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Einleitung

Die Krankheit und der Tod seiner Schwester verstärkten die Zweifel, die Andreas (30) früher schon am Glauben hatte. „Mein Problem ist, ich habe einfach kein Vertrauen zu Gott. Ich verstehe ihn nicht. Ich verstehe seine Wege nicht, die ich verstehen möchte. Aber Gott hat sie mir nicht erklärt. Und so funktioniert eine Beziehung irgendwie nicht.“1

Was würden Sie einem Menschen wie Andreas sagen? Warum sollte er weiterhin an Gott glauben? Oder lassen Sie mich noch allgemeiner fragen: Warum sollte man überhaupt an den Gott glauben, von dem Christen sagen, er sei die Liebe in Person – der aber trotzdem zulässt, dass Andreas’ Schwester an einem Hirntumor verstirbt? Und es ist leider kein Geheimnis: Dieser Leidensweg steht exemplarisch für viele (!) weitere. Wie begegnen wir solchen Menschen, die es verdient haben, einen angemessenen Raum für ihre nachvollziehbaren Fragen und Anklagen zu bekommen?

Ich gebe ehrlich zu: Ich kann hier keine wirkliche Hilfe sein. Nicht, weil ich als Christ keine Antwort auf die Leidfrage hätte, sondern weil ich weiß, dass es meiner Antwort eindeutig an leidgeprüfter Reife fehlt. Ich wäre wie der Junggeselle, der einem befreundeten Paar Tipps für eine gelingende Ehe geben soll. Einige Gedanken könnte ich zwar beisteuern, aber wirklich wohl in meiner Haut würde ich mich dabei nicht fühlen.

Gerade das macht meinen Antwortversuch, würde ich ihn bringen, gefährlich. Denn Leiderklärungen entpuppen sich oft als kaltherzige und am wahren Leben vorbeigehende Gedankenakrobatik, auch wenn sie gut gemeint sind. Genau das geht aber am Kern des christlichen Glaubens stumpf vorbei. Mihamm Kim-Rauchholz, Professorin für Neues Testament und Griechisch an der Internationalen Hochschule Liebenzell, stellt ganz richtig fest:

Der christliche Glaube flieht nicht vor der Realität des Lebens, er entfaltet seine Stärke und sein Potenzial mitten im Leben. Seine Relevanz wird nicht in einem abgeschotteten Elfenbeinturm der theologischen Gedankengänge bewiesen – so wichtig und richtig diese auch sein mögen –, sondern da, wo die eigene Existenz betroffen ist und mit auf dem Spiel steht.2

Ich sehe in diesen Worten zwar viel Wahrheit, mich aber trotzdem nicht dazu in der Lage, Menschen in ihrem größten Leid die biblische Devise spürbar ins Herz zu sprechen: „Trauert nicht wie die Menschen, die keine Hoffnung haben.“ (1. Thessalonicher 4,13) Das können, davon bin ich fest überzeugt, nur die wirklich Leidgeprüften. Menschen, die trotz existenzieller Not ehrlich von sich sagen können: „Ich höre nicht nur vom Leid, ich stecke bis über beide Ohren darin fest. Trotzdem und gerade deshalb halte ich weiterhin an diesem Gott fest.“

Acht von diesen Menschen, acht nach wie vor überzeugte Christinnen und Christen, kommen in diesem Buch zu Wort. Sie lassen uns teilhaben an ihren bitteren Leidenswegen und ihren denk-würdigen Antworten, warum sie dennoch glauben. Ihre Gedanken sollen der Versuch sein, gerade denjenigen zu begegnen, die angespannt mit der ehrlichen Frage ringen: „Warum sollte ich Gott nicht eiskalt den Rücken kehren, wenn er doch genau das Gleiche bei mir macht?“ Darüber hinaus will dieses Buch allerdings auch ein Denkangebot für diejenigen sein, die aus der interessierten (oder gerne auch skeptischen) Distanz fragen, was einem der Glaube an den Gott, der uns in Jesus begegnet, eigentlich bringt – gerade in den Tiefzeiten des eigenen Lebens, die sich niemand von uns wünscht, die aber alle unweigerlich treffen.

Aus welcher Sicht Sie dieses Buch auch lesen mögen: Ich wünsche Ihnen in jeder Hinsicht eine gewinnbringende Lektüre.

Stephan Lange, im Herbst 2021

1 Faix, Tobias; Hofmann, Martin; Künkler, Tobias (2019). Warum ich nicht mehr glaube: Wenn junge Erwachsene den Glauben verlieren. SCM Brockhaus. S. 114.

2 Kim-Rauchholz, Mihamm (2021): Warum ein lebendiger Glaube nur im Leben selbst gelernt werden kann. SMD-Transparent 01/2021. S. 5.

Warum ich trotzdem glaube

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