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Vorwort

Marie Bruns-Bode war eine lebenslustige und vielseitig literarisch und künstlerisch begabte Frau. Sie versteht es, die Leserin und den Leser humorvoll, anschaulich und süffig schreibend in das Zentrum des kulturellen und politischen Lebens der Hauptstadt Berlin von der Kaiserzeit bis zur Adenauer-Ära zu führen.

Marie Bode (1885–1952) wurde in eine äußerst anregende kulturelle Atmosphäre hineingeboren. Ihr Vater, Wilhelm von Bode (1845–1929), war von 1905 bis 1920 Generaldirektor der Berliner Museen. Nach ihm wurde das Bode-Museum benannt. Er heiratete 1882 Marie Rimpau. Marie Bode war beider einzige Tochter, da Marie Bode-Rimpau bei der Geburt ihrer Tochter 1885 verstarb. Marie Bode, die Verfasserin der hier vorgelegten Tagebücher und Briefe, wurde 1907–10 als Lehrerin für Kunstgeschichte an den Kaiserhof nach Berlin und Potsdam berufen. Sie heiratete 1915 Prof. Dr. Viktor Bruns (1884–1943), den Begründer und langjährigen Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin, heute das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.

Die Tagebücher von Marie Bruns, geb. Bode sind von 1912 bis 1944, die Briefe von 1893 bis 1951 geschrieben. Als Tochter des Generaldirektors der Berliner Museen und als Frau des Direktors des Völkerrechts-Instituts und Mitglieds des vom Völkerbund eingesetzten Haager internationalen Schiedsgerichtshofes entsteht in ihren Tagebüchern und Briefen ein Bild der kulturellen und politischen Geschichte Deutschlands.

In einer Zeit, in der von den Frauen Unterordnung unter die Männer erwartet wurde – sodass Marie Bode sich selber in ihrer Jugend gewünscht hatte, als Mann geboren worden zu sein – gelang es ihr, aufrecht ihren eigenen Weg zu finden und zu verwirklichen. Nachdem sie sich und ihre Träume durchgesetzt hatte, fühlte sie sich als Frau wohl und wollte nicht mehr mit einem Mann tauschen!

In ihren Tagebüchern und Briefen spiegelt sich das gesellschaftliche Leben besonders des Berliner Bildungsbürgertums in den Zeiten Kaiser Wilhelms II., in der Weimarer Republik, der NS-Zeit und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1951.

Es treten darin unter anderem auf – immer aus selbstbewusst weiblicher Perspektive dargestellt:

•Wilhelm von Bode, andere Museumsdirektoren aus Europa und Amerika sowie große private Kunstsammler aus ganz Europa.

•Eine bedeutende Rolle spielt die Familie von Weizsäcker, eng mit Viktor Bruns verwandt und befreundet, in den Tagebüchern: Carl von Weizsäcker, württembergischer Ministerpräsident bis 1918, Ernst von Weizsäcker, Diplomat und unter Adolf Hitler Staatssekretär im Auswärtigen Amt, schließlich noch Richard und Carl Friedrich von Weizsäcker, die später als Bundespräsident bzw. als Atomphysiker und Philosoph wichtige Positionen erlangten.

•Mehrfach treffen wir auf Pastor Martin Niemöller, der eine Tochter von Marie Bruns 1933 konfirmierte. Niemöller taucht einige Seiten später wieder als entschiedener Gegner der NS-orientierten »Deutschen Christen« auf – in einem Gespräch zwischen einem NS-Minister und einem Bischof auf einer Abendgesellschaft, wobei letzterer betont: »Niemöller … wird jetzt demnächst beseitigt werden«.

•Diplomaten und Politiker im Zusammenhang mit Viktor Brunsʼ Auftreten im Internationalen Haager Gerichtshof.

•Professor Sauerbuch, bekanntester Chirurg seiner Zeit und Schwarm der Damen der »besseren Gesellschaft«, erscheint als charmanter Gesellschaftslöwe auf den großen Berliner Festen.

So stellt das Tagebuch ein Zeitgemälde der Gesellschafts-, Kultur-, Rechts- und Wissenschaftsgeschichte dar, erzählt von einer klugen und oft auch widerständigen Frau.

Dank ihrer künstlerischen Ausbildung in Berlin und Paris hat Marie ihre Tagebücher mit eindrucksvollen Aquarellen und Zeichnungen illustriert.

Leserinnen und Leser können durch die Lektüre eine überraschende Konkretisierung unseres viel zu holzschnittartig vereinfachten und durch die Perspektive von Männern geprägten Bildes der ersten Hälfte des

20. Jahrhunderts in Deutschland erleben.

Rainer Noltenius

Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen

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