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ОглавлениеDer Chef der Sicherheitspolizei und des SD | Berlin, den 3. Juli 1941 |
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. | [Stempel: Geheime Reichssache!] |
25 Ausfertigungen, [Zahl fehlt] Ausfertigung
Ereignismeldung UdSSR Nr. 11
I) Politische Übersicht:
a) Im Reich:
Stapo Oppeln berichtet über die Festnahme von 74 ehemaligen polnischen Kommunisten in den Kreisen Warthenau und Blachstädt aus präventivpolizeilichen Gründen. Ebenfalls aus präventivpolizeilichen Gründen hat die Stapoleitstelle Königsberg 12 und die Stapostelle Köln 15 Kommunisten festgenommen. Stapostelle Brünn meldet Verbreitung von kommunistischen Streuzetteln, mit welchen zum Streik und Sabotage aufgefordert wird. Stapostelle Frankfurt/Main berichtet über kommunistische Aufforderungen zum Eisenbahnerstreik (Plakat aus dem Jahre 1922). Stapoleitstelle Wien berichtet über die Verbreitung von Streuzetteln und Flugblättern mit der Aufforderung zur Zersetzung der inneren Front und zu Sabotagehandlungen. „Genossen, die Stunde der Opfer ist gekommen. Für uns gibt es nur mehr eins: kämpfen und siegen! Es lebe die Weltrevolution!“ In Durchführung der Aktion gegen die KPÖ wurden von der Stapoleitstelle Wien weiterhin 73 Personen festgenommen (darunter 16 Angestellte der Wiener Straßenbahn). Polizeipräsident Berlin teilt die Erfassung von 4995 Personen sowjetrussischer Staatsangehörigkeit (darunter 3114 Personen im Alter von 16–45 Jahren) mit. Stapoleitstelle Berlin hat bisher 603 Sowjetrussen (370 Männer, 218 Frauen) festgenommen.
Nr. 6: Kriegsgefangene Kommissare der Roten Armee
b) Im Generalgouvernement:
Einsatzgruppe B berichtete am 2. und 3. Juli 41 über die Versuche der unter der Führung Banderas stehenden Nationalukrainer, durch Ausrufung einer ukrainischen Republik, Bildung von Milizen die deutschen Stellen vor vollendete Tatsache zu stellen. Darüber hinaus hat die Bandera-Gruppe bereits in der letzten Zeit besondere Aktivität hinsichtlich der Verteilung von Flugblättern usw. entwickelt. In einem dieser Flugblätter heisst es u.a., dass die ukrainische Freiheitsbewegung ehemals von der polnischen, nunmehr von der deutschen Polizei unterdrückt werden würde. Weiter hat Bandera, um sich als den Führer der ukrainischen Freiheitsbewegung herauszustellen, ein ukrainisches Nationalkomitee gebildet, wobei er es verstanden hat, fast sämtliche Emigrantengruppen, die sich sowohl weltanschaulich als auch politisch entgegenstanden, zu vereinigen. Lediglich die unter der Führung des Oberst a.D. Melnik1 stehende OUN-Gruppe und des Oberstleutnant a.D. Omeltschenko2 stehende OUN-Gruppe hat sich nicht beteiligt. Im Hinblick auf die gesteigerte Aktivität insbesondere der Bandera-Gruppe wurde verschiedenen führenden ukrainischen Emigranten Aufenthaltsgebot auferlegt. Trotzdem hat sich ein Teil dieser Emigranten angeblich im Auftrage von Reichsstellen in das Generalgouvernement begeben. Da sich begreiflicherweise die einzelnen Emigrantengruppen in Aktivität übersteigern wollen, wurden am 2.7.41 folgende Maßnahmen getroffen: 1) Verschiedene politisch führende ukrainische Emigranten werden in Ehrenhaft genommen, insbesondere im Generalgouvernement, darunter auch Stefan Bandera. 2) Die im Reich lebenden Führer der ukrainischen Emigrantenorganisationen werden unter Androhung strenger staatspolizeilicher Maßnahmen nochmals aufgefordert, mit allen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass ihre Mitglieder sich an die gegebenen Weisungen halten. 3) Alle Ukrainer, die sich im Generalgouvernement aufhalten, jedoch ihren festen Wohnsitz nicht dort haben, werden angewiesen, das Generalgouvernement unverzüglich zu verlassen und sich an ihren Wohnort zurückzubegeben, andernfalls erfolgt ihre Festnahme.
c) Übrige besetzte Gebete:
BdS Oslo meldet das Auffinden einer Kurzwellensende- und Empfangsanlage, von Chemikalien zur Herstellung von Sprengstoff, von Schusswaffen und Knetgummi zur Herstellung von Nachschlüsseln gelegentlich der Überholung der Russischen Handelsvertretung in Oslo. Festgenommen wurde u. a. der stellvertretende Leiter der Handelsvertretung in Oslo Medunow.3
II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:
Einsatzgruppe A: Standort am 2.7.41: Von Schaulen nach Riga unterwegs (FT-Verbindung). EK 1a: Standort am 3.7.41: Von Mitau nach Riga unterwegs (FT-Verbindung). EK 1b: Standort Kowno. EK 24: Standort 3.7.41: Schaulen (NKWD-Gebäude). Schaulen5: 35000 Einwohner (12–15000 Juden). Etwa noch 2000 Juden vorhanden. Die übrigen geflüchtet. Gefängnis leer. Wehrmacht kann zwecks Weiterführung der kriegs- und für die Bevölkerung lebenswichtigen Betriebe auf die noch vorhandenen arbeitsfähigen Juden zunächst nicht verzichten. EK 36: Standort 5.7. Kowno (FT-Verbindung).
Einsatzgruppe B: Standort 2.7.41 Lemberg (FT-Verbindung).
EK 4a7: Standort Lemberg. EK 4b: Standort Lemberg. EK 58: Standort Lemberg. Nach zuverlässigen Berichten von Russen vor Abzug etwa 30000 Einwohner erschossen. Die in den GPU-Gefängnissen aufgestapelten und vergrabenen Leichen weisen furchtbare Verstümmelungen auf. Schwerste Erregung in der Bevölkerung; hat bereits 1000 Juden zusammengetrieben.9 EK 6 meldet am 2.7.1941 Erschießung von 133 Juden.10
Einsatzgruppe C: Standort 3.7. Wolkowysk.
Gruppenleiter meldet Ergebnis der Besprechung mit Heeresgruppe Mitte über Anerkennung der litauischen Komitees durch Feldkommandanten: Es herrscht in der Auffassung Einigkeit. Heeresgruppe Mitte hat sofort entsprechenden Befehl gegeben. EK 7a: Standort Wilna. Funktionäre des Komsomol und jüdische KP-Funktionäre liquidiert. EK versucht, möglichst schnell nach Minsk vorzustoßen. EK 7b: Standort am 2.7.41 unterwegs nach Sluzk. EK 811: Standort 3.7.41 Wolkowysk, Kommandos in Slonim und Baranowicze. EK 9: Standort Wilna. Vorauskommando nach Lida unterwegs.
Einsatzgruppe D: Standort 2.7.41 Mühlbach vor Hermannstadt. 3.7.41 Weitermarsch nach Schäßburg (FT-Verbindung).
Um den Einsatzgruppen und -kommandos größtmöglichste Bewegungsfreiheit zu erhalten, wurde dem BdS in Krakau,12 den Staatspolizeistellen Tilsit13 und Allenstein14 Genehmigung erteilt, durch zusätzliche vorübergehend wirkende EK’s die ihren Grenzabschnitten gegenüberliegenden neu besetzten Gebiete sicherheitspolizeilich zu bearbeiten und zu säubern.15 BdS Krakau meldet am 2.7.41: Abmarsch von EK’s aus Krakau 150 Mann,16 aus Warschau 50 Mann,17 aus Lublin 30 Mann.18 Verbindungsaufnahme mit Einsatzgruppen zwecks einheitlicher Ausrichtung der Tätigkeit befohlen.
III) Militärische Ereignisse:
Heeresgruppe Süd:
11. Armee: Bildung je eines neuen Brückenkopfes ostwärts Jassy und Stefanesdi. Ungarn: Ungarische Kräfte südwärts Dolina angetreten. 17. u. 6. Armee: Buzak und Brody genommen. Bei Winniza feindliche Panzergegenstöße. Neuer Brückenkopf über den Horyn ostwärts Rowno. Eingebrochener Gegner südwärts Dubno geschlagen.
Heeresgruppe Mitte:
Säuberung des Waldes nordöstlich Bialystok. Fortsetzung der Einschließung zweier Feindgruppen nordostwärts und südostwärts Wolkowysk und des Kessels von Nowogrodek. Panzergruppe erreichte Brückenkopf bei Dobruysk und Svislac.
Heeresgruppe Nord:
Feindliche Gegenangriffe konnten Erweiterung der Brückenköpfe über die Düna nicht verhindern. Brückenschlag Jakobstadt.
Finnland:
Im Vorgehen aus dem Petsamo-Gebiet Tittowka genommen. Gebirgskorps nähern sich Liza-Abschnitt. Sibirische Truppen zäh und grausam. Bei Kuttawaja neue Truppen gelandet.
Verteiler:
RFSS und Chef der Deutschen Polizei
Chef der Sicherheitspolizei und des SD
Chef der Ordnungspolizei19
Amtschefs I, II, III, V, VI und VII
IV-Gesch. Stelle (3 Stück)
IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4
IV E, IV E 5
IV A 1 (5 Reserve)
Aus: BAB, R 58/214
1 Nach der Ermordung des OUN-Führers General Ewhen Konovalec 1938 übernahm sein früherer Stabschef Andrij Melnik, geb. 1890, die Führung der Organisation. Am 10.2.1940 kam es wegen Divergenzen über die zukünftige Strategie der OUN in Krakau zur Abspaltung der (zumeist jüngeren) Radikalen unter Stefan Bandera – in der Regel als OUN-B bezeichnet. Melnik wiederum stand seit dem Krakauer Bruch der Rumpf-OUN – nach ihm als OUN-M benannt – vor, der es im Zuge der Besetzung der Sowjetunion vielfach gelang, die einheimischen Verwaltungsposten mit ihren Anhängern zu besetzen. Melnik wurde Anfang 1944 inhaftiert, da er versuchte, eine ukrainische Legion auch mit Hilfe der Neutralen u. der Westalliierten aufzubauen. Im Zuge der militärischen Rückschläge des Reiches erfolgte im Okt. seine Freilassung u. Ernennung zum Vorsitzenden des Ukrainischen Nationalausschusses, dem auch Bandera angehörte, ohne daß beide sich auf eine gemeinsame Linie verständigen konnten. Beim Zusammenbruch Deutschlands setzte sich Melnik über Luxemburg nach Frankreich ab, das ihn nicht an die UdSSR auslieferte. Er starb 1964 in Köln; Biographie nach: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 371–375.
2 Tymish Omeltschenko war Parteigänger der OUN-M u. präsidierte die UNO, die organisierte ukrainische Interessenvertretung im Reich, der über 42000 auf 1268 Filialen verteilte Mitglieder angehörten. Er war Mitverfasser einer am 11.6.1941 verfaßten Denkschrift für Hitler, nach der er sich gänzlich den Entscheidungen des „Führers“ fügen wollte; vgl. Grelka: Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft, S. 167f.
3 Vgl. Tagesrapport BdS Oslo v. 23.6.1941, in: Stein Ugelvik Larsen/Beatrice Sandberg/Volker Dahm (Hrsg.): Meldungen aus Norwegen 1940–1945. Die geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen, Tbd. 1, München 2008, S. 312f.
4 Das EK 2 stand anfangs unter der Führung von Rudolf Batz, geb. 1903, Jurastudium, 1931 Referendarexamen, 1933 NSDAP, 1934 Assessorexamen, 1935 Gestapa u. SS, 1936–1938 stellv. Chef Stapo-Leitstelle Breslau, 1938 Hstuf. u. Leiter Stapo-Stelle Linz, 1940 dto. Hannover u. Stubaf., Okt. 1940–Jan. 1941 Leiter IV beim BdS Den Haag, dann erneut Hannover, Kdr. EK 2 bis Nov. 1941, dann erneut Hannover, 1942 Ostubaf., Sept. 1943 KdS Krakau, Jan. 1945 Staf., März 1945 KdS Westfalen-Süd, Selbstmord 1961 in Haft. Die Fehlinformation, er sei im Herbst 1943 KdS Reval geworden (Wilhelm: Die Einsatzgruppe A, S. 476), beruht auf einer Verwechselung mit Bernhard Baatz; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Rudolf Batz; Vern. dess. v. 11., 14., 15. u. 17.11.1960, BAL, B 162/2994, Bl. 1029ff., 1035ff., 1041ff., 1048ff.; BAL, ZK: Rudolf Batz.
5 Schaulen (Šiauliai), die größte Stadt im nordwestlichen Litauen, hatte vor dem Zweiten Weltkrieg eine jüdische Bevölkerung von 5360 Personen. Etwa 1000 von ihnen gelang in den Tagen vor der deutschen Besetzung am 26.6.1941 die Flucht ins Innere der Sowjetunion; EdH, Bd. 3, S. 1280.
6 Das EK 3 stand anfangs unter der Führung von Karl Jäger, geb. 1888, Orgelbaufabrikant, Soldat 1914–1918, 1923 NSDAP, 1933 SS, 1936 Hstuf. u. Fhr. des Sturmbannes III/13 Ludwigsburg, 1937 Stubaf., 1938 SD-HA u. Ostubaf., April 1939 Fhr. SD-LA Münster, 1940 Staf. u. SD-Frh. EK II in Holland, Dez. 1941 KdS Litauen, Mai 1944 Polizeipräsident Reichenberg, Selbstmord 1959 in Haft; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Karl Jäger; Vern. dess. v. 15., 16., 18. u. 19.6.1959, BAL, B 162/2503, Bl.1885ff., 1889ff., 1909ff., 1925ff.; BAL, ZK: Karl Jäger; EdH, Bd. 1, S. 221; Wolfram Wette: Verweigerte Erinnerung. Der Fall Karl Jäger, in: GWU 55(2004), S. 83–94; ders.: Karl Jäger. Der Mörder der litauischen Juden, Frankfurt/M. 2011; falsche Angaben bei Reitlinger: Die Endlösung, S. 216f.
7 Das SK 4a stand anfangs unter Führung von Paul Blobel, geb. 1894, Soldat 1914–1918, Architekt, 1931 NSDAP u. SA, 1932 SS, 1933/34 Hilfsbeamter Stapo-Stelle Düsseldorf, Juni 1934 Leiter SD-UA Düsseldorf, 1936 Hstuf., 1938 Stubaf., 1941 Staf., Kdr. SK 4a bis Jan. 1942, dann RSHA, Leiter der Enterdungskdos. 1005, Sommer 1944 Kdr. z. b. V. Gruppe Iltis, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Paul Blobel; Übersicht über die vorhandenen SD-OA u. SD-UAv. 5.12.1935,BAB, R 58/241; Affidavitdess.v.6.6.1947,IfZ,Nbg.Dok.NO-3824;dto. v.18.6.1947, ebd., NO-3947; BAL, ZK: Paul Blobel; vgl. Jens Hoffmann: „Das kann man nicht erzählen“. „Aktion 1005“ – Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten, Hamburg 2008.
8 Das EK 5 stand anfangs unter Führung von Erwin Schulz, geb. 1900, Soldat 1918, abgebrochenes Jurastudium, Polizist seit 1923, 1931 Referent in der Politischen Abt. der Bremer Polizei, 1933 NSDAP u. Leiter Stapo-Stelle Bremen, 1935 SS als Hstuf., 1937 Stubaf., 1938 Leiter Stapo-Stelle Graz, Herbst 1938 Kdr. EK V Aussig beim Einmarsch ins Sudetenland, dann zurück nach Bremen, Juni 1939 Chef Stapo-Leitstelle Reichenberg, 1940 Staf., April 1940 kommissarischer IdS Hamburg, März 1941 Gruppenleiter I B (Schulung, Erziehung) im RSHA u. Kdr. der Führerschule in Berlin-Charlottenburg, 1941 Oberf., Kdr. EK 5 bis Sept. 1941, dann zurück zum RSHA als Gruppenleiter I B (Erziehung, Ausbildung, Schulung), Juli 1942 Gruppenleiter I A (Personal), 1942 Brif., Febr. 1943 Amtschef I im RSHA, Mai 1943 BdS Salzburg bis Kriegsende, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, 1954 entlassen, gest. 1981; BAB, BDC, SSO Erwin Schulz; GVP RSHA Stand 1.3.1941, BAB, R 58/240; Affidavit v. 20.12.1945, IfZ, Nbg.Dok. NO-3841; dto. v. 26.5.1947, ebd., NO-3644; BAL, ZK: Erwin Schulz; Wildt: Generation des Unbedingten, S. 779–785.
9 Lemberg war nach der Eingliederung in den wiedererstandenen polnischen Staat ein ethnisch-politischer Krisenherd erster Ordnung. Die Ukrainer verstrickten sich in eine wachsende Konfrontation zur Polonisierungspolitik der Regierung u. unterstützten zunehmend die terroristischen Aktivitäten der OUN; vgl. Anna-Halja Horbatsch: Polnische Stadt und ukrainische Minderheit. Nationale Gegensätze im Lemberg der Zwischenkriegszeit, in: Fäßler/Held/Sawitzki: Lemberg–Lwów–Lviv, S. 92–112; Cornelia Schenke: Nationalstaat und nationale Frage: Polen und die Ukrainer 1921–1939, Hamburg 2004. Die Juden Lembergs wiederum gerieten zwischen die Fronten, da sie sich weder für eine Polonisierung noch für eine Ukrainisierung ihrer Stadt begeistern konnten; ein virulenter werdender Antisemitismus beider benachbarter Ethnien – kulminierend im Lemberger Judenpogrom am 22./23.11.1918 – blockierte derartige Assimilierungsprozesse u. richtete die jüdische Akkulturation darauf aus, die eigene nationale Identität zu erhalten; vgl. Jerzy Holzer: „Vom Orient die Fantasie, und in der Brust der Slawen Feuer …“. Jüdisches Leben und Akkulturation im Lemberg des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Fäßler/Held/Sawatzki: Lemberg–Lwów-Lviv, S. 75–91; Celia S. Heller: On the Edge of Destruction: Jews in Poland Between the Two World Wars, New York 1977; Dietrich Beyrau: Antisemitismus in Polen 1918–1939, in: GG 8(1992), S. 205–232; Christoph Mick: Ethnische Gewalt und Pogrome in Lemberg 1914–1941, in: Osteuropa 53(2003), S. 1810–1829; Henry Abramson: A Prayer for the Government. Ukrainians and Jews in Revolutionary Times 1917–1920, Cambridge/Mass. 1999; William H. Hagen: The Moral Economy of Ethnic Violence: The Pogrom in Lwow, November 1918, in: GG 31(2005), S. 203–226; Alexander Victor Prusin: Nationalizing a Borderland: War, Ethnicity, and Anti-Jewish Violence in East Galicia, 1914–1920, Tuscaloosa 2005; Frank Golczewski: Shades of Grey: Reflections on Jewish-Ukrainian and German-Ukrainian Relations in Galicia, in: Brandon/Lower: The Shoah in Ukraine, S. 114–155. Mit dem Anschluß an die Sowjetukraine 1939 begann eine brutale Welle der Verstaatlichungen, Verbote, Verhaftungen, Erschießungen u. Deportationen. Da das neue Regime jedoch parallel dazu neue politisch-soziale Positionierungen vergab, verschärfte es zugleich die ohnehin angeheizten ethnischen Konflikte u. trug zur Festigung des Stereotyps der Judeo-Kommune bei; vgl. Jan Tomasz Gross: Und wehe, Du hoffst … Die Sowjetisierung Ostpolens nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939–1941, Freiburg/B. 1988; ders.: The Jewish Community in the Soviet-Annexed Territories on the Eve of the Holocaust, in: Dobroszycki/Gurock: The Holocaust in the Soviet Union, S. 155–171; Paweł Korzec/Jan-Charles Szurek: Jews and Poles under Soviet Occupation (1939–1941): Conflicting Interests, in: Polin 4(1989), S. 204–225; Taras Hunczak: Ukrainian Jewish Relations During the Soviet and Nazi Occupations, in: Michael R. Marrus (Hrsg.): Public Opinion and Relations to the Jews in Europe, Westport-London 1989, S. 396–414; Ben-Cion Pinchuk: Shtetl Jews under Soviet Rule. Eastern Poland on the Eve of the Holocaust, Oxford 1990; Keith Sword (Hrsg.): The Soviet Takeover of the Polish Eastern Provinces, 1939–41, London 1991; Dov Levin: The Lesser of the Two Evils. Eastern European Jewry under Soviet Rule, 1939–1941, Philadelphia-Jerusalem 1995; Grzegorz Hryciuk: Polacy we Lwowie 1939–1944. Z˙ ycie codzienne [Polen in Lwów 1939–1944. Das Alltagsleben], Warschau 2000; ders.: Sowjetische Repressionen in den östlichen Gebieten der Zweiten Polnischen Republik (1939 bis 1941): Massenexekutionen, Verhaftungen, Zwangsumsiedlungen und die nationale Zugehörigkeit der Opfer, in: JHK 2007, S. 297–318; Jacek Andrzej Młynarzcyk: Die zerrissene Nation. Die polnische Gesellschaft unter deutscher und sowjetischer Herrschaft, in: Mallmann/Musial: Genesis des Genozids, S. 145–169; Christoph Mick: „Only the Jews do not waver …“ – L’viv under Soviet Occupation, in: Barkan/Cole/Struve: Shared History–Divided Memory, S. 245–262. Überdies legte sich die OUN im April 1941 in ihrem neuen Grundsatzprogramm auf ein dezidiert antisemitisches Feindbild fest: „Die Juden in der UdSSR sind die ergebensten Unterstützer des herrschenden bolschewistischen Regimes und die Vorhut des moskowitischen Imperialismus in der Ukraine“, heißt es dort, Übersetzung BAB, R 43 II/1500; vgl. Karel Berghoff/Marco Carynnyk: The Organization of Ukrainian Nationalists and Its Attitude toward Germans and Jews: Iaroslav Stets’ko’s 1941 Zhyttiepys, in: Harvard Ukrainian Studies 32(1999), S. 149–184. Verschwiegen wird in dieser EM, daß es längst nicht nur beim Zusammentreiben blieb. Bereits bei der Einnahme Lembergs meldete ein Funkspruch um 8 Uhr früh „Einzelschüsse unbekannter Ursache“ u. schlußfolgerte: „Es handelt sich wohl um die Erschießungen von Juden durch Ukrainer“, Geb.jägerrgt. 99 an 1. Geb.Div. v. 30.6.1941, BA-MA, RH 28– 1/24. Am selben Tag notierte das KTB Gen.Kdo. XLIX. AK: „Unter der Bevölkerung herrscht über die Schandtaten der Bolschewisten rasende Erbitterung, die sich gegenüber den in der Stadt lebenden Juden, die mit den Bolschewisten stets zusammengearbeitet hatten, Luft macht“, ebd., RH 24–49/8. OUN-Aktivisten – durch blaue Armbinden mit der Aufschrift „Ukrainisches Militär“ gekennzeichnet – nahmen Juden fest u. trieben sie zu den Gefängnissen, wobei sie einen Spießrutenlauf veranstalteten; vgl. Vern. v. 3.7.1941, ebd., RH 24–49/161. Am 1.7. betonte ein Tagesbefehl des III. Btl. der 1. Geb.Div. die „Notwendigkeit dieses Kampfes gegen die jüdisch-bolschewistische Verbrecherbande“ (Kämpfe bis zur Einnahme von Lemberg [undat.], ebd., RH 28–1/284), u. noch am Abend hielt das KTB 1. Geb.Div. fest: „Auf Antreiben der ukrainischen Bevölkerung kam es am 1.7. zu einem regelrechten Juden- u. Russenpogrom in Lemberg“, ebd., RH 28–1/20. Insgesamt fielen etwa 4000 Juden den Massakern zum Opfer; vgl. Thomas Held: Vom Pogrom zum Massenmord. Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Lembergs im Zweiten Weltkrieg, in: Fäßler/ders./Sawitzki: Lemberg–Lwów–Lviv, S. 113–166; Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, S. 54ff.; Sandkühler:„Endlösung“in Galizien, S.114ff.; Hannes Heer: Einübung in den Holocaust: Lemberg Juni/Juli 1941, in: ZfG 49(2001), S. 409–427; ders.: Lemberg 1941: Die Instrumentalisierung der NKVD-Verbrechen für den Judenmord, in: Wette/Ueberschär: Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert, S. 165–177; Philipp-Christian Wachs: Der Fall Theodor Oberländer (1905–1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt/M. 2000; Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß. Die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg, Berlin 2008, S. 58 ff.; Mallmann/Rieß/ Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 79–84; autobiographisch: Stefan Szende: Der letzte Jude aus Polen, Zürich-New York 1945; Leon Weliczker-Wells: Ein Sohn Hiobs, München 19792; Eliyahu Yones: Die Straße nach Lemberg. Zwangsarbeit und Widerstand in Ostgalizien 1941–1944, Frankfurt/M. 1999. Der Grad deutscher Beteiligung insbesondere in den ersten Tagen läßt sich nur unpräzise bestimmen: Sicher ist, daß einzelne Wehrmachtssoldaten u. Ukrainer des Btl. „Nachtigall“ unter Führung deutscher Offiziere zahlreiche Morde begingen; vgl. Verfügung OStaw Bonn v. 5.8.1960, BAL, B 162/Vorl. AR 3375/65, Bd. 1, Bl. 19 ff.; Bruder: Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben, S. 148 ff. Erst als der Stab der EG C, das SK 4b sowie die EKs 5, 6 u. z.b.V. im Laufe des 1./2.7. in Lemberg eingetroffen waren, übernahm die Sipo zunehmend die Initiative. Felix Landau vom EK z.b.V. notierte am 3.7. in seinem Tagebuch: „500 Juden standen zum Erschießen angetreten“, BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. Verschiedenes 301 AAk (O. 118); zum EK 5: Anklage OStaw Bremen v. 5.1.1961, BAL, B 162/4657; Urteil LG Düsseldorf v. 5.8.1966, BAL, B 162/14211. Der Tätigkeitsbericht AOK 17/Ic/AO enthält für den 5.7. den Eintrag: „Einsatzkommando 6 (Standartenführer Dr. Kröger) in Lemberg NKWD-Zentrale meldet: über 400 Juden erschossen als Vergeltungsmaßnahme für ermordete Ukrainer. Weitere 200 folgen“, BA-MA, RH 20–17/769. Der Waffenwart des SK 4b sagte aus, daß er bereits nach 2 Tagen neue Munition anfordern mußte, Vern. Hans D. v. 26.2.1962, BAL, B 162/1552, Bl. 181ff.
10 Vgl. Anklage Staw Stuttgart v. 30.1.1968, BAL, B 162/19406.
11 Das EK 8 stand anfangs unter der Führung von Dr. Otto Bradfisch, geb. 1903, Jurastudium, 1926 Dr.jur., 1931 NSDAP, 1932 Referendarexamen, 1935 Assessorexamen, 1937 stellv. Leiter Stapo-Stelle Saarbrücken, 1938 SS als Ostuf. u. Leiter Stapo-Stelle Neustadt/Weinstraße, 1939 Stubaf., Kdr. EK 8 bis April 1942, dann Leiter Stapo-Stelle Litzmannstadt, 1943 Ostubaf. u. kommissarischer Oberbürgermeister, 1944 KdS Litzmannstadt, 1945 KdS Potsdam, 1961 vom LG München I zu 10 Jahren Haft u. 1963 vom LG Hannover zu 7 Jahren Haft verurteilt, zusammengezogen zu 13 Jahren Gesamtstrafe, entlassen 1969, gest. 1994; BAB, BDC, SSO Dr. Otto Bradfisch; Vern. dess. v. 9. u. 27.6.1958, BAL, B 162/5029, Bl. 2ff., 33ff.; dto. v. 2.2.1962, BAL, B 162/5032, Bl. 501ff.; Urteil LG München I v. 21.7.1961, BAL, B 162/14193; dto. LG Hannover v. 18.11.1963, BAL, B 162/14156; BAL, ZK: Dr. Otto Bradfisch; Peter Klein: Der Mordgehilfe. Schuld und Sühne des Dr. Otto Bradfisch, in: Mallmann/Angrick: Die Gestapo nach 1945, S. 221–234; Arad: The Holocaust in the Soviet Union, S. 130, nennt fälschlicherweise den Namen Brandisch.
12 Dr. Eberhard Schöngarth, geb. 1903, 1920 als Angehöriger des Freikorps Thüringen am Kapp-Putsch beteiligt, 1922 NSDAP, Jurastudium, 1928 Referendarexamen, 1929 Dr.jur., 1932 Assessorexamen, 1933 erneut NSDAP u. SS, 1935 Gestapa, 1936 Leiter Stapo-Stelle Dortmund, 1938 dto. Bielefeld, dann Münster, 1938 Stubaf., 1939 Ostubaf., Dez. 1939 IdS Dresden, Jan. 1940 zudem IdS Reichenberg u. Staf., Jan. 1941 BdS Krakau u. Oberf., Jan. 1943 Brif., Sommer 1943 Waffen-SS, Mai 1944 BdS Den Haag, 1946 von einem britischen Militärgericht zum Tod verurteilt u. hingerichtet; BAB, BDC, SSO Dr. Eberhard Schöngarth; JAG 90, BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. 442; BAL, ZK: Dr. Eberhard Schöngarth; Hey: Zur Geschichte der westfälischen Staatspolizeistellen und der Gestapo, S. 89f.; EdH, Bd. 3, S. 1285f.
13 Das EK z. b. V. der Stapo-Stelle Tilsit unter KK Waldemar Macholl war im Kreis Grodno u. im Gebiet um Augustowo eingesetzt; vgl. BAL, B 162/5995.
14 Das EK z. b. V. der Stapo-Stelle Allenstein war zunächst im Kreis Grajewo eingesetzt u. baute dann die spätere KdS-Dienststelle in Bialystok auf; vgl. BAL, B 162/7703.
15 CdS v. 4.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 6, RGVA, 500–1–25; vgl. EG B v. 14.7.1941: Tätigkeitsbericht für 23.6.–13.7., NARB, 655–1–3. AußerdementsandtedieStapo-StelleZichenau einEK z.b.V. unterOstuf. Hermann Schaper in den Kreis Lomza im Bezirk Bialystok, das mutmaßlich auch in das Massaker von Jedwabne am 10.7.1941 verwickelt war; vgl. BAL, B 162/5863; Jan Tomasz Gross: Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne, München 2001; Paweł Machcewicz/Krzysztof Persak (Hrsg.): Wokół Jedwabnego [Rund um Jedwabne], 2 Bde., Warschau 2002; Alexander B. Rossino: Polish ‚Neighbours‘ and German Invaders. Anti-Jewish Violence in the Białystok District during the Opening Weeks of Operation Barbarossa, in: Polin 16(2003), S. 431–452; Bogdan Musial: Indigener Judenhaß und die deutsche Kriegsmaschine. Der Nordosten Polens im Sommer 1941, in: Osteuropa 53(2003), S. 1830–1841; Edmund Dimitrów/Paweł Machcewicz/Tomasz Szarota: Der Beginn der Vernichtung. Der Mord an den Juden in Jedwabne und Umgebung im Sommer 1941. Neue Forschungsergebnisse polnischer Historiker, Osnabrück 2004; Antony Polonsky/Joanna B. Michlic (Hrsg.): The Neighbors Respond. The Controversy over the Jedwabne Massacre in Poland, Princeton 2004; Andrzej Z˙ bikowski: Local Anti-Jewish Pogroms in the Occupied Territories of Eastern Poland, June–July 1941, in: Dobroszycki/Gurock: The Holocaust in the Soviet Union, S. 173–179; ders.: U genezy Jedwabnego. Z˙ ydzi na Kresach Północno-Wschodnich II Rzeczypospolitej–wrzesien´ 1939–lipiec 1941 [An den Ursprüngen von Jedwabne. Juden in den nordöstlichen Grenzregionen der II. Republik. September 1939–Juli 1941], Warschau 2006; ders.: Pogroms in Northeastern Poland–Spontaneous Reactions and German Instigations, in: Barkan/Cole/Struve: Shared History–Divided Memory, S. 315–354.
16 Das EK z. b. V. aus Krakau bestand aus Personal der KdS-Dienstellen Krakau, Radom u. Lublin, unterstand dem BdS Schöngarth persönlich u. nahm nach seinem Eintreffen in Lemberg am 2.7.1941 Erschießungenin Ostgalizien u. Wolhynienvor; vgl. AbschlußberichtZSL v. 28.1.1963, BAL, B 162/1639, Bl. 459ff. Mitte Juli war es disloziert in Kdos. in Kowel, Rowno, Luzk, Lemberg, Rawa-Ruska, Przemysl, Drohobycz u. Tarnopol; Bericht Berück Süd/Ic v. 14.7.1941: Maßnahmen auf dem Ic-Gebiet, BA-MA, RH 22/5.
17 Das EK z. b. V. des KdS Warschau unter KR Franz Wenzel war zunächst in den Kreisen Bialystok u. Bielsk eingesetzt u. bestand aus 6 separaten Trupps, die z. T. auch nach Minsk, Lida, Wolkowysk u. Nowogrodek vorrückten u. dort Judenerschießungen vornahmen; Vern. Erwin C. v. 23.1.1962 u. Erich M. v. 26.9.1966, BAL,B162/1500, Bl. 37ff.,172ff.
18 Das EK z.b.V. des KdS Lublin bestand aus 2 separaten Trupps in Brest-Litowsk unter KK Walter Heß u. in Pinsk unter KK Hermann Worthoff; Vern. Hermann Worthoff v. 9.11.1960, BAL, B 162/5237, Bl.1350ff.; dto. Walter Heß v.13.4.1961, BAL, B 162/5258, Bl.622ff.
19 Kurt Daluege, geb. 1897, 1916 Kriegsfreiwilliger, danach Freikorps Roßbach u. Schwarze Reichswehr, 1923 Diplomingenieur, 1926 NSDAP, stellv. Gauleiter in Berlin, seit 1926 Aufbau der SA in Norddeutschland,1930 SS, 1932 Gruf. u. Fhr. SS-GruppeOst, seitFebr.1933 als Kommissarz.b.V. imPreußIschen Innenministerium, seit Mai 1933 als Leiter dessen Polizeiabt. Schlüsselfigur für die personelle Säuberung u. Neuorganisation der preußischen Polizei, 1936 CdO, Mai 1942 als Nachfolger Heydrichs mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichsprotektors in Böhmen u. Mähren beauftragt, Aug. 1943 wegen Erkrankung beurlaubt, 1946 in Prag hingerichtet; BAB, BDC, SSO Kurt Daluege; Caron Cradle: Kurt Daluege – Der Prototyp des loyalen Nationalsozialisten, in: Smelser/Syring/Zitelmann: Die braune Elite II, S. 66–79; Graf: Politische Polizei, S. 338f.; EdH, Bd. 1, S. 304f.