Читать книгу Nicht nur Mütter waren schwanger - Группа авторов - Страница 11
Unerfüllter Kinderwunsch oder Wunsch nach einem Leben mit Kind?
ОглавлениеAuf der Homepage familienplanung.de, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betrieben wird, steht zum Beispiel direkt unter der Überschrift „Kinderwunsch“ ein Link zu dem Artikel „Warten auf die Schwangerschaft“. Dort liest sich: „Lässt die Schwangerschaft eine gewisse Zeit auf sich warten, ist das durchaus normal. Viele komplexe Abläufe sind nötig, damit eine Frau schwanger werden kann. Unter bestimmten Bedingungen ist es jedoch sinnvoll, bald ärztlichen Rat zu suchen.“
Der Begriff „Kinderwunsch“ wird unabhängig davon verwendet, wer ihn hat. Doch tatsächlich wird von der Norm des heterosexuellen Paares, also cis-Frau und cis-Mann mit den notwendigen biologischen Voraussetzungen, ausgegangen. Der Begriff „Kinderwunsch“ beschreibt eine nicht näher definierte „normale“ Zeit des Wartens, in welcher nicht in Frage steht, dass die Schwangerschaft kommt. „Unerfüllter Kinderwunsch“ steht für eine Zeit, in der das Warten an sich in Frage steht. Es steht in Frage, ob sich der Wunsch nach einem Kind überhaupt erfüllen kann. Die Konsequenz ist dann, sich an die Medizin zu wenden. Entgegen dieser normativen Vorstellung können auch Menschen, die nicht in heterosexuellen Liebesbeziehungen sind, nicht cis sind oder nicht die biologischen Voraussetzungen erfüllen, einen Kinderwunsch haben. Für sie ist Warten somit erst gar keine Option, damit sich ihr Wunsch erfüllt.
So genannte Kinderwunschkliniken bieten Behandlungen der Reproduktionsmedizin an, also vor allem künstliche Befruchtung (auch assistierte Reproduktion genannt) und das Eizellen-Einfrieren (Social Freezing oder Kryokonservierung genannt). Mit ihrer Namensgebung implizieren die Kinderwunschkliniken die Erfüllung des Wunsches nach einem eigenen Kind. Dahinter steht eine riesige Industrie, die wächst und wächst. Mit Reproduktionsmedizin lässt sich viel Geld verdienen. Und auch Arbeitgeber*innen kommt es möglicherweise zugute, wenn die Reproduktionsmedizin ermöglicht, dass Personen erst später in ihrem Arbeitsleben schwanger werden. 2014 gab es eine riesige öffentliche Debatte, nachdem die Firmen facebook und Apple bekannt gaben, die Kosten zu übernehmen, wenn Mitarbeiter*innen Eizellen einfrieren lassen wollen.
Auffällig ist, dass es bei dem Fachbegriff „Kinderwunsch“ um die biologische Schwangerschaft einer Person geht, die am Ende ihrer Schwangerschaft ein Kind gebärt, und mit diesem Begriff nicht zum Beispiel Adoption, Pflegekinder oder Zusammenleben mit Kindern verhandelt werden. Kinderwunsch als Begriff meint nicht den Wunsch nach einem Leben mit Kind. Stattdessen geht es um ein biologisches Kind, um die Weitergabe der Gene.