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Die »Rückkehr« der 3D-Bilder

Zur Logik und Genealogie des Bildes im 21. Jahrhundert

Thomas Elsaesser

Ein Zug fährt ein

Martin Scorseses Hugo spielt im Pariser Bahnhof Montparnasse: kein schlechter Handlungsort, wenn man bedenkt, dass es sich um den Traum eines Jungen über den Ursprung des Kinos handelt – noch einmal erfunden, jetzt in 3D. Auch wenn der Film vorgibt, die Geschichte von Georges Méliès in der Rolle des Kinoerfinders zu erzählen, bezieht sich einer der narrativen Schlüsselmomente dennoch auf L'Arrivée d'un Train en Gare de La Ciotat der Brüder Lumière. In der Szene erhält der Zauberkünstler Méliès von eben jenen Brüdern Lumière unerlässliches Filmequipment und –wissen. In der Anspielung findet sich eine weitere versteckt: Hugo wird in einem seiner Albträume beinahe von einem in den Bahnhof Montparnasse einfahrenden Zug überrollt, eine Szene die gegen Ende des Films »Wirklichkeit« wird. Allerdings wird Hugo von seinem Peiniger, dem Bahnhofspolizisten, gerettet, was das Happy End einläutet. Für Filmkenner gibt es allerdings noch eine dritte Anspielung in der Anspielung auf Lumières L'Arrivée d'un Train en Gare de La Ciotat. Der Zug, den wir zweimal in den Bahnhof rasen sehen, ist nicht irgendein Zug und auch nicht irgendein beliebiger Zug der zwanziger Jahre. Es ist die digital überarbeitete Version des proleptischen Zuges aus Jean Renoirs La Bête humaine (1938), inklusive Jean Gabins bebrilltem und Ruß geschwärztem Gesicht, das aus der Lokomotive schaut: Scorseses mise-en-abyme der Filmgeschichte in umgekehrter Reihenfolge zeigt uns dieses Zugwrack als dreifachen Verweis in 3D und ist somit eher als zeitliches Anamorph denn als optischer Effekt zu verstehen. Scorsese changiert gekonnt zwischen Hommage an die (französische) Filmkultur und Cinephilie und der etwas fragwürdigen Stilisierung des Genies Méliès als Wegbereiter für Hollywoods »Wiederentdeckung« der dritten Dimension. Der Film macht Scorsese, als angesehenen Verfechter der Filmkonservierung, somit zum legitimen Erbe von Méliès' »verlorenem« Vermächtnis. Er deutet aber auch einen Paradigmenwechsel an, was die Wahrnehmung der 3D-Technologie betrifft: 3D versteht sich heute weniger als Spezialeffekt des filmischen Blicks und eher als eine besondere Art des »mentalen Bilds« (oder, um mit Deleuze zu sprechen, des »Kristallbilds«). Ein solches Verständnis passt zu unserem Zeitalter, in dem die Zeit zu einer Funktion des Raumes geworden ist und für die die Kino- und Fernsehgeschichte vermutlich zur einzigen Geschichte werden wird, aus der sich das affektive Gedächtnis unserer Kultur speisen kann. Welche Züge des Kinos könnten Scorsese zu solchen Vermutungen geführt haben?

Digitale 3D-Technologie – ein erledigter Fall?

Niemandem wird entgangen sein, dass das in den letzten Jahren meistkommentierte Phänomen im Bereich des Mainstreamkinos der Aufwand ist, mit dem die Filmindustrie das digitale 3D-Kino als neue »Attraktion« zu lancieren versucht hat. Künftige Filmhistoriker werden sich an die Filmjahre 2009-2010 als die Zeit der »Rückkehr des Dreidimensionalen« erinnern, die mit der Premiere von James Camerons Avatar am 18. Dezember 2009 ihren Höhepunkt erreichte; einem Film, der mit weltweiten Einnahmen von drei Milliarden Dollar innerhalb von nur sechs Wochen als der größte und schnellste Kassenhit aller Zeiten Geschichte schrieb.

Im Vorfeld und seitdem haben viele die neue Technologie für sich entdeckt: Mainstreamregisseure wie Robert Zemeckis (Beowulf, 2007), Steven Spielberg und Peter Jackson (The Adventures of Tintin, 2011), Studios wie Pixar (Toy Story 3, 2010), Disney (Up, 2009) und Dreamworks (Shrek Forever After, 2010), und neben Scorsese auch andere anerkannte Auteurs wie Tim Burton (Alice in Wonderland, 2009), Michel Gondry (The Green Hornet, 2011), sowie – nicht zu vergessen – europäische Filmgrößen wie Werner Herzog (Cave of Forgotten Dreams, 2011) und Wim Wenders (Pina, 2011). Trotz des Interesses und der Befürwortung in dieser Größenordnung besagt ein zweiter respektierter Konsens, dass der Höhepunkt des 3D bereits überschritten, das Revival ins Stocken geraten ist und dass die 3D-Welle weder ein ästhetischer noch ein wirtschaftlicher Erfolg war. Der angesehene Kritiker Roger Ebert wetterte von Anfang an gegen das 3D-Kino und beschimpfte es als Irrweg, Travestie und Abscheulichkeit:

»3D is a waste of a perfectly good dimension. Hollywood's current crazy stampede toward it is suicidal. It adds nothing essential to the movie-going experience. For some, it is an annoying distraction. For others, it creates nausea and headaches. It is driven largely to sell expensive projection equipment and add a $5 to $7.50 surcharge on already expensive movie tickets. Its image is noticeably darker than standard 2D. It is unsuitable for grown-up films of any seriousness. It limits the freedom of directors to make films as they choose.«1

Während Ebert, unterstützt von keinem Geringeren als Walter Murch,2 den »Fall 3D« bereits für abgeschlossen hält, ist in Kristin Thompsons Blogartikeln (zu finden auf ihrer und David Bordwells Website) mehr als nur ein Hauch Schadenfreude erkennbar. So zitiert sie zum Beispiel folgenden Satz aus der Filmbranche: »it's as if the characters are actually reaching out of the screen … and robbing your wallet«. In zwei aufeinanderfolgenden Einträgen verweist Thompson darüber hinaus auf Zahlen, welche die stark abfallenden Einnahmen an den Kassen der 3D-Kinos belegen sollen.3 Bordwell und Thompson sind nicht die Einzigen, die den großen Medienrummel und die Einnahmen von Avatar für einen Einzelfall hielten.4 So wählte zum Beispiel der britische Kritiker Mark Kermode für seinen Verriss den sarkastischen Titel »Come in Number 3D, your time is up«.5

Diese und viele ähnliche Ansichten stützen eine der gängigsten Erklärungen, warum es überhaupt ein 3D-Revival gab: Wie bei der Einführung des Fernsehens in den fünfziger Jahren sah sich Hollywood einmal mehr durch wachsenden Wettbewerb unter Druck gesetzt, diesmal allerdings durch Internet und dramatische Einbrüche im DVD-Verkauf. Um sich der Onlinepiraterie zu erwehren, den Erlebnischarakter des Kinos aufzuwerten und sich somit von Heimkino, Netflix und iPad zu unterscheiden, musste Hollywood einen neuen Gimmick, einen neuen Spezialeffekt einführen, eine neue Attraktion anbieten. Der neue Gimmick war jedoch tatsächlich ein alter, der sich bereits das erste Mal nicht lange hatte halten können. Da aber Hollywood ein schlechtes Gedächtnis habe und dazu noch keine neuen Ideen, habe man den alten Trick erneut probiert, um erneut damit zu scheitern.

Soweit die landläufige Einschätzung, die durch eine kurze Aufarbeitung des Aufstiegs und Falls des anaglyphen 3D-Kinos von 1952 bis 1954 (dessen »goldene Zeit« also ebenfalls nur zwei Jahre dauerte) untermauert werden kann: Alles begann mit Bwana Devil (1952) und House of Wax (1953) und endete mit The Creature from the Black Lagoon (1954). Jane Russell zu Ehren sollte man auch The French Line (1954) erwähnen, einen Film der bezeugt, dass 3D als Spezialeffekt in den Fünfzigern vor allem darin bestand, dem Zuschauer große, runde oder spitze Objekte entgegen zu schleudern, seien es Pfeile, Schwerter, Felsbrocken oder Busen. Beeinträchtigt durch konkurrierende und inkompatible technische Systeme (anaglyphes und polarisiertes 3D), unbequeme Brillen, eingeschränkte Blickwinkel und angebliche Kopfschmerzen wurden 3D Filme tatsächlich nur zu einer flüchtigen Modeerscheinung Hollywoods. Die eigentlichen Gründe des Scheiterns von 3D in den Fünfzigern sind allerdings sowohl einfacher als auch komplexer als diese Erklärung vermuten lässt. Wie laut Thompson heute wieder der Fall, waren bereits in den Fünfzigern die 2D-Versionen wesentlich einträglicher als ihre Pendants in 3D. Dies lag nicht zuletzt daran, dass viele Kinos nicht auf 3D-Projektion umsteigen wollten, sozusagen dagegen wetteten, und somit zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung beitrugen. Ein Opfer dieser Situation war beispielsweise Alfred Hitchcocks Dial M for Murder (1954). Obgleich in 3D gedreht und beworben, kam der Film nur in 2D ins Kino. Derweil wurden in der Subkultur des Undergroundkinos weiter 3D-Filme produziert, wie z. B. The Stewardesses (Allan Silliphant, 1969), dem in Hinblick auf die Produktionskosten profitabelsten 3D-Film bis zum Erscheinen von Avatar. The Stewardesses und Avatar deuten auf erstaunliche Parallelen zu einem weiteren hocherfolgreichen und ebenfalls wegweisenden Film, Easy Rider (USA 1969, R: Dennis Hopper), der die Teenager, großenteils aufgrund seines Soundtracks, wieder in die Kinos holte. Die Verbindung ist weniger zufällig, als es vielleicht scheinen mag: populäre Musik und 3D hatten ebenfalls, wie noch gezeigt werden wird, ein verspätetes Rendezvous.

Gegen-Narrative / Alternative Ansätze

Wenn man nun die Auffassung Eberts, Kermodes, Thompsons und weiterer Kassandras kurz beiseite lässt, rücken mehrere alternative Ansätze in den Blick, das Phänomen »Rückkehr zum 3D« zu erklären. Vier scheinbar kontraintuitive Behauptungen lassen sich aufstellen:

1  Die kurzfristigen Ziele des D3Ds liegen innerhalb der Filmindustrie. Die längerfristigen transformativen Effekte werden sich aber vor allem auf Kleinbildschirmen, Spielekonsolen und Mobilbildschirmen zeigen, wenn auch die Entwicklung des Fernsehens noch eine Weile in der Schwebe bleiben wird. Des Weiteren ist es für die kurzfristige Industriestrategie der D3D Einführung, sobald sie erfolgt ist, weitgehend irrelevant, ob 3D-Filme auf Großleinwänden eine vergängliche Modeerscheinung, eine Nische oder der große Wurf sein werden.

2  Das wieder auflebende 3D ist als Komplement zu Kinoton und Sound d. h. zu unseren akustischen Repräsentationssystemen zu verstehen. Wir sollten 3D also nicht (nur) als verbessertes, »realistischeres« System der visuellen Darstellung begreifen.

3  Historisch gesehen kann man argumentieren, dass 3D der 2D-Technologie in der mechanischen Bildproduktion vorausging. Noch vor der Einführung des Kinos eroberte die Stereoskopie so unterschiedliche und gleichzeitig verwandte Bereiche wie Entertainment und Militär. Das Kino übernahm daraufhin Aspekte der Stereoästhetik und unterdrückte zugleich das Wissen um deren Popularität.

4  Ästhetisch gesehen ist es das Ziel der D3D-Technologie, in den Filmen selbst eher unsichtbar, d. h. gefühlt und nicht bewusst bemerkt zu werden. In anderen Worten, ein Großteil des von Regisseuren, Designern und 3D-Zeichnern betriebenen Aufwands ist auf die »Naturalisierung« des technologisch produzierten räumlichen Blicks gerichtet, um den Effekt dadurch immer weniger wahrnehmbar zu machen.

Meine Hauptthese geht aus diesen vier Punkten hervor. Sie besagt, dass 3D nur eines der Elemente ist, die unser Bildverständnis neu definieren, dass 3D in diesem Prozess unseren zeitlichen und räumlichen Orientierungssinn verändert und somit unser verkörpertes Verhältnis zu datenintensiven simulierten Umgebungen. Abschließend stelle ich einige Spekulationen darüber an, was solche Veränderungen über die Geschichte des Kinos verraten – und inwiefern dessen Ensemble noch um einige »Akteure« erweitert werden sollte.

Wag the Dog: Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

Trifft Behauptung eins zu, so ist D3D für das heutige Hollywood keine Strategie der Schadensbegrenzung (oder zumindest nicht nur): Die gegenwärtige Situation ist kaum vergleichbar mit den fünfziger Jahren, als die Filmindustrie ihr Familienpublikum ans Fernsehen zu verlieren drohte. Heute ist Hollywood in allen Medien und Märkten präsent, offline im physischen Raum, online in virtuellen Räumen, auf dem national-lokalen Markt ebenso wie auf dem international-globalen.6 Die Einführung einer kostspieligen Technologie, die ausschließlich für die Großleinwand gedacht ist, würde für Hollywood bedeuten, sich selbst Konkurrenz zu machen, was natürlich wenig Sinn ergibt. Das WWW per se bedeutet keine Bedrohung für Hollywood, sondern lediglich dessen »Businessmodells«, da viele Inhalte entweder kostenlos oder zu Preisen angeboten werden, die zu niedrig sind, als dass die Urheber Profit machen könnten. Der Grund hierfür liegt darin, dass »Inhalte« im Web Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sind. Die Antwort Hollywoods auf das WWW besteht weniger in 3D denn in Franchisefilmen, Merchandizing und themenbezogener Unterhaltung. Auch Onlinepiraterie und Copyrightschutz sind eher Angelegenheiten, die nach rechtlichen Maßnahmen und internationalen Abkommen verlangen als nach technischen Spielereien oder künstlichen Zugriffsbarrieren, wie z. B. der Verschlüsselung der Inhalte.7

Eines der Hauptprobleme der Filmbranche ist industrieintern und besteht darin, die Kinobetreiber zur Investition in die digitale Projektion zu bewegen.8 3D als neue Attraktion war nicht in erster Linie eine auf den Zuschauer ausgerichtete Maßnahme, sondern hauptsächlich für die Kinobetreiber gedacht: Der Eintrittspreisaufschlag sollte deren Kosten für Digitalprojektoren kompensieren.9 Einmal installiert und über die Spielzeit erfolgreicher 3D-Filme amortisiert, ist es nicht mehr so wichtig, ob 3D-Filme sich als Regelfall durchsetzen oder Nischenprodukte sind, ob sich die Technologie nur für Science-Fiction, Fantasy und Animations-Blockbuster eignet oder auch für herkömmliche Dramen, Thriller, Dokumentarfilme und romantische Komödien.10 Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die digitalen Projektionssysteme, welche die großen Studios den Kinobetreibern aufzwingen wollen, egal ob es sich um Multiplex- oder Programmkinos handelt und ob diese 3D- oder 2D-Filme zeigen. Es geht also um eine weitere Runde im anscheinend endlosen Machtkampf der unterschiedlichen Teilbranchen der Filmindustrie: Die Auseinandersetzungen drehen sich um die Macht, verbindliche Standards setzen zu können, und somit eher beiläufig um 3D und nur nominell um Maßnahmen gegen Produktpiraterie.11

Bereits Ende 2010 berichteten Industrieexperten, dass die Strategie, Kinos mittels 3D zur Investition in Digitalprojektion zu zwingen, weitgehend erfolgreich war. Dies ist der Spielzeit 2009/10 zu verdanken, und insbesondere Filmen wie Up, Coraline, Avatar, Alice in Wonderland sowie Toy Story 3, Shrek, Ice Age und weiteren Disney-Pixar Animationsfilmen.12 Im Gegensatz zu analogem 3D können mit digitaler 3D-Projektionstechnik sowohl 2D- als auch 3D-Filme gezeigt werden (auch wenn die 2D-Projektion durch 3D-Equipment technisch nicht immer ganz reibungslos vonstatten geht).

Mein Argument ist allerdings noch weiter gefasst: Der Medienrummel um 3D auf der Großleinwand hat ähnliche Beweggründe wie jener, mit dem alle neuen Kinofilme lanciert werden: Jede Kinopremiere zielt darauf, kulturelles Kapital zu akkumulieren und Zugang zu den Sekundärmärkten zu sichern, die letztlich entscheiden, ob der Film ein kommerzieller Erfolg wird. In manchen Fällen betragen die Einnahmen an der Kinokasse nur 35% des Gesamtumsatzes eines Films, d. h. des Umsatzes, den ein Film insgesamt über alle Vertriebswege erzielt. Des Weiteren kamen in den letzten zehn Jahren für manche Filme bis zu 70% der Kinoeinnahmen aus Märkten in Übersee.13 Mit anderen Worten, während US-Kinovorführungen ökonomisch gesehen nur eine untergeordnete Rolle für die Hollywood-Unterhaltungsmaschine spielen, hat ein Film ohne solche Kinovorführungen eigentlich weder Präsenz noch Existenz. Das (Miss-) Verhältnis ökonomisch marginal und kulturell zentral macht somit den Kinostart zum treffenden Beispiel für »wag the dog«: wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt, oder – etwas feiner formuliert – für Jacques Derridas Logik des »Supplements«.14

Das Verhältnis zwischen dem Kinostart und der Kette der Sekundärmärkte ist nicht weniger paradox. Angesichts der immer geringeren Aufmerksamkeitsspanne entscheiden die Besucherzahlen am Eröffnungswochenende zusehends über das Schicksal eines Films, sowohl was seinen Erfolg auf dem US-Markt betrifft als auch auf dem internationalen. Die Werbebudgets folgen daher ebenfalls der Logik des Supplements, indem sie immer größere Anteile der Produktionskosten verschlingen. Die extreme Bedeutung, die dem Zeit- und Ortsvorteil der Kinopremiere zugeschrieben wird, kann nicht allein mit Onlinepiraterie erklärt werden. Sie ist Hollywoods Reaktion auf das Geschäftsmodell des Internets, wo DVD–Direktversand und Abonnementdienste wie Netflix oder Redbox Hollywoods ökonomisches Überleben ebenso bedrohen wie illegale Downloads.15

Falls die Filmindustrie also die 3D-Projektion flächendeckend als neuen Industriestandard einführen möchte, benötigen Filme weiterhin die große Leinwand und eine Kinopremiere, um sich zu präsentieren, auch wenn sie für ganz andere Formate bestimmt sind. Angesichts des Potentials von 3D-Bildern wird deren Einsatz sicher bald nicht mehr auf das Multiplexkino beschränkt sein. Auch auf mobilen Geräten, und nicht nur für Spielfilme, sondern auch für andere Arten der Unterhaltung und Information ist der baldige Einsatz von 3D-Bildern denkbar. Dies betrifft vor allem Videospiele, GPS-unterstützte Anwendungen wie zum Beispiel Landkarten (Google Earth und Street View in 3D) und Urlaubsschnappschüsse (Microsofts 3D Photosynth), aber ebenso Bereiche wie Shopping, Tourismus und Amateurvideos. Auch auf Smartphones und Spielekonsolen sind überzeugende 3D-Bilder heutzutage besser darstellbar als man vielleicht erwartet, da räumliche Effekte inzwischen ohne die lästigen Unannehmlichkeiten der 3D-Vorführungen im Kino (Brille, Kopfschmerzen, eingeschränkter Blickwinkel) produziert werden können. Somit stoßen wir auf ein weiteres Paradox: Das 3D-Supplement des Films, von Cinephilen wie Ebert oder Kermode als überflüssig befunden, könnte in vollkommen anderen Wahrnehmungssituationen und Benutzerkontexten sehr nützlich sein.

In Bezug auf die Wiedereinführung von 3D befindet sich das Fernsehen zwischen IMAX-Dome-Leinwand und iPhone-Touchscreen in einer Art Grauzone: Einerseits ist das Fernsehen ein wichtiges Medium zur Verbreitung von Kinofilmen und wird, selbst wenn sich 3D-Filme nur als Nische für den Animations- und Kinderfilm herausstellen, in der Lage sein müssen, solche sogenannten »Premiuminhalte« zu senden. Andererseits wird das Satelliten- und Kabelfernsehen sich neu erfinden müssen, um auf das Internet zu reagieren. Somit werden Verknüpfungen mit Tourismus, Talentshows, Reality-TV sowie Quervernetzungen mit Online-Shopping immer bedeutender werden. Es erstaunt also wenig, dass 3D-Fernseher bereits von globalen Herstellern wie Toshiba, Hitachi, Samsung und LG entwickelt werden.16 Anlass für die Einführung und den Verkauf von neuer Hardware waren – neben Filmen – bisher immer Sportveranstaltungen, große nationale oder internationale Events (Krönungen, königliche Hochzeiten, die Olympischen Spiele) sowie veränderte häusliche Aktivitäten wie zum Beispiel das geteilte Elternglück vor dem heimischen Fernseher oder der private Genuss von Pornographie. Bislang gibt es nur wenige Anzeichen, die belegen, dass solche Anlässe und Faktoren den Konsumenten ebenfalls dazu verleiten werden, seinen HD-Fernseher durch ein 3D-Gerät zu ersetzen. Die Olympischen Spiele 2012 werden weithin als der große »Wendepunkt« angepriesen.17 Bevor 3D sich auch im häuslichen Bereich einen festen Platz erobern kann, werden allerdings noch andere Voraussetzungen zu schaffen sein, wie etwa die Durchsetzung von »Serious Games«, eine stärkere Vernetzung von Fernsehen und Internet sowie die Garantie des brillenfreien TVs. Bis dahin werden vermutlich 3D-Smartphones und Spielekonsolen bereits so alltäglich und wenig bemerkenswert sein, wie es Touchscreens (als deren komplementäre Ergänzung 3D gesehen werden kann) bereits sind.

Der Sound-Revolution auf den Fersen?

Um zur zweiten Behauptung zu kommen: Falls meine Annahme stimmt, dass 3D viel mehr ein Supplement zu Ton und Hören denn zu Bild und Sehen ist, eröffnet sich eine neue Dimension. Ein Großteil der Abneigung gegen 3D seitens der Kritiker (und selbst der Regisseure) speist sich aus der Annahme, dass 3D vorwiegend eine Erweiterung des Visuellen darstelle und uns dem Realismus immer näher bringe. Realismus ist, wohlgemerkt, eine der beständigen (wenn auch fragwürdigen) Teleologien, die die Geschichte des Films und deren Hauptinnovationen (vom Stumm- zum Tonfilm, vom Schwarzweiß- zum Farbbild, von 2D zu 3D) bestimmen. Wie die Forschung über das frühe Kino allerdings gezeigt hat, beruht diese Genealogie auf einem historischen Irrtum, selbst wenn man 3D außen vor lässt, denn mit Ton und Farbe wurde seit den Anfängen des Kinos experimentiert. Der 3D-Film selbst existiert bereits seit 1902, als die Lumière Brüder (und nicht Méliès!) auf der Pariser Weltausstellung 3D-Filme auf eine riesige Leinwand projizierten.

Auch Jeffrey Katzenberg, ehemaliger Produktionsleiter bei Paramount und Disney und gegenwärtig CEO bei DreamWorks Animation, scheint eine ähnlich selektive Auffassung der Filmgeschichte zu teilen. Katzenberg, neben Spielberg und James Cameron einer der Hauptfürsprecher der 3D-Technologie in Hollywood, wurde aufgrund seines missionarischen Eifers bereits zum »Jerry Falwell des 3D«18 erklärt, auch wenn sein Konterfei eher suggeriert, er habe Modell für Shrek gestanden, einem der erfolgreicheren (inzwischen 3D-) Franchises seiner Produktionsfirma. Katzenberg spricht von 3D als der dritten Revolution des Kinos: »There have been two previous revolutions that have occurred in movies. The first one is when they went from silent film to talkies, and the next one happened when they went from black-and-white to colour. Which was 70 years ago. In my opinion, this is the third revolution.«19 Das Erstaunliche an Katzenbergs »Revolution« ist nicht so sehr, dass sie einer viel zu stromlinienförmigen und zweckorientierten Auffassung der Filmgeschichte entspringt. Bemerkenswerter und richtungweisender ist, dass Katzenberg denkt, 3D führe das Bild aus dem, was er die »vinyl phase« nennt, heraus:

»As human beings, we have five senses: touch, taste, smell, hearing and sight. The two senses that filmmakers use to affect an audience are hearing and sight. And if you think about the evolution of sound, [which] in our lifetime, […] has gone from vinyl to an 8-track to a CD to digital. But sight is kind of at vinyl right now. Whatever sight—whether it's in a magazine that you're looking at, or it's on a television set, or on your iPod, or in a movie theatre—we're kind of, at vinyl.«20

Katzenberg scheint praktischerweise Hollywoods 3D-Phase in den Fünfzigern vollkommen vergessen zu haben. Seine Plattenmetapher (und somit seine Analogie zum Ton) zeigt zwei weitere interessante Aspekte auf: Während der letzten 30 Jahre hat sich Hollywoods Filmindustrie in vielerlei Hinsicht revolutioniert, vor allem was die digitalen Produktionsmethoden und das damit verbundene Outsourcing der Filmnachbearbeitung betrifft. Allerdings wurden nur sehr wenige dieser Innovationen industrieller und geschäftlicher Natur vom Durchschnittszuschauer bemerkt, da das Kinoerlebnis selbst weitgehend unverändert blieb: der zweistündige Spielfilm, das erzählerische Format, die Genres-und-Stars-Formel, die wie im Theater angeordneten Sitze, der Projektor im Rücken, die Gewohnheit des »Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino«, Popcorn und Softdrinks.

Was sich allerdings beträchtlich verändert hat und was ebenso oft als Grund der Wiederbelebung der Filmindustrie in den Achtzigern gesehen wird, ist der Filmton. Der »Surround Sound« wurde stark vom Walkman-Erlebnis der Achtziger geprägt und machte, was damals als »persönliches Stereo« bekannt war, zu einem kollektiven, geteilten Erlebnis. Auf einmal gab es eine neue Art der öffentlichen Intimität, vermittelt durch den Klangraum, den wir mit anderen Zuschauern im Dunkeln teilen.21 Dolby (direktionaler Multikanalton) gab dem Kino neue räumliche Tiefen- Dimensionen. Vier wichtige Filme der zweiten Hälfte der Siebziger (Nashville, Jaws, Star Wars und Apocalypse Now) bereiteten – jeder auf seine Art – dem neuen Ton den Weg und definierten das Kinoerlebnis neu. Vertritt Katzenberg also nur, was vielleicht unerwartet, aber dennoch im Nachhinein offensichtlich ist, dass nämlich die visuelle Komponente mittels 3D-Bildern endlich mit dem dreidimensionalen Ton gleichzieht?

Sollte dem so sein, hängt dies mit der sich im Allgemeinen wandelnden Beziehung zwischen »Ton« und »Bild« in unserer Kultur zusammen: Immer mehr definieren Ton und Geräusche öffentliche und private Räume, innere und äußere Welten, Normen und Abweichungen. Spätestens seit die Dolby Geräuschunterdrückungssysteme eingeführt wurden, begann Ton als dreidimensional wahrgenommen zu werden. Auf einmal »füllte« der Ton den Raum wie Wasser ein Glas, ging aber gleichzeitig von unseren Köpfen aus und stattete uns – selbst beim passiven Hören – scheinbar mit aktiver Handlungsmacht aus. Im Kino hat sich die traditionelle Hierarchie zwischen Bild und Ton zu Gunsten des letzteren verschoben. Der Ton dominiert inzwischen das Bild oder ist zumindest das, was den Gegenständen ihre ganz eigene Körperlichkeit und Materialität verleiht. Diese Entwicklung bewegte den Filmtheoretiker Christian Metz von »akustischen Objekten«22 zu sprechen, ein Verständnis, das der mit mehreren Oscars ausgezeichnete Film The Artist (F 2011, R: Michel Hazanavicius) erfolgreich umsetzt. The Artist ist ein »Stummfilm«, in dem der Protagonist sich weigert, sich auf die »Talkies« (Tonfilme) einzulassen. In einem seiner Alpträume erwachen Alltagsgegenstände wie Wassergläser oder Stühle plötzlich zu unheimlichem akustischen Leben, und dies in einer ansonsten lautlosen Welt. Die Rückkehr der 3D-Technologie kann also als Teil einer breiteren Wandlung technisch induzierter Synästhesien und Sinnessubstitutionen gesehen werden, in der der Ton zur »Modalität des Sehens« und das Sehen zum Supplement des Hörens wird, wodurch der monokulare Blick zusehends im Meer des Stereosounds aufgeht.23

Es gibt allerdings noch einen weiteren Aspekt des Tons, der für die Entwicklung hin zum 3D-Bild von Bedeutung ist. Man bedenke, wie rasch – und für die Musikindustrie, wie profitabel – das gesamte überlieferte Archiv der Tonaufnahmen mit der Einführung der CD ins Digitalformat konvertiert wurde und wie bereitwillig die Konsumenten die CD akzeptierten. Angesichts dieser Tatsache fällt es nicht schwer zu verstehen, warum für die Besitzer der Hollywood-Filmbibliotheken die Aussicht, unser Filmerbe ins 3D-Format zu konvertieren, dem Heiligen Gral gleichkommt. Technisch machbar, wenn auch derzeit noch recht teuer, war genau dies (zumindest bis vor kurzem) das erklärte Ziel von Leuten wie James Cameron – nicht zuletzt, da er mehrere der Patente für solche Konvertierungsprozesse besitzt.24 3D könnte den eingebrochenen DVD-Markt wieder ankurbeln, ganz ohne Kinoneufassungen, und gleichzeitig den Konsumenten dazu bewegen, 3D als neue Standardtechnologie für TV- und Laptopbildschirme zu betrachten. Dies würde ihn natürlich dazu bringen die alte Hardware zu ersetzen, zumindest falls die neue Hardware ebenso für den Einsatz von vertrauter wie auch neuer Software geeignet ist. Die Vermarktung von 3D auf der Großleinwand heute wäre somit ein Weg auch durch die Filme von gestern in den Einsatz von 3D auf den Kleinbildschirmen von morgen zu investieren.25

Die vielfältigen Verständnisse der Geschichte des 3D – für eine andere Genealogie des Kinos

Die »Rückkehr« des 3D, um meine Hauptthese zu konkretisieren, ist daher nur eine von mehreren neuen Offensiven, die bestimmen, wie wir uns zukünftig in simultanen Räumen, in multiplen Temporalitäten sowie datenintensiven simulierten Umgebungen verorten, und die somit beeinflussen, wie wir in und mit »Bildern« leben. Um diese These weiter zu untermauern, muss ich im Folgenden einige der alternativen, und deshalb oft übergangenen Interpretationen der Filmgeschichte im Hinblick auf Stereoskopie und 3D-Technologie skizzieren.

Für den Filmhistoriker sind Überlegungen zur Rückkehr des 3D zunächst Anlass für Reflexionen über den Begriff der »Rückkehr« selbst. Bedient man sich hier einer alternativen Genealogie des Kinos, notwendig geworden nicht zuletzt durch Phänomene, die meist dem Übergang vom analogen (Zelluloid-basierten) zum digitalen (post-Zelluloid) Kino zugeordnet werden, dann versteht man 3D am Besten als »nie ganz verschwunden« oder die Wiederkehr des 3D als eine »Rückkehr des Unterdrückten«. Sobald man die Geschichte des 3D nicht nur bis in die Fünfziger (oder Zwanziger, oder in die Zeit der Brüder Lumière um 1900)26 zurückverfolgt, sondern 3D auf noch längere Sicht betrachtet und sich des beachtlichen Einsatzes von stereoskopischen Bildern im 19. Jahrhundert27 erinnert, kommt man auch schnell auf die Phantasmagorien des 18. Jahrhunderts zu sprechen, ebenso auf Panoramabilder, Dioramen und andere räumliche Projektionsmethoden, die seit Jahrhunderten neben den monokularen existiert haben.28 Anstatt von der »Rückkehr« des 3D zu sprechen, wäre es besser, ein weiteres Mal auf die Logik des Supplements zurückzugreifen. Dieser gemäß blieb 3D, aufgrund bestimmter historischer und ideologischer Einflüsse, unsichtbar oder unbemerkt, obgleich 3D sowohl der Photographie als auch dem Bewegtbild immer immanent war. Es lohnt sich, für einen Moment anzunehmen, dass Kino nicht aus einer Serie sich bewegender Einzelbilder besteht, nicht nur eine bildliche Kunstform ist, die auf zweidimensionaler Ebene die Illusion dreidimensionaler Tiefe produziert und durch die rasche Abfolge von solchen Einzelbildern die Illusion von Bewegung erzeugt. Macht man sich von diesen tradierten Vorstellungen einmal frei, so kann das Telos des Kinos recht plausibel in der Eliminierung jeder Art von Rahmen und sonstiger Einschränkungen des Wahrnehmungsfeldes gesehen werden, also in dem Bestreben, sein technisches Gerüst und die damit verbundene Repräsentationsgeometrie selbst abzuschaffen. Ein solcher Ansatz, der bereits in den Fünfzigern in André Bazins ironischem Sinnieren über das Kino (»Kein Kino mehr!«) zu finden ist, wird auch von Akira Lippit vertreten:

»Because the discussions of 3D cinema have often veered toward the history and theory of optics (nineteenth-century explorations of stereopsis, techniques of 3D rendering in film), its relation to genres of excess (horror, soft-porn, exploitation) and its function as a precursor of new media (virtual reality, interactive media), the persistence of 3D cinema as a recurring but wishful dream has been elided. […] The impulse toward stereoscopic cinema is sustained by a fundamental cinematic desire to eliminate the last vestige of the apparatus from the field of representation, the film screen. In this light, stereoscopic cinema can be seen not only as a technological extension of flat cinema, a surplus dimension, but as the dimension of its unconscious. 3D cinema represents the desire to externalize the unconscious of cinema.« 29

Auch wenn man diese erhellende Skizze einer alternativen Teleologie – alternativ, da sie nicht die typische Realismus/Illusion-Dichotomie bemüht – gerne etwas verfeinern möchte, führt Lippit dennoch ein gutes Argument ins Feld. Sein Ansatz wirft die Frage auf, wie es dazu kam, dass der vom Rahmen eingeschränkte Blick das Bild seit dem späten 15. bis Ende des 19. Jahrhunderts dominierte, obgleich andere Systeme sowohl technisch möglich als auch verbreitet waren. Avantgardebewegungen, die dem Monopol des monokularen Paradigmas trotzten, gab es natürlich immer. In der Moderne wurde die perspektivische Darstellung vor allem durch die Malerei in Frage gestellt. Dies geschah zu der Zeit, als Fotografie und Kino erstmals eine gewisse Verbreitung fanden. So malte beispielsweise J.M.W Turner seit 1840 Szenen, die fotographisch nicht darstellbar waren: Bilder ohne fixen Horizont oder Bilder, die einen mobilen Blickwinkel verlangen, wie das gefeierte Rain, Steam, and Speed – The Great Western Railway (1844), das Turner anfertigte, nachdem er seinen Kopf volle neun Minuten aus einem Zugfenster gestreckt hatte. Ähnlich das ebenso bekannte Bild The Slave Ship (1840): Es zwingt den Betrachter in unheilvolle Nähe zu den sterbenden, gefesselten Sklaven, die über Bord geworfen werden und ertrinken, da sich der Schiffsherr Versicherungszahlungen erschleichen möchte.30

Die andere große Herausforderung an die Perspektive bestand natürlich im Kubismus und Futurismus. Diese brachen den homogenen Raum der Renaissancemalerei in Segmente auf, welche die zeitliche Abfolge und die räumlichen Bewegungen des Beobachters repräsentierten. So stand zum Beispiel Eadweard Muybridges Chronofotografie dem Kubismus sehr nahe, wie Marcel Duchamps berühmtes Werk Nude Descending A Staircase (1912) belegt. Die Popularität und Verbreitung der 2D-Fotografie sowie die Vorteile, welche die scheinbar unmittelbare, apparativ nicht gestützte monokulare Bildbetrachtung gegenüber die Stereoskopie genoss, favorisierten allerdings im Kino eine Repräsentationsweise, die zweidimensionale Bilder auf die flache, umrahmte Leinwand projizierte und so die Illusion räumlicher Tiefe auf ähnliche Weise bot wie die Zentralperspektive im piktografischen Raum: ein einziger Fluchtpunkt, Tiefenwirkung, Schatten und gestaffelte Farbschemata, die genau bemessene Gradierung von Größe und Distanz der Objekte sowie Proportionierung des Raums und der menschlichen Gestalten.

Die eben geschilderte Entwicklung des Kinos war allerdings weniger natürlich und unausweichlich, als es in der Retrospektive der Fall zu sein scheint. Wie sorgfältigere filmhistorische Recherchen belegen, konnten Filmemacher in den ersten zehn, fünfzehn Jahre des frühen Kinos auf eine breite Palette von Techniken und Traditionen der bildlichen Raumgestaltung zurückgreifen, und machten von diesen Möglichkeiten auch regen Gebrauch. Dies führte zu Stilen der Mise-en-scène und Räumlichkeitskonzepten, die, aus der Perspektive der Renaissancetechniken betrachtet, abartig, wenn nicht sogar vollkommen ungeeignet erscheinen mussten. Als missglückt wurden sie auch oft beurteilt, bis die vereinten Anstrengungen einer jungen Generation von Filmwissenschaftlern beweisen konnten, dass eine historische Logik die übertriebenen Diagonalen in L'Arrivée d'un Train en Gare de La Ciotat (von den Brüdern Lumière, wie gesagt, 1902 als Stereoversion auf der Pariser Weltausstellung präsentiert) mit Edwin S. Porters Cowboy verbindet, der in The Great Train Robbery (USA 1903) direkt in die Kamera schießt (ein typischer Stereoeffekt).31 Ebenso haben wir gelernt, D.W. Griffiths hochgradig idiosynkratische Inszenierung neu zu lesen, genau wie seine Art, bei leerem Zentrum die Bildränder zu betonen (Musketeers of Pig Alley, USA 1912). Filmwissenschaftler würdigen heutzutage die Trompe-l'Oeil-Effekte in Ferdinand Zeccas The Ingenious Soubrette (USA 1903), G.A. Smiths Grandma's Reading Glasses (GB 1900), Franz Hofers ausgeschnittene Silhouetten in Weihnachtsglocken (D 1914), oder die unmöglichen Räume in James Williamsons The Big Swallow (GB 1901). All diese Effekte wurden vormals als inkohärent, idiosynkratisch oder primitiv verurteilt.32

Solche außergewöhnlichen cinematischen Räume waren Teil der langanhaltenden Konkurrenz zwischen dem stereoskopischen und dem monokularen Blick und somit des Statuswettstreits um Prestige und diskursive Macht zwischen der Populär- und der Elitekultur in den Künsten des 19. Jahrhunderts. Filmwissenschaftler, und vor allem auf den Kinoapparat spezialisierte Historiker, haben oft übersehen, wie verbreitet, vielfältig und beliebt Stereodias seit Mitte des 19. Jahrhunderts tatsächlich waren.33 Es ist erstaunlich, in welchen großen Mengen sie produziert, vertrieben und gesehen wurden: Sie wurden in Schulen eingesetzt, zu Hause mittels tragbarer Stereobetrachter bewundert und als Visitenkarten fürs Geschäft verwendet. Auch in der Öffentlichkeit konnten, zumindest in Europa, dank des weitverbreiteten Kaiser-Panoramas (einer kreisförmigen Betrachtergalerie) bis zu 24 Besucher die gleiche Diashow sehen.34

Eine der bekanntesten und eloquentesten Beschreibungen des Kaiserpanoramas im Berliner Tiergarten stammt von Walter Benjamin. Es findet sowohl in Einbahnstraße als auch in Berliner Kindheit um 1900 Erwähnung:

»Es war ein großer Reiz der Reisebilder, die man im Kaiserpanorama fand, daß gleichviel galt, bei welchem man die Runde anfing. Denn weil die Schauwand mit den Sitzgelegenheiten davor im Kreis verlief, passierte jedes sämtliche Stationen, von denen man durch je ein Fensterpaar in seine schwachgetönte Ferne sah.«35

Seltsamerweise erwähnt Benjamin nicht, dass es sich um stereoskopische Bilder handelte. Dennoch heißt einer der Abschnitte in Einbahnstraße »Stereoskop«. Der Begriff wird hier von Benjamin figurativ verwandt, um Momente der raumzeitlichen Verschiebung in der modernen Stadt zu beschreiben. Dies deutet darauf hin, dass die Praxis fester und unvergessener Teil der damaligen Kultur war, so dass der Apparat selbst als aufschlussreiche Metapher dienen konnte.

Bemerkenswert ist, warum und wie dieses Wissen um die Stereoskopie Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Verbreitung des Kinos unterdrückt wurde, wodurch das Paradigma malerischer Bildproduktion Auftrieb erhielt, die Generierung der Illusion des dreidimensionalen Raums auf 2D-Oberflächen. Zweifellos trug dazu auch das Bedürfnis bei, das Kino respektabel zu machen, indem seine räumlichen Koordinaten dem bürgerlichen Theater und seine gestalterischen Gebräuche der Salonmalerei angepasst wurden.36

Dem gegenüber spielt sicherlich der (nun positiv gewertete) plebejische Aspekt des 3D eine Rolle, warum gerade die anti-bürgerlichen, anti-Kunst Avantgarden, insbesondere der Dadaismus und der Surrealismus, die 3D-Bildgestaltung und ihre Effekte am Leben erhielten und oft weiter ausbauten. Gute Beispiele sind Marcel Duchamps Rotoreliefs, genauso wie sein palindromischer Film Anémic Cinéma (F 1926) oder Small Glass, auch bekannt unter dem Titel »To be Looked at (from the other side of the Glass) with One Eye, Close to, for Almost an Hour« – eine geistreiche Dekonstruktion des monokularen Blicks anhand eines stereoskopischen Okularensembles, dem Duchamp eine zeitliche Dimension hinzufügt.37

Auf ähnliche Weise waren sich die Künstler der sogenannten »Absoluter-Film«-Bewegung, insbesondere Viking Eggeling, Oskar Fischinger und Walter Ruttman, aber auch Man Ray, Francis Picabia und Hans Richter, der visuell-konzeptuellen Möglichkeiten der Simulation von räumlicher Tiefe durch graphische Mittel bewusst.38 Ihre Bemühungen können als Teil der Generalüberholung des Renaissanceparadigmas während der zwanziger Jahre verstanden werden. Sie verdeutlichen den Unwillen der Filmavantgarde, das Kino vollständig den Regeln und der Ideologie der monokularen Zentralperspektive zu unterwerfen.

Ein Zeitsprung in die Sechziger und Siebziger bringt uns zu Andy Warhols Outer and Inner Space (USA 1966), Dan Grahams Time Delay Rooms, Michael Snows Two Sides to Every Story und auch zu Ken Jacobs, seiner Wiederbelebung der stereoskopischen Dias in stroboskopischen Animationsexperimenten wie Capitalism-Slavery, seiner Endeckung von räumlicher Tiefe in sich zersetzenden Farbfotografien (Razzle-Dazzle), seinem Found-Footage Film Disorient Express (USA 1996) oder der Umarbeitung seines berühmten Tom Tom the Piper's Son (1969) in Anaglyph Tom (USA 2008). Alle diese Künstler und Werke bemühen Genealogien des unorthodoxen räumlichen Dispositivs im Bereich des Einzelbildes wie auch des Bewegtbildes, entweder durch Manipulation der visuellen Hinweisreize (depth cues) oder durch Simulation von Multidimensionalität und manchmal durch beides.39

Jacobs Arbeiten sind besonders bemerkenswert, da er die Illusion der räumlichen Tiefe mit Do-it-yourself-Methoden erzeugt wie zum Beispiel durch stroboskopische Effekte, Flimmern, oder die sogenannte Pulfrich-Technik, bei der hellere und dunklere Linsen nacheinander vor dem Auge platziert werden. Nach dem Verlust eines Auges im Ersten Weltkrieg entdeckte Carl Pulfrich, dass die Verzögerung des Lichtflusses in ein einziges Auge mittels getönter Filter ähnliche Effekte erzeugt wie der stereoskopische Blick. Pulfrich machte also – wie Duchamp und ungefähr zur gleichen Zeit – Gebrauch von Verzögerung, d. h. zeitlicher Disparität, indem er Bilder um die vierte Dimension der Zeit anreicherte, welche wiederum von der Wahrnehmung in räumlichen Begriffen rekonstruiert wird, gleich einer Parallaxe horizontaler Disparität.40 Mit der Wiederentdeckung dieser und weiterer anscheinend überholter Basteltechniken zeigte Jacobs, dass Mechanismen der raumzeitlichen Dis- und Reorientierung des Betrachters bisher weder ästhetisch noch politisch ausgereizt waren. So kann man Jacobs als künstlerischen Nachfahren J.M.W. Turners sehen und Verbindungen zwischen Rain, Steam and Speed und Disorient Express oder, besser noch, zwischen The Slave Ship und Capitalism Slavery entdecken.41

Insgesamt orientierte sich die mit 3D experimentierende Filmavantgarde in Nordamerika aufgrund des Einflusses von Duchamps enigmatischem Minimalismus eher an Skulptur und Performancekunst als an der Malerei. So kann bereits ein einzelnes Werk wie etwa Anthony McCalls bekannte Projektorinstallation Line Describing a Cone eine vollständig neue Genealogie eröffnen, die auch für den zeitgenössischen 3D-Mainstream Gültigkeit hat.42 McCalls Verständnis des Kinoapparates aus dem Jahre 1973 wurde damals als materialistische Demystifizierung des trügerischen Mechanismus interpretiert; heute wird das Werk eher für seine poetischen und geheimnisvollen skulpturalen Qualitäten bewundert. Line Describing a Cone verweist via Etienne Robertsons Phantasmagorias und Peppers Ghost auf Athanasius Kirchers Camera Obscura, noch einen jener Apparate die projiziertem Licht Körper und räumliches Volumen verleihen sollten.43

Eine solche alternative Genealogie oder Ahnengeschichte des illegitimen Bruders des monokularen Kinos sieht 3D – wenn auch vom gleichen Vater, der Camera Obscura abstammend – als blutsverwandt mit den Zigeunerschönheiten des Rummelplatzes und der wandernden Laterna Magica. Diese Genealogie verdeutlicht somit den Hauptpunkt meiner dritten kontraintuitiven Behauptung: 3D ging 2D in der mechanischen Bildproduktion voraus, dennoch gewann 2D dank der Überlegenheit der Fotografie und ihres kulturellen Status das Duell um die Vorherrschaft als Standard. Die Wiedereinführung von 3D ist somit nicht nur die zwanghafte Rückkehr der unterdrückten Identität des Kinos, sondern könnte auch das nahende Ende der Vorherrschaft der Fotografie über die Kino-Ontologie bedeuten, und wäre daher fast schon eine Voraussetzung für ein besseres Verständnis der Fragen »Was ist ein Bild?« und »Was ist Kino?« im digitalen Zeitalter. All dies zeigt, dass die Bedeutung von 3D vielleicht weniger darin besteht, der alles entscheidende Faktor für das künftige Schicksal des Kinos zu sein, sondern eher darin, uns ein besseres Verständnis seiner Vergangenheit(en) zu ermöglichen.

Was ist heutzutage ein Bild?

Der Abstecher in die Geschichte des räumlichen Sehens mittels einer alternativen Genealogie des Kinos (einer Genealogie, die dessen digitale Zukunft enthält, da sie bereits Teil seiner Vergangenheit ist) rückt mein viertes Argument ins Blickfeld. Die Behauptung, dass 3D heute sowohl Teil einer allgemeinen Veränderung der Standards unserer Sinneswahrnehmung ist als auch symptomatisch für diesen Wandel, beinhaltet auch ein neues Verständnis der körperlichen Orientierung und der räumlichen Positionsbestimmung. Das Navigieren in simultanen Räumlichkeiten, multiplen Temporalitäten und datenintensiven simulierten und digital augmentierten Umgebungen verlangt vermutlich nach einer Neudefinition der Begriffe des »Sehens«, des »Bildes« (image) und dessen Unterscheidung vom »Abbild« (picture) – ein Unterfangen, das in der Kunstgeschichte, den Medienwissenschaften und der Philosophie bereits intensiv betrieben wird.44 Wittgenstein folgend, fasst der Philosoph Martin Seel zusammen, was unter »Sehen« zu verstehen sei:

»Etwas sehen, etwas als etwas sehen und etwas in etwas sehen sind drei Grundfälle des Sehens; im Bildsehen kommen sie zusammen. – Überschaubare Flächen, die in ihrer Erscheinung etwas zur Erscheinung bringen, verlangen ein komplexes Sehen. […] Der allgemeinste Begriff des Sehens ist der des Etwas-Sehens: Alle Lebewesen, die überhaupt sehen können, können in dieser Weise sehen. Sie sind in der Lage, Objekte und Bewegungen kraft visueller Wahrnehmung auszumachen.

Etwas als etwas zu sehen dagegen ist eine sehr viel speziellere Fähigkeit; in ihr ist die Fähigkeit der begrifflichen Unterscheidung enthalten. Das bloße Sehen von etwas wird zu Sehen, dass es sich so und so verhält, z.B. dass da ein Regenschirm hängt. Im Unterschied zu einem lediglich vernehmenden handelt es sich hier um ein erkennendes Sehen. Um ein Bild zu sehen, müssen wir ein Objekt unter anderen Objekten wahrnehmen können – und wir müssen es als Bild wahrnehmen können. Das Identifizieren und Re-Identifizieren von Gestalten auf Bildern, wie auch viele Tiere es beherrschen, genügt hierzu nicht. Zwar ist das Identifizieren von etwas sowie das weitergehende Identifizieren von etwas als etwas eine notwendige Voraussetzung des Sehens von Bildern, denn zum Erkennen einer bildlichen Darbietung bedarf es der Fähigkeit, das jeweils Dargebotene sehend und diskriminierend zu unterscheiden.«45

Diese Unterscheidungen erhellen den Begriff der »Repräsentation« und sind zum Beispiel hilfreich, um den aus der Filmwissenschaft bekannten, oft etwas vereinfachenden Attacken auf den »Illusionismus« zu begegnen.46 Um die Verbindung zwischen dem Sehen, dem Wahrnehmen, dem Agieren und Interagieren besser verständlich zu machen, hat Gilles Deleuze in seinen wichtigen und vieldiskutierten Werken zwischen »Bewegungs-Bild« und »Zeit-Bild« unterschieden.47 Statt an diese wohlbekannten Debatten anzuknüpfen, sollen hier mittels einiger zwar anekdotischer aber erhellender Beispiele noch zwei wichtige Probleme angeschnitten werden, die unser Verständnis von 3D betreffen. Das erste Problem befasst sich mit unserer Wahrnehmung bewegter Bilder und ihrer internen Organisation, das zweite mit einer möglichen kulturellen Veränderung unserer Reaktionen auf Bilder und deren Verwendung. Im Mai 2009, noch vor der Premiere von Avatar, habe ich im Museum Ludwig in Köln einen Einführungsvortrag für eine anaglyphe 3D-Sondervorführung von Creature from the Black Lagoon (USA 1954, R: Jack Arnold) gehalten. Das Filmmuseum Bonn hatte den Film sowie sein eigenes Personal bereitgestellt. Es dauerte fast einen ganzen Tag, das Projektionsequipment aufzubauen, und angesichts des Veranstaltungsortes wurde die Vorführung zu einer Art Kunstevent oder -installation. Nichtsdestotrotz war das Auditorium dank Handy und Facebook voll von jungen Leuten. Es herrschte eine gespannte Erwartung, wie ich sie seit Star Wars bei keinem zeitgenössischen Film mehr erlebt habe, was unbeabsichtigter Weise bestätigt, dass Retro auch im Kino durchaus wieder in ist.

Auch wenn die meisten Effekte dieses 3D Klassikers unbeholfen erschienen und die netzbehafteten Klauen der »Kreatur« eher einer Harke ähnelten, die sich uns in die Gesichter bohrte, so waren die Unterwasserszenen doch nach all den Jahren noch immer poetisch, packend und faszinierend. Solche Szenen ohne Horizont, durch die Figuren treiben, fliegen, springen und schwimmen, funktionieren wesentlich besser in 3D als Szenen, in denen Menschen zu Fuß gehen oder sich in Schuss- Gegenschuss-Dialogen unterhalten. Dies erklärt, warum Avatar eine so berauschende kinetische und körperliche Erfahrung ist48 und warum Wim Wenders und Werner Herzog gut beraten waren, Tanz und Tänzer (Pina, D 2011) sowie Höhlen und Höhlengemälde (Cave of Forgotten Dreams, F et al. 2011) für ihre ersten ernsthaften Vorstöße in den 3D-Dokumentarfilm zu wählen. Ein Kritiker des Observers findet andere Worte, betont aber ebenfalls das Gefühl des Treibens und Gleitens: »As a spectator, to be positioned by the camera above, beside and amid the dancers of Bausch's Wuppertal troupe is not unlike floating bodiless through more solid phantoms.« In Herzogs Höhlenfilm empfand er, dass »the tremendous sense of movement in these depictions of animals depends on the curvature of the walls of the Chauvet-Pont-d'Arc caves. […] Together, these [two] films suggest that 3D might find its best uses in bringing real rather than imagined things to us.«49

Die »Darstellung nicht von imaginierten, sondern von realen Dingen« stellt einen kontraintuitiven Anspruch an 3D, der die Aufmerksamkeit nicht auf den technologischen und archäologischen Einfluss von 3D lenkt, sondern auf dessen ästhetische und wahrnehmungsbezogene Wirkung. In einer Filmbesprechung von Up – dem Disney-Pixar Animationsfilm, der als Versuchsballon gestartet wurde, um die Autorenkino-Akzeptanz von 3D Filmen in Cannes zu testen – schrieb ein Kritiker: »Man vergisst bald, dass man sich in einem 3-D-Film befindet. … Die neue, sensationelle Technik wird vollkommen in den Erzählfluss eingebunden ...« Diese Entscheidung schien ihm kontraproduktiv:

»Denn eine Sensation – mit der die Industrie natürlich höhere Eintrittspreise durchsetzen will – muss auch als Aufsehen erregend empfunden werden; wenn man ihr ›nur‹ bescheinigt, sie entspreche vollkommen den ›normalen‹ Sehgewohnheiten, verpufft ihr Effekt bald.«50

Darin besteht allerdings genau der Knackpunkt: Man muss 3D nicht als einen Aspekt des Spektakelkinos verstehen, nicht als das, was uns erschreckt und aus der Tiefe des Raums mit Dingen bewirft. Man kann 3D vielmehr als Vorhut eines neuen Kinos der erzählerischen Integration begreifen, das die Geschmeidigkeit, Skalierbarkeit, Fluidität oder »Krümmung« digitaler Bilder in den audiovisuellen Raum einführt. Tut man dies, und sieht 3D als ein Kino, das auf Horizonte und Fluchtpunkte verzichtet, Distanzen nahtlos variiert, die Kamera »entfesselt« und den Zuschauer transportiert, dann sind die ästhetischen Möglichkeiten längst nicht darauf beschränkt, bekannte Märchen nachzuerzählen, die nur für Kinder gemacht sind, die nach Superhelden, Actionspielzeug oder Science-Fiction hungern.

Anders gesagt, die meisten Kritiker, die 3D-Bilder nur im Kontext des Kinospielfilms diskutieren, setzen einen Raum und eine Umgebung voraus, in der der Blick des Betrachters vertikal auf den Bildschirm gerichtet und von einem schwarzen Rahmen beschränkt ist. In dem von mir skizzierten größeren Zusammenhang wird auch diese vertikale, nach vorne orientierte Ausrichtung des Kinos in Frage gestellt. Die Großleinwandaufführung in 3D ist somit nur ein Spezialfall und nicht die Norm im erweiterten Feld der Stereoskopie und des räumlichen Blicks. Ein wesentlich vielfältigeres Aufgebot von Bildflächen ist im Entstehen begriffen oder vorstellbar: Mobil und tragbar, Bildflächen so groß, dass sie das gesamte Blickfeld einnehmen, Bildflächen die uns umgeben und Teil unseres Umfeldes sind, rahmenlose Bildflächen und solche, die auf jeden nur möglichen Raum zugeschnitten sind. Kurzum, 3D kann als symptomatisch für die starke Zunahme von Bildschirmen um uns herum gesehen werden und muss keine bestimmte Sichtweise implizieren und keine bestimmte Art von Bild projizieren, sondern es könnte einen neuen Zuschauer produzieren: Dem idealen, horizontlosen Bild entspräche der ideale Zuschauer – treibend, gleitend, schwebend. Wie bereits der Bezug zu den Phantasmagorien verdeutlicht (und auch das Zitat aus dem Observer), war eine solche raumzeitliche Re- und Dislokalisierung bisher Privileg von Geistern, Wiedergängern und dergleichen virtuellen Erscheinungen aus dem Jenseits. Gute Beispiele von Filmen, in denen Geister die narrative Grundlage für den Einsatz von 3D liefern, finden sich im zeitgenössischen japanischen Kino, allen voran Takeshi Shimizus The Shock Labyrinth 3D (2009). Ein Sonderfall ist der Film Bin Jip (2004) des Koreaners Kim ki-Duk. Obgleich technisch in 2D müssen wir uns hier oft »gekrümmte Räume« und Raumzeitverschiebungen vorstellen, da der Protagonist sich unsichtbar macht, indem er verschiedene para- und pseudostereoskopische Situationen schafft. Dies tut er, als wolle er andeuten, dass die Stereoskopie – Tarnkappenbombern ähnlich, die dem Radar unsichtbar bleiben – den Zuschauer eher mit einer gefühlten, denn mit einer sichtbaren Erscheinung konfrontiert und somit im unbeeinträchtigten Blickfeld Koordinaten der unsichtbaren Präsenz erschafft.51

Veränderungen der raumzeitlichen Wahrnehmung in diesem Sinne benötigen kein 3D-Rendering, selbst wenn sie »imaginierte Dinge« und nicht »reale« darstellen. Roger Ebert macht meines Erachtens in seiner Kritik den Fehler, 3D als erweiterten Realismus im Renaissanceraum zu konzeptualisieren, daher auch der Vorwurf der »Unnatürlichkeit«. Francis Ford Coppola, der sich als einer der Ersten die Räumlichkeit des Tones zunutze gemacht hat, ist bislang nicht von 3D beeindruckt, erinnert aber daran, dass bereits Abel Gance damit experimentierte.52 David Bordwell, ebenfalls eher skeptisch gegenüber 3D, hat in seinem Blog dennoch einige treffende Beobachtungen zum Thema publiziert.53 So erwähnt er zum Beispiel, dass die Animationstechniker in Coraline (USA 2009, R: Henry Selick) 3D-Effekte nicht nutzten, um räumliche Tiefe zu betonen, sondern um Räume zu schaffen, die den Regeln der Perspektive widersprechen, und somit leichte visuelle Anomalien hervorrufen. Mittels künstlicher »Verflachung« des Bildes simulieren sie kognitive Dissonanzen und täuschen die Wahrnehmung, produzieren somit einen Anflug von Klaustrophobie oder Unbehagen, so dass der Zuschauer den Gemütszustand der Protagonistin durch sein körperliches Befinden vermittelt bekommt. Bordwells Kommentare knüpfen an folgende Äußerungen des Regisseurs an:

»I was also looking for what is the difference between the real world and the other world, besides how much depth does it have. […] I had in my mind why don't we just turn up the 3D in the other world, compared with the real world but why don't we in the real world, especially in the interior shots, in the kitchen, the living room, Coraline's Bedroom, why don't we actually build them as if they were flattened, as if they have very little depth. [...] I wanted her life in the real world to feel as if it were claustrophobic, lacking color, a certain sense of loneliness. We did that [...]. We actually built it [the other world] much deeper. And the 3D shows that off.«54

Mit anderen Worten: Regisseure und Drehbuchautoren – in Selicks Fall unterstützt von über 30 Animationstechnikern, digitalen Designern und zweifellos auch Neuropsychologen55 – benutzen den dreidimensionalen Raum nicht so sehr, um uns, den Zuschauern, räumliche Authentizität vorzuspielen. Ganz im Gegenteil, 3D wird eingesetzt, um 2D einen neuen Wert zu geben, entweder um eine Retroästhetik zu erzeugen oder um Effekte aus anderen Systemen der räumlichen Repräsentation zu nutzen, ob sie nun aus Asien stammen (japanische Holzschnitte), aus der Frührenaissance (Fra Angelico), aus der impressionistischen Malerei (Van Gogh)56 oder an die oben angesprochene Frontalität des frühen Kinos erinnern. Letzteres ist der Fall in Tim Burtons Alice in Wonderland (USA 2010) und in Scorseses Hugo, der Darstellungsmodi wiederbelebt, die auf dem Weg zum klassischen Kino mit seiner piktographischen Repräsentation der räumlichen Tiefe unterdrückt oder verworfen wurden.57

Diese Überlegungen führen zu einer bereits angedeuteten, paradoxen Schlussfolgerung: Da das neue 3D keine Rückkehr des »tiefen Raums« im Sinne der sogenannten »Creature Features« der Fünfziger ist, die spitze Objekte in den Kinosaal ragen ließen, wird die Wiederkehr des 3D eher zur Erweiterung der expressiven und konzeptuellen Register des post-euklidischen Raums beitragen. 3D könnte daher unser Wahrnehmungsspektrum erweitern, die emotionale Anteilnahme des Zuschauers verstärken und dazu führen, dass die (ursprünglich als störend empfundenen) Effekte der stereo-optischen visuellen Suggestionen von Raumtiefe stärker mit den monokularen Techniken der Tiefenillusion (Fluchtpunkt, Schattierung, Farbe, Größe) verbunden werden.

Was also bei 3D vermarktet wird, ist nicht ein alter Spezialeffekt als neuer Spezialeffekt, sondern der neue Standard des digitalen Sehens, der einen mehrschichtigen, materiellen, aber auch mobilen und formbaren Raum voraussetzt. Dieser Raum verweist auf ein Spektrum der Stereo-Sinneseindrücke für Auge und Ohr, impliziert aber auch den Nervenkitzel und die Bedrohung des Schwebens und Fallens, der Verirrung und Neuordnung – letztlich all das, was uns aus Blockbusterspektakeln und Animationsfilmen bekannt ist. Als Standard des post-piktographischen räumlichen Sehens und Fühlens des digitalen Zeitalters ist 3D dabei, die Semantik der verkörperten Wahrnehmung zu verändern, so dass der Stereoraum zur ungekennzeichneten Norm und die Mono-Ebene zum Retro-Medium – der »Schallplatte« – werden könnte. Die Stereoskopie würde somit weniger die technische Spezifizität des räumlichen Sehens bezeichnen, sondern viel eher als Metapher oder symbolische Form fungieren, als welche Walter Benjamin sie schon Anfang der dreißiger Jahre begriff. Sie würde dem Überall und Nirgendwo entsprechen, der zum Alltag gewordenen räumlichen Allgegenwärtigkeit. Die Stereoskopie würde somit die Absolutsetzung der Einzelperspektive relativieren, welche die monokulare Perspektive, unsere symbolische Form der letzten fünfhundert Jahre, bedingte.58 Falls eine solche Neuorientierung und Verlagerung sich tatsächlich vollzieht, dann spielt das 3D-Kino dabei eher eine partielle und untergeordnete Rolle. Es ist nur ein Symptom oder Element von vielen. Sollte es allerdings der Logik des Supplements unterliegen, dann wäre seine Rolle trotz seiner Randständigkeit dennoch von äußerst gewichtiger Bedeutung.

Lügen und Handeln: Operative Bilder

Meine zweite Einzelerfahrung, die auf eine kulturelle Veränderung hindeutet, beruht auf einer Begegnung mit einer Siebenjährigen. Ich saß mit Freunden beisammen und zeigte ihnen einige Bilder von uns allen – Bilder, die wir vor vielen Jahren gemacht hatten, und die ich nun digitalisiert und auf meinen Laptop geladen hatte. Eine ihrer Töchter stand neben mir. Anstatt die Fotos zu betrachten und Zeit, Ort oder die abgebildeten Personen zu erfragen, ergriff sie die Maus und fuhr mit dem Cursor über das Bild. Da nichts geschah, verlor sie rasch das Interesse, obwohl es sich um ein Bild handelte, das ihre Eltern zeigte, als sie noch jung waren und sie selbst noch nicht geboren war. Für ihre Generation sind Bilder auf einem Computerbildschirm also nicht etwas, auf das man blickt, sondern etwas, worauf man klickt – in der Erwartung, dass etwas passiert, dass sich etwas bewegt, dass man woanders hingelangt, einen weiteren Bildraum betritt. Die Idee des digitalen Fotos als Fenster auf eine Szene (die man betrachten kann oder deren Zeuge man wird) war für sie durch die Vorstellung vom Bild als Passage oder Portal ersetzt worden, als Schnittstelle, Teil eines fortlaufenden Prozesses – kurzum: als einem Handlungssignal.

Wie würde sich ein solcher Wandel unserer Standarderwartungen auf das Konzept des Bildes auswirken und darauf, was es heißt, mit und durch Bilder zu interagieren, in Bildern zu leben? Sobald man die Rückkehr des 3D in diesem etwas erweiterten Kontext betrachtet und sich nicht länger nur auf Filme und die okulare Wahrnehmung beschränkt, zeichnet sich eine andere, dennoch möglicherweise komplementäre Logik ab. Die verschiedenen bisher skizzierten Historiographien und Genealogien des 3D-Films weisen eine scheinbare nebensächliche, tatsächlich aber sehr bedeutsame Unvollständigkeit auf. So wurde das Ausmaß der Nutzung von 3D-Bildern, sowohl in der Vergangenheit als der Gegenwart, in den Bereichen Wissenschaft, Militär, Sicherheit und Medizin (vor allem Ultraschall) bisher nicht erwähnt. Dies ist ein weites Feld, das bislang nur wenige Historiker und noch weniger Filmhistoriker vermessen haben.59 Sobald man diese vielfältigen und anhaltenden Einsatzweisen von 3D berücksichtigt und als wichtigen Teil der allgemeinen Weiterentwicklung visueller Systeme und räumlicher Projektion betrachtet, wird offensichtlich, dass es nie ein Verschwinden und somit keine »Rückkehr des 3D« gegeben hat. Ganz im Gegenteil, in verschiedenen Variationen war 3D der Basso Continuo, der das Kino während des gesamten 20. Jahrhunderts begleitet hat.60 Es ist also die Wiederkehr des 3D in der kommerziellen Filmproduktion und Massenunterhaltung, die uns dazu bewegt, jener engen Verbindung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, die seit jeher zwischen der Unterhaltungs- und Simulationsindustrie sowie zwischen Aufzeichnungs- und Überwachungsmedien existiert hat. Paul Virilios Logistik der Wahrnehmung hat die vielen Verbindungen zwischen Kino und Krieg herausgearbeitet, Tim Lenoir hat über den von ihm so genannten »Militär-Unterhaltungs-Komplex« geschrieben.61 Solche Studien behaupten, explizit oder implizit, dass die heutigen Bildtechnologien nicht das Sehvermögen ergänzen (sei es bezüglich realer oder imaginärer Bildinhalte), sondern Technologien des Sondierens und der Durchdringung sind. Als »Sehmaschinen« generieren sie Wissen, das wenig mit menschlicher Wahrnehmung oder dem Sehen zu tun hat, demzufolge »Ich sehe« (I see) im Allgemeinen »Ich weiß« (I know) bedeutet. Die neue Technologie ist vielmehr dazu da, Gebiete zu kontrollieren, Räume zu besetzen, Vorgänge zu überwachen und Informationen zu gewinnen, die für aktive Interventionen von Bedeutung sein könnten.62 Einige Arten dieser technischen Bilder könnten Menschen von Nutzen sein, ohne überhaupt für das menschliche Auge gedacht zu sein. Während 3D-Bilder dem menschlichen Auge die Wahrnehmung von tatsächlich nicht vorhandener, räumlicher Tiefe vortäuschen, enthüllen sie den Maschinen Dinge, die von Menschen niemals wahrgenommen werden könnten.63

Ein weiterer Historiker und Theoretiker der digitalen Medien, Lev Manovich, zieht aus diesen Umständen weitreichende Schlüsse. Manovich hat viel über die Notwendigkeit geschrieben, Bildschirme in zwei Gruppen zu unterteilen: solche für Tele-Präsenz (Computermonitore, Videobildschirme) und solche für Tele-Aktion (Radar, Touchscreens, Infrarot, Laser); eine Unterscheidung, die ebenfalls nützlich ist, um zu verdeutlichen, was beim Einsatz von 3D-Bildern im Nichtunterhaltungssektor auf dem Spiel steht. Manovich fordert dazu auf, Bilder nicht nach Wahrheit und Fiktion, realem oder imaginärem Bildinhalt zu unterscheiden, sondern stattdessen zu differenzieren zwischen Simulation (virtueller Handlung) und »Dissimulation« (virtueller Präsenz) oder, wie er schreibt, zwischen »Handeln und Lügen«.64 Wenn eine mögliche Zukunft der Bildgestaltung darin besteht, dass sie Teil des »Kriegs zwischen Überwachung und Tarnung« (Manovich) sein wird, dann steht hinter der »Rückkehr des 3D« in der Unterhaltungsbranche und deren Einsatz in Industrie, Ingenieurswesen, Design und Militär die allgemeine kulturelle Entwicklung weg vom »Sehen« und hin zum »Handeln«. Avatar ist hier ein gutes Beispiel für den Punkt, an dem Simulation und Handlung ununterscheidbar werden.65 Camerons wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Mission auf Pandora gleicht dem heutigen Einsatzspektrum von 3D: »computer game environments • unmanned surveillance and combat vehicles • oil-exploration, land-surveying • weather prediction, conservation, and environmental politics.«66

Ohne diese Anwendungen hier im Detail zu untersuchen, ist offensichtlich, dass der Einsatz von 3D im Nichtunterhaltungssektor eine facettenreiche Kartierung und Aneignung fast jeder Art von Territorium darstellt: über- und unterirdisch werden physikalischer Raum, virtueller Raum und der Weltraum hybridisiert und einander angeglichen, zusammengenäht oder gegeneinander ausgespielt, um dem Sichtbaren »Relief« und »Körper« zu geben und räumlich erfassbar zu machen, was das menschliche Auge überhaupt nicht wahrnimmt. Dies bringt uns über Umwege zurück zu den Anfängen des Kinos, über geringere Umwege allerdings, als es scheinen mag.67

Von besonderem Interesse ist der Name der Software, deren Vielseitigkeit ich eben zitiert habe – »Fledermaus«, was mich unpassender Weise zuerst an die gleichnamige Operette von Johann Strauss (Sohn) erinnert hat. Bei näherer Überlegung erwies sich das Wortspiel allerdings als bedeutsam. Dass die ursprünglich dänische Firma das deutsche Wort »Fledermaus« verwendet, erinnert einmal mehr an die Tatsache, dass 3D-Grafik und Software weniger mit dem Sehen, als mit der sensorischen Erfassung des Raums zu tun haben: Auch Fledermäuse orientieren sich im Raum und bestimmen ihre Flugbahnen nicht mittels des Sehvermögens, sondern durch Hochfrequenz-Ultraschall.68

Das erweiterte Ensemble und dessen Wechselwirkungen

In welchem Ausmaß betreffen stereoskopische und erweiterte 3D-Technologien nicht nur das Sehvermögen sondern jenes Spektrum, in dem sich Sehen, Fühlen, Tasten und Handeln vermischen und hybridisieren? Der Regisseur Harun Farocki befasst sich seit über drei Jahrzehnten mit dem industriellen, wissenschaftlichen, institutionellen und militärischen Einsatz von Bildern, die räumliche Tiefe und Vorgänge auf Distanz simulieren. Ihm zufolge haben sich die Bilder von »betrachtbaren Darstellungen« zu Informationsquellen entwickelt, die gescannt und klassifiziert werden können und benutzbar sind. Titel wie Images of the World and Inscription of War (1989), Eye/Machine (2001-2003), I Thought I was seeing Convicts (2000) oder Deep Play (2008) belegen, dass Farocki Bilder auf der Schwelle von der Betrachtung zur Benutzung dekonstruiert, analysiert und historisch kontextualisiert hat. Diese sogenannten operativen Bilder69 schließen Stereomessbilder der Architektur und Landvermessung des 19. Jahrhunderts ein sowie Fotoaufklärungsflüge der US-Luftwaffe über Auschwitz aus dem Jahre 1944, Überwachungsfilme aus Hochsicherheitsgefängnissen und Supermärkten, Zeit- und Bewegungsstudien in Fabriken und die daten-orientierte Erfassung des WM-Fußballfinales 2008 in Berlin. In vielen dieser Fälle sind die Bilder nicht etwas, das es zu betrachten gilt, in die man sich vertiefen, die man mit Bewunderung oder Desinteresse zur Kenntnis nehmen kann, sondern eine Reihe von Handlungsinstruktionen oder Datensätzen, die in Taten übersetzt werden sollen.

Die kursorische Auseinandersetzung mit Farockis Arbeiten70 führt mich zu einer Zusammenfassung meiner Argumente. Dreidimensionale Bilder (oder die räumliche Wahrnehmung durch technische Mittel) waren unter einer Reihe unterschiedlicher, aber verwandter Gesichtspunkte von Bedeutung und werden es auch weiterhin sein:

Erstens: Das Bedürfnis, dem projizierten Licht eine räumliche Form und Materialität zu verleihen, scheint der flachen Kinoleinwand vorausgegangen zu sein. Letztere war vom gerahmten Bildfeld der Malerei geprägt und entlieh ihr die Simulation von Tiefe durch perspektivische Darstellung und Proportionierung des Bildraums. In gewisser Hinsicht kann man also tatsächlich von einer Art Wiederkehr der 3D-Bilder sprechen: Einer Wiederkehr nämlich, die den unbeweglichen Betrachter vor der starren, rechteckigen Leinwand wieder zum historisch kontingenten Akteur macht. Dies geschieht in einem zwar übergangshaften, aber trotzdem notwendigen Arrangement, also durch einen anhaltenden transformativen Prozess, dessen Gesamtlogik uns derzeit noch zu entgehen scheint, weshalb sein Verlauf weder normativ noch teleologisch klar bestimmt werden kann.

Mein zweiter Punkt betrifft ein erweitertes Verständnis der stereoskopischen Bildgestaltung. Demgemäß symbolisiert 3D paradoxerweise weiterhin die verschiedenen Eigenschaften, Gebrauchsweisen und Oberflächen dessen, was wir immer noch »Bildschirm« nennen, was aber gleichzeitig den waagrechten Horizont und die starre Perspektive abschafft. Somit wird eine Art schwebende Präsenz eingeführt, immateriell, unsichtbar und allgegenwärtig, die eine nicht weniger formalisierte Illusion darstellt als die lineare Monokularperspektive, als diese noch implizit vorgab, die Erde sei flach und der Mensch die einzige vor Gott bedeutende Kreatur. Die Illusion der Ubiquität und Gleichzeitigkeit kompensiert heute die Tatsache, dass wir nicht mehr als ein Staubkorn im Universum sind, verwoben mit Koordinatennetzwerken, an jedem Raumzeitpunkt verfolgbar und überwachbar, und dennoch in einem wellenförmigen, mobilen und variablen »Inneren« schwebend, dem kein »Außen« mehr entspricht, egal wie vernetzt und wuchernd dieses Innere – euphemistisch »online sein« genannt – auch zu sein verspricht.

Mein dritter und letzter Punkt befasst sich mit einigen der erwähnten Haupt-akteure: Hollywood und die Unterhaltungsindustrie, die Avantgarde und Poeten der Obsoleszenz und die militärisch-industriellen Nutzer des visualisiert-virtualisierten Raumes. In jedem der Fälle wurde versucht, die Kernziele dieser Akteure in Form von kontraintuitiven oder alternativen Genealogien herauszuarbeiten. Was Hollywood betrifft, ist D3D kein Spezialeffekt, sondern ein Mittel zur Anpassung und Vereinheitlichung des Projektionsstandards. Die energische Werbekampagne ist keine Panikreaktion, sondern Teil des Versuchs, alle Plattformen und Bildschirme, groß und klein, fixiert und mobil durch einen Standard zu vereinen. 3D ist entgegen allen Erwartungen keine Erweiterung des realistischen Bildraumes, sondern fungiert als Ergänzung zu unseren Klang- und Tonräumen.

Was die verschiedenen Avantgardebewegungen betrifft, so haben diese in der Moderne – von William Turner über den Kubo-Futurismus, Dadaismus und Surrealismus bis hin zu Ken Jacobs und Harun Farocki – die Hegemonie der Renaissanceperspektive kontinuierlich in Frage gestellt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts waren allerdings nicht länger Fotografie und Malerei, sondern Skulptur und Performancekunst die treibenden Kräfte hinter den zeitbezogenen Stereoräumen. Die Poetik der Obsoleszenz wiederum hat verschiedene alternative Genealogien des Kinos am Leben erhalten und sich, die Fotografie übergehend, immer auf die Phantasmagorie rückbezogen. Dadurch verspricht sie dem Kino eine mögliche Zukunft als Kunstinstallation: Digitales 3D-Kino ist Bild als Raum und Raum als Bild.

Jene, die 3D für militärisch-industrielle Zwecke verwenden (wie auch die Generation der Computerspieler), definieren das Bild neu: Es ist nicht länger eine zu betrachtende Darstellung, sondern eine Reihe von Handlungsanweisungen. In diesem Zusammenhang umfasst 3D auch Ton, Sonar, räumliche Datenaufzeichnung sowie die Verwendung des Bewegtbildes als Zeitindex. Der Blick selbst spielt hier gegenüber anderen Informationsquellen nur eine untergeordnete Rolle. Angesichts der Betonung der Kontrolle und Besetzung von bestimmten Gebieten wird 3D integraler Bestandteil des Überwachungsparadigmas, zumindest wenn wir dieses nicht mehr nur als ein Modell des Überwachens, Beweisens und Beobachtens verstehen, sondern als ein Modell des Sondierens und Durchdringens, des Auswertens und Beherrschens.

Überraschenderweise haben also die für die »Rückkehr des 3D« verantwortlichen Akteure, ihren unterschiedlichen Genealogien und Ideologien zum Trotz, viele ähnliche Belange und Ziele. Deren gemeinsamer Nenner scheint die Obsoleszenz der filmbasierten Fotografie und die historische Kontingenz der monokularen räumlichen Projektion zu sein sowie die Rückgewinnung des Stereoraums als vielfach variable, mobile raumzeitliche (Des-) Orientierung. Insgesamt könnte die kulturelle, politische und technologische Bedeutung dieser Re-Orientierung auf eine neue »symbolische Form« hinaus laufen, für die noch keine akzeptierte Terminologie gefunden wurde, da sie sehr unterschiedliche Phänomene und Konzepte umfasst: Überwachung, Allgegenwärtigkeit, Prozess und Entwicklung, relationale Ästhetik, Immanenz und Virtualität. Solange wir uns ausschließlich »innerhalb« der Erscheinungsform dieser neuen symbolischen Form bewegen, ist es nicht leicht, sie als kohärentes Feld zu erfassen. Um allerdings den Grad unseres geheimen Einverständnisses und unserer Beteiligung besser zu verstehen, müssen wir immer die verschiedenen involvierten Akteure berücksichtigen und diese vielleicht auch stärker unter Kontrolle halten. Aus Gewohnheit sehen wir die künstlerische Avantgarde als Gegenpol kommerzieller Verwertung (und somit Feind der Hollywood-Filmindustrie), betrachten wir wissenschaftliche Forschung als objektiv, Technik als instrumentell und den militärisch-industriellen Komplex als unmoralisch. Die »Rückkehr des 3D« zeigt, wie schwierig es ist, solch klare Unterscheidungen aufrecht zu erhalten. Es gilt also kritisch und kreativ über die verschiedenen Verstrickungen nachzudenken, die sowohl oppositionell, interdependent, kooperativ und verschwörerisch zugleich sind. Vielleicht ist die Szene in der Hugo, den Roboter seines Vaters im Arm, vom Bahnhofspolizisten vor dem digital heranbrausenden Zug gerettet wird, deshalb so einprägsam, weil die verschiedenen Handlungselemente auf genau diese unwahrscheinliche und dennoch notwendige Konstellation von antagonistischer Gegenseitigkeit anspielen.

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Filme

Alice in Wonderland (USA 2009, R: Tim Burton)

Anaglyph Tom (USA 2008, R: Ken Jacobs)

Anémic Cinéma (F 1926, R: Marcel Duchamp)

Apocalypse Now (USA 1979, R: Francis Ford Coppola)

Avatar (USA 2009, R: James Cameron)

Beowulf (USA 2009, R: Robert Zemeckis)

Berth Marks (USA 1929, R: Lewis R. Foster)

Bin Jip (KOR 2004, R: Kim ki-Duk)

Bwana Devil (USA 1952, R: Arch Oboler)

Cave of Forgotten Dreams (F et al. 2011, R: Werner Herzog)

Coraline (USA 2009, R: Henry Selick)

Deep Play (D 2008, R: Harun Farocki)

Dial M for Murder (USA 1954, R: Alfred Hitchcock)

Disorient Express (USA 1996, R: Ken Jacobs)

Easy Rider (USA 1969, R: Dennis Hopper)

Eye/Machine (D 2001-2003, R: Harun Farocki)

Grandma's Reading Glasses (GB 1900, R: G.A. Smith)

House of Wax (USA 1953, R: André de Toth)

Hugo (USA 2011, R: Martin Scorsese)

I Thought I was seeing Convicts (D 2000, R: Harun Farocki)

Ice Age: Dawn of the Dinosaurs (USA 2009, R: Carlos Saldanha)

Images of the World and Inscription of War (D 1989, R: Harun Farocki)

Jaws (USA 1975, R: Steven Spielberg)

L'Arrivée d'un Train en Gare de La Ciotat (F 1896, R: Auguste & Louis Lumière)

La Bête humaine (F 1938, R: Jean Renoirs)

Let There Be Whistleblowers (USA 2005, R: Ken Jacobs)

Musketeers of Pig Alley (USA 1912, R: D. W. Griffith)

Nashville (USA 1975, R: Robert Altman)

Ontic Antics Starring Laurel And Hardy; Bye Molly (USA 2005, R: Ken Jacobs)

Outer and Inner Space (USA 1966, R: Andy Warhol)

Pina (D 2011, R: Wim Wenders)

Shrek Forever After (USA 2010, R: Mike Mitchell)

Star Wars (USA 1977, R: George Lucas)

The Adventures of Tintin (USA 2011, R: Steven Spielberg)

The Artist (F 2011, R: Michel Hazanavicius)

The Big Swallow (GB 1901, R: James Williamson)

The Creature from the Black Lagoon (USA 1954, R: Jack Arnold)

The French Line (USA 1954, R: Lloyd Bacon)

The Great Train Robbery (USA 1903, R: Edwin S. Porter)

The Green Hornet (USA 2011, R: Michel Gondry)

The Ingenious Soubrette (USA 1903, R: Ferdinand Zecca)

The Shock Labyrinth (J 2009, R: Takeshi Shimizu)

The Stewardesses (USA 1969, R: Allan Silliphant)

Tom Tom the Piper's Son (USA 1969, R: Ken Jacobs)

Toy Story 3 (USA 2010, R: Lee Unkrich)

Up (USA 2009, R: Peter Docter)

Weihnachtsglocken (D 1914, R: Franz Hofer)

1 Ebert, Roger: »Why I Hate 3-D (And You Should Too)«, in Newsweek vom 10. Mai 2010, http://www.thedailybeast.com/newsweek/2010/04/30/why-i-hate-3-d-and-you-should-too.html.

2 Ebert, Roger: »Why 3D doesn't work and never will. Case closed.« in Chicago Sun-Times vom 23. Januar 2011, http://blogs.suntimes.com/ebert/2011/01/post_4.html

3 »If the more modest goal is the one many Hollywood studios are aiming at, then no, 3D hasn't failed. But as for 3D being the one technology that will ›save‹ the movies from competition from games, iTunes, and TV, I remain skeptical.« Thompson, Kristin: »Has 3D Already Failed?«, http://www.davidbordwell.net/blog/2011/01/20/has-3d-already-failed-the-sequel-part-one-realdlighted/

4 Engber, Daniel: »Is 3-D dead in the water? A box office analysis.«, http://www.slate.com/id/2264927/pagenum/all/-p2

5 BBC Beitrag vom 23. Dezember 2009, http://www.bbc.co.uk/blogs/markkermode/2009/12/come_in_number_3d_your_time_is.html

6 Balio, Tino: »›A Major Presence in All the World Markets‹: The Globalization of Hollywood in the 1990s«, in: Steve Neale/Murray Smith (Hg.), Contemporary Hollywood Cinema, London: Routledge 1998, S. 58-73.

7 Siehe das Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen (oder Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA), gegen dessen Umsetzung weltweit protestiert wurde. Melvin, Don: »Activists Present Anti-ACTA petition to EU«, in: Associated Press vom 28. Februar 2011. http://www.google.com/hostednews/ap/article/ALeqM5goN98YMyvwPqQiW31gBs8U-xnvIg?docId=7afd9eef4f6b44acbb43b1029820bc87

8 »Exhibitors have a low-cost, proven, low-tech approach … and see no urgent need to go digital. […] On the face of it, studios have most to gain: making and distributing fragile prints cost them about $1bn a year in the US alone. On the other hand, updating US cinemas could cost $5 bn. Logic suggests … that studios should come up with the funds. Yet part of the problem is the eternal argument between studios and theatre owners […] over the fair distribution of screen spoils.« Parkes, Christopher: »Science fiction the old-fashioned way«, in: Financial Times vom 18./19. Mai 2002.

9 Ich möchte diesen langwierigen Prozess nicht allzu sehr vereinfachen. Er begann damit, dass sieben große Hollywoodstudios von der Kartellaufsicht die Ausnahmeerlaubnis bekamen, die sogenannte Digital Cinema Initiative (DCI) zu gründen, um einen branchenweiten Standard für Digitalformate zu entwickeln. Eines der Hauptmerkmale des Umstiegs auf Digitalprojektion bestand in der Institution des sogenannten Digital Cinema Package (DCP). Dieses beinhaltet eine Abgabe für Digitalfilme, die Virtual Print Fee (VPF), die den Kinobetreibern Entschädigungen und Subventionen von den Verleihern zusicherte, da letztere die Hauptprofiteure des Umstiegs auf Digitalkopien (d. h. auf Mobilfestplatten gespeicherte Filmdateien) waren. David Bordwell gibt einen detaillierten Überblick über die Vor- und Nachteile des Umstiegs: http://www.davidbordwell.net/blog/2011/12/01/pandoras-digital-box-in-the-multiplex/

10 Anderseits ist es von großer Bedeutung, ob 3D auch für andere dramatische Genres geeignet ist, sobald man die Funktion der Großleinwand als Marketingmedium für Filme auf Kleinbildschirmen berücksichtigt. Vgl. die folgenden Ausführungen im Text.

11 Eine gute Darstellung der früheren Auseinandersetzungen findet sich in Haines, Richard W.: The Moviegoing Experience, 1968-2001, Jefferson, NC: McFarland 2003. Das asymmetrische Kosten-Nutzen Verhältnis zwischen Produktion, Distribution und Kinovorführung (die Distributoren sind bemüht, die Kinos durch Leasingverträge für kostspieliges 4K Equipment zu kontrollieren) stößt insbesondere in Europa auf Ablehnung. Hier sind die Programmkinos darauf angewiesen, Filme in verschiedenen Formaten zu zeigen. Sie benötigen daher eine technische Ausrüstung, die den unterschiedlichen Filmstandards gerecht wird.

12 »There has been a considerable increase in the number of screens with 3D projection systems, from 4,400 in May 2010 to 8,770 in early December. That's out of roughly 38,000. This growth presumably came in response to the huge success of Avatar and Alice in Wonderland. Anne Thompson's ›Year-End Box Office Wrap 2010‹ quotes Don Harris, Paramount's executive vice-president of distribution: ›There are more screens, so a theater can now handle anywhere from two to three 3-D films at one time.‹ By year's end, there were roughly 13,000 3D-equipped screens outside the North American market. The number of 3D films per year has grown from 2 in 2008 to 11 in 2009 to 22 in 2010 to an announced 30+ for this year (2011).« Engber, Daniel: »Is 3-D dead in the water?«

13 Goodale, Gloria: »Hollywood's foreign booty: New ›Pirates‹ film earned over $250 million abroad«, in: Christian Science Monitor vom 23. Mai 2011, http://www.csmonitor.com/USA/Society/2011/0523/Hollywood-s-foreign-booty-New-Pirates-film-earned-over-250-million-abroad

14 Gemäß Derridas »La Structure, le signe et le jeu dans les discours des sciences humaines« (in Derrida, Jacques: L'écriture et la différence, Paris: Editions du Seuil 1967.) fügt das »Supplement« einem bereits Ganzen dennoch etwas hinzu und vervollständigt es. Somit hebt es die Abwesenheit im Begriff der vollständigen Präsenz oder Ganzheit hervor. Ökonomisch gesehen wurde die Großleinwand zum bloßen »Supplement« der Gesamtinstitution, die das Kino verkörpert; ohne dieses »Supplement« würde sie allerdings um dessen Abwesenheit herum zerfallen.

15 »Netflix […] was becoming so powerful that studios worried they were following their music counterparts down an iTunes path. ›One buyer is your biggest nightmare,‹ Mr. Guber said. ›They can hear the rattle of your begging cup a mile away.‹ The New York Times, February 25, 2012. With the collapse of the DVD market, Netflix, iTunes and the iPad tablet are perceived as ›disruptive‹ services and technologies. Throughout 2010 and 2011, analysts tried to assess the ›threat‹ (to Hollywood and cable outlets), while Netflix argued the ›benefits‹ the company provided for the studios«. Siehe »Netflix a Fast-Growing Rival to Hollywood«, in: New York Times vom 24. November 2010 (http://www.nytimes.com/2010/11/25/business/25netflix.html); und »Company defends itself to Hollywood«, Los Angeles Times, 5. April 2011, http://latimesblogs.latimes.com/entertainmentnewsbuzz/2011/04/netflix-fast-growth-contines-in-first-quarter-as-company-defends-itself-to-hollywood.html.

16 Im Internet finden sich reichlich Spekulationen, Tipps und Kaufempfehlungen bezüglich 3D- Fernsehen. Siehe http://www.consumerreports.org/cro/electronics-computers/tvs-services/hdtv/3d-tvs/overview/index.htm und http://www.pcmag.com/article2/0,2817,2365010,00.asp

17 »The 2012 London Olympics is 3D TVs' big opportunity« in: Yahoo News vom 15. Februar 2012. http://news.yahoo.com/2012-london-olympics-3d-tvs-big-opportunity-011206230.html

18 http://digitalcinemablog.blogspot.com/2009/04/jeffrey-katzenberg-jerry-falwell-of-3-d.html

19 http://www.vanityfair.com/online/oscars/2009/03/jeffrey-katzenberg-on-3d-depth-becomes-him

20 Ebd.

21 Die Geschichte des Tons im Kino ist in den letzten Jahrzehnten dank der Arbeit von Rick Altman, Doug Gomery, James Lastra, Michel Chion, Claudia Gorbman, Mary Ann Doane, Kaja Silverman und vielen anderen zum fruchtbaren Forschungsgebiet geworden. Zum Ton und ›New Hollywood‹ siehe Sergi, Gianluca: The Dolby Era: Film Sound in Contemporary Hollywood, Manchester: Manchester University Press 2004.

22 Metz, Christian: »Aural Objects«, Yale French Studies 60, (1980), S. 24-32.

23 Für neue Wege, Ton zu nutzen, um Sehbehinderten zu helfen, siehe zum Beispiel http://www.seeingwithsound.com/. Die Ersetzung eines Sinns durch einen anderen ist ein wichtiges Forschungsgebiet der Neurowissenschaften: Noë, Alva: Action in Perception, Cambridge, MA: The MIT Press 2004.

24 http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-1258336/Titanic-3D-James-Camerons-Avatar-followup-2012.html

25 Cameron bestätigt, dass die 3D-Konversion nicht auf billige Weise durchgeführt werden sollte, und investierte daher fast 20 Millionen. Dollar in die Konvertierung seines Blockbusters Titanic aus dem Jahr 1997, der im April 2012 zum 100. Jahrestag des Untergangs der Titanic in 3D erneut in die Kinos gebracht wurde. Dennoch glaubt auch er, dass es nationale Fernsehprogramme brauchen wird, um 3D zum neuen Standard zu machen. http://hollywoodinhidef.com/2011/09/cameron-tv-will-drive-3d-success/ und http://content.usatoday.com/communities/technologylive/post/2010/03/james-cameron/1 - .T1fGVsyzWUc

26 Die bis dato umfangreichste Geschichte des 3D-Kinos ist Ray Zones Stereoscopic Cinema and the Origins of 3-D Film, 1838-1952, Lexington: University Press of Kentucky 2007.

27 Jonathan Crarys Techniques of the Observer, Cambridge, Mass.: MIT Press 1990. ist noch immer die bekannteste Studie über die Auswirkungen der Stereoskopie auf die Sehtheorien des 19. Jahrhunderts, auf optisches Spielzeug und Bildpraktiken. Crary kann nachweisen, dass die Annahme, eine direkte Entwicklungslinie führe von der Perspektive der Renaissance zu den Prinzipien der Cinematographie, falsch ist.

28 Oettermann, Stephan: Das Panorama, Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt: Syndikat 1980.

29 Akira Mizuta Lippit, »Three Phantasies of Cinema – Reproduction Mimesis Annihilation«, Paragraph, 22:3 (1999), S. 213-227. Lippit beginnt seinen Essay mit einem Paukenschlag: »Among the great expectations of cinema, unfulfilled to the extent it was anticipated, remains the unrealized dream of a viable three-dimensionality. The technical advances that characterized the evolution of cinema during the twentieth century seemed to destine cinema toward a fantastic state of total representation, a phenomenography of life. To accomplish this, cinema needed to surpass, at some moment, the limitations of the basic apparatus – screen and projection – and provide a synthetic experience of the world, not just its reproduction. Cinema would have to move, at the very least, from the confines of two-dimensional representation to the plenitude of three-dimensional space. Stereoscopy came to serve as a focal point for this projection, promising the transformation of flat cinema into a voluminous supercinema, and ultimately a form of anti-cinema. The drive to complete cinema, to perfect its mimetic capacities, suggested the eventual elimination of cinema as such. At the end of the twentieth century […] the medium continues to be haunted by its failure to overcome itself.«

30 Zu J.M.W. Turner siehe: Gage, John: Turner: Rain, Steam and Speed, London: Viking Press 1972 und Finley, Gerald: Angel in the Sun, Turner's Vision of History, Montreal: McGill-Queen's University Press 1999.

31 Für einen generellen Überblick zum Verhältnis von Stereoskopie und frühem Kino siehe Musser, Charles: The Emergence of Cinema, New York: Scribner 1990. Schon 1915 gelang es Edwin S. Porter und William E. Waddelland, bewegte 3D-Bilder vor einem Publikum im Waldorf Astoria Hotel in New York zu projizieren.

32 Zu Franz Hofer siehe Wedel, Michael: »Melodrama and Narrative Space: Franz Hofer«, in: Thomas Elsaesser (Hg.), A Second Life: German Cinema's First Decades, Amsterdam: Amsterdam University Press 1996, S. 123-131. Eine ausführliche Diskussion von The Big Swallow findet sich in Barker, Jennifer M.: The tactile eye: touch and the cinematic experience, Berkeley: University of California Press 2009, S. 158160.

33 Die erfolgreichsten US-Firmen für die Massenproduktion von Stereo-Dias waren Underwood & Underwood, die in den 1890er Jahren mit einer Produktion von bis zu 10 Millionen Bildern jährlich der größte Verlag für Stereobilder der Welt waren, während die Keystone View Company aus Meadville, Pennsylvania, einer der größten Distributoren war, vor allem für Schulen.

34 Lorenz, Dieter: Das Kaiserpanorama. Ein Unternehmen des August Fuhrmann, München: Münchner Stadtmuseum 2010. Siehe auch Duttlinger, Carolin: »Die Ruhe des Blickes: Brod, Kafka, Benjamin and the Kaiserpanorama« in: Christian Emden/David Midgley (Hg.), Science, Technology and the German Cultural Imagination, Oxford: Lang 2005, S. 231–55.

35 Benjamin, Walter: »Kaiserpanorama« in: Berliner Kindheit um 1900 (1932/33). Gesammelte Schriften IV.1, Frankfurt am Main.: Suhrkamp 1980, S. 240.

36 Als welch komplexer Prozess des gegenseitigen Gebens und Nehmens sich dieses Unterfangen entpuppte, zeigt sich in Brewster, Ben/Jacobs, Lea: Theatre to Cinema: Stage Pictorialism and the Early Feature Film, Oxford: Oxford University Press 1997.

37 Zu Marcel Duchamp und stereoskopischem Sehen siehe Roland Shearer, Rhonda et al., »Duchamp's Revolutionary Alternative in the context of competing optical experiments«, Tout-fait 1:3 (2000). Online: http://www.toutfait.com/issues/issue_3/Multimedia/Shearer/Shearer10.html

38 Zu Hans Richter siehe Turvey, Malcolm: »Dada between Heaven and Hell: Abstraction and Universal Language in the Rhythm Films of Hans Richter«, October 105 (2003), S. 13-36.

39 Zu Ken Jacobs' verschiedenen cinematischen, paracinematischen und raum-zeitlichen Dispositiven siehe Pierson, Michele/ James, David E./Arthur, Paul (Hg.), Optic Antics: The Cinema of Ken Jacobs, New York: Oxford University Press 2011.

40 Für eine detaillierte Erklärung des Pulfrich-Effekts siehe http://pulfrich.siuc.edu/

41 Let There Be Whistleblowers (18 Min.) kommentierend, erklärt Jacobs: »The original film, Sarnia Tunnel, 1903, is in the Library of Congress. In 1996 I used it to create the Nervous System performance work, Loco Motion, (25 min). Steve Reich's music brought about an entirely different development.« Bei Ontic Antics Starring Laurel And Hardy; Bye Molly (88 Min.) war es »the 1929 Laurel and Hardy short Berth Marks, filmed twice, with and without sound [that] is our glorious take-off point. In some ways Ontic Antics now goes beyond what had been possible in live performance, especially the new (purely-digital) 3-D coda. The foot-stool that becomes a live puppy, however, is no computer effect but comes from rapid juxtaposition of opposing left-right frames, just as in the live performance. – For the last 15 minutes, Ontic Antics can be visually enhanced by the use of a gray Pulfrich filter in front of one of the viewer's eyes. An inch of plastic absorbing some of the light, it can deepen apparent depth and change direction of movement.«, http://www.expcinema.com/site/index.php?option=com_virtuemart&page=shop.product_details&flypage=shop.flypage&product_id=363

42 Joseph, Branden Wayne/Walley, Jonathan/Eamon, Christopher (Hg.): Anthony McCall: The Solid Light Films and Related Works, Evanston, Illinois: Northwestern University Press 2005. Siehe auch Anthony McCall Five Minutes of Pure Sculpture (Ausstellung im Hamburger Bahnhof Berlin, 20. April – 12. August 2012) http://www.hamburgerbahnhof.de/exhibition.php?id=32936&lang=de

43 An dieser Stelle möchte ich auf die bemerkenswerten Forschungsergebnisse Tom Gunnings zur Geschichte der Phantasmagorien hinweisen, die er in zwei meisterlichen Essays dargestellt hat: »Phantasmagoria and the Manufacturing of Illusions and Wonder: Towards a Cultural Optics of the Cinematic Apparatus«, in: Andre Gaudreault/ Catherine Russell/Pierre Veronneau (Hg.), The Cinema, A New Technology for the 20th Century, Lausanne: Editions Payot 2004, S. 31-44 und »The Long and the Short of it: Centuries of Projecting Shadows from Natural Magic to the Avant-Garde«, in: Stan Douglas/Christopher Eamon (Hg.), The Art of Projection, Ostfildern: Hatje Canz 2009, S. 23-35.

44 Belting, Hans: The End of Art History?, Chicago: University of Chicago Press 1987., Mitchell, W.J.T.: What do Pictures Want, Chicago: University of Chicago Press 2006., Elkins, James: The Object Stares Back: On the Nature of Seeing, New York: Simon & Schuster 1996.

45 Seel, Martin: Ästhetik des Erscheinens, Frankfurt am Main.: Suhrkamp 2003, S. 284-285.

46 Zu den bekanntesten Studien gehören Walton, Kendall: Mimesis as Make-believe, Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1990., Mitchell, W. J. T.: Picture Theory, Chicago und London: University of Chicago Press 1994., Allen, Richard: Projecting Illusion: Film Spectatorship and the Impression of Reality, Cambridge: Cambridge University Press 1997. und Bryson, Norman: Vision and Painting: The Logic of the Gaze, New Haven: Yale University Press 1989.

47 Deleuze, Gilles: Kino 1. Das Bewegungs-Bild, Frankfurt am Main.: Suhrkamp 1989 und äders.: Kino 2. Das Zeit-Bild, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991.

48 Für meine Analyse von Avatar, siehe Elsaesser, Thomas: »Access for All: Avatar« in: New Review of Film and Television Studies, 9:3 (2011), S. 247-264.

49 James, Nick: »Berlin Film Festival – Review« in: The Observer vom 19. Februar 2011. http://www.guardian.co.uk/film/2011/feb/20/berlin-film-festival-review

50 Rodek, Hans-Georg: »›Oben‹ beweist – 3D ist keine Kino-Sensation« in: Die Welt vom 13. Mai 2009, http://www.welt.de/kultur/article3732236/Oben-beweist-3D-ist-keine-Kino-Sensation.html

51 Eine genauere Untersuchung von Bin-Jips »Stereo-Effects« findet sich in Elsaesser, Thomas: »World Cinema: Realism, Evidence, Presence«, in: Lucía Nagib/Cecília Mello (Hg.), Realism and the Audiovisual Media, Basingstoke: Palgrave 2009, S. 319.

52 Francis Ford Coppola: 3D is ›Tiresome‹, http://www.electronichouse.com/article/francis_ford_coppola_3d_is_tiresome/

53 Bordwell, David: »Coraline Cornered«: http://www.davidbordwell.net/blog/2009/02/23/coraline-cornered/

54 Selick, Henry: Audiokommentar, Coraline, 2-disk DVD Collector's Edition, Universal Studios 2009.

55 Randall, Kevin: »Rise of Neurocinema: How Hollywood Studios Harness Your Brainwaves to Win Oscars«, http://www.fastcompany.com/1731055/oscars-avatar-neurocinema-neuromarketing

56 Durch die digitale Anpassung von Kontrast, Farbsaturierung und Fokustiefe transformiert eine Technik namens »Tilt-Shifting« Van Gogh Gemälde in 3D-Simulationen (http://www.artcyclopedia.com/hot/tilt-shift-van-gogh-1.htm).Es gibt sogar eine 3D-Rendering Firma, die sich Van Gogh Imagining nennt (http://vangoghimaging.com/).

57 Kristin Thompson hat eine vorläufige Bestandsaufnahme der Referenzen an das frühe Kino in Hugo erstellt. http://www.davidbordwell.net/blog/2011/12/07/hugo-scorseses-birthday-present-to-georges-melies/

58 Ich beziehe mich auf Erwin Panofskys bahnbrechende Studie »Die Perspektive als symbolische Form«, erstmals veröffentlicht 1927: Panofsky, Erwin: »Die Perspektive als symbolische Form«, in: Vorträge der Bibliothek Warburg, 1924-25, Leipzig, Berlin 1927, S. 258-330. Reprint in: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, Berlin: Volker Spieß 1985, S. 99-167.

59 Unter den Filmhistorikern hat Jacques Deslandes in seinem Werk Histoire comparée du cinema, vol. 1, Tournai: Casterman 1966, das größte Interesse an wissenschaftlichen Filmen gezeigt, während unter den Historikern Michaelis, Anthony: Research Films in Biology, Anthropology, Psychology and Medicine, New York: Academic Press 1955 zu erwähnen ist. Zu den aktuelleren Arbeiten gehören neben Jonathan Crary: Techniques of the Observer (nicht speziell über 3D) Cartwright, Lisa: Screening the Body: Tracing Medicine's Visual Culture, Minneapolis, London: University of Minnesota Press 1995 und Hediger, Vinzenz/Vonderau, Patrick (Hg.): Films that Work, Amsterdam: Amsterdam University Press 2011.

60 Der selbsterklärte weltweite Experte für 3D-Kino Ray Zone erwähnt in seinem schon zitierten Stereoscopic Cinema keine nicht-unterhaltungsbezogenen Verwendungsmöglichkeiten. Dagegen wird die Spitze dieses Eisbergs sichtbar in Titeln wie »War and Depth« von AMREL (die American Reliance Corporation ist spezialisiert auf Computing-Plattformen in den Bereichen Medizin, Energie und Sicherheit) oder der Pressemeldung »Boeing launches compact, energy-efficient 3D imaging camera« http://www.gizmag.com/boeing-3d-imaging-camera/14489

61 Virilio, Paul: War and Cinema: The Logistics of Perception, London: Verso 1997 und Lenoir, Tim: »All but war is simulation: The military–entertainment complex«, Configurations 8, no. 3 (Herbst 2000), S. 289–335.

62 Tim Lenoirs Forschungsgruppe an der Duke University verwendet Simulationsspiele des US-Militärs, um humanitäre Interventionen zu trainieren: http://www.virtualpeace.org/

63 Um 1910 hatten die Brüder Lumière Film und Fotografie aufgegeben und ein großes Labor in Lyon aufgebaut, um Fragen der Physiologie, der Mechanik von Bewegung und Akustik zu untersuchen. Dabei benutzten sie Röntgenstrahlen in Verbindung mit ihrer Bewegtbildkamera als wissenschaftliche Instrumente. Obwohl Auguste medizinische Forschung als wichtiger betrachtete als die Erfindung des Kinematographen, gibt es eine Logik, die ihre Arbeit an der Visualisierung physiologischer Prozesse mit ihrem Interesse an Akustik, Farbfotografie und Stereoskopie verbindet. Siehe Cartwright, Lisa: »›Experiments of Destruction‹: Cinematic Inscriptions of Physiology«, in: Representations 40 (1992), S. 129-152 und Salazard, Bruno et al.: »Auguste and Louis Lumiere, inventors at the service of the suffering«, in: European Journal of Plastic Surgery, 28 (2006), S. 441-447.

64 Manovich, Lev: »To Lie and to Act: Cinema and Telepresence« in: Thomas Elsaesser/Kay Hoffmann (Hg.), Cinema Futures: Cain, Abel or Cable? The Screen Arts in the Digital Age, Amsterdam, Amsterdam University Press 1998, S. 189-99.

65 3D-Bilder gehören zu dieser neuen Art von Bildern: nicht um zu lügen (Illusion), sondern um teilzunehmen (Telepräsenz). Die Abstraktion der einäugigen Projektion – das ›Fenster zur Welt‹, d. h. die Bedeutung des lateinischen Wortes Perspectiva »durchsehen« – wird ersetzt durch eine andere Abstraktion, die des ›Spiels‹: fokussiert auf und definiert durch Aktion. Sowohl ›interaktiv‹ als auch ›immersiv‹ sind hybride Begriffe, welche die neue Definition des Bildes nicht wirklich zutreffend als operativ und instrumentell beschreiben, d. h. als Abfolge von Anweisungen und visuellen Reizen zur Aktion.

66 Zitiert nach der Selbstbeschreibung der von Quality Positioning Services angebotenen 3D-Software »Fledermaus« http://www.qps.nl/display/fledermaus/main;jsessionid=670E5EE11BF1B538EF55267912FF8B11. Eine ähnliche Liste präsentiert eine australische Firma, die stolz fragt: »what can K2Vi do for you?« und antwortet: »Property Development • Resource/Planning Consents • Tourism • Military Applications • Landscape Design • Town Planning • Civil Engineering« http://aamgroup.com/products/k2vi.cfm

67 Die Brüder Lumière betrachteten ihre Forschungen im Bereich der Medizin und der angewandten Wissenschaften immer als wichtiger als ihre Erfindung des Kinematographen. Siehe Cartwright, Lisa: »›Experiments of Destruction‹: Cinematic Inscriptions of Physiology«, in: Representations 40 (1992), S. 129-152, und Salazard, Bruno et al.: »Auguste and Louis Lumière, inventors at the service of the suffering«, in: European Journal of Plastic Surgery, 28 (2006), S. 441-447.

68 Wie schon angedeutet, ist Fledermaus ein interaktives 3D-Visualisierungssystem, das »kommerziellen, akademischen und militärischen Kunden die Kartografierung von Ozeanen ermöglicht, um mit gewaltigen Datenmengen aus verschiedenen Datentypen zu interagieren.« http://hydrochart.dk/ivs_3d.html. 2011 von der niederländischen Softwarefirma QPS (Quality Positioning Services) übernommen, wurde Fledermaus erweitert zu einer »echten 4D Zeit- und Raumumgebung«, wie QPS es nennt; http://www.qps.nl/display/fledermaus/main

69 »Operative Bilder« behandelt Christa Bluemlinger in »Harun Farocki: Critical Strategies«, in: Thomas Elsaesser (Hg.), Harun Farocki: Working on the Sight-Lines, Amsterdam: Amsterdam University Press 2004, S. 318-20.

70 Zu Harun Farocki siehe auch Ehmann, Antje / Eshun, Kodwo (Hg.): Harun Farocki: Against What Against Whom, Köln: Walther König 2010.

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