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2 DAVID GEGEN GOLIATH

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Kein Zweifel. Sie mussten das letzte Spiel des Jahres unbedingt gewinnen. Meister konnten sie nur werden, wenn sie den FC Neuendorf besiegten. Das schien fast unmöglich.

Kevin, Spielführer der D-Jugend des SC Weststadt, hatte alle Ergebnisse der Spielserie in ein Schulheft eingetragen. Dann hatte er daraus die Tabelle errechnet. In der Zeitung brachten sie nur die Ergebnisse, jedoch nie die aktuelle Tabelle.

„Und?“, fragte Susann, die gerade ins Klassenzimmer kam. „Wer liegt vorne?“

Susann war ein hübsches, rothaariges Mädchen und Mittelstürmerin beim SC.

„Es hilft nichts“, erwiderte Kevin. „Die Neuendorfer haben klar das bessere Torverhältnis. Wenn wir sie nicht schlagen, ist die Meisterschaft futsch.“

„Aber wir haben bisher alle Spiele gewonnen“, sagte Susann.

Kevin nickte. „Die Neuendorfer leider auch. Dabei haben sie fast doppelt so viele Tore geschossen. Das letzte Spiel gegen Hochhausen haben sie 8 : 0 gewonnen!“

Susann stieß einen Pfiff aus. „Mann, als wir gegen Hochhausen spielten, gab es gerade mal ein mickeriges 2 : 1.“

Kevin erinnerte sich an dieses Spiel. Hochhausen war ein starker Gegner gewesen. Susann hatte erst kurz vor Schluss den Siegtreffer erzielt. Ein glücklicher Weitschuss. Wenn Neuendorf 8 : 0 gewonnen hatte, mussten sie klar die beste Mannschaft der Liga sein. Kevin kannte einige Spieler des FCN. Wie gerne hätte er diesen Angebern auf dem Spielfeld einen Streich gespielt.

Susann konnte die Jungs vom FCN ebenfalls nicht leiden. Die meisten waren ein Jahr älter und deutlich größer. Selbst wenn es die nettesten Typen der Schule gewesen wären: Beim Fußball wollte Susann nie verlieren. Nicht ohne erbitterte Gegenwehr.

„Kennst du die Geschichte von David gegen Goliath?“, fragte sie ihren Freund Kevin. „Meine Religionslehrerin hat sie uns erzählt. Der kleine David hatte gegen den Riesen Goliath eigentlich keine Chance, aber er hat ihn überlistet.“

Kevin ging nicht in den Religionsunterricht. Dafür kannte er eine andere Geschichte, die ihm Mut machte. Sein Opa hatte ihm immer wieder vom „Wunder von Bern“ erzählt. Damals, im Jahr 1954, war Deutschland Weltmeister geworden. Keiner hatte geglaubt, dass die Deutschen die Mannschaft von Ungarn hätten besiegen können. Nach acht Minuten stand es schon 2 : 0 für die Ungarn, die beste Elf der Welt. Doch Deutschland hatte es noch geschafft, das Spiel mit 3 : 2 zu gewinnen. Alle deutschen Spieler waren seit diesem Tag Helden.

„Wir müssen auch so ein Wunder schaffen“, sagte Kevin und ballte die Faust.

„Auf jeden Fall werden wir diesen Heinis vom FCN nicht kampflos die Meisterschaft überlassen“, bekräftigte Susann.

***

Am nächsten Tag war Training. Susann feuerte ihre Mitspieler immer wieder an, sich anzustrengen. Bei jedem Fehlschuss und jeder misslungenen Aktion sagte sie: „Das muss am Samstag gegen Neuendorf besser klappen.“ Achim, der Außenstürmer, hatte keine Lust, sich von einem Mädchen kritisieren zu lassen. Schließlich war Susann einen halben Kopf kleiner als er. Es wurmte ihn immer noch, dass zwei Mädchen in der Mannschaft mitspielen durften. Der SC Weststadt hatte schließlich eine eigene Mädchenmannschaft. Doch Susanns Vater war dafür eingetreten, den besten Spielerinnen eine Chance im Team der Jungs zu geben.

Susann und ihre Freundin Martina spielten deshalb seit diesem Jahr in der Jungenmannschaft. Susann schoss zwar nicht mehr ganz so viele Tore wie in der Mädchen-Liga, war jedoch zusammen mit Achim trotzdem die beste Torschützin. Martina war Torhüterin. Sie warf sich mutig jedem Ball entgegen und riskierte in brenzligen Momenten Kopf und Kragen.

Am Ende des Trainings versammelte Norbert die Mannschaft, um wie gewohnt mit ihnen das nächste Spiel zu besprechen. Norbert war Stürmer in der Herrenelf des SCW.

„Am Samstag gegen Neuendorf. Das wird ein schweres Spiel“, sagte er. Susann unterbrach den Trainer: „Mein Vater sagt, dass wir kämpfen müssen und uns auch mal trauen sollen, hart zu spielen.“

Norbert mochte die lebhafte Susann, doch als Trainer konnte er sich nicht einfach dazwischenreden lassen. „Du bist jetzt mal still“, sagte er. „Dein Vater ist nicht der Trainer. Wie ihr spielt, das bestimme nur ich. Wenn wir gegen Neuendorf verlieren, ist das gar keine Schande. Die meisten sind älter als ihr. Ihr sollt euer Bestes geben und fair spielen. Das ist mir wichtig.“

„Aber wenn wir Meister werden wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen“, rief nun Kevin dazwischen. „Könnten wir nicht am Freitag ein Sondertraining ansetzen?“

„Für ein Sondertraining habe ich keine Zeit. Und es ist auch nicht nötig“, meinte Norbert. „Wenn wir verlieren, sind wir immerhin Zweiter, und das ist eine tolle Leistung, finde ich.“

Als sie umgezogen waren, trommelte Kevin die Mannschaft noch einmal zusammen. „Am Freitagabend treffen wir uns auf dem Turnplatz der Schule zum Sondertraining“, erklärte er. „Susanns Paps hat früher in der Oberliga gespielt. Sie fragt ihn, ob er kommt und uns ein paar Tricks verrät.“

„Aber ist der Norbert nicht sauer, wenn er das mitbekommt?“, warf Olaf ein.

„Darauf können wir keine Rücksicht nehmen“, erwiderte Susann. „Ihr merkt ja, dass er vor den Neuendorfer Deppen Angst hat. Dabei ist im Fußball alles möglich, sagt mein Papa. Man muss halt mal dem Gegner gegen das Schienbein treten.“

Nicht alle fanden, dass Susanns Vater recht hatte, aber alle versprachen, zum Sondertraining zu kommen.

***

Der Tag des großen Spiels war da. Es waren mehr Zuschauer als sonst auf dem Sportplatz. Der Fußballverband hatte einen erfahrenen Schiedsrichter geschickt. Zudem stand ein älterer Mann am Spielfeldrand, der am Ende des Spiels den Meister ehren sollte. Zwischen dem FCN und dem SCW musste heute die Entscheidung fallen.

Susanns Vater unterhielt sich mit dem Mann, der den Meisterwimpel in der Hand hielt. Dann winkte er Susann und Kevin noch einmal zu sich und sagte: „Denkt daran, was ich euch am Freitag erklärt habe. Schärft es den anderen ein: Keinen Ball verloren geben. Wenn es sein muss, mal ein Foul riskieren. Damit verschafft ihr euch beim Gegner Respekt.“

Norbert warf Susanns Vater einen unfreundlichen Blick zu, weil dieser sich einmischte. Der aber grinste ihn einfach an. Susann und Kevin erhielten einen aufmunternden Klaps und liefen zurück aufs Feld.

Anpfiff. Die Neuendorfer legten los wie die Feuerwehr. Besonders Bastian Holzer wollte es dem „Weiberverein“, wie er den SCW verächtlich nannte, zeigen. Schon der erste Angriff führte zu einem Tor für den FCN. Bastian tänzelte durch die Reihen der Weststädter. Die Verteidiger wurden ausgespielt. Martina warf sich dem bulligen Angreifer zwar noch entgegen, aber Bastian zirkelte den Ball an ihr vorbei ins Tor. 0 : 1. Das tat weh.

Und es kam noch schlimmer. Gleich nach dem Anspiel verlor Achim den Ball an Theo Kranzler, der genau so ein Kraftpaket wie Bastian war. Der tankte sich gleich an zwei, drei Weststädtern vorbei und passte den Ball zu Bastian. Dieser setzte sich wieder gegen mehrere SC-Verteidiger durch. Diesmal schoss er von der Strafraumgrenze. Martina kam zwar noch mit den Fingerspitzen an den Ball, konnte den Treffer jedoch nicht verhindern. 0 : 2.

Als Bastian zur Mittellinie zurücklief, grinste er Kevin frech an. Kevin spuckte wütend auf den Boden. Der Schiedsrichter hob mahnend den Zeigefinger.

„Denk an Deutschland gegen Ungarn“, sagte Susann. „Jetzt geht’s erst richtig los.“

Diesmal übernahm sie nach dem Anspiel den Ball. Was Bastian konnte, beherrschte sie auch. Sie umspielte die Gegner so flink, als wären es Slalomstangen, und näherte sich dem gegnerischen Strafraum. Eigentlich wollte sie selbst aufs Tor schießen, aber im letzten Moment sah sie, dass Achim sich freigelaufen hatte. Sie schob das Leder zu ihm rüber, und Achim nutzte geschickt die Chance. Ein knallharter Schuss. Nur noch 1 : 2.

„Siehst du.“ Susann stupste Kevin an. „Und jetzt pass mal auf, wie wir den Bastian in die Knie zwingen.“

Der Stürmer des FCN versuchte gerade, den Sololauf, der zum ersten Tor geführt hatte, zu wiederholen. Er setzte seine Schnelligkeit und seine Körperkraft gegen die schmächtigen Verteidiger des SCW ein. Den angreifenden Olaf drängte er dabei einfach zur Seite. Diesmal war Susann jedoch nach hinten geeilt, um in der Abwehr auszuhelfen. Sie fiel nicht auf die Körpertäuschung von Bastian herein. Als er an ihr vorbei wollte, hielt sie dagegen und traf Ball und Schienbein des Gegners. Mit einem Schmerzensschrei ging Bastian zu Boden. Alles erwartete einen Foulpfiff, aber der Schiedsrichter ließ weiterspielen. „Kein Foul. Ball gespielt!“, rief er.

Susann leitete einen schnellen Gegenangriff ein. Die Spieler des FCN wurden durch die unvermutet heftige Gegenwehr der Weststädter kalt erwischt. Achim nutzte die Steilvorlage von Susann. Er lief frei auf den Torwart zu und umspielte ihn. 2 : 2-Ausgleich. Alles war wieder offen.

Als sich beide Mannschaften wieder zum Anspiel aufstellten, humpelte Bastian immer noch.

„Na warte, das setzt Rache“, zischte er Susann zu, als sie das nächste Mal um den Ball kämpften.

„Versuch es doch, Schwachkopf“, gab Susann zurück. Wieder blieb sie im Zweikampf Siegerin. Bastian war jetzt um einiges vorsichtiger. Er hatte Angst um seine Knöchel. Als ihm Susann allerdings mit dem Ball entwischen wollte, stellte er ihr mit gestrecktem Bein nach. Susann spürte nur sanft Bastians Fußspitze, ließ sich jedoch bei der Berührung fallen und blieb ausgestreckt auf dem Rasen liegen. Der Schiedsrichter pfiff sofort Foul.

Susann lag mit geschlossenen Augen auf dem Bauch und atmete tief durch. Bastians Fuß hatte sie nur gestreift. Doch sie vernahm freudig, wie der Schiedsrichter sagte: „Nummer 9. Noch so ein Foul, und du marschierst vom Platz.“ Langsam stand sie auf und hinkte bei den ersten Schritten noch ein wenig.

Bis zur Halbzeit blieb es beim 2 : 2. Der FCN war zwar meist im Angriff, doch die Weststädter hielten tapfer dagegen. In der Pause lobte Norbert seine Mannschaft, ermahnte sie aber, fair zu spielen. Susann flüsterte Kevin zu: „Wir müssen unbedingt das dritte Tor machen. Das geht nicht, wenn die Neuendorfer dauernd angreifen. Wir müssen den Bastian ausschalten.“

Zu Beginn der zweiten Halbzeit griff der FCN gleich wieder mächtig an. Bastian dribbelte durch die Reihen des SCW. In der Nähe des Strafraums stoppte ihn Susan erneut unsanft. Diesmal traf sie gar nicht den Ball, sondern nur das Schienbein des Gegners. Mit einem Schmerzensausruf ging der große Kerl zu Boden. Am Spielfeldrand stritten sich nun der FCN-Trainer und Susanns Vater lautstark.

„Platzverweis“, forderten die Neuendorfer, aber Susann schaute den Schiedsrichter wie ein unschuldiges Lämmchen an. „War keine Absicht“, stellte der Unparteiische fest.

Susann beugte sich über den am Boden liegenden Bastian, als wolle sie sich bei ihm entschuldigen. Dabei raunte sie ihm ins Ohr: „Weichei.“

Das war zu viel. Bastian versuchte wütend, ihr einen Fußtritt zu verpassen. Der Schiedsrichter bemerkte es natürlich: Platzverweis für Bastian. Halb heulend, halb schimpfend humpelte der Mittelstürmer des FCN vom Platz. Der SCW spielte nun in Überzahl.

Aber auch gegen zehn Neuendorfer wollte kein weiteres Tor gelingen. Kevins Elf lief die Zeit davon. Nur noch drei Spielminuten. Der SCW warf jetzt alles nach vorne, um doch noch zu gewinnen. Achim spielte Susann den Ball im Strafraum zu. Sie machte eine schnelle Drehung, wollte schießen, doch der Tormann war zur Stelle. Er drosch den Ball weit nach vorne. Dort lauerte Theo, der plötzlich freie Bahn aufs Tor hatte. Nur Kevin war in seiner Nähe. Sofort eilte er dem gegnerischen Stürmer hinterher. Theo war flink. Kevin versuchte den Gegner am Trikot festzuhalten, aber Theo drängte mit Macht in den Strafraum. Erst dort hatte Kevins Notbremse Erfolg. Bevor er zum Torschuss kam, wurde Theo von den Beinen gerissen. Der Schiedsrichter pfiff und deutete auf den Elfmeterpunkt. Kevin schickte er vom Feld. Platzverweis. Susann stampfte wütend auf den Rasen. Das musste die Entscheidung für Neuendorf sein.

Theo legte sich den Ball für den Strafstoß zurecht. Als er Anlauf nehmen wollte, rief ihm Susann zu: „Du bist ein Angsthase und schießt sowieso daneben.“ Der Schiedsrichter ermahnte Susann zur Sportlichkeit. Dabei lächelte er. Dann gab er den Ball zum Elfmeter frei. Theo lief an, holte weit aus und traf mit dem Fuß mehr den Rasen als den Ball. Dieser kullerte auf Martina zu, die ihn ohne Mühe festhalten konnte.

„Nach vorne“, brüllten Norbert und Susanns Vater am Spielfeldrand.

Alle SCW-Spieler stürmten zum vielleicht letzten Angriff, während Martina den Ball weit in die gegnerische Hälfte schlug. Achim sprang gleichzeitig mit seinem Gegenspieler in die Höhe. Von seinem Kopf flatterte die Kugel vor das Neuendorfer Tor. Susann legte einen Sprint hin. Vor dem herauseilenden Torhüter brachte sie die Schuhspitze noch an den Ball. Unglaublich. Das runde Leder zappelte im Netz. 3 : 2. Das Fußballwunder von Bern hatte sich auf dem Sportplatz des SC Weststadt wiederholt. Der Fußball-Goliath FC Neuendorf war in letzter Sekunde bezwungen.

***

Wenig später hielten die stolzen Weststädter den Meisterwimpel in den Händen. Selbst Norbert und Susanns Vater umarmten sich jetzt wie die besten Freunde und strahlten um die Wette über den Sieg. Für die Spieler gab es Limo und Eis.

„Eigentlich müsste ich ja sauer auf euch sein“, sagte Norbert später zu Kevin und Susann. „Foulspiel, Tricks und Notbremse wie in der Bundesliga: Das wollte ich von meiner Jugendmannschaft eigentlich nicht sehen. Wäre jemand verletzt worden, hätte ich mich über unseren Sieg nicht freuen können.“

„Im Fußball gehört eben dazu, dass man alles gibt“, sagte Susanns Vater. „Das Siegerglück muss manchmal erkämpft werden. Dafür, dass es nicht zu schlimm wird, ist ja der Schiedsrichter da. Kevin hat ein Foul riskiert, aber er flog dafür vom Platz, und der Gegner erhielt einen Elfmeter. So wird im Sport für einen gerechten Ausgleich gesorgt.“

„Aber was Susann mit Bastian und Theo gemacht hat, war doch nicht ganz okay, oder?“, fragte Olaf.

„Die beiden hätten sich von Susann einfach nicht ärgern lassen dürfen“, erklärte Norbert. „Klügere Spieler hätten sich beherrscht. So etwas muss man lernen. Trotzdem würde ich euch raten, nicht in die Trickkiste zu greifen. Das kann der eigenen Mannschaft schaden. Heute hatten wir einfach Glück, dass der Schiedsrichter nicht alles bemerkt hat.“

„Na ja, als Sieger können wir jetzt wenigstens versuchen, zu Bastian und seinen Freunden in der Schule nicht so gemein und spöttisch zu sein, wie sie vorher zu uns waren“, schlug Susann vor. „Von wegen Weiberverein.“

„Weißt du“, sagte Kevin grinsend. „Ihr Mädchen seid so klasse. Ich bin richtig gerne in einem Weiberverein.“

RAINER BUCK

Hacke, Spitze, Tor

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