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Esslingen am Neckar

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»Kriegst du jetzt etwa weiche Knie? Wir haben das doch schon tausendmal gemacht«, Teddy sieht mich forschend an.

Ich verziehe das Gesicht, als hätte er grade einen schlechten Witz gemacht. »Quatsch. Drück endlich die Klingel.«

Wir stehen in der Hindenburgstraße, vor der Haustür von Frau Zwickel. Vor zwei Tagen habe ich bei ihr angerufen und die üblichen Worte abgespult: »Hallo, Oma, kennst du mich noch?«

Sie hat sofort angebissen. Offiziell bin ich jetzt also Leila, ihre Enkelin, von der sie seit einer Ewigkeit nichts mehr gehört hat. Sie war wirklich liebenswert am Telefon und hat versprochen, gleich im Anschluss zur Bank zu gehen. »Du kannst dein Studium nicht abbrechen«, hat sie gesagt und dann: »Wie viel Geld brauchst du?«

Selten ist es so leicht gewesen. Selten ist es mir so schwergefallen.

Teddy drückt die Klingel, der Türöffner summt, und wir betreten das dunkle Treppenhaus. Es gibt keinen Fahrstuhl, also gehen wir zu Fuß. Die alte Dame wohnt im dritten Stock und erwartet uns schon in der offenen Wohnungstür. Ich muss schlucken, als ihre Gestalt im Näherkommen Kontur annimmt. Sie wirkt so zerbrechlich in ihrer weißen Bluse und dem karierten, knöchellangen Rock. Bestimmt hat sie sich extra für uns herausgeputzt. Dafür, dass wir sie gleich um ihre Ersparnisse bringen und nie wieder von uns hören lassen.

»Hallo, Oma.« Ich schließe sie in die Arme und atme ihr blumiges Parfüm ein. »Das ist mein Freund Teddy.«

Oma, also Frau Zwickel, schüttelt Teddy die Hand, sieht aber gleich wieder mich an. Sind das etwa Tränen in ihren Augen?

»Ich bin so froh, dass du hier bist, meine Kleine«, wispert sie und nimmt mich an der Hand. »Aber jetzt kommt doch erst mal rein. Ich habe Kuchen gebacken, und der Kaffee ist frisch aufgebrüht.«

Schnaps wäre mir lieber. Und ich bezweifle stark, dass ich auch nur einen Bissen ihres Kuchens herunterbringen werde. Ich weiß nicht, warum ich mich dieses Mal so anstelle. Vielleicht, weil sie mich an meine richtige Oma erinnert? Oma Lisl, die so herrlich mit verstellter Stimme vorlesen konnte. Die mich immer ein bisschen zu fest drückte und mir heimlich Süßigkeiten zuschob? Oma Lisl, die seit vier Jahren tot ist und die sich im Grab umdrehen würde, wenn sie wüsste, was ich hier treibe.

Der flauschige Teppichboden verschluckt unsere Schritte, während wir meiner Pseudooma ins winzige Wohnzimmer folgen. Der Anblick des gedeckten Tisches, der brennenden Kerze und der herzförmigen Servietten auf den Tellern versetzt mir einen Stich. Ich wende den Blick ab und sehe mich im Zimmer um. Die Bilder an den Wänden übergehe ich, das ist Teddys Spezialgebiet. Ich bin nicht gut darin. Zu groß ist die Gefahr, dass sie meinen Blick bemerkt und auf etwas zu sprechen kommt, wozu ich nichts sagen kann. Stattdessen betrachte ich den Nippes im Bücherregal und die Zeitschriften auf dem grauen Sofa.

Frau Zwickel, also Oma Anna, verschwindet durch die offene Küchentür und kommt gleich darauf mit einer Kaffeekanne zurück. In der linken Hand trägt sie einen Kuchenheber. Erst jetzt bemerke ich den goldbraunen Käsekuchen auf dem Tisch. Ich lasse mich kraftlos auf meinen Stuhl sinken und schiele zu Teddy hinüber, der längst sitzt und sich über die Lippen leckt. Mir wäre lieber, wir könnten den Kaffeeklatsch überspringen. Ich will einfach nur die Kohle und dann schnell weg. Aber wenn wir nicht mitspielen, könnte die Oma misstrauisch werden, und dann wäre alles umsonst gewesen.

Sie stellt die Kanne auf den Tisch und steuert auf den freien Platz mir gegenüber zu. Ein Scheppern lässt mich zusammenfahren. Ich schaue auf und sehe, wie sie sich an der Wand abstützt. Ein Bilderrahmen ist von der Kommode zu Boden gefallen. Bevor ich sie warnen kann, tritt sie darauf und erzeugt einen knirschenden Laut. Es dauert einen Moment, bis ich die Bruchstücke des Geschehens in Gedanken zusammengesetzt habe. Sie muss gegen die Kommode gestoßen sein, die zwischen Tisch und Küche steht. Es ist wirklich eng hier, und offensichtlich ist sie nicht mehr so gut auf den Füßen. Ich springe vom Stuhl auf, ignoriere Teddys überraschten Blick.

»Bleib nur, bleib nur«, sagt Oma Anna sogleich und drückt mich sanft zurück. Sie schiebt den Bilderrahmen mit dem Fuß zur Seite. Ich starre auf die Scherben und frage mich, weshalb sie ihn nicht aufhebt.

»Passt auf, dass ihr da nicht hineintretet«, sagt sie in ungebrochener Heiterkeit. »Ich sauge das nachher auf.« Sie setzt sich an ihren Platz und lächelt mich an. Ich lächle verkniffen zurück. Unter dem Tisch spüre ich Teddys schmerzhaften Tritt gegen mein Schienbein. Offensichtlich findet er mich nicht überzeugend genug. Also ziehe ich die Mundwinkel noch ein bisschen höher.

Endlich wendet sie den Blick ab und schiebt den Kuchenheber mit zittrigen Fingern unter eins der perfekt geschnittenen Stücke. Dann greift sie nach meinem Teller und lädt es mir auf. Es wackelt bedenklich hin und her auf seinem Weg zurück zum Platzdeckchen vor mir. Ein köstlicher Duft strömt mir in die Nase.

Nun reicht Teddy ihr seinen Teller. Er sollte sich selbst gegen das Schienbein treten. Das schmierige Lächeln nimmt ihm doch keiner ab.

»Oh«, ruft Oma Anna plötzlich, »ich muss dir was zeigen.«

Ich lasse die Gabel sinken und blicke ihr nach, wie sie gebeugt und mit kleinen Schritten in der Küche verschwindet. Als sie kurz darauf wieder rauskommt, merke ich, wie Teddy sich neben mir verkrampft. Ich schaue an ihrem Arm entlang nach unten und entdecke einen hölzernen Baseballschläger.

»Was hast du vor?«, entfährt es mir, da schwingt sie ihn schon durch die Lüfte. Instinktiv ziehe ich den Kopf ein. Sie lacht nur. Dann lässt sie das Holzstück in meine geöffneten Handflächen rollen, die ich ihr aus Reflex entgegenstrecke. Teddy bläst hörbar einen Schwall Erleichterung aus.

»Weißt du noch?«, fragt sie und sieht mich erwartungsvoll an.

»Ja«, lüge ich lang gezogen. »Ja, natürlich.«

»Mit dem hast du den ganzen Sommer lang gespielt, nachdem ich ihn dir gekauft habe.«

Ich lache ein bisschen zu schrill und wiege den Schläger in meinen Händen. Lasse ihn ein paarmal in die offene Handfläche fallen, was ein klatschendes Geräusch verursacht.

Oma Anna kichert zufrieden und setzt sich wieder hin. Ich schaue zu Teddy hinüber, der sich längst von seinem Schreck erholt hat und gierig seinen Kuchen hinunterschlingt.

Am liebsten würde ich ihm die Gabel aus der Hand schlagen. Aber dann fällt mir wieder ein, weswegen wir hier sind. Mangelnde Tischmanieren sind wohl das kleinste Problem.

»Kaffee?« Oma Anna schaut mich fragend an. Ich nicke und reiche ihr meine Tasse. Sie schenkt auch Teddy ein, dann sich selbst. Normalerweise folgt jetzt der schwerste Teil. Sie wird wissen wollen, was ich die letzten Jahre getrieben habe, wo ich gewesen bin und warum ich mich nicht gemeldet habe.

Und wenn ich nicht aufpasse, mache ich einen Fehler, den Teddy dann irgendwie, auf seine typisch smarte Art, wieder ausbügeln muss. Es wäre nicht das erste Mal. Er ist großartig darin, Leute zu manipulieren.

Aber sie fragt nicht. Kaum habe ich mir ein Stück vom Kuchen in den Mund geschoben, steht sie schon wieder auf.

»Wo hab ich nur meinen Kopf. Ich habe die Milch vergessen.« Abermals wackelt sie im Schneckentempo in die Küche.

Unter meinen Achseln sammelt sich allmählich der Schweiß. Der Kragen meines T-Shirts kommt mir zu eng vor. Warum tue ich mir das eigentlich an?

Weil es gut bezahlt wird, höre ich Teddys Stimme in meinem Kopf. Im Moment bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das noch Grund genug ist.

Als wir angefangen haben und sich die ersten Erfolgserlebnisse einstellten, war ich wie im Rausch. Wir machten nächtelang Party, betranken uns, stopften uns mit Fast Food voll und kauften uns am nächsten Morgen neue Klamotten, weil wir keine Waschmaschine hatten, um die alten zu waschen. Aber diese anfängliche Euphorie will sich immer schwerer einstellen.

Oma Annas Rückkehr setzt meiner düsteren Grübelei ein Ende. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie sich von der Seite nähert und mit dem Milchkännchen auf meine Tasse zusteuert. Dann stolpert sie plötzlich. Ich reiße die Arme hoch, will das Schlimmste verhindern, doch da sehe ich das Milchkännchen schon wie in Zeitlupe durch die Luft fliegen, und kurz darauf ergießt sich sein weißer Inhalt auf mein T-Shirt. Das Kännchen kullert über meine Oberschenkel und fällt unter den Tisch.

Oma Anna schreit entsetzt auf und greift zur Serviette. Im ersten Moment sitze ich völlig perplex da und lasse zu, dass sie wie eine Wilde mit der Serviette über mein Shirt rubbelt. Bilde ich mir das ein oder versucht Teddy gerade zwanghaft, sich das Kichern zu verkneifen?

»Ich Tollpatsch«, ruft Oma Anna. Sie sieht richtig verzweifelt aus. Ich nehme ihr die Serviette aus der Hand, ziehe den nassen Stoff straff und wische selbst zweimal drüber.

»Das tut mir ja so leid.« Oma Anna hält sich die Hände an die Wangen.

Es ist eins meiner Lieblingsshirts. Hellblau, mit abgeschrägten Ärmeln und einem Aufdruck von Bob Marley auf der Brust. Aber seltsamerweise bin ich nicht verärgert.

»Gar nicht schlimm, Oma«, sage ich und tätschele ihr den Arm.

»Besser, wir waschen die Milch gleich raus. Ich leih dir so lang eine von meinen Blusen.«

Jetzt prustet Teddy ungeniert los, und ich stoße ihn an. Er presst sich seine Faust vor den Mund und gluckst weiter.

»Dort kannst du dich umziehen.« Oma Anna deutet mit dem Arm auf eine Tür. Ich stehe auf und finde mich kurz darauf im Badezimmer wieder. Es wirkt wie in einem dieser Ausstellungshäuser. Bis auf den Bademantel, der über dem Wannenrand hängt, deutet nichts darauf hin, dass jemand dieses Zimmer kürzlich genutzt hat. Nichts steht herum. Nicht mal ein Cremedöschen. Alles blitzt und glänzt.

Ich ziehe mir das klebrige T-Shirt über den Kopf und werfe es ins Waschbecken.

Oma Anna kommt herein, scheinbar völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass ich im BH vor ihr stehe, und reicht mir eine geblümte Bluse. Teddy wird vom Stuhl fallen, wenn er mich darin sieht.

Ich ziehe sie über und nehme Oma Annas Parfüm an mir wahr. Sie lässt das Waschbecken volllaufen und knetet mein T-Shirt mehrmals durch. Das Wasser färbt sich milchig. Anschließend wringt sie das Shirt kräftig aus und hängt es über die Stange des Duschvorhangs. Ich werde es nachher nass mitnehmen müssen. Und ihre Bluse wird Oma Anna wohl nie wiedersehen. Genau wie mich.

Gemeinsam kehren wir ins Wohnzimmer zurück. Ich schaue Teddy warnend an, der schon wieder ganz dicke Backen bekommt. Er wendet den Blick ab und beißt sich in die Unterlippe. Ich wünschte, wir könnten einfach verschwinden.

»Wenn ich schon stehe«, sagt Oma Anna da plötzlich, als hätte sie meine Gedanken gelesen, »hol ich dir gleich mal dein Geld.«

Um ein Haar wäre ich zurückgewichen, als sie die Hand hebt und mir liebevoll in die rechte Wange kneift. »Ich kann doch nicht zulassen, dass meine Kleine ihr Studium abbricht.«

»Eine Oma wie dich hätte ich auch gern«, sagt Teddy. Ich fühle mich plötzlich so nass und vollgesogen wie mein T-Shirt, das über der Duschvorhangstange hängt. Ich kriege nicht mal mehr ein Lächeln zustande.

Oma Anna öffnet die Tür zwischen Küche und Badezimmer. Durch den schmalen Spalt erkenne ich die Ecke eines Betts. Gedämpft ist zu hören, wie eine Schublade aufgezogen wird. Teddy stößt mich an und grinst breit. »Bingo«, wispert er.

Ich weiß, ich sollte seine Freude teilen, aber es will mir nicht gelingen. Unruhig trommle ich mit den Fingern auf der Tischdecke herum.

»Wahrscheinlich hat sie jeden Schein an einer anderen Stelle versteckt«, flüstert Teddy und schaut auf die Uhr, als ob er noch einen wichtigen Termin hätte. »Diese alten Leute sind doch immer so übervorsichtig.«

Ich schaue ihn an und ziehe die Brauen zusammen. Merkt er wirklich nicht, was er da sagt?

Endlich öffnet sich die Tür wieder. Oma Anna lächelt selig. Sie legt einen dicken Umschlag neben meinen Teller und lässt ihre Hand kurz darauf ruhen. Ich bin sicher, sie opfert ihre ganzen Ersparnisse für mich.

»Oh«, sagt sie dann, »ich hole noch meine Perlenkette. Die möchte ich dir schenken.«

Sie will sich schon abwenden, da greife ich nach ihrem Arm. »Nicht nötig Oma, wirklich.«

»Aber du wolltest doch schon immer eine echte Perlenkette«, mischt Teddy sich ein. Ein mildes Lächeln umspielt seine Lippen. Sein Blick hingegen trifft mich stechend scharf.

»Ich würde mich wirklich freuen, sie an dir zu sehen«, sagt Oma Anna und verschwindet abermals im Schlafzimmer.

Die arme Frau hat noch nicht ein Stück ihres Kuchens gegessen. Die ganze Zeit ist sie nur hin und her gelaufen. Als sie außer Hörweite ist, schüttle ich Teddys Arm ab, den er mir bedrohlich schwer auf die Schultern gelegt hat.

»Hast du sie noch alle? Wieso lehnst du die Perlen ab?«, blafft er mich an. Jetzt ist ihm all seine gespielte Freundlichkeit aus dem Gesicht gewichen.

Ein lautes Rumpeln lässt uns auffahren. Wir schauen uns an. Teddy scheint zu ahnen, was ich vorhabe, und packt meine Hand, aber ich winde mich aus seiner Umklammerung und laufe auf das Schlafzimmer zu. Beim Aufstoßen der Tür entfährt mir ein Schrei. Oma Anna liegt auf der linken Seite des Bettes am Boden. Überall haben sich schimmernde Perlen in den Teppichboden eingenistet. Die zerrissenen Reste der Kette lugen aus ihrer Faust hervor. Ich gehe auf sie zu und bleibe abrupt stehen, schnappe nach Luft.

Neben Oma Anna, halb unter dem Bett, liegt ein Mann, seine Augen starren leer zur Decke. Der Teppich um seinen Kopf ist rot und verklebt. Teddy kommt neben mir zum Stehen. Wieder packt er meine Hand. Ich weiß nicht, ob er es tut, um mich zu stützen oder sich selbst.

»Scheiße«, spricht er meine Gedanken aus. Sekundenlang stehen wir da und starren die beiden am Boden Liegenden an. Ich kann einfach nicht verstehen, was ich hier sehe. Hatte Oma Anna einen Mann? Und warum hat sie ihn dann nicht erwähnt? Ihn uns nicht vorgestellt? Er ist doch mein Opa.

Also Leilas Opa.

»Jemand muss eingebrochen sein und sie niedergeschlagen haben«, murmele ich und blicke das offene Schlafzimmerfenster an, vor dem sich der Vorhang im leichten Luftzug bauscht.

»Wir sind hier im dritten Stock.«

»Ruf den Notarzt«, übergehe ich Teddys Einwand.

Er wirbelt mich zu sich herum, packt mich an den Ellbogen und sieht mich eindringlich an.

»Wir nehmen jetzt das Geld und verschwinden, hörst du?«

Ich reiße mich los. Genug ist genug. »Du kannst ja verschwinden, wenn du willst. Ich rufe den Notarzt. Wenigstens einmal im Leben will ich das Richtige tun.«

Ein donnernder Knall aus dem Wohnzimmer bringt mich zum Schweigen.

»Polizei«, schreit jemand. »Zeigen Sie mir Ihre Hände.«

Schwarz gekleidete Männer quellen zur Wohnung herein, einer packt mich grob, und ehe ich verstehe, was hier vor sich geht, liege ich am Boden. Teddy schwer keuchend neben mir.

»Ich hab nichts getan«, nuschelt er. Jemand drückt ihm das Gesicht in den Teppich.

Ich bin wie gelähmt, kann nicht mal sauer sein, dass er nur sich selbst verteidigt.

»Gesichert«, höre ich eine tiefe Männerstimme rufen. Dann das Piepen eines Funkgeräts und wieder die Stimme, die nun einen Notarzt anfordert und einen Toten und eine Verletzte meldet, die ansprechbar ist. Ich hebe den Kopf und schaue zu Oma Anna rüber, die nur wenige Meter von mir entfernt auf dem Boden sitzt und sich den Schädel reibt. Tränen laufen ihr über die Wangen.

»Ausrauben wollten sie uns«, schluchzt sie.

Es dauert einen Moment, ehe ich kapiere, dass sie mich und Teddy meint.

»Sie haben meinen Mann niedergeschlagen. Oh, Alfons!« Die Stimme versagt ihr, sie nimmt die Hand ihres Mannes und presst sie sich an die Lippen.

»Die Alte spinnt«, brüllt Teddy, »die hat das inszeniert.«

Oma Annas Blick kreuzt den meinen. Die plötzliche Kälte in ihren Augen nimmt mir den Atem.

Zwei Polizisten hinter uns beginnen leise, über den Tathergang zu spekulieren.

»Typischer Fall von Enkeltrick, um an die Ersparnisse zu kommen«, höre ich einen sagen. »Sieht aus, als hätten sich die alten Herrschaften gewehrt«, mutmaßt der andere.

Ich muss an den kaputten Bilderrahmen denken und die zerrissene Perlenkette. Mir wird schlecht.

»Schätze, die Täter haben die Eheleute dann mit dem Baseballschläger attackiert.«

Himmel, der Baseballschläger. Mit meinen Fingerabdrücken drauf. Ich spüre, wie sich Schweißperlen auf meiner Stirn bilden.

»Und dann haben sie sich darangemacht, die Wohnung auszuräumen. Irgendwie muss Frau Zwickel es geschafft haben, heimlich den Notruf zu wählen«, schließt einer der Polizisten.

Ich will schreien.

Dass es nicht stimmt. Dass es nicht so war. Dass ich Oma Anna niemals etwas Derartiges antun könnte. Aber die Worte schmecken bitter auf meiner Zunge, bevor ich sie aussprechen kann.

»Das Miststück hat uns reingelegt«, zischt Teddy.

Ich kann das Pochen seiner Halsschlagader sehen.

Das kann nicht sein. Nicht diese nette, liebevolle Frau.

Niemals hat sie absichtlich die Kommode gerammt, den Bilderrahmen kaputt getreten oder die Perlenkette zerrissen, um einen Kampf vorzutäuschen. Niemals hat sie geplant, mir Milch über das T-Shirt zu schütten, damit ich ihre Bluse anziehe, mit den seltsamen roten Spritzern drauf, die ich für einen Teil des Blütenmusters gehalten habe.

»Die will uns den Mord an ihrem Alten in die Schuhe schieben«, japst Teddy panisch.

Niemals.

Irgendjemand zieht mich an den Armen hoch, sodass ich auf meinen Unterschenkeln hocke und Oma Anna nicht im Weg bin, die von zwei Männern aus dem Zimmer geleitet wird. Als sie an mir vorbeiläuft, huscht ein verzerrtes Grinsen über ihr Gesicht, und sie zwinkert mir zu.

Schwabens Abgründe

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