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|1|Zur Einführung |3|Was sollen wir mit den Bekenntnissen der Kirche anfangen?

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Eine kurze Einführung in das Credo-Projekt

Jens Herzer

Obwohl die ursprüngliche Idee eine andere war, machte der 2018 erschienene Band zum zweiten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses[1] und vor allem die konkrete interdisziplinäre Arbeit auf der Tagung recht schnell deutlich, dass es dabei nicht bleiben kann. Nicht nur, dass die Interpretation des zweiten Artikels notwendig die Frage nach dem Zusammenhang mit dem ersten und dritten Artikel aufwirft und damit auch der Anspruch einer vollständigen Behandlung des Credos im Raum stand, wie sie nun mit den beiden Bänden in kompakter Weise vorliegt. Es war vielmehr auch der nachdrückliche Wunsch der Beteiligten nach einem fortgesetzten (und erweiterten) interdisziplinären Gespräch, der zur Konzeption einer Folgetagung führte, die in noch breiterem Umfang verschiedene theologische Disziplinen an dem Gespräch über eine der wichtigsten Bekenntnisgrundlagen der christlichen Tradition beteiligen sollte.

Anfangs ging es eigentlich zunächst um die Frage nach der Bedeutung der Christologie und damit des spezifisch Christlichen des Gottesglaubens angesichts der Macht des faktischen religiösen Pluralismus in Europa und der Probleme einer Verhältnisbestimmung des christlichen Glaubens zu anderen religiösen Überzeugungen, die nicht nur selbst einen exklusiven Anspruch stellen, sondern dadurch auch in deutlicher Spannung, mitunter sogar in offener und gewalttätiger Feindschaft zum Christusglauben stehen. Umso wichtiger wird natürlich die trinitarische Form des Bekenntnisses, innerhalb derer der christologische Artikel eingebettet ist in das Bekenntnis zum allmächtigen Vater und Schöpfergott und das Bekenntnis zum Wirken des Heiligen Geistes. Dass diese beiden Artikel aufgrund ihrer über |4|das spezifisch Christliche hinausweisenden Dimension für den interreligiösen Dialog eine besondere Bedeutung haben, liegt auf der Hand.

Gleichzeitig ist aber auch deutlich, dass unter den Voraussetzungen unserer Lebensbedingungen kaum eine der traditionellen Bekenntnisaussagen aus sich selbst heraus evident ist, auch nicht im Kontext eines ernsthaften christlichen Glaubensvollzuges. Angesichts der medialen Herausforderungen unserer Zeit und den damit verbundenen Veränderungen von Sprach-, Denk- und Diskursstrukturen ist es keineswegs selbstverständlich und gehört deshalb immer wieder zu den strittigen Aspekten des kirchlichen Lebens, wenn alte Bekenntnisse als verbindlicher Teil einer gottesdienstlichen Agende gesprochen werden sollen, deren Inhalte nicht mehr verstanden oder nicht mehr geglaubt werden.[2] Hier bestehen deutliche Diskrepanzen zwischen einem scheinbar selbstverständlichen Evidenzbewusstsein in der verfassten Kirche und auch in der akademischen Theologie einerseits, die beide von der Beschäftigung mit diesen Fragen gewissermaßen leben, und dem ebenso realen Evidenzverlust andererseits, der selbst in den Gemeinden in Bezug auf das Verständnis von traditionellen Bekenntnisinhalten und rituellen Vollzügen unverkennbar ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es umso mehr geboten, diese Fragestellungen sowohl grundsätzlich als auch im Detail in Bezug auf die konkreten Bekenntnisaussagen zu thematisieren und diese respektvoll und sachbezogen, aber eben auch ohne Umschweife und ohne falsch verstandene Loyalität zu alten Traditionen zu problematisieren. Das ist nur in einem interdisziplinären Diskurs überhaupt möglich und sinnvoll. Dieser Diskurs soll so viele Disziplinen wie möglich einbeziehen, auch wenn dieses Ideal in der konkreten Pragmatik einer Tagungsplanung nicht immer befriedigend umgesetzt werden kann. Es bleiben stets Wünsche und Fragen offen, manche Bereiche können nicht bedient werden. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass mit Konferenzen wie denen in Leipzig 2015 und Münster 2018 ein Weg beschritten wird, der Mut und Lust macht, darauf weiter unterwegs zu bleiben.

In der Struktur entspricht der vorliegende Band seinem Vorgänger. Die einzelnen Bekenntnisaussagen des ersten und dritten Artikels werden jeweils aus bibelwissenschaftlicher und |5|systematisch-theologischer Perspektive behandelt, wobei jeder Autor und jede Autorin natürlich frei war, innerhalb der thematischen Vorgaben ihre bzw. seine eigenen Akzente zu setzen. Doch gerade das macht die interdisziplinäre Lektüre so interessant, auch und vor allem dort, wo man scheinbar »nicht zusammenkommt«. Solche inhaltlichen Überhänge und Dissonanzen regen weiteres Gespräch und weitere Auseinandersetzung an. Zu diesem Zweck haben wir wieder Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen gebeten, jeweils ein Vortragspaar in einer substantiellen Response kritisch zu reflektieren und aufeinander zu beziehen. Diese Beiträge sind in ausgearbeiteter Form als »Reflexionen und Impulse zur Diskussion« in diesem Band beigefügt und bringen frischen theologischen Wind in die Debatte um die Inhalte des Bekenntnisses. Wir sind ausgesprochen dankbar für den akademischen Mut und die Bereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich damit gleichsam »in die Höhle des Löwen« zu begeben und selbstbewusst, engagiert und scharfsinnig ihre kritische Sicht vorzutragen.

Eingeführt wird der Band durch zwei themenübergreifende Beiträge. Ebenso informativ wie kurzweilig beschreibt zunächst Peter Gemeinhardt das »Werden des Apostolikums« von den Anfängen des Bekenntnisses in der apostolischen Verkündigung, über die frührömischen Bekenntnisfragen und die Bekenntnisformeln der frühen Kirche bis hin zur Endgestalt des Apostolikums als »entfaltete Summe des Christusgeschehens« (22). Mit dieser spannenden Wegbeschreibung wird schnell deutlich, wie komplex und verzweigt die Geschichte des Credos im Kontext der Geschichte des Taufsakraments ist und wie problembehaftet der Versuch, sich davon ein angemessenes Bild zu machen. Entsprechend offen ist der aktuelle Diskurs darüber in der Forschung. Das Apostolikum wird konsequent als Zeugnis »am Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter« (20) interpretiert und nicht als Ergebnis einer Dekadenzgeschichte verstanden, sondern gleichsam als »Konjunkturen des Apostolischen« (56). Vorformen dieses Bekenntnisses, insbesondere die des sog. »Romanum«, machen die regionale Vielfalt von konkurrierenden Bekenntnistraditionen deutlich, wobei das Attribut »apostolisch« keineswegs exklusiv für eine Überlieferung reserviert war. Erklärtes Ziel des Beitrages ist es aufzuzeigen, »was Dichtung und was Wahrheit des Apostolischen am Apostolikum ist« (23).

Als zweiten Akkord des Auftaktes schlägt Reinhard Achenbach unter dem Titel »Gottesverehrung und Gottesbekenntnisse im |6|religionsgeschichtlichen Horizont« einen weiten und beeindruckenden Bogen in die Religionsgeschichte des Alten Orients. Er führt damit bereits in jenen Kontext hinein, der für den ersten Artikel über den Vater- und Schöpfergott von Bedeutung ist. Insbesondere Schöpfungsmythen erweisen sich in altorientalischen Texten als Bestandteile weisheitlicher Lehre durch »Erzählungen, die die Wirklichkeit erschließen, und die in einer für den Menschen transzendenten Erschlossenheit des Wirklichkeitsbezugs ihren Ursprung erkennen« (60) lassen. Der Gottesbegriff wird in diesen Erzählungen in seiner Bedeutung für die Erschließung von Wirklichkeit konkret in der Verehrung Gottes zur Geltung gebracht, die zugleich das Gottesbekenntnis einschließt und damit gemeinschaftsstiftende Kraft entfaltet. Exemplarisch wird dies anhand der Debatten um die Ursprünge des Jahwismus gezeigt, wobei Achenbach hervorhebt, dass bereits im Pentateuch selbst eine bemerkenswerte und komplexe Theorie über die »Geschichte der Gotteserkenntnis Israels (als) Teil einer universalen Erkenntnisgeschichte« (72) entwickelt wird.

Die Auslegung des ersten Artikels eröffnet Christiane Zimmermann mit einem Beitrag über die Vater-Metaphorik als Ausdruck des Wesens Gottes. Sie zeichnet darin die biblischen Linien bis zu den apostolischen Vätern nach und legt dabei großen Wert auf die Tatsache, dass die christliche Vateranrede tief in der alttestamentlich-jüdischen Tradition verankert ist. Für die christliche Adaption sei wesentlich »die Verbindung von ekklesiologischer und christologisch-hoheitlicher Referenz der Vaterschaft Gottes« (96). Die Sohnschaft Christi korreliert mit der Kindschaft der Glaubenden, bezogen auf denselben Vater. Zugleich geht dies einher mit einer »kreatorisch-kosmologischen Referenz der Vater-Metapher« (99). Dadurch werde nicht zuletzt deutlich, warum im Apostolikum die Vateranrede an den Anfang gestellt wird. Aus systematisch-theologischer Perspektive beschreibt und erörtert Malte Krüger in Anknüpfung an den englischen Begriff des »Godfather« aus dem gleichnamigen Film von Francis F. Coppola die multiperspektivische Krise des religiösen Vaterbildes als Beispiel für die Notwendigkeit eines programmatischen Neuansatzes evangelischer Theologie. Insofern Religion »im menschlichen Bildvermögen und seiner Einbildungskraft fundiert« (125) sei und also als eine Projektion des Menschen zu gelten habe, stehen die Begriffe Imagination und Phantasie für eine neue »bildhermeneutische Theologie«, die kulturanthropologisch zu begründen sei (133).

|7|Das Attribut der Allmacht Gottes erschließt Markus Witte aus alttestamentlicher Sicht mit einem spezifischen Blick auf das Judentum der hellenistischen Zeit. Dessen theologische Perspektiven insbesondere auf das Wesen Gottes angesichts einschlägiger Krisenerfahrungen sind auch für das Neue Testament außerordentlich bedeutsam geworden. Dabei spielen Fragen nach der Herrschaft Gottes, seiner Gerechtigkeit und Güte eine besondere Rolle, insofern sich darin seine Allmacht in einer sehr konkreten Weise für den Glauben manifestiert. »Der Glaube an den Allmächtigen«, so die abschließende These, »ist Ausdruck eines monotheistischen, dynamischen und personalen und partizipatorischen Gottesverständnisses« (172). Die systematisch-theologische Herausforderung durch die Frage nach der Allmacht Gottes ist für Michael Moxter maßgeblich von politischer Natur: »Pointiert das Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer die Einzigkeit seiner Herrschaft, so kann es zur Kritik bestimmter Herrschaftsformen ermuntern und eine Art Sperrklinkeneffekt für imperiale Selbstinszenierungen auslösen« (180). Zugleich müsse man sich aber auch der Gefahr eines solchen Gottesbildes, das von einer potentia absoluta bestimmt werde, bewusst sein. Es komme daher darauf an, wie bzw. wovon der Begriff von Macht verstanden wird.

Mit dem schöpfungstheologischen Aspekt des ersten Artikels beschäftigen sich Lutz Doering und Christopher Zarnow. Lutz Doering kommt es in seiner detailreichen Studie insbesondere darauf an, das Bekenntnis zu Gott als Schöpfer anhand neutestamentlicher Schöpfungsaussagen im Kontext der alttestamentlich-jüdischen Tradition zu verstehen und »die kosmologischen, heilsgeschichtlichen, identitätspolitisch-sozialen, ethischen, christologischen und eschatologischen Implikationen des Bekenntnisses vor Augen« zu stellen (237). Christopher Zarnow geht von der Beobachtung aus, es genüge »nicht mehr, die Aufgabe der systematischen Theologie als kritische Reflexion positiv irgendwie gegebener Glaubensbestände zu bestimmen«. Vielmehr sei von der Dogmatik regelrecht »Aufbauarbeit am Symbol zu leisten«, um noch zeitgemäß sagen zu können, was es bedeutet (239). So schreitet Zarnow buchstäblich einen weiten und spannend beschriebenen Horizont ab, der von einer Bestandsaufnahme des »blauen Planeten« Erde in den Himmel und von dort mit neuen Perspektiven zurück zur Welt als Schöpfung und damit zur Erschließung des Symbolgehalts des Bekenntnisses zu Gott als Schöpfer Himmels und der Erden führt, der zugleich der das Geschöpf »persönlich angehende[.] Gott« ist (264).

|8|Auch der dritte Artikel des Apostolikums birgt seine eigenen Herausforderungen. Dass damit, wie der Untertitel des dritten Hauptteils aussagt, im Kern »Von der Neuschöpfung des Menschen« die Rede sein muss, gibt bereits einen wichtigen zu entfaltenden Grundgedanken dieses Artikels wieder. Ein Unterschied zum ersten und zweiten Credoartikel besteht darin, dass die erste Bekenntniszeile über den »Glauben an den Heiligen Geist« nicht ohne Weiteres durch die anderen Aussagen des Artikels entfaltet wird. Diese stehen zunächst syntaktisch in einem offeneren, komplementären Verhältnis zur Aussage über den Glauben an den Geist. Gleichzeitig sind natürlich Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben konkreter Ausdruck des schöpferischen Wirkens des Geistes Gottes.

In einem ersten Diskursgang erörtert mein eigener Beitrag zunächst das Verhältnis von Glauben und Geist, und zwar unter der Maßgabe, dass die Rede vom Heiligen Geist stets unter den Bedingungen menschlicher Existenz und menschlicher Erfahrung geschieht und daher die anthropologische Frage nach dem Selbst und dem Bewusstsein des Menschen zentral ist. Die neutestamentliche Überlieferung wird auf diese Aspekte hin vorgestellt und interpretiert und ein personhaftes Verständnis des Geistes im Sinne der klassischen Trinitätslehre kritisch hinterfragt. Das Ziel ist eine Antwort auf die Frage, was konkret vom neutestamentlichen Befund her mit dem »Glauben an den Heiligen Geist« bekannt wird. In systematisch-theologischer Hinsicht stellt Martin Laube sehr grundsätzliche Überlegungen zur Pneumatologie zur Diskussion. Er geht dabei von der Feststellung aus, dass die Lehre vom Heiligen Geist ein »ungelöstes Dauerproblem der Dogmatik« darstelle (322). Eine forschungsgeschichtliche Orientierung erhellt diese Problematik und mündet in bemerkenswerte Anregungen unter den Aspekten der Sozialität, der Medialität und der Kreativität des Geistes. Gerade im Blick auf seine Wirkungen im religiösen Kommunikations- und Sinnbildungsprozess des Glaubens erweise sich der Geist als »das geschichtliche Traditionsprinzip des Christentums« (344).

Für die ekklesiologische Aussage des dritten Artikels erläutert Markus Öhler facettenreich die neutestamentlichen Zeugnisse für das Verständnis der Gemeinde als ecclesia und zugleich als »Gemeinschaft der Heiligen«. Dies geschieht unter der Maßgabe, dass der Geist das bestimmende Moment des dritten Artikels sei. Der Fokus liegt auf der paulinischen Ekklesiologie, wobei dem Epheserbrief in mancher |9|Hinsicht eine Sonderstellung zukommt. Doch auch die Linien anderer Traditionsbereiche des Neuen Testaments werden anschaulich ausgezogen. Hans-Peter Großhans fragt – von reformatorischer Ekklesiologie speziell lutherischer Prägung ausgehend – sehr grundsätzlich, was die Kirche sei. Wichtig ist ihm dabei vor allem die Frage nach der Katholizität und Heiligkeit der Kirche als Leib Christi, die er »im Geheimnis Jesu Christi, in Jesus Christus als dem Sakrament« begründet sieht (392). Besonders interessant erscheint die These, dass die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen »ihre Heiligkeit in einem dreifachen Diakonat« unter den Aspekten der Wahrheit, der Liebe und der Hoffnung realisiere (393). Freiheit sei die besondere Ambition und Herausforderung der sich evangelisch nennenden Kirche, die der Wahrheit des Evangeliums verpflichtet sei.

Matthias Konradt behandelt das »weite Feld« der Vorstellung von der Vergebung der Sünden, zweifellos ein zentrales Thema neutestamentlicher Theologie insgesamt, wie es die kurze und eher unscheinbare Zeile im Bekenntnis kaum anzudeuten vermag. Konradt konzentriert sich auf das lukanische Doppelwerk und das Matthäusevangelium (allerdings nicht ohne einen informativen und erhellenden Blick auf die übrige neutestamentliche Überlieferung zu werfen), die jeweils unterschiedliche Konzeptionen bieten, wobei sich hier in je besonderer Weise ekklesiologische und ethische Dimensionen verbinden. Lukas habe die Vergebung der Sünden zum Leitmotiv seines Doppelwerkes in Bezug auf das Wirken Jesu, der Apostel und des Geistes gemacht. Auch bei Matthäus ist dieses Motiv programmatisches »Zentrum der Sendung Jesu« (450, mit U. Luz), aber er fasst es doch mit seiner spezifischen Verankerung der Sündenvergebung im Kontext der Gemeinde anders als Lukas. Einen besonderen Blick auf den dogmatischen Topos der Sündenvergebung wirft Christine Schliesser. Ausgehend von der ekklesiologischen Verankerung im Glaubensbekenntnis als Taufbekenntnis und unter Voraussetzung von CA VII geht es ihr neben begrifflicher Klärung (etwa in der Unterscheidung von Sünde und Schuld) und theologischer Durchdringung vor allem um die empirische Bewährung dessen, was Vergebung der Sünden bedeutet. Sündenvergebung sei in der Lebenswirklichkeit zu verorten; vorgeführt und »auf die Spitze getrieben« (455) wird dies an einem ebenso bemerkenswerten wie erschütternden Fallbeispiel der jüngeren Geschichte Ruandas nach dem Völkermord der Hutu an den Tutsi und der schwierigen Frage nach Möglichkeiten von Vergebung und Versöhnung.

|10|Die eschatologische Aussage des Credos »Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben« erörtern Christina Hoegen-Rohls und Henning Theißen. Nach einer informativen Problematisierung begrifflicher Aspekte, die sich aus den sprachlichen Veränderungen des Credos in seiner neueren Fassung ergeben, erschließt und interpretiert Christina Hoegen-Rohls auf profunde Weise die komplexen neutestamentlichen Befunde zum Thema »Tod« sowie zu den Topoi »Auferstehung des Fleisches« und »ewiges Leben«. Ihr geht es dabei insbesondere um eine Problematisierung und Differenzierung der Vorstellung vom Tod als Transitus aus biblischer Perspektive sowie um die Frage, wie sich die Aussage von der Auferstehung und ewigem Leben im Kontext des dritten Artikels verankern lassen. Besonderes Gewicht liegt dabei auf der johanneischen Vorstellung vom »ewigen Leben«. Aus dogmatischer Sicht legt Henning Theißen dar, »(w)as die christliche Gemeinde vom Tode bekennt«. Theißen nimmt einen Faden des exegetischen Beitrags auf und geht von der provozierenden These aus, dass der Tod kein Transitus sei. »Wäre er es, so wäre […] die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten vergeblich« (523f.). Vielmehr sei in Bezug auf den Tod systematisch einzuholen, dass dieser nach 1 Kor 15,26 als »letzter Feind« und damit als »Siegel unserer Endlichkeit« (523) verstanden werde. Theißen versteht es, in einer geradezu spannend zu lesenden Darstellung biblische Befunde mit dem dogmatisch notwendig zu Denkenden so zu verbinden, dass nicht nur ein plausibles Verstehen der eschatologischen Aussagen des Credos möglich wird, sondern auch die existentielle Einsicht, dass es tatsächlich Hoffnung geben kann.

Eine grundlegende systematisch-theologische Reflexion von Michael Beintker unter dem Thema »Was wir glauben sollen. Von der Zeitgemäßheit alter Bekenntnisse« schließt die thematischen Beiträge des Bandes ab. Angesichts der Erfahrung, dass Bekenntnistraditionen in der Praxis des Glaubens eine durchaus ambivalente Rolle spielen, bietet Beintker damit eine wichtige Richtungsweisung für den Umgang mit Bekenntnissen. Zugespitzt und mit einem Augenzwinkern formuliert er: »In den christlichen Kirchen glauben wenige viel und viele wenig« (553). Doch das »Was« des Glaubens stehe stets unter der Maßgabe, »Wem« geglaubt werden könne im Sinne eines Vertrauensaktes, der »das Zentrum und die tragende Achse des Glaubens« sei (555). Von hier aus erschließe sich konsequent die Bedeutung der expliziten Glaubenssätze des Bekenntnisses. Zugleich macht Beintker deutlich, wie sehr Glaube und Theologie in unserer Zeit |11|herausgefordert sind, die alten und allzu dichten Formulierungen mit dem anzureichern, was als theologisch in einer konkret zeitbezogen Weise geboten ist und zugleich als Bekenntnisinhalt intersubjektiv – im Sinne der communio sanctorum – diskutabel bleiben muss. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf »bestimmte Unverträglichkeiten mit den Aussagen des Glaubensbekenntnisses, vor denen man nicht einfach die Augen verschließen darf« (563).

Am Schluss des Bandes nehmen Anne Käfer und Jörg Frey diese von Beintker aufgeworfene Problematik in der Sache auf und blicken aus der Perspektive der Herausgeber noch einmal zurück auf das Gesamtprojekt. Mit einem exemplarischen und sehr anschaulichen Bezug auf eine recht komplexe Bekenntnissituation im Schweizer Kontext thematisiert Jörg Frey die Schwierigkeiten, mit denen sich Menschen heute im konkreten Umgang mit dem Bekenntnis konfrontiert sehen. Er stellt dabei die Verantwortung der Kirchen und ihrer ordinierten Theologinnen und Theologen heraus, mit »hermeneutischem Sachverstand« dazu beizutragen, dass das Bekenntnis in seiner für den Glauben integrativen Funktion vor dem Hintergrund gegenwärtiger Wirklichkeitserfahrung und -deutung verstehbar werde und darin die Freiheit des Evangeliums zur Geltung komme. Anne Käfer unterlegt diesen »Nutzen des Apostolikums« für das Glaubensleben mit systematischen Überlegungen unter der Perspektive des Taufgeschehens als einer Sünde und Tod überwindenden Wirklichkeit, die das Leben der Glaubenden nachhaltig bestimmen soll. Daher ist das Apostolikum gerade als Taufbekenntnis[3] auf die Verkündigung des Evangeliums als interpretierendes Geschehen angewiesen und kann – eingebunden in dieses Interpretationsgeschehen – zu einer Lektüre biblischer Texte anleiten, »die das Evangelium nicht mit lebensbeschränkenden Forderungen verwechselt, sondern als befreiend erlebt« (578).

Auch wenn in den beiden Konferenzen nicht alle denkbaren Aspekte behandelt werden konnten, so liegt nun mit den beiden »Credo-Bänden« eine durchaus ambitionierte, facettenreiche und vor allem konsequent interdisziplinäre Gesamtdeutung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses vor, das wohl schon aufgrund seines verbreiteten Gebrauchs das bekannteste und wichtigste Bekenntnis der Kirche sein dürfte. Die beiden Bände bringen sehr unterschiedliche Perspektiven auf die einzelnen Topoi miteinander in ein mitunter |12|recht kontroverses Gespräch und ermöglichen hoffentlich in einer breiten Rezeption eine neue Weise der Annäherung an alte Inhalte. Das gilt auch und wohl vor allem für diejenigen, die als Studierende der Theologie auf ihrem Weg ins Pfarramt auf die Bekenntnisse der Kirche ordiniert oder als Religionslehrerinnen und Religionslehrer mit der Vocatio durch die Landeskirchen doch zumindest auf diese Bekenntnisse vor ihrem Gewissen verpflichtet werden. Wer, wenn nicht sie, müsste sprachfähig werden, um darüber in den jeweiligen Berufsfeldern zeitgemäß Auskunft geben zu können! Und zwar so, dass Menschen in den Bekenntnissen nicht (nur) verstaubte Inhalte sehen, die man eben irgendwie glauben müsse, um Christ oder Christin sein zu können. Vielmehr geht es darum zu entdecken, welchen weiten Raum des Glaubens und des theologischen Denkens Bekenntnisse eröffnen, welche Möglichkeiten und Ermutigungen, den je eigenen Glauben zu formulieren und bewusst mit dem »Glauben der Alten« in einen kritischen und innovativen Dialog zu bringen. Die von Anne Käfer und Jörg Frey formulierten und jedem thematischen Teil vorangestellten Leittexte sowie die sich an die Themenbeiträge anschließenden Fragen zu weiterführender theologischer Arbeit sollen insbesondere Studierenden der Theologie Anregungen geben, den Weg eigener Entdeckungen mit dem Bekenntnis zu beschreiten.

Schließen möchte ich mit einer persönlichen Bemerkung. Als ich selbst mich vor mehr als dreißig Jahren auf das erste theologische Examen vorbereitete, ist mir ein Satz aus einer Vorlesung zu den lutherischen Bekenntnisschriften besonders in Erinnerung geblieben, dessen Bedeutung mir zwar zunächst verschlossen blieb, der aber für mein theologisches Arbeiten wie für meine Glaubensweise dann zunehmend wichtig geworden ist: Bekenntnisse seien dazu da, sich selbst überflüssig zu machen.[4] In jemandem, der »Theologie |13|durchaus studiert, mit heißem Bemühn«[5], regt sich natürlich sofort der Widerspruch: Bekenntnisse sind doch schließlich die Grundlage des Glaubens und der Kirche, auf die man ordiniert wird und damit eine bleibende Verbindlichkeit erlangen. Warum um alles in der Welt sollten sie sich selbst überflüssig machen? Vielleicht helfen ja die Beiträge der beiden »Credo-Bände«, gerade diese Dimension des Bekenntnisses zu entdecken und sie als Herausforderung anzunehmen. In seinem Beitrag zu diesem Band spricht Michael Beintker etwas ganz Ähnliches an, wenn er im Hinblick auf Theologinnen und Theologen von der lebenslangen Aufgabe des Glaubens spricht, nämlich zu lernen, was es mit dem Bekenntnis und den darin formulierten Verheißungen auf sich hat: »Die Beschäftigung mit dem Glaubensbekenntnis ist nicht das Privileg von Theologinnen und Theologen, aber gerade Theologinnen und Theologen sollten sich auf diesen lebenslangen Lernprozess einstellen. Weil sie durch ihr Studium und ihre Profession über gewisse Erkenntnisvorsprünge verfügen und ihnen beachtliche Theoriestrategien zur Verfügung stehen, können sie schneller übersehen, dass auch sie Lernende bleiben und mit dem Entdecken und Verstehenwollen nicht aufhören dürfen« (566).

Ehe die Lektüre der Beiträge begonnen wird, sei noch auf vier Abkürzungen hingewiesen, die vielleicht nicht allen Lesenden so geläufig sind wie den Autorinnen und Autoren. Diese verweisen vielfach auf Artikel aus den beiden großen theologischen Lexika TRE (Theologische Realenzyklopädie, Berlin/New York 1977–2004) und RGG (Religion in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 1998–2007). Die Abkürzungen BSLK und BSELK weisen auf zwei unterschiedliche Ausgaben der lutherischen Bekenntnisschriften hin, die beide in Göttingen erschienen. Die ältere Edition trägt den Titel »Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche« (BSLK) und stammt aus dem Jahr 1930. 2014 wurde eine vollständige Neuedition unter dem Titel »Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche« (BSELK; hg. v. I. Dingel) publiziert.

Die Rede von Gott Vater und Gott Heiligem Geist als Glaubensaussage

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