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FRIEDRICH-CHRISTIAN STAHL Generaloberst Wilhelm Adam
ОглавлениеZu den herausragenden Persönlichkeiten des Reichsheeres gehörte Generaloberst Wilhelm Adam. Am 15. September 1877 als Sohn eines Kaufmanns in Ansbach geboren, trat er 1897 in das bayerische Eisenbahnbataillon ein. Von 1907 bis 1910 besuchte er die Kriegsakademie in München. Im Ersten Weltkrieg war Adam nach kurzem Frontdienst Generalstabsoffizier bei ausschließlich im Westen eingesetzten Kommandobehörden. Nach dem Krieg unterrichtete er als Verbindungsoffizier der nach Bayreuth geflüchteten bayerischen Staatsregierung die Reichswehrführung in Berlin über die Räteregierung Eisners in München und löste damit die Maßnahmen zur militärischen Befreiung Münchens durch Reichswehr- und Freikorpstruppen aus. Als Bataillonskommandeur in Passau bildete sich Adam frühzeitig ein Urteil über die politische Tätigkeit Hitlers und nahm sich Urlaub, um den Prozeß gegen Hitler und Ludendorff nach dem gescheiterten Putsch vom 9. November 1923 an Ort und Stelle zu verfolgen. An diesem Tage war er mit seinem Bataillon nach München befohlen worden und – nicht wissend, was sich an der Feldherrnhalle ereignet hatte – vom Bahnhof Moosach aus „mit klingendem Spiele“ auf die Stadt zumarschiert.1
1924/25 leitete Adam in Berlin „die Weiterbildung der zahlreichen Generalstabsoffiziere des Reichswehrministeriums“ und erarbeitete operative Studien für den Chef des Truppenamtes.2 Anschließend war er bis zum Frühjahr 1928 Chef des Stabes der 7. Division (Wehrkreiskommando VII) in München, Kommandeur des 19. Infanterieregiments, dessen Bataillone im Süden Bayerns lagen, und schließlich Chef des Stabes des Gruppenkommandos 1 in Berlin. Von General Otto Hasse wurde er 1930 „als begnadeter Soldat“ beurteilt.3
Am 1. Oktober 1930 wurde Adam Chef des Truppenamtes, das ähnliche Aufgaben wie der frühere preußische Große Generalstab wahrnahm. Damit war Adam der erste bayerische Offizier, der im deutschen Heer für die Entwicklung des militärischen Führungsdenkens die Verantwortung trug. Neben den für die Führungsprobleme, die Organisation, die Nachrichtenbeschaffung und die Ausbildung zuständigen Abteilungen unterstand Adam die „Völkerbundsabteilung Gruppe Heer“, die die militärischen Gesichtspunkte für die Verhandlungen in Genf erarbeitete. Als Amtschef erlebte Adam die „aufreibenden Ressortkämpfe“ zwischen den Ämtern.4 Von seinen Untergebenen wurde er außerordentlich geschätzt. Manstein überliefert, daß Adam „jedes partikularistische Denken fremd“ war und daß er „ausgesprochen großzügig, klar in seinem Urteil und schnell in seinem Entschluß“ war.5
Von großer Bedeutung waren während Adams Amtsführung die Kontakte zur Roten Armee, die die Ausbildung von deutschen Offizieren in den dem Reichsheer verbotenen Waffengattungen (Flieger-, Panzer- und Gastruppen) ermöglichte und führenden Persönlichkeiten der Roten Armee und des Reichsheeres Gelegenheit bot, miteinander in Gedankenaustausch zu treten und an beiderseitigen Truppenübungen als Zuschauer teilzunehmen. Er selbst führte in Rußland Gespräche mit hohen Militärs. Besonders beeindruckt war er „von der starken Persönlichkeit“ des Kriegskommissars Woroschilow, „der – früher Metallarbeiter – nicht nur eine der größten Machtstellungen der Sowjetunion innehatte, sondern auch auf einer erstaunlichen geistigen Höhe stand“6. Unverblümt gab Woroschilow Adam zu verstehen, daß ebenso wie die Reichswehr „auch die Sowjetunion sich mit den jetzigen Grenzen Polens nicht abfinden werde“7. Rückblickend ist es erstaunlich, daß in dieser Zeit „bei aller politisch-ideologischen Gegensätzlichkeit doch ein relativ großes Vertrauensverhältnis zwischen den führenden Militärs beider Länder“ bestand.8
Adam imponierte seinen Untergebenen nicht nur durch seine Urwüchsigkeit und sein lebhaftes Temperament, sondern überzeugte sie vor allem durch die weitblickende Leitung und Anlage seiner Generalstabsreisen und Planspiele, zu denen er gelegentlich Spitzenpersönlichkeiten des Auswärtigen Amts heranzog, um so den Primat der Politik zu demonstrieren und in geschickter Rollenverteilung durch jüngere Diplomaten auch die Gedanken der Umliegerstaaten und Großbritanniens zu Wort kommen zu lassen.9 Zudem sorgte er dafür, daß die „Gruppe für Kriegstechnik“ in der Ausbildungsabteilung entstand.10 Ebenso setzte er sich im Herbst 1932 für die Wiedereinrichtung des deutschen Militärattachédienstes ein.11 Als höchster Fachvorgesetzter der Generalstabsoffiziere war Adam bestrebt, besonders talentierte Offiziere wie Jodl zu fördern.12 Um die Ausbildung zu Generalstabsoffizieren von zentraler Stelle aus besser leiten zu können, wurden im Oktober 1932 statt der bisher bei einzelnen Wehrkreiskommandos durchgeführten „Führergehilfenlehrgänge“ die „Offizierlehrgänge Berlin“ eröffnet, aus denen 1935 die Kriegsakademie entstand.13
Als General vom Blomberg nach der Regierungsübernahme Hitlers die Reichswehr zu einem dem Nationalsozialismus verbundenen Machtinstrument zu formen bestrebt war, kämpfte Adam darum, der Heeresführung die bisherige Spitzenposition auf dem Gebiet der operativen Planung zu erhalten und sich gegen Blombergs und Reichenaus Bemühen zu wehren, diese Führungsposition für sich zu beanspruchen. In einer von Blomberg geforderten Denkschrift über die militärische Lage Deutschlands vom März 1933 schätzte Adam den Kampfwert der illegal ausgebildeten Grenzschutzverbände als äußerst gering ein.14 Die Tätigkeit der Wehrverbände bezeichnete er sogar als „Soldatenspielerei“15. Adam kam in seiner Lagebeurteilung zu dem Ergebnis, daß Deutschland zur Zeit keinen Krieg führen könne und ihn daher „selbst um den Preis diplomatischer Niederlagen“ vermeiden müsse: „Wir müssen uns hüten vor Fanfaren, die den Feind unnötig reizen und das eigene Volk trunken machen.“16 Zunächst hatte Adam 1933 noch zu hoffen gewagt, daß in solchen Revolutionszeiten „zuerst der Schmutz an die Oberfläche“ treibe, „um später wieder zu Boden zu sinken“17. Schon bald witterte er die Gefahren, die Deutschland durch Hitler und seine Parteigänger drohten. Adam hat die politische Entwicklung stets mit kritischen Augen verfolgt. Er sollte daher auch nicht als „strikt unpolitischer Offizier“ bewertet werden, wie Walter Görlitz schrieb.18
Im Sommer 1933 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Blomberg und Adam so, daß Hammerstein letzterem den Befehl über den Wehrkreis VII mit der Begründung übertrug, daß er „als Befehlshaber des Münchener Wehrkreises einen Mann haben“ wolle, auf den er sich „totsicher verlassen“ könne.19 Danach hatte Adam in der „Hauptstadt der Bewegung“ gegenüber den Repräsentanten von Staat und Partei sowie den Stadtoberhäuptern, „die damals alle schon nazisiert waren“20, die Interessen der Wehrmacht zu vertreten. Nach eigenem Bekunden rang er darum, seine „dienstliche Stellung in der Öffentlichkeit zu wahren (…) – gerade in einer Zeit, da sich minderwertige Elemente empordrängten“21. An den in Berlin getroffenen politischen Entscheidungen weiterhin interessiert, war der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund für Adam „der erste Schritt ins Verderben“22.
Auf einer gemeinsamen Dienstfahrt vertraute Blomberg Adam an, daß sein Kandidat als Nachfolger Hammersteins, Reichenau, bei Hindenburg keine Gegenliebe gefunden habe, während dessen Kandidat – Adam glaubt, es sei Kleist gewesen – von Blomberg nicht die erforderliche Gegenzeichnung erhielt, so daß man sich schließlich auf Fritsch einigte.23 Zugleich erfuhr Adam, daß Hitler nach dem Tode Hindenburgs an die Spitze des Reiches treten wolle und die Reichswehr auf ihn vereidigt würde.24
Den 30. Juni 1934, den Tag der Ermordung Röhms und anderer SA-Führer, erlebte Adam in München in höchster Alarmbereitschaft. Auf Grund seines eigenen Lagebildes hütete er sich, sich und die ihm unterstellten Truppen in eine unsichere Situation zu begeben. Mit Hitler traf er an diesem Tag nicht zusammen, sondern erhielt von ihm über Major Vincenz Müller die knappe Erklärung über die als „reine Sache der Partei“ bezeichnete Aktion und den Hinweis auf eine Beteiligung der ebenfalls ermordeten Generale von Schleicher und von Bredow.25 Zugleich ließ Hitler Adam wissen, daß für ihn „das Heer der einzige Waffenträger des Reiches“ sei.26 Von Berlin über die Lage ungenügend orientiert, wollte Adam gegen die in Dachau exekutierende SS vorgehen. „Fassungslos“ erfuhr er aber von Sepp Dietrich, daß sein Exekutionskommando den Auftrag habe, ohne jedes Gerichtsverfahren „alle festgenommenen SA-Führer zu erschießen“27; Adam blies daraufhin das Dachauer Unternehmen ab.
Nach Hindenburgs Tod fand im Herbst 1934 die Verdoppelung des Reichsheeres statt. Dabei richtete Adam sein Hauptaugenmerk auf die Einrichtungen der neuen Unterkünfte und auf die Erziehung des Offizierskorps, das durch die Übernahme von Landespolizeioffizieren, Reaktivierung ehemaliger Offiziere, Beförderung von Unteroffizieren zu Offizieren, kürzere Ausbildung des Offiziersnachwuchses in kürzester Zeit verstärkt wurde und durch die Einrichtung des Ergänzungs-Offizierskorps eine neue Struktur erhielt.
1935 zum Oberbefehlshaber eines Gruppenkommandos vorgesehen und darüber informiert, erhielt Adam dann aber durch den Chef des Personalamts die Mitteilung, daß er im Herbst verabschiedet würde. Damit wurde Blombergs mehrfach vorgebrachter Grundsatz durchgesetzt, daß „jeder Offizier (…) zum Nationalsozialismus eine positive Haltung einnehmen“ müsse und daß „ein General, der das nicht will, (…) rücksichtslos entfernt werden“ müsse, „und wenn er der Beste wäre“28. Doch änderte Blomberg nochmals seine Absicht, indem er Adam für die Leitung der im Herbst 1935 zu gründenden Wehrmachtakademie vorsah. Nur mit Mühe gelang es Fritsch, dafür Adams Zustimmung zu erwirken. Nach ruhiger Überlegung sah auch er in der neuen Aufgabe „eine große Lockung“, hatte er es doch „von Jugend an geliebt (…) zu lehren“. Zudem empfand er den „besonderen Reiz“, sich bei seiner Lehrtätigkeit „in der hohen Atmosphäre militärischen und politischen Denkens und in den Bahnen der Strategie höherer Art zu bewegen“29. Als Lehrkräfte wurden nebenamtlich Fachleute aus allen militärischen Bereichen herangezogen. Dazu kamen „hohe Beamte aller Ministerien, Diplomaten, Universitätsprofessoren, Wirtschaftler, Gelehrte auf allen Gebieten“30. Adam selbst reservierte sich einen Tag in der Woche für das Thema „Kriegführung“. Dabei widmete er den „schwierigen Problemen des Führungsapparates und -‘Organismus’ sein besonderes Augenmerk“31. Planspiele32, Vorträge der Lehrgangsteilnehmer und gemeinsame Reisen gehörten ebenfalls zum Programm der Akademielehrgänge.
Wie schon bei seinen Planspielen als Chef des Truppenamtes lehrte Adam „den Primat der Politik“ und beschwor seine Hörer, „daß die richtige Beurteilung der eigenen und gegnerischen Ausgangsposition für eine erfolgreiche Kriegführung ausschlaggebend sei“33. Militärischen Wunschvorstellungen – von welcher Seite sie auch kamen – trat er grundsätzlich entgegen. Der sich hinziehende Kampf um die Spitzengliederung ließ das Interesse der Wehrmachtteile an der Weiterbildung von erfahrenen General- und Admiralstabsoffizieren erkalten, so daß die Wehrmachtakademie schon kurz nach dem 4. Februar 1938 ihr Dasein beendete.
Im Zuge der personellen Änderungen nach der Eingliederung des österreichischen Bundesheeres in die Wehrmacht kam Adam, der fest mit seiner Verabschiedung gerechnet hatte, auf Vorschlag Keitels auf die Stelle des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe 2 in Kassel.34 Als solcher hatte er die ihm im Kriegsfall unterstehende deutsche Westfront durch den Bau von Befestigungsanlagen verteidigungsbereit zu machen. Bereits im Mai 1938 unternahm er mit 30 Generälen eine operative Reise, bei deren Schlußbesprechung er die Umwälzung in der neuen Kriegführung herausstrich, die durch den Einsatz von Panzerarmeen und ihre Abwehr verursacht würden. Am 31. Mai teilte Brauchitsch, der neue Oberbefehlshaber des Heeres, Adam den Befehl Hitlers mit, „die Westgrenze blitzartig durch ein etwa der Grenze folgendes Bunkersystem zu festigen“. 10.000 Bunker und 2500 andere Werke müßten bis zum Herbst fertiggestellt sein. Auf Adams Zornausbruch über diesen undurchführbaren Befehl antwortete Brauchitsch mit der die Stellung Hitlers und die Abhängigkeit der militärischen Führung von ihm charakterisierenden Erwiderung, dies sei ein „Führerbefehl“35. Trotz der ersten Ablehnung des laienhaften Auftrages führte Adam diesen dann doch mit großem Eifer aus, freilich mit der von ihm verantwortbaren Gründlichkeit bezüglich Auswahl und Qualität der Anlagen.
Auf einer zum 4. August 1938 einberufenen Sitzung der Oberbefehlshaber und Kommandierenden Generale berichtete Adam im Anschluß an General Becks Beurteilung der Lage von dem völlig ungenügenden Zustand und Verteidigungswert des Westwalls und seiner Bemannung und versprach Brauchitsch, diesen Standpunkt auch Hitler gegenüber zu vertreten. Bei einer Besichtigungsfahrt Hitlers am 27. August 1938 wies Adam in einem Lagevortrag darauf hin, daß „der von Hitler geforderte Ausbau des Westwalls (…) für dieses Jahr bei weitem nicht erreicht“ werden könne.36 Hitlers Luftwaffenadjutant erinnert sich: „Die ganze Verachtung, die er für Hitler empfand, war weder zu übersehen noch zu überhören. Hitler brach den Vortrag abrupt ab.“37 Hitlers Wunschdenken und die Meinung der bei einer Mobilmachung im Westen vorgesehenen Armeeführer über die politischen und militärischen Aussichten klafften weit auseinander. Im Frühherbst 1938 erklärte sich Adam dann bereit, an einer Verschwörung gegen Hitler teilzunehmen.38 Als diese infolge des Münchener Abkommens illusorisch geworden war, teilte er Ende Oktober Brauchitsch mit, daß er gewillt sei, 61jährig seinen Abschied zu nehmen. Brauchitsch und Hitler stimmten der Entlassung Adams unter Verleihung des Charakters als Generaloberst zum 31. Dezember 1938 zu.39 Obwohl seit dem 1. Januar 1939 zur Verfügung des Heeres (z. V.) gestellt und weiterhin in den geheimen Dienstalterslisten des Heeres 1940–1944 geführt, erhielt Adam während des Zweiten Weltkrieges kein Kommando. Auch in die Widerstandsaktivitäten der Männer des 20. Juli wurde er nicht einbezogen. Ein von Hitler so gehaßter Mann wurde zweifellos von der Gestapo laufend beobachtet und kam daher für eine aktive Rolle im Widerstand kaum in Frage.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er beide Söhne verlor, schrieb Adam auf Anregung einer amerikanischen Journalistin seine Erinnerungen nieder, womit er schon 1939 begonnen hatte. Doch gab er sie nach ihrer Fertigstellung im Dezember 1945 nicht zur Veröffentlichung frei, da er einerseits mit seinem Werk nicht zufrieden war und andererseits in den von US-Brigadegeneral William Draper bekanntgegebenen wirtschaftspolitischen Plänen „die kaltblütige Erdrosselung des deutschen Volkes“ sah. Trotzdem blieb er davon überzeugt, daß seine Erinnerungen „ein Dokument dieser schrecklichen Zeit bleiben“ würden.40 Adam starb am 8. April 1949.