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Rita d’Aron „Ibex“ – unter dem türkischen Halbmond
ОглавлениеNach einem scheußlich verregneten und kalten Sommer 1984 suchen wir, da wir uns ja schon in einem etwas reiferen Alter befinden, nach etwas Sonne und Wärme. Selbstverständlich kann dieser Hunger nach Sonne und Wärme von meinem Mann, dem passioniertesten Jäger, den ich kenne, nur in Verbindung mit einer Jagd gestillt werden. Kein einziger Steinbock befindet sich bis dato unter unseren Trophäen, daher liegt es doch klar auf der Hand, daß wir nach Kleinasien müssen. Sollen sich doch im Taurus-Gebirge Prachtexemplare des „Ibex“ tummeln. Dazu die Nähe des östlichen warmen Mittelmeeres, antike hellenistische Anlagen, wesentlich besser erhalten als in Griechenland – Herz, was willst du mehr!
Der Flug nach Antalya ist nicht anstrengend, nach etwa drei Stunden werden wir vom Jagdleiter empfangen, der gleich den Aufbruch ins Revier für vier Uhr festlegt. Ich wundere mich ja schon seit Jahrzehnten, warum die Jünger des edlen Weidwerks immer in der Nacht losziehen, kommt man doch nach meinen Erfahrungen erst gegen Mittag oder oft gar erst in der Abend dämmerung zum Schuß. Es liegt wohl daran, daß die Jäger vor lauter Aufregung der zu erwartenden Jagderlebnisse ohnehin nicht schlafen können.
Wie dem auch sei … nach einer Stunde Autofahrt in schwärzester Nacht, durch Nadelwälder bergauf, hört die Straße auf, dafür stehen im Scheinwerferlicht einige Türken da, teils in Uniform, teils in echtem Räuberzivil. Nun erst wird es klar, daß diese Türken ausschließlich türkisch sprechen; wir stehen ziemlich betropetzt herum, weil wir uns überhaupt nicht verständlich machen können; nur eines ist unmißverständlich klar: daß wir uns auf der Jagd nach einem Steinbock befinden. Einer dieser knorrigen Männer hat eine Taschenlampe, hinter der wir ziemlich flotten Schrittes bergauf steigen. Lang hält sich dieses flotte Tempo allerdings nicht, da der Weg doch sehr steil und steinig ist. In der ersten Morgendämmerung dämmert es auch mir, daß wir uns nicht auf einem Weg, sondern höchstens auf einem Wildwechsel, der bei Steinböcken sehr sprunghaft ist, befinden.
Man muß sich zwischen Dornbüschen, Sträuchern, von Fels zu Fels springend und kletternd, fortbewegen. Die Felsen sind durch Witterungseinflüsse scharfkantig korrosiert und vermitteln den Eindruck einer Mondlandschaft. Das Schuhwerk ist hier von vordringlicher Bedeutung. Auf jeden Fall ist eine starkprofilierte Gummisohle nötig. Die Felsen sind steil abfallend, das Geröll rutscht leicht weg, jetzt weiß ich ganz genau, warum diese Böcke Steinböcke heißen. Es wird heller, und kurze Zeit später glühen die bizarren Felsformationen auf. Der Anblick ist unbeschreiblich schön. Nadelgehölze, die unseren Parapluiebäumen in Mödling gleichen, steile Schluchten, durch die man die dahinterliegenden Gipfel sieht.
Wir klettern immer höher. An den gegenüberliegenden Hängen sehen wir kleine Rudel von Steinböcken, die immer wieder im Buschwerk verschwinden, dann wieder auf den Felsen stehen und mit ihren Vorderläufen grazil Äste niederhalten, um zu den frischeren Blättern zu gelangen. Sie bewegen sich sehr langsam, manche stehen minutenlang wie Statuen und äugen talwärts, was bedeutet, daß man besser von oben zum Schuß käme. Ich denke schon an eine leichte Jagd, weil sie sich so ruhig verhalten, bis ich daraufkomme, daß die Distanz etwa fünfhundert Meter beträgt. Da können sie leicht so ruhig stehen! So weit drüber zu halten, ist selbst bei einem sehr guten Schützen ein unsicherer Schuß! Außerdem haben wir bisher nur Böcke mit etwa einem halben Meter Hornlänge ausfindig gemacht, das ist zu wenig, da das Horn erst ab 50 Zentimeter die typisch gebogene Form zeigt.
Es wird merklich heißer, unser Gang wird schleppender, und mein Mann betont immer wieder, daß wir eigentlich über eine unheimlich gute Kondition verfügen – allerdings mit etwas wackeliger Stimme. Wir sind nun sechs Stunden unterwegs, eine Übung, die wir auf Spazierwegen spielend absolvieren, aber hier in freier Wildbahn ist es ganz anders.
Unter einer wunderschönen Föhre lassen wir uns nieder. Die Türken im Türkensitz – wir wissen nicht, wohin mit unseren Beinen. Nicht nur, daß ich die Sitzgewohnheiten der Türken bewundere, auch ihre Eßgewohnheiten erstaunen mich.
Einer zieht etliche, in eine Zeitung gewickelte sorgfältig gefaltene dünne Pergamentbögen aus der Tasche, reißt ein Viertel DIN A4-Format ab und wickelt weißliche Körner hinein. Ich denke mir: wenn der das jetzt anzündet und raucht, bin ich in eine Haschisch-Gesellschaft geraten. Aber er schiebt es in den Mund und kaut. Dann streut er Salz auf den nächstliegenden Stein, schält sorgfältig eine Zwiebel, viertelt einen Paradeiser und lädt mich mit einer Handbewegung freundlich ein, zuzugreifen. Schon aus reiner Höflichkeit tue ich es. Oh, welch ein Genuß!! Der Pergamentbogen war dünn gewalztes Weißbrot, die weißen Körner waren trockener Ziegenkäse, die Zwiebel war mild, der Paradeiser von köstlichem Geschmack! Dazu in Plastikflaschen mitgebrachtes Quellwasser vom Taurus. Diese Kombination war einfach köstlich. Wie überhaupt die türkische Küche das hält, was die griechische verspricht. Nun sehe ich unsere türkischen Gastarbeiter aber in ganz anderem Licht.
Nach einer Stunde Rast wird weitergepirscht. Wir sind nun oben und ziehen den Kamm entlang. Immer wieder können wir Steinböcke sehen, doch viel zu weit und zu jung. Der Abstieg ist für mich sehr beschwerlich, oft fürchte ich abzustürzen, und meine Knie zittern. Aber meine ersten Worte in perfektem Türkisch kann ich schon: Oto nerde? (Wo ist das Auto?) Su nerde? (Wo ist Wasser?)
Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir endlich unten angelangt. Das Auto wartet hier und bringt uns zu einem gepflegten Dinner ins Hotel. Diese Zwölf-Stunden- Pirsch war im großen und ganzen sehr abenteuerlich und imposant – wenn man es durchhält.
Am nächsten Tag wird um drei Uhr früh geweckt. Ich aber verspüre keinerlei Lust, wieder zwölf Stunden als Steinbock-Imitation auf den Felsen herumzuhüpfen. Ich bleibe also provokant liegen und springe lieber, während ich meinen Mann im Gebirge weiß, von den Küstenfelsen ins glasklare und warme Meer. Das ist vielleicht ein Genuß!
Um einundzwanzig Uhr, in völliger Finsternis, kommen die Jäger zurück. Ein Kollege aus Oberösterreich mit einer Trophäe von 61 cm Länge, ein Kollege aus Frankreich mit einer solchen von 150 – combien? – Mais oui, cent cinquante – mais millimetres! (Macht nichts, er hat dafür drei Flaschen Sekt spendiert.)
Mein Mann konnte nichts erlegen, dafür aber kann er kaum mehr gehen. Auch in den nächsten Tagen haben wir kein Weidmannsheil. So kommen wir als „Schneider“ nach Hause.
Die „feinen“ Jäger sollen jetzt bitte nicht weiterlesen!! Kennen Sie übrigens die Steigerung von imposant?
1: im Po Sand …
2: im Hintern Steine …
3: im A … Geröll.
Durch die Jagd im Taurus am eigenen Leibe erfahren.
RITA d’ARON (geb. 1925) war schon als Kind humorvoll, optimistisch, kameradschaftlich – Eigenschaften, die ihr dann später geholfen haben, die schweren Kriegszeiten zu überstehen, ohne ihre positive Lebenseinstellung zu verlieren. Bald nach ihrer Graduierung zum Diplomkaufmann ehelichte sie einen jungen Staatsbeamten. Ihre hausfraulichen Pflichten konnten sie nicht davon abhalten, ihr Studium mit einem Dr. rer. oec. abzuschließen.
Doch dem nicht genug – die junge Doktorin wollte auch noch ein Handwerk erlernen. Da sie aus einer alten Wiener Fleischhauerfamilie stammt, war es ihr Bestreben, Fleischermeisterin zu werden. Selbstredend wurde das Vorhaben auch konsequent durchgeführt.
Trotz aller beruflichen, hausfraulichen und sportlichen Tätigkeiten begleitete sie ihren von der Jagdleidenschaft „geplagten“ Ehemann auf seinen Jagdreisen in alle Welt.