwestern hatten, oder deren Mütter gute Hausfrauen und ihrer reichlich versehenen Schenktische willen bekannt waren. In der Tat, er hatte es nötig, mit seinen Schülern auf gutem Fuße zu bleiben. Die Einkünfte, welche ihm aus seiner Schule wurden, waren gering und würden kaum zu dem täglichen Brot hingereicht haben, denn er war ein gewaltiger Esser, und hatte, bei all seiner Magerkeit, doch die Ausdehnbarkeit einer Anakonda; allein er erhielt, um sein Auskommen zu erleichtern, nach der in jenen Gegenden üblichen Sitte, in den Häusern der Gutsbesitzer, deren Kinder er unterrichtete, Kost und Wohnung. Bei diesen wohnte er abwechselnd eine Woche, und machte auf diese Weise, indem er alle seine weltlichen Habseligkeiten in ein baumwollenes Schnupftuch band, die Runde bei ihnen.

Damit dies jedoch die Beutel seiner ländlichen Gönner, welche die Kosten des Schulhaltens als eine beschwerliche Bürde und die Schulmeister als bloße Hummeln anzusehen pflegten, nicht zu sehr beschweren möchte, hatte er allerhand Auswege, sich sowohl nützlich als angenehm zu machen. Er stand den Landleuten bei den leichtern Feldarbeiten bei; half ihnen beim Heumachen; besserte die Zäune aus; ritt die Pferde in die Tränke; trieb die Kühe von der Weide; und spaltete Holz für das Winterfeuer. Er legte auch die gebietende Würde und das unumschränkte Herrscherwesen, womit er sein kleines Reich, die Schule, regierte, ab, und wurde wunderbar freundlich und einschmeichelnd. Er fand Gnade in den Augen der Mütter, indem er die Kinder, besonders die Jüngern, liebkoste und pflegte, wie der Leue kühn, der so großsinnig weiland das Lamm umfing, mit einem Kinde auf einem Knie dazusitzen und ganze Stunden mit dem Fuße eine Wiege zu schaukeln.

Zu seinen andern Berufsgeschäften kam auch noch das eines Singlehrers der Gegend, und er gewann sich manchen blanken Schilling dadurch, dass er die jungen Bursche im Psalmsingen unterrichtete. Er war nicht wenig stolz darauf, am Sonntage, vorn auf dem Kirchenchor mit einer Anzahl auserlesener Sänger da zu stehen, wo er dann, nach seiner Meinung, dem Pfarrer die Palme abgewann. Gewiss ist es, dass seine Stimme alle übrigen in der Gemeine übertönte; und man hört noch jetzt in der Kirche ganz besondere Triller, die man wohl eine Meile weit. vielleicht bis an das entgegengesetzte Ufer des Mühlteiches, vernehmen kann, und welche rechtmäßig von Ichabod Crane’s Nase herstammen sollen. So half sich, mit verschiedenen kleinen Auswegen, auf die erfinderische Weise, die man gewöhnlich »mit Recht oder Unrecht« nennt, der würdige Pädagoge durch, und Alle, welche von der Kopfarbeit nichts verstanden, meinten, dass er ein wunderbar angenehmes Leben dabei führe.

Der Schulmeister ist in dem Frauenkreise einer ländlichen Gegend gewöhnlich ein Mann von einiger Bedeutsamkeit; denn er wird als eine Art müßiger, anständiger Personen angesehen, die bei weitem mehr Geschmack und Bildung hat, als die rohen Bauernbursche. und in der Tat an Gelehrsamkeit bloß dem Pfarrer nachsteht. Seine Erscheinung verursacht daher gewöhnlich einige Bewegung an dem Teetisch eines Meierhofes, und gibt wohl Anlass, dass als Zugabe ein Teller mit Kuchen oder Zuckerwerk aufgetragen, vielleicht gar mit einer silbernen Teekanne geprunkt wird. Unser gelehrter Mann war daher in der Huld aller Landmädchen vorzüglich glücklich. Wie paradierte er unter ihnen auf dem Kirchhofe, vor und nach dem Gottesdienste an Sonntagen! Er brach für sie Trauben von den wilden Weinreben, welche die umherstehenden Bäume umrankten; las, zu ihrer Unterhaltung, alle die Grabschriften auf den Denkmälern ab; oder schlenderte, mit einem ganzen Schwarme derselben, an den Ufern des benachbarten Mühlteiches umher; während die schüchterneren Dorflümmel schafsmäßig zurückblieben, und seine größere Zierlichkeit und Gewandtheit mit Neid ansahen.

Durch sein halbreisendes Leben ward er zu einer Art von wandelnder Zeitung, welche die ganze Masse des Ortsgeklatsches von einem Hause zum andern trug, so dass man ihn allemal mit Vergnügen kommen sah. Er wurde überdies von den Frauen für einen Mann von großer Gelehrsamkeit gehalten, denn er hatte mehrere Bücher ganz durchlesen, und wusste Cotton Mather’s Geschichte der Zauberei in Neu-England, an die er beiläufig gesagt, steif und fest glaubte, fast auswendig.

Der Mann war in der Tat ein sonderbares Gemisch von natürlichem Scharfsinn und einfältiger Leichtgläubigkeit. Seine Sucht nach allem Wunderbaren, und seine Kräfte, es zu verdauen, waren gleich außerordentlich; und beide waren durch seinen Aufenthalt in dieser bezauberten Gegend bedeutend vermehrt worden. Keine Sage war für seinen geräumigen Magen zu plump oder zu ungeheuer. Es war oft sein Ergötzen, sich, wenn am Nachmittage die Schule entlassen war, auf das üppige Kleebett an dem kleinen Bach, der an seinem Schulhause dahinmurmelte, hinzustrecken, und hier des alten Mather’s schreckliche Geschichten zu durchlesen, bis die allmählig einbrechende Abend-Dämmerung den Druck vor seinen Augen in Nebel zusammenfließen ließ. Wenn er dann seinen Weg durch Moraste und Ströme und schauerliche Waldgegenden nach dem Pächterhaus antrat, wo er gerade einquartiert ward, erregte jeder Ton der Natur, in dieser Zauberstunde, seine aufgeregte Einbildungskraft gewaltig: so der Klagelaut des Whip-poor-will von dem Abhange des Hügels; der ahnungsvolle Schrei des Brüllfrosches, dieses Verkündigers des Sturmes; das traurige Geächze der Nachteule; oder das plötzliche Rauschen aus ihrem Nest aufgeschreckter Vögel im Dickicht. Auch die Leuchtwürmer, welche an den dunkelsten Stellen sehr lebendig funkelten, erschreckten ihn dann und wann, wenn einer von ungewöhnlichem Glanze quer über seinen Pfad schwebte; und wenn, durch Zufall, ein großer Tölpel von Käfer die plumpen Flügel gegen seinen Kopf schlug, so war der arme Wicht nahe daran, seinen Geist über den Gedanken aufzugeben, dass er jetzt von einer Hexe bezeichnet worden sei. Seine einzige Zuflucht bei solchen Gelegenheiten, um entweder die Gedanken zu ersticken, oder die bösen Geister weg zu scheuchen, war, Psalmen zu singen; – und die ehrlichen Bewohner der schläfrigen Schlucht, wenn sie Abends vor der Tür saßen, wurden oft mit Grauen erfüllt, wenn sie seine näselnde Melodie, »in verketteter Lieblichkeit lang hinausgezogen,« von dem entfernten Hügel oder die staubige Landstraße entlang daher schweben hörten.

Eine andere Quelle seines schauerlichen Vergnügens war es, die langen Winterabende bei den alten holländischen Frauen zuzubringen, während diese mit ihren Spinnrädern bei dem Feuer saßen, und eine Reihe von Äpfeln auf dem Herde briet und zischte; und ihre wunderbaren Erzählungen von Gespenstern und Kobolden, von spukenden Feldern, Bächen, Brücken und Häusern und namentlich von dem kopflosen Reiter, oder von dem »galoppierenden Hessen aus der Schlucht,« wie er zuweilen genannt wurde, anzuhören. Dagegen ergötzte er sie wieder mit seinen Anekdoten von Hexereien, von den furchtbaren Anzeichen und erschrecklichen Geschichten und Tönen in der Luft, welche in früheren Zeiten in Connecticut gewöhnlich waren; und setzte sie in gewaltige Furcht mit Betrachtungen über Kometen und Sternschnuppen; und mit der entsetzlichen Tatsache, dass die Welt sich durchaus drehe, und dass sie die Hälfte ihrer Zeit auf dem Kopfe stünden.

Wenn indessen alles dies ganz angenehm war, während er sich behaglich in der Kaminecke eines Zimmers zusammendrücken konnte, welche das prasselnde Holzfeuer mit einem rötlichen Scheine ganz beleuchtete, und wo natürlich kein Gespenst sein Gesicht sehen lassen durfte, so ward es durch die Schrecken seines später folgenden Nachhausegang teuer erkauft. Welche furchtbare Gestalten und Schatten belagerten seinen Weg in dem trüben, grausigen Glanze einer Schneenacht! – Mit welchem argwöhnischen Blicke betrachtete er jeden zitternden Lichtstrahl, der aus irgendeinem entfernten Fenster über die öden Felder dahinstreifte! – Wie oft erschreckte ihn ein mit Schnee bedeckter Strauch, der wie ein in ein Leichentuch gehülltes Gespenst sich gerade in seinen Weg stellte! – Wie oft schrak er mit starrem Entsetzen vor dem Schall seiner eigenen Fußtritte auf der Frostrinde unter seinen Füßen zurück; und fürchtete sich, über seine eigene Schulter zurückzublicken, um nicht irgend eine seltsame Gestalt dicht hinter sich her tappen zu sehen! – Und wie oft wurde er, von irgendeinem Windstoß, der in den Blättern heulte, in völlige Verzweiflung getrieben, da er nicht anders glaubte, als es sei der galoppierende Hesse auf einem seiner nächtlichen Züge!

Alles dies waren indessen bloße Schrecken der Nacht, Phantome des Geistes, welche in Finsternis wandeln; und obgleich er zu seiner Zeit manche Gespenster gesehen hatte, und mehr als einmal auf seinen einsamen Spaziergängen von dem Satan in verschiedenen Gestalten heimgesucht worden war, so setzte doch das Taglicht allen diesen Übeln ein Ziel; und er würde, dem Teufel und allen seinen Werken zum Trotz, ein ganz angenehmes Leben geführt haben, wäre sein Weg nicht von einem Wesen durchkreuzt worden, dergleichen den Sterblichen mehr Not machen, als alle Gespenster, Kobolde und das ganze Geschlecht der Hexen zusammengenommen; und dies war – ein Weib.

Unter den Singschülern, welche sich an einem Abend in jeder Woche versammelten, um seinen Unterricht im Psalmensingen zu empfangen, war auch Katharina van Tassel, die Tochter und das einzige Kind eines wohlhabenden holländischen Landwirtes. Sie war ein blühendes Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren; rund wie ein Rebhuhn; reif und mürbe und rosenwangig wie eine von den Pfirsichen ihres Vaters; und überall nicht allein ihrer Schönheit, sondern auch ihrer ausgedehnten Aussichten wegen berühmt. Sie war dabei etwas kokett, wie man schon an ihrer Kleidung sehen konnte, welche ein Gemisch von alten und neuen Moden war, wie diese am meisten dazu dienten, ihre Reize hervorzuheben. Sie trug den Schmuck von purem gelben Golde, welchen ihre Ur-Ur-Großmutter von Saardam herübergebracht hatte; den verführerischen Brustlatz aus der alten Zeit; und dabei einen auffallend kurzen Rock, um den niedlichsten Fuß und Knöchel in der Gegend umher sehen zu lassen.

Ichabod Crane hatte ein sanftes, mitleidiges Herz gegen das andere Geschlecht; und man darf sich nicht wundern, dass ein so verführerischer Bissen bald Gnade vor seinen Augen fand, besonders, nachdem er sie in ihrer väterlichen Wohnung heimgesucht hatte. Der alte Baltes van Tassel war das vollkommene Muster eines wohlhabenden, zufriedenen, gemütlichen Landwirts. Wahr ist es, er ließ selten seine Augen oder seine Gedanken über die Grenzen seiner eigenen Besitzung hinausgehen; innerhalb dieser aber war Alles behaglich, glücklich und wohlbeschaffen. Er gefiel sich in seinem Reichtum, war aber nicht stolz darauf; und tat sich eher auf seinen reichlichen Überfluss, als auf die Art, wie er lebte, etwas zu Gute. Sein festes Bollwerk war an den Ufern des Hudson belegen, in einem jener grünen, wohlbeschützten, fruchtbaren Winkel, worin die Holländer so gerne nisten. Eine große Ulme breitete ihre ausgedehnten Zweige darüber aus; an dem Fuße derselben sprudelte ein Quell des süßesten und angenehmsten Wassers in einen kleinen, aus einem Fasse gebildeten Brunnen; und stahl sich dann schäumend durch das Gras zu einem benachbarten Bache hin, der unter Erlen und Zwergweiden dahinmurmelte. Dicht neben dem Wohnhause war eine große Scheune, die zu einer Kirche gedient haben könnte; jedes Fenster und jede Spalte derselben schien von den Schätzen des Meierhofes zu bersten; der Dreschflegel tönte geschäftig vom Morgen bis zur Nacht darin; Haus und Mauerschwalben strichen zwitschernd um die Gesimse; und Flüge von Tauben, von denen einige mit einem Auge aufblickten, als ob sie das Wetter beobachteten, einige die Köpfe unter die Flügel oder in die Brust steckten, und andere sich aufbliesen, und girrten, und gegen ihre Weibchen sich neigten. genossen des Sonnenscheins auf dem Dache. Feiste unbehilfliche Schweine grunzten in Ruhe und Überfluss in ihren Ställen, aus denen dann und wann Haufen von Spanferkeln hervorstürzten, als ob sie die Luft wittern wollten. Ein stattliches Geschwader von schneeweißen Gänsen schwamm auf einem benachbarten Teiche umher, und beschützte ganze Flotten von Enten; Regimenter von Truthühnern kollerten auf dem Hofe umher, und Perlhühner gingen, wie verdrießliche Hausfrauen, mit ihrem grämlichen missvergnügten Geschrei hin und her. Vor dem Scheunentor stolzierte der tapfere Hahn, das Muster eines Ehemannes, eines Kriegers und eines feinen Herrn, seine schimmernden Flügel schlagend, und im Stolze und in der Freude seines Herzens laut krähend – zuweilen mit seinen Füßen die Erde scharrend, und dann, großmütiger Weise, seine immer hungrige Familie herbeirufend, sich des fetten Bissens zu erfreuen, den er entdeckt hatte.

Dem Pädagogen wässerte der Mund, als er auf diese prächtigen Verheißungen einer üppigen Winterkost blickte. In seinem verschlingenden Gemüts-Auge sah er schon jedes Spanferkel gebraten mit einem Pudding im Leibe und einem Apfel im Maule umherlaufen; die Tauben waren sanft in eine Pastete gebettet und unter einem Deckel von Kruste verborgen; die Gänse schwammen in ihrem eigenen Fette, und die Enten lagen traulich, wie neuvermählte Paare, zu Zweien in den Schüsseln, bei einem anständigen Vorrat von Zwiebelbrühe. In den größeren Schweinen sah er schon die künftige fette Speckseite und den saftigen, schmackhaften Schinken abgeschnitten; es gab keinen Truthahn, den er nicht zierlich aufgestutzt, mit dem Magen unter dem Flügel und vielleicht einem Halsbande von schmackhaften Würsten, gesehen hätte; und selbst der stolze Singhahn lag auf seinem Rücken, in einer Nebenschüssel, mit aufwärts gekehrten Krallen, als ob er die Gnade erbitten wollte, die sein ritterlicher Geist, so lange er lebte, zu fordern verschmäht hatte.

Indem der entzückte Ichabod sich alles dies dachte, und seine großen, grünen Augen über die fetten Wiesen, die reichen Weizen-, Roggen-, Buchweizen-und Maisfelder, und die mit rötlichen Früchten beladenen Obstgärten, welche die warme Wohnung van Tassel’s umgaben, dahinrollen ließ, sehnte sich sein Herz nach dem Mädchen, welches diese Besitzungen erben sollte, und seine Einbildungskraft dehnte sich bei dem Gedanken aus, wie leicht man sie in bares Geld verwandeln und dies zum Ankauf ungeheurer Strecken wüsten Landes und zu Schindelpalästen verwenden könnte. Ja, seine geschäftige Einbildungskraft verwirklichte bereits seine Hoffnungen, und stellte ihm die blühende Katharina dar, wie sie, mit einer ganzen Familie von Kindern, oben auf einem mit allerhand Hausrat beladenen Wagen saß, während Töpfe und Kessel unter demselben baumelten; sich selbst sah er auf einer ruhigen Stute, mit einem Füllen auf ihren Fersen, auf dem Wege nach Kentucky, Tennessee, oder Gott weiß wohin.

Als er in das Haus trat, war die Eroberung seines Herzens vollständig. Es war eines von jenen geräumigen Wohnhäusern, mit hohem Giebel, aber niedrigem Dach, in dem Style erbaut, welcher von den ersten holländischen Ansiedlern sich fortgepflanzt hatte; die niedrigen vorspringenden Gesimse bildeten vor dem Hause eine Art von Bogengang, der bei schlechtem Wetter geschlossen werden konnte. Unter diesem hingen Dreschflegel, Pferdegeschirre, mehrere Ackergeräte und Netze zum Fischfange in dem benachbarten Fluss. Bänke waren an den Wänden zum Gebrauche im Sommer angebracht; und ein großes Spinnrad an dem einen Ende und ein Butterfass am andern deuteten darauf hin, zu wie vielfachem Gebrauche diese wichtige Vorhalle benutzt werden könne. Aus diesem Bogengange trat der verwunderte Ichabod in den Saal, welcher den Mittelpunkt des Gebäudes und den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Familie bildete. Hier blendeten Reihen von glänzendem Zinn, die auf dem langen Anrichtetisch ausgestellt waren, seine Augen. In einem Winkel stand ein großer Sack mit Wolle, der zum Verspinnen bereit war; in einem andern lag ein Pack Beiderwand, das soeben vom Webestuhl gekommen; Maisähren und Schnüre gedörrter Äpfel und Pfirsichen hingen in lustigen Bogengehängen die Wände entlang, mit der Pracht von roten Pfefferkolben dazwischen; und eine halb offen gelassene Tür ließ ihn einen Blick in das Gesellschaftszimmer tun, wo die Stühle mit Klauenfüßen und die dunkeln Mahogony-Tische wie Spiegel glänzten; Feuerböcke, mit den dazu gehörigen Schaufeln und Zangen, schienen aus ihrer Bedeckung von Spargelkraut hervor; künstliche Orangen und Muscheln schmückten das Kamingesims; Schnüre von vielfarbigen Vogeleiern waren darüber aufgehängt; von der Mitte des Zimmers herab hing ein großes Straußenei, und ein Eckschrank, bedachtsamer Weise offengelassen, ließ einen ungeheuren Schatz von altem Silberzeuge und schön gemaltem Porzellan sehen.

Von dem Augenblicke an, wo Ichabod seine Augen auf diese seligen Gefilde heftete, war es mit seinem Seelenfrieden ein Ende, und sein einziges Bemühen war dahin gerichtet, wie er die Neigung der unvergleichlichen Tochter van Tassel’s gewinnen solle. Bei diesem Unternehmen hatte er jedoch mehr wirkliche Schwierigkeiten zu überwinden, als gewöhnlich einem irrenden Ritter in alten Zeiten zu Teil wurden, der selten etwas anders, als Riesen, Zauberer, feurige Drachen und dergleichen leicht zu besiegende Gegner zu bekämpfen hatte, und sich durch eiserne und metallene Thore und Mauern von Diamanten nach dem Burgverließ, wo die Dame seines Herzens gefangen saß, einen Weg bahnen musste; welches Alles er so leicht verrichtete, wie Jemand jetzt sich mit dem Vorlegemesser einen Weg in eine Weihnachtspastete bahnen würde, worauf die Dame ihm, wie sich von selbst versteht, ihre Hand reichte. Ichabod dagegen musste sich einen Weg zu dem Herzen einer Dorf-Kokette bahnen, von einer Menge Eigenheiten und Launen umlagert, die ihm alle Augenblicke neue Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg legten; er hatte einen Schwarm furchtbarer Gegner von Fleisch und Blut, die zahlreichen ländlichen Bewunderer zu bekämpfen, welche jedes Tor zu ihrem Herzen besetzt hielten, wachsam und grollend einander beobachteten und bereit waren, für die gemeinschaftliche Sache gegen jeden neuen Bewerber in das Feld zu rücken.

Unter diesen war der furchtbarste ein plumper, lärmender, tobender Bursche, Namens Abraham, oder, wie die Holländer den Namen abzukürzen pflegten, Brom van Brunt, der Held der Gegend umher, welche von seinen gewaltigen Taten widerhallte. Er war breitschultrig und doppelsehnig, hatte kurzes, krauses, schwarzes Haar, und ein rohes, aber nicht unangenehmes Gesicht, in welchem sich eine Mischung von Lustigkeit und Anmaßung aussprach. Wegen seiner herkulischen Taten und seiner großen Gliederstärke hatte er den Spottnamen Brom Bones (Brom-Knochen) erhalten, unter welchem er allgemein bekannt war. Er war seiner großen Kenntnis und Gewandtheit in der Reitkunst wegen berühmt, und so gut zu Pferde, als ein Tartar. Er war der Erste bei allen Wettrennen und Hahnengefechten; und bei der Überlegenheit, welche auf dem Lande körperliche Stärke immer zu verschaffen pflegt, war er in allen Streitigkeiten der Schiedsrichter, wo er seinen Hut auf die eine Seite setzte, und seine Aussprüche mit einer Art und einem Tone von sich gab, die keine Einrede und keine fernere Ansprache zuließen. Er war immer bereit zu Schlägereien oder zu einer Lustbarkeit; in seinem Wesen war mehr Neigung zum Unfug, als eigentliche Bosheit; und, bei aller seiner gewaltigen Rohheit, hatte er doch einen starken Zug leichtfertiger Gutmütigkeit im Herzen. Er hatte drei oder vier lustige Gesellen seines Gelichters, welche ihn als ihr Muster betrachteten, und an deren Spitze er die Gegend durchstrich und jedem Handel, jeder Lustbarkeit viele Meilen in der Runde beiwohnte. Bei kaltem Wetter zeichnete er sich durch eine Pelzmütze aus, mit einem fliegenden Fuchsschwanze darüber; und wenn die Landleute bei irgend einer allgemeinen Versammlung diese wohlbekannte Helmzierde in einiger Entfernung aus einem Haufen gewaltiger Reiter hervorwinken sahen, so gingen sie immer aus dem Wege, denn sonst gab es Sturm. Zuweilen hörte man seine Mannschaft in der Mitternacht mit einem gewaltigen Geschrei und Hallo, wie einen Trupp donischer Kosaken an den Meierhöfen vorbeisprengen, und die alten Frauen, aus ihrem Schlafe aufgeschreckt, lauschten wohl einen Augenblick, bis das Braus und Saus vorbeigerasselt war, und riefen dann: »das ist Brom Bones mit seiner Bande!« Die Nachbarn betrachteten ihn mit einer Mischung von Furcht, Bewunderung und Zuneigung, und schüttelten, sobald irgend ein toller Streich oder eine Schlägerei in der Gegend vorfiel, jedes Mal den Kopf, und glaubten zuverlässig, Brom Bones sei dabei besonders im Spiele gewesen.

Dieser wüste Held hatte seit einiger Zeit die blühende Katharina zum Gegenstande seiner plumpen Galanterien ausersehen, und obgleich seine verliebten Zärtlichkeiten etwas von den zarten Liebkosungen und Schmeicheleien eines Bären an sich hatten, so flüsterte man doch, dass sie seine Hoffnungen nicht ganz zurückweise. Gewiss ist es, sein Vortreten war die Losung für das Zurückziehen der übrigen Bewerber, die keine Lust fühlten, einem Löwen bei seiner Liebe im Wege zu stehen; wenn man also Sonntag Abends sein Pferd an van Tassel’s Stacket angebunden sah, ein sicheres Zeichen, dass dessen Herr drinnen den Hof mache, oder, wie man es nennt, »den Angenehmen spiele,« so gingen alle übrigen Bewerber in Verzweiflung vorüber und spielten den Krieg in eine andere Gegend.

Dies war der furchtbare Nebenbuhler, gegen den Ichabod Crane zu kämpfen hatte, und, Alles genau betrachtet, würde ein Stärkerer als er, von der Mitbewerbung zurückgetreten sein, und ein Klügerer würde jede Hoffnung aufgegeben haben. In seinem Wesen lag aber eine glückliche Mischung von Biegsamkeit und Beharrlichkeit; er war der Gestalt und dem Geiste nach wie ein geschmeidiger Draht – nachgiebig, aber zähe; obgleich er sich bog, brach er doch nie; und obgleich er sich bei dem leichtesten Drucke krümmte, so war er doch im Augenblicke – wo dieser nicht mehr wirkte, husch! so grade und trug seine Nase so hoch als jemals.

Gegen seinen Nebenbuhler offen zu Felde zu ziehen, würde eine Tollheit gewesen sein; denn dieser war kein Mann, der sich bei seinen Liebschaften in die Quere kommen ließ, eben so wenig, als jener stürmische Liebhaber, Achilles. Ichabod begann daher seine Bewerbungen auf eine ruhige, sanft einschmeichelnde Weise. Unter dem Deckmantel seines Charakters als Singlehrer, machte er häufige Besuche im Hause; nicht, als wenn er von den unangenehmen Einmischungen der Eltern, welche so oft auf dem Pfade der Liebenden zum Steine des Anstoßes werden, etwas zu fürchten gehabt hätte. Balt van Tassel war eine leicht zu behandelnde, nachsichtige Seele; er liebte seine Tochter noch mehr, als seine Pfeife, und ließ ihr, wie ein vernünftiger Mann und trefflicher Vater, in allen Dingen ihren Willen. Seine ehrliche kleine Frau hatte ebenfalls genug mit ihrem Hauswesen und der Sorge für ihr Geflügel zu thun; denn, wie sie sehr weise bemerkte, Enten und Gänse sind alberne Dinger, nach denen man zu sehen hat; Mädchen aber können auf sich selbst Acht geben. Während also die geschäftige Frau sich im Hause umher tummelte, oder an dem einen Ende des Bogenganges ihr Spinnrad in Bewegung setzte, saß der ehrliche Balt, sein Abendpfeifchen rauchend, an dem andern, und beobachtete die Taten eines kleinen hölzernen Soldaten, der, mit einem Säbel in jeder Hand, auf der Dachspitze der Scheune den Wind tapfer bekämpfte. Während der Zeit betrieb Ichabod seine Bewerbungen bei der Tochter, an dem Bache unter der großen Ulme, oder indem er mit ihr im Zwielicht, dieser der Beredsamkeit der Liebenden so günstigen Stunde, spazieren ging.

Ich gestehe, dass ich nicht weiß, wie man um Frauenzimmer eigentlich werben und sie gewinnen kann. Für mich sind sie immer Gegenstände des Erratens und der Bewunderung gewesen. Einige scheinen nur Eine verwundbare Stelle oder Einen Zugangsort zu haben; während man zu anderen auf tausend Wegen gelangen, und sie auf tausend verschiedene Arten gewinnen kann. Es ist ein großer Triumph der Gewandtheit, wenn man die ersteren gewinnen kann; allein es zeugt von ungleich größerem Feldherrntalent, wenn man sich der letzten zu bemeistern weiß; denn ein Mann muss, um die Festung zu erobern, jede Thür und jedes Fenster bestürmen. Wer tausend gewöhnliche Herzen gewinnt, ist daher einiges Ruhmes wert; wer aber eine unbestrittene Macht über das Herz einer Kokette ausübt, ist in der Tat ein Held. Gewiss ist es, dass dies bei dem furchtbaren Brom Bones nicht der Fall war; und von dem Augenblick an, wo Ichabod Crane seine Bewerbung anfing, neigte sich der Glücksstern des Ersteren auffallend; man sah sein Pferd nicht mehr an den Sonntagsabenden an das Stacket gebunden, und eine tödliche Fehde entstand allmählich zwischen ihm und dem Schullehrer aus der schläfrigen Schlucht.

Brom, der einen Grad roher Ritterlichkeit in seinem Wesen hatte, würde die Sache gern bis zum offenen Kriege getrieben, und die Ansprüche, welche Beide auf die Dame machten, nach Art jener kräftigen, einfachen Logiker, der irrenden Ritter alter Zeiten – durch einen Zweikampf ausgemacht haben; allein Ichabod war sich der Überlegenheit seines Gegners zu sehr bewusst, um gegen ihn in die Schranken zu treten; er hatte von der Drohung des Bones gehört: »dass er den Schulmeister zusammenlegen, und auf einen Schrank stellen wollte,« und er hütete sich zu sehr, ihm dazu Gelegenheit zu geben. Es lag etwas ungemein Verdrießliches in diesem hartnäckigen feindlichen Systeme; es blieb Bones nichts Anderes übrig, als all’ den rohen Mutwillen, welcher ihm zu Gebote stand, in Bewegung zu setzen, und seinem Nebenbuhler praktische bäuerische Streiche zu spielen. Ichabod wurde der Gegenstand der launenhaftesten Verfolgung von Seiten Bones und seiner Bande roher Reiter. Sie beunruhigten sein bisher friedliches Gebiet, räucherten seine Singschule ein, indem sie den Schornstein verstopften; brachen bei Nacht in das Schulhaus, der furchtbaren Befestigung von Weidenruten und Fensterstangen ungeachtet, und kehrten das Unterste zu Oberst, so dass der arme Schullehrer zu glauben anfing, sämtliche Hexen aus der Nachbarschaft hielten hier ihre Zusammenkünfte. Was aber bei weitem unangenehmer war, Brom benutzte jede Gelegenheit, ihn in Gegenwart seiner Geliebten lächerlich zu machen, und er hatte einen schändlichen Hund, den er so abrichtete, dass er auf die komischste Art winseln musste, und diesen führte er als einen Nebenbuhler Ichabod’s ein, um sie im Psalmensingen zu unterrichten.

Auf diese Art gingen die Sachen eine Zeitlang fort, ohne dass die gegenseitige Lage der streitenden Mächte sich wesentlich verändert hätte. An einem schönen Herbstnachmittage saß Ichabod, in Gedanken versunken, auf dem hohen Stuhle, von welchem er das, was in seinem kleinen wissenschaftlichen Reiche vorging, zu beobachten pflegte. In seiner Hand schwang er einen Stecken, das Zepter der despotischen Macht; das Birkenreis der Gerechtigkeit ruhte auf drei Nägeln hinter seinem Throne, ein starkes Schreckbild für alle Übeltäter; während auf dem Schreibpult vor ihm allerhand Contreband-Artikel und verbotene Waffen, welche bei den müßigen Buben gefunden worden, zu sehen waren; halb verzehrte Äpfel, Knallbüchsen, Brummkreisel, Fliegenkäfige, und ganze Legionen kleiner, springender, papierner Vögel. Allem Anscheine nach war erst ganz kürzlich eine sehr eindrucksvolle Handlung der Gerechtigkeit vorgenommen worden, denn seine Schüler waren alle sehr aufmerksam über ihren Büchern beschäftigt, oder flüsterten leise hinter denselben, mit einem Auge auf den Lehrer gerichtet; und eine Art summender Stille herrschte in der ganzen Schulstube. Sie ward plötzlich durch die Erscheinung eines Negers, in einer packleinwandnen Jacke und weiten Beinkleidern, mit dem Bruchstücke eines runden Hutes, einem Merkurshut ähnlich, auf dem Kopfe, und auf einem struppigen, wilden, halbzugerittenen Füllen sitzend, das er, in Ermangelung eines Zaumes, mit einem Stricke lenkte, unterbrochen. Er kam klappernd an die Thür des Schulhauses mit einer Einladung an Ichabod, an einer lustigen Gesellschaft oder einem »Lust-Essen,« welches an diesem Abend bei Mynheer van Tassel stattfinden sollte, Teil zu nehmen, und, als er seine Botschaft mit der wichtigen Miene und mit dem Wortgepränge, womit ein Neger kleine Sendungen dieser Art auszurichten pflegt, überliefert hatte, setzte er über den Bach, und sprengte dann die Schlucht hinauf, voll von der Wichtigkeit und Eile seiner Botschaft.

In der eben noch so ruhigen Schulstube war jetzt Alles in Bewegung und Aufruhr. Die Schüler müssten ihre Lektion in der Eile durchmachen, ohne anzuhalten, oder bei Kleinigkeiten zu verweilen; die Behänderen unter ihnen überhüpften ungestraft die Hälfte, und die Langsameren erhielten dann und wann eine kräftige Ermunterung auf den Rücken, um sie zur Eile anzutreiben und ihnen über ein schwieriges Wort hinwegzuhelfen. Die Bücher wurden an die Seite geschleudert, ohne dass sie auf die Bretter gestellt wurden, Tintenfässer umgeworfen, Bänke umgestürzt und die ganze Schule eine Stunde früher als gewöhnlich entlassen, so dass sie wie eine Legion junger Teufelchen herausstürzte, und vor Freude über ihre zeitige Freilassung auf dem Grün umher laut belferte und tobte.

Der zierliche Ichabod brachte jetzt wenigstens eine halbe Stunde länger als sonst bei der Toilette zu, bürstete und putzte seinen besten, und in der Tat einzigen, verschossenen schwarzen Anzug heraus, und brachte sein Haar vor einem Stück zerbrochenen Spiegel, das im Schulhause hing, in Ordnung. Um vor seiner Gebieterin in dem echten Stil eines Kavaliers zu erscheinen, lieh er sich ein Pferd von dem Landmann, bei welchem er gerade wohnte, einem cholerischen alten Holländer, Namens Hans van Ripper, und zog nun, stattlich im Sattel sitzend, auf, wie ein irrender Ritter, der Abenteuer sucht. Ich muss indessen, in dem wahren Geiste der Romanschreibung, eine Art von Bericht über das Aussehen und die Ausstaffierung meines Helden und seines Rosses geben. Das Tier, welches ihn trug, war ein abgearbeitetes Ackerpferd, welches beinahe nichts mehr behalten hatte, als seine Fehler. Es war hager und rau, mit einem Schafshals und einem Kopfe wie ein Hammer; seine rostige Mähne und der Schweif waren verwickelt und voller Kletten; ein Auge hatte die Sehkraft verloren und war starr und gespenstig; das andere hatte eine wahre Teufelsglut in sich. In seiner Jugend musste es indessen Feuer und Kraft gehabt haben, wenn man nach seinem Namen Gunpowder (Schießpulver) urteilen durfte. Es war in der Tat das Lieblingspferd seines Herrn, des cholerischen van Ripper, gewesen, der ein wilder Reiter war, und höchst wahrscheinlich dem Tier etwas von seinem eigenen Geiste mitgeteilt hatte; denn, alt und unbrauchbar, wie es aussah, hatte es doch mehr von dem Schaden-Teufel in sich, als irgend ein junges Füllen im Lande.

Ichabod’s Gestalt passte zu einem solchen Rosse. Er ritt mit kurzen Steigbügeln, welches seine Knie bis an den Sattelknopf brachte; seine spitzigen Ellbogen standen heraus wie die Beingelenke eines Grashüpfers; er führte seine Peitsche wie einen Scepter senkrecht in der Hand, und die Bewegung seiner Arme war, als sein Pferd dahinjuckelte, dem Schlagen eines Paares von Flügeln nicht unähnlich. Ein kleiner wollener Hut ruhte oben auf der Nasenwurzel, denn so konnte man den schmalen Streifen von Stirn wohl nennen, den er hatte, und die Schöße seines schwarzen Rocks flogen beinahe bis an den Schweif des Pferdes. So war das Aussehen von Ichabod und seinem Rosse, als sie aus dem Thore van Rippers herausstolperten, und das Ganze gewährte eine Erscheinung, wie man sie selten am hellen Tageslichte zu Gesichte bekommt.

Es war, wie ich gesagt habe, ein schöner Herbsttag; der Himmel war klar und heiter, und die Natur trug das schöne, goldene Kleid, mit welchem wir immer in Gedanken den Begriff des Überflusses verbinden. Die Wälder hatten sich in ihr ernstes Braun und Gelb gekleidet, während einige Bäume von der zarteren Art durch den Frost schon glänzende Orangen-, Purpur-und Scharlachtinten erhalten hatten. Dahinziehende Reihen wilder Enten fingen an, sich hoch in der Luft sehen zu lassen; das Bellen des Eichhörnchens ließ sich aus den Gebüschen von Birken und Walnussbäumen, und der nachdenkliche Schlag der Wachtel von Zeit zu Zeit von dem benachbarten Stoppelfelde, her vernehmen.

Die kleineren Vögel hielten ihre Abschiedsgastmahle. In der Fülle ihrer Schwelgerei flatterten sie, zirpend und frohlockend, von Busch zu Busch, von Baum zu Baum, und der Überfluss und die Manigfaltigkeit um sie her schienen sie noch leckerhafter zu machen. Da war das ehrliche Rotkehlchen, das Lieblingswild angehender Jäger, mit seinem hellen klagenden Tone; und die zwitschernden Amseln, welche in den dunklen Wolken umherflogen; und der goldgeflügelte Specht, mit seinem hochroten Federbusche, seiner breiten schwarzen Halskrause und seinem glänzenden Gefieder; und der Zedervogel mit seinen Flügeln mit roten Spitzen, seinem Schwanze mit gelber Spitze, und seiner kleinen Jägermütze von Federn; und der blaue Holzhäher, dieser lärmende Geselle, in seinem stattlichen hellblauen Rocke und weißen Unterkleidern, der schrie und schnatterte und nickte und wiegte sich und beugte sich, und tat, als ob er mit jedem Sänger des Waldes auf gutem Fuße stehe.

Wie Ichabod seines Weges langsam weiter zog, streifte sein Auge, immer für jedes Anzeichen von leiblichem Überfluss offen, mit Entzücken über die Schätze des fröhlichen Herbstes dahin. Auf allen Seiten sah er eine große Menge von Aepfeln; manche hingen in erdrückendem Überfluss an den Bäumen; andere waren in Körbe und Fässer gepackt, um zu Markte gebracht zu werden; andere in hohen Haufen aufgetürmt, um unter die Ciderpresse zu kommen. Weiterhin sah er große Felder mit Mais besetzt, deren goldene Kolben aus ihren laubigen Decken hervorblickten und Kuchen und weiche Puddings verhießen, und gelbe Kürbisse darunter liegend, welche ihre glatten runden Bäuche der Sonne zuwendeten und die schönsten Aussichten auf die prachtvollsten Pasteten eröffneten; dann kam er bei den duftenden Buchweizenfeldern vorüber, welche den Duft des Bienenkorbes aushauchten, und, als er sie betrachtete, bemächtigte sich seines Geistes eine süße Ahnung von den köstlichen, wohl mit Butter beschmierten, mit Honig oder Sirup überlegten Brotschnitten, welche ihm die zarte kleine, mit Grübchen gezierte Hand Katharina’s van Tassel darreichen würde.

So sein Gemüht mit manchen angenehmen und süßen Vermutungen nährend, ritt er längs einer Reihe von Hügeln hin, von welchen man eine Aussicht auf einige der angenehmsten Gegenden an dem mächtigen Hudson hat. Die Sonne wälzte allmählich ihre breite Scheibe dem Westen zu. Der weite Schoß der Tappan-Zee lag unbeweglich und spiegelglatt da, ausgenommen, dass dann und wann ein sanftes Wogen den blauen Schatten der entfernten Berge hob und senkte und verlängerte. Einige wenige hochgelbe Wolken wogten am Himmel, ohne dass ein Lüftchen sie bewegt hätte. Der Horizont hatte eine schöne goldartige Färbung, welche sich allmählich in ein reines Apfelgrün, und darauf in das tiefe Blau des Äthers verwandelte. Ein schiefer Strahl verweilte noch auf den bewaldeten Spitzen der Anhöhen, welche über einige Theile des Flusses hinüberragten, und dem Dunkelgrau und Purpur ihrer Felsabhänge ein größeres Dunkel verliehen. In der Entfernung segelte langsam eine Schaluppe, welche gemach mit der Flut fort trieb, während ihr Segel unnütz am Maste hing; und, wie der Widerschein des Himmels sich in dem stillen Wasser spiegelte, war es, als ob das Schiff in der Luft hinge.

Der Abend war schon herangenaht, als Ichabod vor Mynheer van Tassel’s Burg anlangte, die er mit dem Stolz und der Blüte der umliegenden Gegend angefüllt fand. Alte Gutsbesitzer, ein mageres, lederngesichtiges Geschlecht, in Röcken und Beinkleidern von eigengemachtem Zeuge, blauen Strümpfen, großen Schuhen und prachtvollen zinnernen Schnallen. Ihre lebendigen verblühten kleinen Frauen, in eng anschließenden Hauben, kurzen Kleidern mit langen Taillen, selbstgesponnenen Röcken, mit Scheren und Nadelkissen und herabhängenden bunten kattunenen Taschen. Flinke Mädchen, beinahe so altväterisch, wie ihre Mütter, ausgenommen da, wo ein Strohhut, ein schönes Band, oder vielleicht ein weißes Kleid auf eine Neuerung von der Stadt aus hindeuteten. Die Söhne, in kurzen Röcken mit viereckten Schößen und Reihen von ungeheuren metallenen Knöpfen, und ihr Haar in der Regel nach der Mode der Zeit eingeflochten, besonders wenn sie zu diesem Zweck eine Aalhaut erhalten konnten, da diese in der ganzen Gegend als besonders stärkend für das Haar, und dessen Wuchs befördernd, angesehen wurde.

Brom Bones war indessen der Held des Schauplatzes, da er zu der Versammlung auf seinem Lieblingshengst Daredevil, einem Geschöpfe gekommen war, das, wie er selbst, voller Feuer und Unheil war, und das Niemand als er regieren konnte. Es war in der Tat bekannt, dass er immer böse Tiere vorzog, welche allen Arten von Tücken ergeben waren und den Reiter in steter Lebensgefahr erhielten, indem er ein zu behandelndes, wohlzugerittenes Pferd als eines Burschen von Muth durchaus unwürdig hielt.

Gern würde ich einhalten, um bei der Welt von Reizen zu verweilen, welche sich dem entzückten Blicke meines Helden darstellte, als er in das Staatszimmer von van Tassel’s Hause trat. Sie waren indes nicht die eines Haufens schmucker Dirnen, mit ihrer üppigen Fülle von weiß und rot; sondern die mächtigen Reize eines echt holländischen Land-Teetisches in der reichlichen Herbstzeit. Welch aufgehäufte Teller mit verschiedenen, fast unbeschreiblichen Kuchenarten, nur den erfahrenen holländischen Hausfrauen bekannt! Da war die kräftige Teignuss, der zarte Ölkuchen und der krause, bröckelnde Krauskuchen; süße Kuchen und kurze Kuchen, Pfefferkuchen und Honigkuchen, und die ganze Familie von Kuchen. Und dann gab es noch Äpfelpasteten und Pfirsichpasteten und Kürbispasteten; außerdem köstliche Schüsseln mit eingemachten Pflaumen und Pfirsichen und Birnen und Quitten; nicht zu gedenken der gebratenen Alsen und der gebackenen Hühner, so wie der Schalen mit Milch und Sahne dazwischen, alles bunt untereinander gemischt, fast gerade so, wie ich es aufgezählt habe; dazwischen die hausmütterliche Teekanne, die ihre Dampfwolken mitten daraus emporsteigen ließ – Gott segne dies Zeichen! Mir fehlt Atem und Zeit, diesen Schmaus zu erörtern, wie er es verdient, und ich bin zu begierig, an das Ende meiner Erzählung zu gelangen. Glücklicherweise hatte Ichabod Crane keine so große Eile, wie sein Geschichtsschreiber, sondern ließ jedem Leckerbissen volle Gerechtigkeit widerfahren.

Er war ein gutmütiges, dankbares Wesen, dessen Herz sich in dem Maße ausdehnte, wie sein Leib sich mit leckerer Speise anfüllte; und dessen Geist bei dem Essen auflebte, wie dies mit Anderen bei dem Trinken der Fall ist. Er konnte sich auch nicht enthalten, während des Essens seine großen Augen umhergehen zu lassen, und sich mit der Möglichkeit zu kitzeln, dass er dereinst der Herr und Eigentümer dieses ganzen Schauplatzes von beinahe undenklicher Pracht und Herrlichkeit werden könnte. Dann dachte er, wie bald er dem alten Schulhause den Rücken wenden, Hans van Ripper und allen übrigen knausrigen Gönnern ein Schnippchen ins Gesicht schlagen, und jeden reisenden Schulmeister, der ihn College zu nennen sich erdreisten möchte, zur Thür hinausdrehen wollte!

Der alte Baltes van Tassel bewegte sich unter seinen Gästen mit einem von Zufriedenheit und guter Laune verklärten, und gleich dem Erntemonde, runden und fröhlichen Gesichte umher. Seine gastfreien Aufmerksamkeiten waren kurz, aber ausdrucksvoll; sie beschränkten sich auf einen Händedruck, einen Schlag auf die Schulter, ein lautes Lachen, und eine gelegentliche Aufforderung: »zuzugreifen und sich selbst zu bedienen.«

Nun aber lud der Ton der Musik aus dem gemeinschaftlichen Zimmer oder dem Saale zum Tanz ein. Der Musiker war ein alter, grauköpfiger Neger, der seit länger als einem halben Jahrhunderte das wandernde Orchester der Nachbarschaft gewesen war. Sein Instrument war so alt und gebrechlich, als er selbst. Den größten Teil der Zeit kratzte er auf zwei oder drei Saiten, wobei er jeden Strich des Bogens mit einer Bewegung des Kopfes begleitete; sich beinahe bis zur Erde beugend, und mit dem Fuße stampfend, sobald ein neues Paar anfangen sollte.

Ichabod tat sich auf seinen Tanz eben so viel zu gut, als auf seine Stimme. Kein Glied, keine Faser an seinem ganzen Körper war dabei müßig; und wenn Ihr seine locker zusammenhängenden Glieder in voller Bewegung gesehen und im Zimmer umherrasseln gehört hättet, würdet Ihr geglaubt haben, St. Veit selbst, der gebenedeite Patron des Tanzes, träte in eigner Person vor Euch auf. Er war der Gegenstand der Bewunderung aller Neger, die, von allen Altern und Gestalten, aus der Meierei und der Nachbarschaft herbeigekommen waren und an jeder Thür und jedem Fenster eine Pyramide glänzend schwarzer Gesichter bildend, umherstanden, das Schauspiel mit Entzücken betrachtend, wobei sie ihre weißen Augen hin und her rollten, und den Mund, mit Reihen von Zähnen wie Elfenbein besetzt, von einem Ohr zum andern aufrissen. Wie konnte auch der Bubenpeitscher anders, als lebendig und fröhlich sein? die Geliebte seines Herzens war seine Tänzerin, und lächelte holdselig zu allen seinen verliebten Blicken; während Brom Bones, gequält von Liebe und Eifersucht, in sich selbst hineinbrütend, in einem Winkel saß.

Als der Tanz zu Ende war, fühlte sich Ichabod zu einem Haufen weiserer Leute hingezogen, welche mit dem alten van Tassel rauchend an dem einen Ende der Vorhalle saßen, von früheren Zeiten schwatzend und lange Geschichten aus dem Kriege erzählend.

Zu der Zeit, von welcher es sich hier handelt, gehörte diese Gegend zu den hochbegünstigten und war an geschichtlichen Erinnerungen ebenso reich, wie an berühmten Männern. Die englische und amerikanische Armee hatte, während des Krieges, nicht weit davon sich getummelt, und dieser Strich war mithin der Schauplatz aller Plänkeleien und voll von Flüchtlingen, Kuhjungen und allen übrigen Grenzrittern gewesen. Auch hatte dieses Alles gerade vor so langer Zeit sich ereignet, dass jeder Erzähler seine Mähr mit kleinen nötigen Zusätzen ausschmücken, und, bei der Unbestimmtheit seiner Erinnerungen, sich selbst zum Helden einer jeden That machen konnte.

Da war die Geschichte von Doffue Martling, einem gewaltigen blaubärtigen Holländer, der mit einem alten Neunpfünder. welcher auf einer Lehmschanze stand, beinahe eine englische Fregatte weggenommen hätte, wenn nicht seine Kanone bei dem sechsten Schuss gesprungen wäre. Und da war ein alter Herr, den ich nicht nennen will, weil er ein zu reicher Mynherr ist, als dass man ihn so obenhin nur nennen könnte, und der in der Schlacht von Whiteplains, als ein guter Fechter, eine Musketenkugel mit dem kurzen Degen parierte, so dass er sie ganz deutlich um die Klinge sausen und an dem Gefäße abspringen gefühlt hatte; zum Beweise dessen war er jederzeit erbötig, den Degen mit dem etwas verbogenen Gefäß vorzuzeigen. Auch mehrere Andere rühmten sich, eben so groß im Felde gewesen zu sein, und es gab gewiss keinen, der nicht die vollkommene Überzeugung gehabt hätte, dass er wesentlich dazu beigetragen habe, den Krieg zu einem glücklichen Ende zu bringen.

Alles dies war indes nichts gegen die Geister-und Erscheinungsgeschichten, welche folgten. Die Gegend ist reich an Sagenschätzen dieser Art. Ortssagen und abergläubische Meinungen gedeihen am besten in solchen abgelegenen, lange bewohnten Winkeln; aber sie gehen im Munde der ewig wandernden Menge, welche die Bevölkerung unserer meisten ländlichen Ortschaften bildet, allmählich verloren. Überdies gibt es für die Geister gar keine Ermunterung in den meisten unserer Dörfer; denn kaum haben sie Zeit gehabt, ihren ersten Schlaf zu tun, und sich im Grabe umzuwenden, so sind ihre überlebenden Freunde schon aus der Gegend hinweggewandert; so dass, wenn sie sich in der Nacht aufmachen, ihre Runde zu halten, sie keinen Bekannten mehr finden, dem sie einen Besuch abstatten können. Dies ist vielleicht die Ursache, warum wir, ausgenommen in unseren langbestehenden holländischen Gemeinden, so selten von Geistern hören.

Die unmittelbare Ursache der vielen hier im Schwange gehenden übernatürlichen Geschichten war jedoch, ohne Zweifel, die Nähe der schläfrigen Schlucht. Es lag schon in der Luft, welche von dieser bezauberten Gegend her wehte, etwas Ansteckendes, und sie entwickelte eine Atmosphäre von Träumen und Einbildungen, welche das ganze Land ansteckten. Mehrere von den Bewohnern der schläfrigen Schlucht waren bei van Tassel ebenfalls gegenwärtig, und spendeten, wie gewöhnlich, ihre wilden, wundervollen Legenden in Fülle aus. Manche schauerliche Geschichten von Leichenzügen und Trauergeschrei und Klagen wurden erzählt, die man in der Gegend des großen nicht fern stehenden Baumes gesehen und gehört hatte, wo der unglückliche Major André gefangen genommen worden war. Man gedachte auch der weißen Frau, welche in der düstern Schlucht von Raven Rock umging, und die man oft in Winternächten vor einem Sturme wehklagen hörte, da sie dort einst im Schnee umgekommen war. Der Haupt-Teil der Geschichte drehte sich indessen um das Lieblingsgespenst aus der schläfrigen Schlucht, den kopflosen Reiter, den man erst kürzlich mehrere Male durch die Gegend hatte ziehen gehört, und der, wie man sagte, nächtlich sein Pferd unter den Gräbern auf dem Kirchhofe anbände.

Die einsame Lage dieser Kirche scheint sie immer zu einem Lieblingstummelplatze unruhiger Geister gemacht zu haben. Sie steht auf einem, von Akazien und hohen Ulmen umgebenen Hügel, zwischen welchen ihre züchtigen weißgetünchten Mauern bescheidentlich hindurchblicken, wie die christliche Reinheit, welche durch die Schatten der Einsamkeit glänzt. Ein sanfter Abhang führt von derselben zu einem silbernen Wasserspiegel nieder, der mit hohen Bäumen besetzt ist, zwischen welchen man einzelne Durchsichten auf die blauen Hügel des Hudson hat. Wenn man ihren mit Gras bewachsenen Kirchhof betrachtet, wo die Sonnenstrahlen so ruhig zu schlummern scheinen, sollte man glauben, dass hier wenigstens die Toten sanft ruhen könnten. Auf der einen Seite der Kirche zieht sich eine große waldige Schlucht dahin, durch welche ein starker Bach zwischen gebröckelten Felsen und umgestürzten Baumstämmen sich hinstürzt. Über eine tiefe schwarze Stelle des Stromes, nicht weit von der Kirche, war eine hölzerne Brücke geschlagen; der Weg, welcher zu derselben führte, und die Brücke selbst, waren durch überhangende Bäume dicht beschattet, welche selbst bei Tage eine gewisse Düsterkeit darüber verbreiteten, bei Nacht aber eine furchtbare Dunkelheit verursachten. Dies war eine der Lieblingsgegenden des kopflosen Reiters, und der Ort, wo man ihm am häufigsten begegnete. – Man erzählte die Geschichte vom alten Brouwer, einem Mann, der zu den hartnäckigsten Geisterleugnern gehörte, wie er dem Reiter auf dessen Rückkehr von seinem Zuge nach der schläfrigen Schlucht begegnete, und genötigt war, sich hinter ihm aufzusetzen; wie sie über Stock und Block, über Hügel und Morast galoppierten, bis sie an die Brücke kamen, wo sich der Reiter plötzlich in ein Totengerippe verwandelte, den alten Brouwer in den Bach warf, und unter Donnerschall über die Baumwipfel dahinfuhr.

Dieser Geschichte folgte unmittelbar ein noch dreimal wunderbareres Abenteuer von Brom Bones, der sich aus dem galoppierenden Hessen nicht viel machte. Er versicherte, dass, als er eines Abends aus dem benachbarten Dorfe Sing-Sing zurückgekehrt sei, der mitternächtliche Reiter ihn eingeholt und er sich erboten habe, mit ihm um eine Bowle Punsch um die Wette zu reiten, die er auch gewiss gewonnen haben würde, da Daredevil das Gespensterross weit hinter sich gelassen; aber, gerade in dem Augenblicke, wo sie an die Kirchenbrücke kamen, habe der Hesse einen Satz gemacht, und sei in einer Feuerflamme verschwunden.

Alle diese Erzählungen, welche in dem schläfrigen, halblauten Tone vorgetragen wurden, womit Leute im Dunkeln reden, und wobei die Gesichter der Zuhörer nur dann und wann durch das Aufflammen einer Pfeife beleuchtet wurden, machten auf Ichabod’s Gemüht einen tiefen Eindruck. Er vergalt sie in gleicher Münze durch weitläufige Anführungen aus seinem unschätzbaren Schriftsteller, Cotton Mather, und fügte manche wunderbare Vorfälle hinzu, welche in seinem Geburtsstaate Connecticut sich ereignet hatten, so wie Erzählungen von den furchtbaren Geschichten, welche er bei seinen nächtlichen Wanderungen um die schläfrige Schlucht erblickt hatte.

Die Gesellschaft brach nun allmählich auf. Die alten Gutsbesitzer zogen ihre Familien in ihre Wagen zusammen, und man hörte sie eine Zeit lang in den Hohlwegen und über die entfernten Hügel dahinrollen. Einige von den Dämchen nahmen auf den Pferden ihrer Anbeter, hinter diesen, auf Kissen Platz, und ihr fröhliches Gelächter hallte, mit dem Geklapper der Hufe vermischt, in den stillen Waldgegenden wider, wurde immer schwächer und schwächer, bis es endlich ganz verhallte – und die noch vor Kurzem so geräuschvolle und fröhliche Scene war nun still und verlassen. Nur Ichabod zögerte noch, nach der Sitte ländlicher Liebhaber, um mit der Erbin unter vier Augen zu bleiben, vollkommen überzeugt, dass er nun auf der Heerstraße zu seinem Glücke sei. Was bei dieser Zusammenkunft vorgegangen, kann ich mir nicht heraus nehmen, sagen zu wollen, weil ich es nicht weiß. Etwas muss indessen, fürchte ich, nicht so ganz richtig gewesen sein, denn Ichabod kam nach einer nicht langen Zwischenzeit heraus, mit trostbedürftigem, mutlosem Wesen. – O, diese Weiber! diese Weiber! Hatte das Mädchen ihm vielleicht einen ihrer Kokettenstreiche gespielt?– Hatte sie den armen Pädagogen bloß zu begünstigen geschienen, um sich die Eroberung seines Nebenbuhlers zu sichern? – Der Himmel mag es wissen, ich nicht! – Es wird hinreichen, zu sagen, Ichabod stahl sich heraus, mit der Miene eines solchen, der eher auf einen Hühnerstall, aber nicht auf das Herz eines schönen Mädchens einen Angriff gemacht hat. Ohne sich zur Rechten oder zur Linken nach den ländlichen Reichtümern umzusehen, nach denen er früher so oft hingeschielt hatte, ging er geraden Weges nach dem Stalle, und brachte durch einige derbe Püffe und Stöße sein Ross sehr unfreundlich von dem behaglichen Lager empor, auf dem es ruhig schlief, von Bergen von Korn und Hafer und ganzen Wäldern von Timotheus-Gras und Klee träumend.

Es war gerade die Hexenstunde der Nacht, als Ichabod, mit schwerem Herzen und gesunkenem Mut an den hohen Hügeln hin, welche sich über Tarry Town erheben, seinen Weg nach Hause verfolgte, welchen er so fröhlich am Nachmittage zurückgelegt hatte. Die Stunde war so trübe, als er selbst. Weit unter ihm breitete die Trappan-Zee ihren finsteren und nur undeutlich sichtbaren Wasserspiegel aus, auf dem sich hie und da der hohe Mast einer Schaluppe erhob, welche ruhig am Lande vor Anker lag. In der Todesstille der Mitternacht konnte er sogar das Gebell der Kettenhunde von dem gegenüberliegenden Ufer des Hudson hören; allein es klang so unbestimmt und schwach, dass es nur eine Idee geben konnte von seiner Entfernung von diesem treuen Gefährten des Menschen. Dann und wann ertönte auch weit her von irgendeinem Meierhofe in den Hügeln, das langgezogene Krähen eines Hahns, der zufällig erwacht war, – aber es klang nur wie ein Ton des Traumes in sein Ohr. Kein Lebenszeichen war in seiner Nähe zu bemerken, als von Zeit zu Zeit das trübsinnige Zirpen einer Grille, oder vielleicht der Kehlton eines Brüllfrosches aus einem benachbarten Morast, als schliefe er unbehaglich, und habe sich plötzlich auf seinem Lager umgewendet.

Alle die Geschichten von Geistern und Kobolden, welche er am Nachmittag gehört hatte, kamen ihm nun zu Schaaren wieder in den Sinn. Die Nacht wurde dunkler und dunkler; die Sterne schienen tiefer in den Himmel zu sinken, und dahintreibende Wolken entzogen sie von Zeit zu Zeit seinen Blicken. Er hatte sich nie so verlassen und unglücklich gefühlt. Überdies näherte er sich dem Orte, wohin man mehrere der Szenen der Geistergeschichten verlegt hatte. Mitten auf dem Wege stand ein ungeheurer Tulpenbaum, welcher wie ein Riese über alle übrigen Bäume in der Nachbarschaft hinüberragte und eine Art von Wahrzeichen bildete. Seine Zweige waren knorrig und von abenteuerlicher Gestalt, groß genug, um Stämme für gewöhnliche Bäume zu bilden; sie bogen sich beinahe bis zur Erde hinab, und erhoben sich dann wiederum in die Luft. Er stand in Verbindung mit der tragischen Geschichte des unglücklichen André, der dicht dabei zum Gefangenen gemacht worden, und war allgemein unter dem Namen Major André‘s Baum bekannt. Die gemeinen Leute betrachteten ihn mit einer Mischung von Ehrfurcht und Aberglauben, teils aus Antheil an dem Schicksale des unglücklichen Mannes, und teils wegen Erzählungen von sonderbaren Erscheinungen, die man dort bemerkt, und der Klagetöne, die man dabei gehört haben wollte.

Indem Ichabod sich diesem furchtbaren Baume näherte, fing er an zu pfeifen; er glaubte, dass sein Pfeifen beantwortet würde – allein es war nur ein Windstoß, der scharf durch die trockenen Zweige strich. Als er ein wenig näher kam, glaubte er, etwas Weißes zu erkennen, das in der Mitte des Baumes hing – er hielt an, und hörte auf zu pfeifen; als er aber genauer hinsah, bemerkte er, dass dies ein Fleck war, wo der Baum vom Blitze getroffen worden und das weiße Holz sichtbar war. Plötzlich hörte er ein Stöhnen – seine Zähne klapperten und die Knie schlotterten ihm gegen den Sattel: es war nur das Reiben eines der großen Äste an einen andern, wie sie von dem Sturme bewegt worden. Er kam glücklich bei dem Baum vorüber; doch neue Gefahren lagen vor ihm.

Ungefähr zwei hundert Ellen von dem Baume durchschnitt ein kleiner Bach den Weg, und floss in eine morastische, dicht beholzte Schlucht, welche unter dem Namen Wiley’s Lache bekannt war. Einige rohe Holzblöcke, nebeneinander gelegt, dienten zur Brücke über dieses Wasser. An der Seite der Straße, wo sich der Bach in dem Walde verlor, verbreitete eine Gruppe von Eichen-und Kastanienbäumen, mit wilden Weinstöcken dicht durchflochten, eine höhlenartige Düsterheit darüber. Über diese Brücke hinwegzukommen, war die schwerste Prüfung. Gerade an dieser nämlichen Stelle war der unglückliche André gefangen genommen worden, und unter diesen Kastanienbäumen und Weinreben lagen die handfesten Milizen verborgen, welche ihn überfielen. Man hat dies Wasser von der Zeit an immer als unheimlich angesehen, und schauernd sind die Gefühle des Schulknaben, welcher nach dem Eintritt der Dämmerung allein darüber gehen muss.

Als er sich dem Wasser näherte, fing ihm das Herz mächtig an zu klopfen; er nahm indessen alle seine Entschlossenheit zusammen, gab seinem Pferde ein halbes Dutzend Rippenstöße, und suchte rasch über die Brücke zu kommen; statt aber vorwärts zu gehen, machte das eigensinnige alte Thier eine Seitenbewegung, und rannte gerade gegen die Umzäunung. Ichabod, dessen Furcht mit dem Verzuge wuchs, zog die Zügel nach der andern Seite an und stieß wacker mit dem entgegengesetzten Fuße; es war alles vergebens – sein Ross ging zwar vorwärts, aber nur, um auf die andere Seite des Weges, in ein Dickicht von Brombeeren und Erlengestrüpp hineinzulaufen. Der Schulmeister bearbeitete nun mit Peitsche und Sporn des alten Gunpowder’s hervorstehende Rippen, welcher schnaubend und schnaufend vorwärts schoss, dicht bei der Brücke aber mit einer solchen Schnelle Halt machte, dass sein Reiter beinahe über seinen Kopf hinweggestürzt wäre. Gerade in diesem Augenblicke vernahmen Ichabod’s feine Ohren ein Getrampel in dem Morast an der Brücke. In dem dunkeln Schatten des Gebüsches, am Ufer des Baches, sah er etwas Gewaltiges, Unförmliches, Schwarzes und Turmhohes. Es rührte sich nicht, sondern schien in dem Dunkel zusammengezogen wie ein riesenhaftes Ungeheuer, und im Begriff, sich auf den Reisenden zu stürzen.

Das Haar des erschrockenen Pädagogen sträubte sich vor Furcht auf seinem Kopfe. Was sollte er tun? Umzukehren und zu fliehen war jetzt zu spät; und überdies, welche Möglichkeit gab es, einem Geiste oder Kobold, wenn dies ein solcher war, zu entgehen, da diesem die Flügel des Windes zu Gebote stunden? Indem er also eine Art Muth zusammenraffte, fragte er stammelnd – »Wer seid Ihr?« Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Frage mit noch bewegterer Stimme. Noch immer gab es keine Antwort. Abermals zerprügelt er des unbeugsamen Gunpowder’s Seiten, und stimmte, indem er die Augen schloss, mit unwillkürlicher Inbrunst eine Psalmmelodie an. In diesem Augenblick setzte sich der dunkele Gegenstand des Schreckens in Bewegung, und stand mit einem Ruck und einem Sprunge plötzlich mitten auf dem Wege. Obgleich die Nacht dunkel und schauerlich war, so ward doch nun die Gestalt des Unbekannten einigermaßen kenntlich. Er schien ein Reiter von gewaltiger Größe, der ein schwarzes Pferd von mächtigen Formen ritt. Er machte keine Bewegung, die auf Belästigung, noch eine solche, die auf Geselligkeit hingedeutet hätte, sondern blieb in einiger Entfernung auf der einen Seite der Straße, an der blinden Seite des alten Gunpowder’s, der jetzt seine Furcht und Störrigkeit abgelegt hatte.

Ichabod, der an diesem fremden mitternächtlichen Gesellschafter keine Freude hatte, und dem das Abenteuer des Brom Bones mit dem galoppierenden Hessen einfiel, trieb jetzt sein Ross an, in der Hoffnung, ihn hinter sich zu lassen. Der Fremde ließ jedoch sein Ross zu gleicher Schnelle an. Ichabod hielt an, ritt Schritt, und dachte nun, hinten zu bleiben – der Andere tat dasselbe. Sein Herz fing an zu verzagen; er suchte seinen Psalmton wieder anzustimmen, allein seine trockene Zunge klebte ihm am Gaumen, und er konnte keine einzige Strophe herausbringen. Es lag etwas in dem mürrischen, finstern Stillschweigen seines beharrlichen Gefährten, das geheimnisvoll und niederschlagend war. Die Ursache davon erklärte sich bald auf eine furchtbare Weise. Als Ichabod eine Anhöhe hinaufritt, welche die Gestalt seines Reisegefährten frei zeigte, von riesenhafter Größe und in einen Mantel gehüllt, war er von Entsetzen zerschmettert, denn er sah, dass sie keinen Kopf hatte! – aber sein Entsetzen wuchs, als er bemerkte, dass er den Kopf, der auf den Schultern hätte stehen sollen, vor sich auf dem Sattelknopfe trug. Sein Schrecken stieg zur Verzweiflung; er ließ Püffe und Stöße auf Gunpowder regnen, und hoffte, durch eine plötzliche Bewegung seinem Gefährten den Rang abzugewinnen – aber das Gespenst sprengte so schnell dahin, wie er. Dahin sausten sie denn, durch Dick und Dünn; die Steine stoben und die Funken flogen bei jedem Satze. Ichabod’s leichte Gewänder flatterten in der Luft, indem er in dem Eifer seiner Flucht den langen dünnen Leib vorwärts über des Pferdes Kopf dahinstreckte.

Sie hatten nun den Weg erreicht, welcher abwärts nach der schläfrigen Schlucht führt; aber Gunpowder, der von einem Dämon besessen zu sein schien, machte, statt die Straße zu verfolgen, eine entgegengesetzte Wendung, und stürzte links den Hügel hinab. Dieser Weg führt durch eine sandige Schlucht und ist eine Viertelmeile lang von Bäumen beschattet, bis da, wo er über die Geisterbrücke geht, und dann dicht jenseits derselben der grüne Hügel anschwillt, auf welchem die weißgetünchte Kirche steht.

Bis jetzt hatte der Schrecken des Pferdes seinem unkundigen Reiter einen anscheinenden Vorteil bei dem Wettrennen gegeben; aber gerade, als er ungefähr die Mitte der Schlucht erreicht hatte, ließ der Gurt des Sattels nach, und er fühlte diesen unter sich entgleiten. Er ergriff ihn bei dem Knopfe und suchte ihn festzuhalten, aber vergebens; und er hatte gerade nur Zeit genug, den alten Gunpowder um den Hals zu fassen, als der Sattel auf die Erde fiel, und er seinen Verfolger darüber hin traben hörte. Auf einen Augenblick kam die Furcht vor Hans van Ripper’s Zorn über seine Seele, – denn es war dessen Sonntagssattel; allein es war keine Zeit für kleinliche Besorgnisse; der Kobold war ihm hart auf den Fersen, und als ungeschickter Reiter hatte er viel Mühe, sich in dem Sitze zu erhalten; zuweilen glitt er auf der einen Seite, zuweilen auf der andern herab, und öfters prallte er auf den scharfen Rückgrat seines Pferdes mit einer solchen Gewalt, dass er in der Tat fürchtete, mitten voneinander gespalten zu werden.

Eine Öffnung in den Bäumen erfreute ihn jetzt mit der Hoffnung, dass die Kirchenbrücke nicht mehr fern sei. Das zitternde Abbild eines silbernen Sternes in dem Schoß des Baches überzeugte ihn, dass er sich nicht geirrt habe. Er sah die Mauern der Kirche zwischen den Bäumen jenseits hindurch glänzen. Er erinnerte sich des Ortes, wo des Brom Bones geistiger Nebenbuhler verschwunden war. »Wenn ich nur diese Brücke erreichen kann,« dachte Ichabod, »bin ich in Sicherheit.« Gerade da hörte er das schwarze Ross dicht hinter sich keuchen und schnauben; er glaubte sogar seinen heißen Odem zu fühlen. Noch ein krampfhafter Rippenstoß und der alte Gunpowder sprang auf die Brücke; er donnerte über die tönenden Bretter; er erreichte das entgegengesetzte Ufer; und nun warf Ichabod einen Blick hinter sich, um zu sehen, ob sein Verfolger, der Regel nach, in einer Wolke von Feuer und Schwefel verschwinden würde. Gerade jetzt sah er den Kobold sich in den Steigbügeln erheben und eben im Begriffe, ihm seinen Kopf nachzuschleudern. Ichabod suchte der furchtbaren Wurfwaffe auszuweichen, aber umsonst. Sie begegnete mit einem gewaltigen Krache seinem Schädel – er stürzte kopfüber in den Staub, und Gunpowder, das schwarze Ross und der gespenstige Reiter sausten wie ein Wirbelwind vorüber.

Am nächsten Morgen wurde das alte Pferd ohne Sattel, und mit dem Zaume unter den Füßen, ganz ruhig vor seines Herrn Thür im Grase weidend, gefunden. Ichabod erschien nicht beim Frühstück – die Mittagessensstunde kam, aber kein Ichabod. Die Knaben versammelten sich im Schulhause, und schlenderten müßig am Ufer des Baches umher, aber kein Schulmeister war zu sehen. Hans van Ripper begann nun über das Schicksal des armen Ichabod und seines Sattels besorgt zu werden. Man erkundigte sich und kam nach genauer Nachforschung auf seine Spur. An einer Stelle des Weges, welcher nach der Kirche führte, fand man den Sattel in den Kot getreten; die Spuren von Pferdehufen, tief in den Weg eingedrückt, und offenbar wilde Eile bezeichnend, konnte man bis an die Brücke verfolgen, jenseits welcher, am Uferende einer breiten Stelle des Baches, wo das Wasser tief und schwarz war, der Hut des unglücklichen Ichabods, und dicht dabei ein zertrümmerter Kürbis gefunden ward.

Man durchsuchte den Bach, konnte aber den Körper des Schulmeisters nicht auffinden. Hans van Ripper untersuchte, als sein Testamentsvollstrecker, das Bündel, welches alle seine weltlichen Habseligkeiten enthielt. Diese bestanden aus zwei und einem halben Hemde; zwei Halsbinden; einem oder zwei Paar wollenen Strümpfen; einem alten Paar kurzer manchesterner Beinkleider; einem rostigen Rasiermesser; einem Buche mit Psalmmelodien, voll von Ohren; und einer zerbrochenen Thon-Pfeife. Was die Bücher und Möbel im Schulhause betraf, so gehörten sie der Gemeinde, mit Ausnahme von Cotton Mather’s Geschichte der Zauberei, einem Kalender für Neu-England, und einem Buche über Träume und Weissagungen; in welchem letzteren sich ein Bogen Schreibpapier befand, auf welchem mehrere verunglückte Versuche von Versen, zu Ehren der Erbin van Tassel’s, zu lesen waren. Diese Zauberbücher und das poetische Gekritzel übergab Hans van Ripper ungesäumt den Flammen; und da er aus dem sogenannten Lesen und Schreiben nie etwas Gutes hatte entstehen sehen, beschloss er, seine Kinder nicht mehr in die Schule zu senden. Das Geld, welches der Schulmeister besaß, und er hatte seine vierteljährige Besoldung nur erst vor einem oder zwei Tagen empfangen, musste er zur Zeit seines Verschwindens bei sich gehabt haben.

Diese geheimnisvolle Begebenheit gab am folgenden Sonntage in der Kirche zu manchen Vermutungen Anlass. Haufen von müßigen Zuschauern und Klätschern versammelten sich auf dem Kirchhofe, an der Brücke, und an der Stelle, wo man den Hut und den Kürbis gefunden hatte. Die Geschichten von Brouwer, von Bones und einer Anzahl von andern wurden wieder in das Gedächtniss zurückgerufen, und nachdem man sie alle gehörig hin und her überlegt und mit allen Einzelheiten des gegenwärtigen Falls verglichen hatte, schüttelten die Leute ihre Köpfe, und kamen endlich zu dem Schluss, dass Ichabod von dem galoppierenden Hessen hinweg geführt worden sei. Da er ein Junggesell und Niemand etwas schuldig war, so bekümmerte sich keiner mehr um ihn: die Schule wurde in eine andere Gegend der Schlucht verlegt, und ein anderer Pädagoge herrschte an seiner Stelle.

Es ist wahr, ein alter Landmann, der mehrere Jahre nachher nach New-York zum Besuche gereist war, und den man diese Geistergeschichte hatte erzählen hören, brachte die Nachricht nach Hause, Ichabod Crane sei noch am Leben, er habe, teils aus Furcht vor dem Gespenste und vor Hans van Ripper, teils aus Ärger darüber, dass er so plötzlich von der reichen Erbin abgewiesen worden, die Gegend verlassen, sich in einem entfernten Theile des Landes angesiedelt, Schule gehalten, und zu gleicher Zeit die Rechte studiert; sei Advokat, Politiker und Wähler geworden, habe für die Zeitungen geschrieben, und sei endlich zum Richter in dem Zehn-Pfund-Gericht ernannt worden. Auch Brom Bones, der kurz nach seines Nebenbuhlers Verschwinden die blühende Katharina im Triumphe zum Altare führte, sah man immer eine sehr schalkhafte Miene machen, wenn Ichabod’s Geschichte erzählt wurde, und er brach, wenn der Kürbis erwähnt wurde, immer in ein herzliches Gelächter aus; woraus Einige schließen wollten, dass er von der Sache mehr wüsste, als er zu sagen für gut fände.

Die alten Bauernweiber jedoch, welche in diesen Sachen die besten Richterinnen sind, behaupten bis auf diesen Tag, Ichabod sei durch übernatürliche Kräfte verschwunden; und es ist eine Lieblingsgeschichte, welche sehr oft in der Nachbarschaft bei dem Winterabendfeuer erzählt wird. Die Brücke wurde mehr als je zum Gegenstand der abergläubischen Furcht, und dies mag der Grund sein, warum man in neueren Zeiten den Weg verlegt hat, so dass man sich jetzt bei dem Mühlbache vorbei der Kirche nähert. Da das Schulhaus nun verlassen war, zerfiel es bald, und man sagte, der Geist des unglücklichen Pädagogen gehe darin um, und der Pflügerknabe, der am stillen Sommerabende nach Hause schlendert, hat oft geglaubt seine Stimme in der Entfernung zu hören, wie er in der ruhigen Einsamkeit der schläfrigen Schlucht eine trübsinnige Psalmweise absingt.

Echte Schauermärchen der Weltliteratur

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