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2. Transgression – Hybridisierung – Konvergenz

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… eine Fußnote zu Homer

Der Blick auf Homers Epen zeigt die lange Geschichte der Intermedialität. Dies gilt für die Unterscheidung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, für die Beschreibungskunst (Ekphrasis), den Paragone der Künste als Form der poetologischen Selbstreflexion, schließlich für die Spiegelungs- und Potenzierungsphänomene, die sich in der triangulären Form der Mimesis einer Performanz einer Mimesis konstellieren. Sie alle werden in der Geschichte der Intermedialität wie im Verlauf dieser Darstellung einen breiten Raum einnehmen. In Abwandlung eines berühmten Diktums Whiteheads über Homer könnte man sagen: Die Geschichte der Intermedialität besteht aus einer Reihe von Fußnoten zu Homer (vgl. Whitehead 1979, 91). Dies hat unmittelbar wie mittelbar mit der Geltung Homers und der von ihm geprägten literarischen Reihe zu tun, in der Vergils Aeneis eine entscheidende Vermittlungsrolle spielt. Es hat aber auch zu tun mit der ‚Endlichkeit‘ und Beharrlichkeit der intermedialen Formen und Topoi selbst (‚Topos‘ hier verstanden im Doppelsinn von semantischen Komplexen, die in Texten einen wiederkehrenden ‚Ort‘ besetzen). Intermediale Genres und Strukturtopoi wie die Schildbeschreibung strahlen weit in die moderne Literatur aus. Sie inspirieren die bildenden Künste zu Rekonstruktionen und Reproduktionen, an denen sich im 18. Jahrhundert eine Debatte über das Verhältnis von Bild und Text entzündet.

das Laokoon-Projekt

Eine historische Wasserscheide für die Diskussion um Intermedialität bzw. Interartialität (IV.3) stellt Gotthold Ephraim Lessings Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766) dar (II.3). Der Schild des Achill wird zum Kronzeugen einer Theorie der Dichtung als Verlaufsform, die „das Coexistierende seines Vorwurfs in ein Consecutives verwandelt.“ (Lessing 1990 [1766], 134) Diese Unterscheidung wird semiotisch, durch die innere Zeichenorganisation der Dichtung, begründet. Die Zeichen müssen dazu „ein bequemes [d.h. passendes; J.R.] Verhältnis zu dem Bezeichneten haben“ (ebd. 116; vgl. Stierle 1984). Ein auf Sukzession beruhendes „Zeichenverbundsystem“ (Wirth 2005 und 2006) muss sich auf die Darstellung sukzessiver Vorgänge (Handlungen) beschränken. Lessings Laokoon bleibt für die weitere Theorieentwicklung – im Grunde bis heute – das entscheidende Referenzwerk (zur Rezeption Nisbet 1979; vgl. auch III.1 zum ‚neuen Laokoon‘). Attraktiv und anschlussfähig war vor allem sein Rekurs auf die Semiotik des 18. Jahrhunderts (Wellbery 1984), die in der Ära der postmodernen Theoriebildung zahlreiche Versuche hervorbrachte, das „Laokoon-Projekt“ im Abgleich v.a. mit der Semiotik eines Charles Sanders Peirce fortzuschreiben (Gebauer 1984; Baxmann/Franz/Schäffner 2000). Diese Aktualität gründet auf den zentralen Grenzziehungen, die Lessing in den Kapiteln 16 und 17 vornimmt. Erst neuere Untersuchungen, die den Laokoon als Ganzes in den Blick nehmen, haben die Komplexität, Widersprüchlichkeit und Offenheit dieser „unordentlichen Collectanea“ (Lessing 1990 [1766], 15) gezeigt. Lessing bietet gewissermaßen nebenbei eine Theorie der ästhetischen Autonomie, eine Ästhetik des Hässlichen und eine Theorie der Musik (Robert/Vollhardt 2013). Seine polemische Spitze richtet sich dabei gegen die Theorie der „malenden Dichtung“ (d.h. der Beschreibung), wie sie poetisch von Barthold H. Brockes, Albrecht von Haller, Ewald von Kleist u.a., poetologisch von Joh. J. Bodmer und Joh. J. Breitinger vertreten wurde. Lessing tritt nun an, „die Grenzen der Malerei [unter Einschluss der Plastik; J.R.] und Poesie“ (Titel) zu bestimmen. Die Suche nach den spezifischen Differenzen schließt logisch die nach einer Theorie der Kunst insgesamt ein, aus der sich dann die Einzelkünste ableiten und ausgliedern lassen (Robert 2013a).

Sentimentalische Mediengeschichte

Für die Intermedialitätsforschung ist der Laokoon ein ambivalentes Dokument: Eine semiotische Theorie der Intermedialität (Wirth 2006) findet im Laokoon ihr historisches Manifest (Gebauer 1984; Baxmann/Franz/Schaffner 2000). Andererseits bedeutet Lessings Grenzziehung auch einen Sündenfall, der die Einheit der Medien und Künste in Frage stellt und dem Programm der konzeptuellen Mischung und „Aufpfropfung“ zweier Zeichensysteme (vgl. III.5) eine klare Absage erteilt. Von der intermedialen Warte aus ist die „malende Dichtung“ ja ein progressives Konzept, das die Konvergenz der Künste im Zeichen des Horazischen ut pictura poesis-Grundsatzes betont (vgl. II.1). Tatsächlich neigt die Intermedialitätsforschung bisweilen zu einer Mediengeschichtsschreibung, die man mit Schiller ‚sentimentalisch‘ nennen könnte. Ihre elegische Grundfigur – die Unterscheidung von Einheit (der Medien, Künste) und Trennung – bezieht sie aus Schillers Schrift Über naive und sentimentalische Dichtung. In beiden Fällen besetzt die Antike die Position der idealen, inzwischen verlorenen Einheit. In der Antike, so schreibt Jürgen E. Müller, bildeten „Musik und Dichtung […] eine untrennbare Einheit […], die demzufolge auch keine getrennte Theoriebildung für beide Bereiche forderte.“ (Müller 1998, 33) Diese Phase einer gleichsam ‚naiven‘ Medienintegration wird beginnend mit Lessing und den „moderne[n] wissenschaftliche[n] Differenzierungen, Arbeitsteiligkeiten und Spezialisierungen“ aufgehoben. Hier mag man an Schillers Kulturkritik im sechsten Ästhetischen Brief denken, die gleichfalls auf die „Scheidung der Wissenschaften“ und die „Absonderung der Stände und Geschäfte“ abhebt (HA, Bd. 5, 583). Schon Wagners Theorie des Gesamtkunstwerks hatte an diese spezifisch Schillersche Kulturkritik angeschlossen und sie in eine Medienkritik umgeformt. Das ‚Gesamtkunstwerk‘ ist der Versuch, im kollektiven Zugriff die Kränkungen und Fragmentierungen der Moderne zu kompensieren und zur präsupponierten Einheit der Künste in der Antike zurückzukehren. Lessings Laokoon steht in dieser Lesart für die moderne Absonderung aller Künste, ein ästhetisches Korrespondenzphänomen zur kulturkritischen großen Erzählung. Diese Fragmentierung aufzuheben und im Laokoon-Trauma das ästhetische Trauma und die Ursünde der Moderne zu überwinden oder zumindest wissenschaftshistorisch zu kompensieren, ist das Ethos der Intermedialitätsforschung. Auf neuer, ‚sentimentalischer‘ Basis muss die Zergliederung der Medien durch eine neue „intermediale Öffnung und eine Revision traditioneller Poetologien und Medientheorien“ (Müller 1998, 32) ersetzt werden, die darauf zielt, die verlorene Einheit einer hypostasierten antiken Gesamtkunst durch reflektierte Hybridisierungen und Transzendierung des Gattungs- und Medienkanons wiederzugewinnen.

Pathos der Transgression

Als die Intermedialität in den 1990er Jahren die Bühne der Methodendiskussion betritt, tut sie dies mit der Verheißung, in der Wirklichkeit der modernen Medien – das Internet erlebt gerade seinen Aufstieg – jene Trennungen und Vereinzelungen zu überwinden, die sich mit der Laokoontischen Differenz verbanden. An die Stelle der Ur-Teilung tritt das multi- bzw. intermediale ‚Ur-Ei‘. Diese Auffassung kristallisiert sich in Gilles Deleuzes viel zitiertem Ausspruch: „Es gibt kein Kunstwerk, das nicht seine Fortsetzung oder seinen Ursprung in anderen Künsten hat.“ (Deleuze 1986, 26; im Original frz.) Aus dieser Verheißung einer neuen, post-modernen Einheit aller Medien nach dem Ende der politischen Grenzerfahrungen zieht die frühe Intermedialitätsforschung ihr Pathos der Transgression. In seinem klassischen Aufsatz verbindet Werner Wolf seine Forderung nach einer ‚literaturzentrierten‘ Intermedialitätsforschung mit Vorstellungen der „Grenzüberschreitungen zwischen Wortkunst und anderen Medien.“ (Wolf 1996) Intermedialität verheißt Befreiung aus medialem Solipsismus und Antagonismus, das Verlassen des literaturzentrierten Elfenbeinturms. Es ist die Emphase des Gründervaters McLuhan, der bereits in der sechziger Jahren nicht müde wird zu betonen: „Our time is a time for crossing barriers, for erasing old categories – for probing around.“ (McLuhan/Fiore 1967, 10)

Synthese vs. Diskrepanz

Von hier aus lassen sich zwei Orientierungen ausmachen. Auf der einen Seite steht eine harmonistische, synthetisierende Vision, die der Idee des Gesamtkunstwerks verpflichtet bleibt. Auf der anderen die der Konfrontation, der – im positiven Sinne – medialen Friktion des Diskrepanten oder Hybriden. Während die erste Position versucht, die mediale Ur-Teilung zu revidieren und Divergenz in ‚Konvergenz‘ (Jenkins 2006) aufzuheben, steht die andere auf dem Boden der Laokoontischen Unterscheidung: Denn nur das Differente und Heterogene kann, aufeinander bezogen, jenen ästhetischen Mehrwert generieren, der aus der intermedialen Reibung entspringt: „Ein mediales Produkt wird dann inter-medial, wenn es das multi-mediale Nebeneinander medialer Zitate und Elemente in ein konzeptionelles Miteinander überführt, dessen ästhetische Brechungen und Verwerfungen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens eröffnen.“ (Müller 1998, 32)

Hybridisierung und Transgression

Diese Sichtweise verdankt viel dem Impuls Marshall McLuhans, der in Understanding Media (McLuhan 1992, 65–73) eine Theorie der Intermedialität vorgelegt hat, die nicht auf Konvergenz, sondern auf Konfrontation und Reibung setzt (vgl. III.3). Schon seine Metaphorik verweist auf Erfahrungen des (Kalten) Krieges. Martialisch spricht McLuhan von einem „Bürgerkrieg“ zwischen den neuen Medien Kino, Radio, Tonfilm. Aus ihm geht jedoch ein positiver Effekt hervor: „Durch Kreuzung oder Hybridisierung von Medien werden gewaltige neue Kräfte und Energien frei, ähnlich wie bei der Kern-Spaltung oder der Kern-Fusion.“ (ebd. 65) Medienwandel und -hybridisierung wirken wie eine ästhetische „A-Bombe“ bzw. „H-Bombe“, die ungeheure ästhetische Wirkungspotenziale freisetzen: „Der Bastard oder die Verbindung zweier Medien ist ein Moment der Wahrheit und Erkenntnis, aus dem neue Form entsteht.“ (ebd. 73) Dass diese Bastardisierung der Medien auf den Plan tritt, den taylorisierten „geteilte[n] Menschen“ (ebd. 67) ganz zu machen, versteht sich von selbst. Das Schlagwort vom „global village“ schließt die Hoffnung ein, die weltumspannenden Distanzen und Entfremdungen inmitten des Kalten Krieges zu überwinden und eine neue Präsenzkultur zu etablieren, die mit ihrer sekundären Oralität und Nahkommunikationen die Verhältnisse der archaischen Medienfrühzeit dialektisch wiederherstellt-ein neuer, medial generierter Primitivismus. In The Medium is the Massage schreibt McLuhan über eine doppelseitige Fotografie einer indigenen Stammesgesellschaft: „The new electronic interdependence recreates the world in the image of a global village.“ (McLuhan/Fiore 1967, 66f.) Die Beispiele zeigen: Nicht nur die Intermedialität selbst, auch deren Theorie hat eine lange Geschichte und Genealogie, die es aufzuarbeiten gilt (in Kap. III. bzw. IV.).

Transgression und Migration

Es mag dieser Emphase der Transgression und des ‚Transismus‘ geschuldet sein, dass nach der emphatischen Proklamation des neuen Paradigmas (Wolf 1996) eine gewisse Ernüchterung, vielleicht auch nur Routine eingekehrt ist. Die Rede von Inter-, Multi- oder Transmedialität ist in den Text-, Kunst- und Medienwissenschaften allgegenwärtig; so allgegenwärtig wie die tägliche Erfahrung mit Medien der Telekommunikation wie Smartphone oder Tablet. Wer die Entwicklung vom iPod zum iPhone verfolgt hat, wird Henry Jenkins’ Prophetie zustimmen: „Convergence is coming and you had better be ready.“ (Jenkins 2008, 10) Auch hier sind die soziopolitischen Untertöne nicht zu überhören: Jenkins’ Definition schreibt der Konvergenz der Medien emanzipatorisches Potenzial auch und gerade in sozialer Hinsicht zu. Wenn er Medienkonvergenz definiert als „the flow of content across multiple media platforms, the cooperation between multiple media industries, and the migratory behavior of media audiences […]“ (ebd. 2), stellt sich das Bild einer grenzen- und schrankenlosen Kommunikation ein, die vom politischen Begriff einer freien ‚Migration‘ und der Idee einer universalen ‚Teilhabe‘ aller getragen wird. Diese idealistisch, ja utopisch gefärbte Partizipation ist jedoch ambivalent: zugleich Verheißung und Drohung in einer Welt, die mehr denn je elektronisch integriert ist. Mediale Partizipation („participatory culture“) – so lässt sich Jenkins’ Satz auch verstehen – ist Fluch, Segen und Schicksal zugleich. Wer sich ihr widersetzt, indem er sich der Partizipation verweigert, wird zum isolierten Außenseiter.

illusions perdues?

Jenseits des Pathos’ zeigen sich in der medien- und textwissenschaftlichen Intermedialitätsforschung gewisse Ermüdungserscheinungen (Schmidt 2010, 195–200). Von Anfang an wurde die „inflationäre Verwendung des Begriffs“ (Schröter 1998, 149) kritisiert: „The current state of affairs, then, is a proliferation of heterogeneous concepts of intermediality and heterogeneous ways in which the term is used.“ (Rajewsky 2005, 45) Auf der anderen Seite fällt auf, dass sich die systematischen Anstrengungen aufgrund ihrer hochgradigen Abstraktion kaum mit den historischen haben verbinden lassen. Beide Forschungsstränge scheinen – dies gilt vor allem für die zurückliegenden historischen Epochen – bezugslos nebeneinander zu stehen. Jürgen E. Müller spricht zuletzt von den „illusions perdues“ einer Intermedialitätsforschung, der es bis heute nicht gelingt, „ein allumfassendes medientheoretisches System zu entwickeln“ (Müller 2008, 35; Méchoulan 2003), das – und hier liegt das eigentliche Dilemma – allen historischen, kunst- und medienspezifischen Varianten intermedialer Praxis gerecht zu werden vermag. Die Hoffnung, „eine historisch begründete Systematik der Figurationen der Intermedialität“ (Paech 1998, 27), analog zu Genettes Kasuistik der Intertextualität, zu finden, hat sich als diffizil erwiesen. Vor allem die poststrukturalistischen, an Kristeva anschließenden mediensemiotischen Ansätze sehen sich der Kritik der Praxisferne ausgesetzt. Es ist bezeichnend, dass sich zwei Jahrzehnte ambitionierter Theoriearbeit vor allem in den forcierten Synthesen der Handbuchliteratur niederschlagen. Eine Geschichte der (literaturzentrierten) Intermedialität – analog zu den zahlreichen marktgängigen Mediengeschichten – ist weiterhin Desiderat. Intermedialität erweist sich damit als ein Forschungsparadigma, das breit etabliert, aber noch völlig unzureichend integriert ist – in horizontaler (systematischer) wie auch in vertikaler (historischer) Hinsicht.

Orientierungen und Herausforderungen

Gewiss ist die Goldrauschstimmung in der Intermedialitätsforschung einer distanzierten Pragmatik gewichen. Dass Intermedialität zu den konstanten Phänomenen der Kunst und Literatur zählt, wird von niemandem (mehr) bezweifelt. Entsprechend gibt es auch, ganz anders als in der Auseinandersetzung mit der Diskursanalyse oder der Dekonstruktion, keine kontroverse oder polemische Debatte um Sinn und Nutzen des Paradigmas. Damit entfällt jedoch auch die Nötigung, die kritische Verständigung über methodische Vorentscheidungen und begriffliche Instrumentarien voranzutreiben. Intermedialität ist längst zum Schibboleth und „termine ombrello“ (so Rajewsky 2002, 6 nach U. Eco) mit radikal inklusiver Wirkung geworden. Dabei scheint es, als laufe die begriffliche der methodischen Inklusion und Integration der heterogenen Felder voraus. Dieser prospektive Charakter erinnert an die Verheißung der image sciences: Wie diese angetreten sind ein Feld auszuweisen, „auf dem mit interdisziplinären Verfahrensweisen die Objekte einer visuellen Kultur erst konstruiert, dann analysiert und interpretiert werden [sollen]“ (Frank/Lange 2010, 11), so die intermedia studies in ihrem Bereich. Wie das Phänomen Bildlichkeit bzw. Visualität liegt ‚Intermedialität‘ quer zu bestehenden disziplinaren Ordnungen und Grenzen. Dem steht der Wille zur Homogenisierung bild-, medien- und literaturwissenschaftlicher Ansätze zu einem methodischen Areal eigenen Rechts gegenüber. Die Parallelen zwischen beiden theoretischen Initiativen sind bis hinein in die Selbsteinschätzung („Herausforderung der Literaturwissenschaft“) auffallend ähnlich (Wolf 1996; Frank 2006). Wie der iconic turn verbindet sich auch der intermedial turn mit dem Versprechen, einer (vermeintlich) medienblinden Literaturwissenschaft neue Horizonte zu erschließen. Die Kartographie dieses verheißenen Landes zeigt jedoch vorerst eher Inseln als Kontinente.

Phasen und Positionen

Innerhalb der Intermedialitätsforschung der vergangenen zwei Jahrzehnte lassen sich Phasen und Positionen mit spezifischen Stärken und Schwächen unterscheiden: (1.) Die klassischen Beiträge von Werner Wolf und Jürgen E. Müller aus den 1990er Jahren waren bemüht, ein Paradigma an der Schnittstelle zwischen Medienwissenschaft und Literatur zu etablieren. Ihr Ton ist appellativ, allenfalls exemplarisch gehen sie auf historische Untersuchungsgegenstände ein. Andererseits (2.) wird der Begriff mehr oder weniger zögernd von den inter-art-studies adaptiert, die sich zumeist in historischer Perspektive am ästhetischen Höhenkamm orientieren und vor allem Transferphänomene zwischen den Künsten thematisieren. In vorrangig theoretischer Perspektive stehen (3.) neuere Bemühungen um eine methodische Fundierung unter Rekurs auf Systemtheorie, Semiotik und/oder Intertextualitätstheorie. Der Gewinn an terminologischer Geschlossenheit und Differenzierung gelingt dabei meist nur unter Abstraktion von der historischen Tiefe und /oder durch entschiedene Eingrenzung des Untersuchungsfeldes. Disziplinäre und historische Heterogenität – das Nebeneinander von Homer und Barbara Köhler – wird zugunsten einer homogenen, operationalisierbaren Theoriebildung ausgeblendet. Diesen Weg der Reduktion und Konzentration wählt die gründlichste, methodisch-typologisch orientierte Darstellung des Gegenstands im deutschsprachigen Raum, die Irina Rajewsky vorgelegt hat (Rajewsky 2002). Intermedialität erscheint hier ausschließlich a) als Phänomen der Moderne und b) als Synonym für Text-Film-Beziehungen. Die Lust an der Taxonomie stößt im Bereich intermedialer Phänomene jedoch an Grenzen, die der historischen und systematischen Disparität des Feldes geschuldet sind. Intermedialitätsforschung sieht sich so zwischen einem weiten und einem engeren Verständnis des Gegenstands gefangen (Rajewsky 2005, 46–50). Während der weite in die historische Tiefe wirkt und aufgrund der Disparität der Phänomene systematisch unscharf wird, garantiert der engere Begriff, der allein auf die neuen Medien (Film, Fotografie) abhebt, zwar theoretische Geschlossenheit, dies jedoch um den Preis der Exklusion historischer Tiefe. Methodische und historische Tiefe scheinen sich wechselseitig auszuschließen. Die Reduktion der Phänomene läuft der universalistischen Verheißung des Intermedialitätsparadigmas, alle Formen und Modi von Medienkontakten zu erschließen, zuwider.

Einführung in die Intermedialität

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