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Atmosphäre

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Der Terminus A. stammt ursprünglich aus der Meteorologie (↗ Klima) und wird seit der Goethezeit in allen westeuropäischen Sprachen metaphorisch (↗ Metapher) für ‚Stimmung‘ (↗ Emotion) oder ‚gestimmter ↗ Raum‘ verwendet. Als phänomenologischer Begriff wird er von Hermann Schmitz im Rahmen seines ab 1964 erscheinenden Werkes System der Philosophie ausgearbeitet. Ihm folgen Gernot Böhme (1995), Michael Hauskeller (1995) und Peter Sloterdijk (2004). Wissenschaftlich wird der Begriff allerdings erstmalig in der Psychiatrie von Hubert Tellenbach (1968) verwendet und bedeutet dort so viel wie der vertraute ↗ Geruch eines ↗ Ortes oder einer Person. In der Ästhetik kann Ludwig Klages’ (1872–1956) Rede von einer ‚Wirklichkeit der ↗ Bilder‘ (Klages 1970) und Walter Benjamins (1892–1940) Begriff der ↗ Aura als Vorläufer angesehen werden. Für Hermann Schmitz (1969, 98–133) hat die Einführung des Begriffes der A. eine Pointe in der Kritik der Introjektionsthese: ↗ Gefühle seien nicht Seelenzustände, sondern unbestimmt in den Raum ergossene ergreifende Mächte (↗ Macht). Sie werden in affektiver (↗ Affekt) Betroffenheit erfahren. Schmitz folgt hier v.a. Rudolf Otto (1869–1937) in seiner Idee des Numinosen (↗ heiliger Raum). Damit ist der Begriff A. allerdings wesentlich rezeptionsästhetisch konzipiert. Zudem kann auf die Jahrtausende alte ↗ Praxis der Erzeugung von A.n hingewiesen werden, für welche die ↗ Kunst des Bühnenbildes (↗ Szene) ein ↗ Paradigma ist (Böhme 2011). Von der Rezeptionsästhetik her können A.n durch sog. Charaktere bestimmt werden: Sie besagen, welche Anmutungsqualität ihnen zu eigen ist. Es gibt Stimmungen im engeren Sinne, Bewegungssuggestionen (↗ Bewegung), ↗ Synästhesien, kommunikative Charaktere und konventionelle. Von der Produktionsästhetik her werden A.n durch Erzeugende bestimmt, also objektive Bedingungen, die zur Inszenierung einer A. dienen. Das sind v.a. Licht (↗ Strahl) und Ton (↗ Musik), ferner die ↗ Geometrie der Raumgestaltung, Materialität, Staffage, Symbole (↗ symbolische Form) und Insignien. Die allgemeine Kunst der Inszenierung umfasst die Erzeugung von A.n durch Gestaltung der alltäglichen ↗ Umwelt, die Inszenierung persönlichen Auftretens, die Welt der ↗ Medien, also Theater (↗ Wand), Funk (↗ Kanal), Fernsehen und Rundfunk (↗ Spuk), die Inszenierung der Politik und das Marketing (↗ Konsum), d.h. insbesondere die Inszenierung der Warenwelt. A.ngestaltung wird inzwischen als wesentliches Moment der Architektur (↗ Tektonik) anerkannt, und es haben sich hier internationale Netzwerke, wie bspw. ambiances. net, herausgebildet. Bei Personen, Kunstwerken (↗ Ikonotop) u.a. kann von der A. gesprochen werden, die sie haben. So gesehen ist ihre A. der Raum ihrer spürbaren leiblichen (↗ Leib) ↗ Anwesenheit.

Literatur: Andermann/Eberlein 2010; Böhme 2006; Zumtor 2006.

Andermann, Kerstin/Eberlein, Undine [Hg.] (2010): Gefühle als Atmosphären, Berlin.

Böhme, Gernot (1995): Atmosphäre, in: ders.: Atmosphäre, Frankfurt a.M., 21–48 [1992].

Ders. (2006): Architektur und Atmosphäre, München.

Ders. (2011): Die Kunst des Bühnenbildes als Paradigma einer Theorie der Atmosphären, in: Inszenierung und Vertrauen, hg. v. R. Bohn u. H. Wilharm, Bielefeld, 109–118.

Hauskeller, Michael (1995): Atmosphären erleben, Berlin.

Klages, Ludwig (1970): Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck, Bonn.

Schmitz, Hermann (1969): Der Gefühlsraum, Bonn.

Sloterdijk, Peter (2004): Schäume, Frankfurt a. M.

Teilenbach, Hubert (1968): Geschmack und Atmosphäre, Salzburg.

Zumtor, Peter (2006): Atmosphären, Basel.

Gernot Böhme

Lexikon Raumphilosophie

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