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Die Entstehung der Lederstrumpf-Romane, 1904, 1910

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Heidelberger Tageblatt 1904,

Der Geschichtsfreund, Stuttgart 1910.

Unter den Erzeugnissen der ausländischen Literatur dürften wenige Werke zu finden sein, die bei uns in Deutschland eine gleiche Popularität erlangt haben, wie die unter dem Namen der Lederstrumpferzählungen bekannte Serie von fünf Romanen des amerikanischen Schriftstellers James Fenimore Cooper. Die Helden dieser Romane und ihre Namen sind uns fast ebenso bekannt wie die beliebtesten Gestalten unserer eigenen Literatur und haben sich gewissermaßen das Ehrenbürgerrecht bei uns erworben.

Wenn sich ein literarisches Werk die Sympathie aller Schichten der Bevölkerung und aller Altersstufen zu erwerben und dauernd zu erhalten vermag, so ist dies sicherlich ein sprechender Beweis für seine Güte. So hat auch Coopers Lederstrumpf seine Stelle behauptet und übt nach wie vor seine Anziehungskraft aus. Dies war wohl zur Zeit, als diese Romane erschienen und während der folgenden Jahrzehnte noch in höherem Maße der Fall wie gegenwärtig, immerhin ist aber die Zahl ihrer Freunde und Bewunderer auch heutigentags noch eine sehr große, und es dürften deshalb einige Worte über ihre Entstehung nicht ganz ohne Interesse sein.

Die Lederstrumpfromane gehören zu denjenigen Erzählungen, die sich im Gedächtnis des Lesers dauernd einprägen; wer sie einmal gelesen, wird sie nicht so leicht vergessen. Dies bewirkt die Lebendigkeit und Anschaulichkeit in der Schilderung der Vorgänge, der Szenerien und der Verhältnisse. Und eben, weil Cooper vieles, was er erzählt und schildert, selbst erlebt und gesehen hat und in den geschilderten Verhältnissen aufgewachsen ist, tragen seine Werke den Stempel der Wahrhaftigkeit; es sind großenteils Gemälde nach der Natur.

Die Titel dieser Romane sind bekanntlich folgende: 1. Der Wildtöter, 2. Der letzte Mohikaner, 3. Der Pfadfinder, 4. Die Ansiedler an den Quellen des Susquehanna und 5. Die Prärie. In dieser Reihe folgen sie dem Inhalt und den Zeitangaben nach aufeinander, und deshalb liegt auch die Annahme nahe, daß sie in dieser Reihenfolge entstanden seien, und zwar um so mehr, weil sie, wenn auch jede einzelne Erzählung ein in sich abgeschlossenes, vom Vorhergehenden oder Nachfolgenden unabhängiges Werk bildet, dennoch in einem inneren Zusammenhang miteinander stehen. Alle haben sie den Haupthelden gemeinsam, der in den verschiedenen Werken in verschiedenen Altersstufen vorgeführt wird. Wir sehen ihn im Wildtöter als Jüngling auf dem ersten Kriegspfad; als Mann in den besten Jahren tritt er uns im Letzten Mohikaner und im Pfadfinder entgegen. In den Ansiedlern finden wir ihn wieder als älteren Mann und schließlich als Greis in der Prärie, und dieser Roman endigt mit seinem Tode. Sein Charakter bleibt sich in den Grundzügen gleich und ändert sich nur insofern, als sich in seinen Lebensanschauungen mit seinem fortschreitenden Alter naturgemäß eine Wandlung vollzieht.

Besonders diese Umstände erwecken die Vermutung, daß die Lederstrumpfromane in der chronologischen Reihenfolge, wie oben angegeben, geschrieben wurden; doch dies ist keineswegs der Fall; Cooper gab sie vielmehr in ganz bunter Folge heraus, und ihre Entstehung erstreckt sich über einen Zeitraum von 19 Jahren.

Von diesen fünf Romanen erschien als erster Die Ansiedler an den Quellen des Susquehanna, und zwar erfolgte die erste Ausgabe dieses Werkes am 1. Februar 1823. In diesem Roman versetzt Cooper den Leser an den Schauplatz, wo er seine Jugend verbrachte, und sein Inhalt ist fast wörtlich aus dem Leben gegriffen. Wirft man einen Blick auf die Verhältnisse, in denen der Verfasser aufwuchs, so findet man genau dieselben Zustände, die er in den Ansiedlern so anschaulich und anziehend geschildert hat.

Coopers Vater, ein Bürger von Burlington im Staate New Jersey, war nach der Beendigung des Unabhängigkeitskrieges (1782) in den Besitz ausgedehnter Ländereien gelangt, die sich längs des Oberlaufes des Susquehanna und am Ufer des Otsegosees dahin erstreckten. Im Jahr 1786 siedelte er sich am Otsegosee an und gründete dort den Ort, der noch heute seinen Namen trägt: Cooperstown. Als er mit seiner Familie dorthin kam, war der junge James, der spätere Romandichter, erst 14 Monate alt, und hier in der Wildnis, fernab vom Getriebe der großen Welt, verbrachte er seine Jugendjahre, gerade zu der Zeit, als sich die Zivilisation allmählich über die Ländereien verbreitete. Alles, was er hier sah, war geeignet, seine Phantasie anzuregen und tiefe Eindrücke in ihm zu hinterlassen. Die unermeßlichen Urwälder zogen sich bis zu seiner Wohnung hin, und die Axt der Ansiedler hatte kaum hier und da geheimnisvolles Dunkel gelichtet. Der kleine See lag umrahmt von majestätischen, uralten Baumriesen, deren Wipfel sich in den klaren Fluten widerspiegelten. Mehr aber als alle die Schönheiten der Natur, welche sich ringsumher dem Blicke offen darboten, zogen ihn die Geheimnisse der unerforschten, unergründlichen Wildnis an, die noch in ihrem Schoße verborgen lagen. Niemand wagte sich ohne hinreichenden Schutz in die Urwälder, in denen die Indianer noch hausten, deren feindliche Überfälle schon für so manche Ansiedlung an der Grenze verhängnisvoll geworden waren.

Wie bei allen Kolonien an der amerikanischen Grenze, war auch die ursprüngliche Bevölkerung von Cooperstown eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft. Repräsentanten fast aller Nationen fanden sich hier zusammen: Franzosen, Engländer, Deutsche, Polen zogen dorthin und bauten sich an. Auch fehlte es nicht an Leuten, die einen sehr bewegten Lebenslauf hinter sich hatten. Das vorherrschende Element aber waren Neuengländer, die der Ausrodung des Waldes oblagen. Über dieses Gemeinwesen herrschte der ursprüngliche Besitzer von Grund und Boden, Coopers Vater, als eine Art Feudalherr, allerdings mehr durch seine moralischen Eigenschaften als durch ein verbrieftes Recht. Den Ortsnamen Cooperstown änderte der Verfasser bekanntlich in Templeton um.

Unschwer erkennt man aus vorstehendem die Szenerien und Verhältnisse und teilweise auch die Charaktere wieder, wie sie Cooper in dem Ansiedlerroman dem Leser vor Augen führt. Dessen Hauptheld, der alte Lederstrumpf, Natty Bumppo ist, wie der Verfasser verschiedentlich selbst versicherte, eine von ihm erdichtete Persönlichkeit, obgleich er auch hierfür, nach seinen eigenen Äußerungen, ein Vorbild unter den ursprünglichen Bewohnern seiner Heimat hatte.

Während der Zeit, als Cooper seine Jugendjahre in der kleinen Kolonie zubrachte, lebte in den Bergen und Wäldern am Otsego ein alter Jäger mit Namen Shipman, der häufig im Hause des Richters vorsprach und dort seine Jagdbeute anbot. Die halbwilde Ausrüstung dieses Jägers, seine Hunde und seine Büchse erregten das Interesse des jungen Cooper in hohem Maße. Als das Wild durch das häufige Krachen der Büchse und die Holzaxt der Ansiedler verscheucht und immer seltener wurde, war Shipmans Bleiben nicht länger am Otsego; mit mehreren anderen Jägern verließ er die Gegend und zog weiter nach Westen. Soweit stimmt also die Schilderung des äußeren Lebenslaufes Natty Bumppos mit demjenigen dieses Jägers Shipman in den Hauptpunkten ziemlich überein. Die Charakterzeichnung Nattys aber, die uns diesen schlichten Mann der Wälder so sympathisch macht, ist Coopers eigenste Schöpfung.

Vereinzelt kamen auch zu längerem oder kürzerem Aufenthalt Indianer in die Ansiedlung, die in dem alten Chingachgook oder, wie er hier auch genannt wird, John Mohegan ihren Repräsentanten gefunden haben.

In einer Vorrede zu diesem Roman führt Cooper aus: „Man wird mir vorwerfen, daß ich glücklichere Zeiten, interessantere Begebenheiten und erhabenere Szenen zum Gegenstand hätte wählen können; sicherlich aber weiß ich keinen, der mir mehr am Herzen läge.“ Die Liebe und Anhänglichkeit an den Ort, wo er seine Jugend verbrachte, gab ihm dieses Werk in die Feder; es ward ein Werk der Liebe, was auch der Leser herausfühlt.

Nachdem nach der damaligen Art der Reklame in den größeren amerikanischen Tagesblättern einzelne Abschnitte aus den Ansiedlern im Vorabdruck erschienen waren, um die Aufmerksamkeit der Leserwelt auf das Buch zu lenken, erfolgte seine Herausgabe, wie bereits gesagt, am 1. Februar 1823. Der Erfolg war ein derartiger, daß gleich am Vormittag desselben Tages 3500 Exemplare davon abgesetzt wurden! Auch in Deutschland ward dieser Roman alsbald nach seinem Erscheinen bekannt, und innerhalb der nächsten drei Jahre erschienen bereits mehrfache Übersetzungen.

So ward dieser Roman The Pioneers, wie der Titel im Original lautet, zum Pionier für die ganze Serie der Lederstrumpfromane, die seitdem zu universeller Berühmtheit gelangt ist.

Auf die Ansiedler folgte nach Verlauf von drei Jahren Der letzte Mohikaner, ein Roman, der allgemein als Coopers Meisterwerk gepriesen wird. Cooper veröffentlichte ihn am 4. Februar 1826, und noch im gleichen Jahr erschien die erste deutsche Übersetzung dieses ausgezeichneten Werkes in Frankfurt a. M. bei Johann David Sauerländer, wo nebenbei bemerkt auch die vorhergehenden Schriften Coopers erschienen waren.

Die erste Anregung zu diesem Roman war eine Reise, die der Verfasser im Sommer 1825 in Gesellschaft einiger Freunde nach dem St. Georgesee machte. Die Weiterreise führte über den Champlainsee nach den berühmten Glennfällen, wo Cooper mit seiner Gesellschaft einen halben Tag zubrachte. Die finsteren, starren Felsen, über die sich brausend und schäumend das Wasser mit donnerndem Getöse herabstürzt, macht[e] den tiefsten Eindruck auf Cooper und seine Reisegenossen, und während sie sich in den Höhlen unterhalb der Felsen befanden, äußerte einer seiner Begleiter, daß dies eine sehr passende Szenerie für einen Roman sei. Cooper versprach, eine Erzählung zu schreiben, in der die Glennfälle und deren wilde Umgebung ihre Stelle finden sollten und verlegte eine der spannendsten Episoden im Letzten Mohikaner hierher.

Bei dieser Gelegenheit kam ihm zum ersten Male der Gedanke an einen Roman, in dem die Indianer eine Hauptrolle spielen sollten. In seiner Jugend und auch noch später, während eines längeren Aufenthaltes in den Urwäldern am Ontariosee – wovon noch die Rede sein wird – hatte er häufig Gelegenheit, die Ureinwohner des Landes genau kennen zu lernen. Damals kamen von Zeit zu Zeit noch kleine Horden Oneidas und anderer irokesischer Stämme an die Ufer des Otsegosees, um zu jagen. Sie schlugen die Wigwams unter den Bäumen des Urwaldes am Seeufer auf, und der Rauch ihrer Feuer stieg empor durch die Baumkronen. Auch Mohikaner und Delawaren waren häufige Gäste in der Umgebung seines Heimatdorfes, mit denen er teilweise persönlich bekannt war, wie er überhaupt ein warmes Interesse für dieses Volk hatte. Daß er gerade einen Mohikaner zum Helden seines Romanes wählte, lag ziemlich nahe, da diese Nation in früherer Zeit die Gegend seiner engeren Heimat bewohnte. Der Name Unkas, den er seinem Helden beilegte, war unter den Mohikanern sehr gebräuchlich; während einer langen Reihe von Jahren vererbte sich dieser Name von einem Sachem auf den anderen, und eine Begräbnisstätte dieser Familie der Unkas ist in der Nähe von Norwich in Connecticut noch vorhanden.

Wie Die Ansiedler, so erzielte auch Der letzte Mohikaner sofort einen bedeutenden Erfolg, der dank der Neuheit des Inhaltes in Europa noch größer war als in Amerika. Dem Beispiel des berühmten schottischen Romandichters Walter Scott folgend, gab Cooper diesem Roman einen historischen Hintergrund. Er verlegte ihn in die Zeit der Kolonialkriege, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen England und Frankenreich auf dem amerikanischen Festlande geführt wurden und in denen auf beiden Seiten verschiedene Indianerstämme eine bedeutende Rolle spielten. Unserem Freund Lederstrumpf begegnen wir hier unter dem Namen Hawk-eye (Falkenauge) als Kundschafter auf seiten der Engländer; er und die beiden letzten Mohikaner Chingachgook und Unkas stehen im Mittelpunkt der Handlung.

Mit der Veröffentlichung dieses Romans stand Cooper auf dem Höhepunkt seines Ruhmes; seine Landsleute waren stolz auf ihn, besonders weil er die Stoffe zu seinen Werken der amerikanischen Heimat und ihrer Geschichte entnahm. Diese Werke wurden dramatisiert und allenthalben in den Theatern aufgeführt; einzelne Szenen wurden zum Gegenstand von Gedichten aller Art. In vielen Fällen waren diese allerdings von sehr untergeordneter Bedeutung, doch liefern sie einen Beweis für das allgemeine Interesse, das Coopers Schriften entgegengebracht wurde.

Obgleich es Cooper schon für sehr gewagt hielt, dieselben Personen, die er in den Ansiedlern auftreten ließ, auch in dem Letzten Mohikaner wieder einzuführen, so war doch einesteils der Erfolg, den er mit beiden Werken erzielte, ein so großartiger und andernteils hatte er sich in diese Charaktere selbst so hinein gelebt, daß er beschloß, die Person des Lederstrumpf zum Helden eines dritten Romanes zu machen. Dieser erschien bereits im nächsten Jahre – am 17. Mai 1827 – unter dem Namen The Prairie (Die Prärie). Seiner ganzen Anlage nach ist dieser Roman von seinem Vorgänger grundverschieden: es tritt ein vollständiger Wechsel in der Szenerie ein. Aus den Urwäldern wird der Leser in die endlosen Prärien und Steppen des Westens, jenseits des Mississippi, versetzt, und hier findet er den alten Lederstrumpf in neuen Verhältnissen wieder. Vor der stetig nach Westen vordringenden Kultur ist auch er westwärts gewichen, da er das Ausroden des ihm treuen Urwaldes nicht mit ansehen mag.

Dem Inhalte nach erscheint diese Erzählung als eine Fortsetzung des Ansiedlerromanes, der bekanntlich mit der Erzählung von Nattys Abschied von Templeton endet. „Er war der erste, der den Amerikanern einen Weg durch das feste Land zum anderen Ozean bahnte“, heißt es hier am Schlusse, und man weiß aus Coopers eigenen Worten, daß er bei diesen Schilderungen die tatsächliche Laufbahn des berühmten Daniel Boon[e], es ersten Ansiedlers in Kentucky, vor Augen hatte.

Auch nach dieser Persönlichkeit also hat Cooper, wenigstens teilweise, den Lederstrumpf in der Prärie gezeichnet.

Obgleich Cooper von den Prärien des Westens so meisterhafte Gemälde entwarf, so hat er sie doch nie gesehen; er kannte sie nur aus Schilderungen. Die Indianerstämme, die er in der Prärie auftreten läßt, sind die Sioux und die Pawnees, die die weiten Länderstrecken zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains bewohnten. Abgesandte dieser Stämme hatte er häufig auf ihrem Weg zu den Verhandlungen in Washington gesehen, und er machte die persönliche Bekanntschaft der bedeutendsten Häuptlinge, unter denen wohl solche stolzen Gestalten wie Hartherz und Mahtoree gewesen sein mögen. Ihre imposante, malerische Erscheinung, die Poesie und die lakonische Kürze ihrer Redeweise erfüllten ihn mit höchster Bewunderung.

Viele von den Offizieren der Armee, die diese wilden Gesandtschaften begleiteten, waren ihm eng befreundet und diese erzählten ihm von den großen Büffeljagden, von wilden Kämpfen zwischen diesen Reiterstämmen und den Präriebränden, die sich verheerend über die endlosen Steppen wälzten. Alle diese Motive hat er mit großer Kunst in der Prärie dichterisch verwertet. Mit gleicher Meisterschaft sind seine Schilderungen des gewalttätigen Squatters und seiner Familie entworfen.

Zwar steht dieser Roman nicht auf gleicher Höhe mit dem vorausgegangenen Letzten Mohikaner, aber es ist vielleicht unter all den zahlreichen Schriften Coopers keine zu finden, die ihm in der poetischen Gestaltung gleichkommt. Das ganze Bild trägt ein ernstes Gepräge und findet mit der Erzählung vom Heimgang des alten Jägers einen wirksamen Abschluss.

Mit diesen drei Werken war vorerst die Reihe der Lederstrumpfromane abgeschlossen; die Entstehung der beiden übrigen Erzählungen dieser Serie: Der Pfadfinder und Der Wildtöter fällt in eine spätere Schaffensperiode Coopers, und zwar liegt zwischen der Prärie und den letztgenannten beiden Werken ein Zeitraum von 13 bzw. 14 Jahren. Coopers schriftstellerische Tätigkeit ruhte während dieser Zeit keineswegs, sondern er gab in den Jahren von 1827 bis 1840 eine ganze Anzahl Schriften verschiedenen Inhalts, darunter auch Romane, heraus, welche sich zum Teil in europäischen Ländern abspielen, die er auf einer mehrjährigen Reise besuchte. In diesen Werken geißelte er gewisse Zustände und Sitten seiner Heimat, und dies hatte zur Folge, daß er von vielen Seiten scharf angegriffen wurde. Trotz seiner hohen Verdienste um die amerikanische Literatur griff bald eine allgemeine Mißstimmung gegen ihn Platz.

Diesen Umständen ist es zuzuschreiben, daß jedes seiner späteren Werke sofort beim Erscheinen auf heftige Anfeindungen stieß, besonders bei der Presse, mit der Cooper in eine große Anzahl höchst unerquicklicher Streitigkeiten verwickelt war.

Auch dem Pfadfinder und dem Wildtöter wurde bei ihrem Erscheinen kein besserer Empfang zuteil, obgleich beide anerkanntermaßen zu Coopers hervorragendsten Schöpfungen zählen. Doch hinderten weder die feindseligen Kritiken in den Tagesblättern, noch des Verfassers persönlichen Unbeliebtheit den schließlichen Erfolg und großen Absatz dieser beiden Bücher.

Von beiden erschien zuerst Der Pfadfinder – am 14. März 1840. Auch zu diesem Roman erhielt Cooper die erste Anregung durch eine Episode aus seinem eigenen Leben, obgleich sie zur Zeit, als er dieses Werk schrieb, schon ziemlich weit zurücklag. Cooper, der sich ursprünglich dem Seedienst gewidmet hatte, war im Jahre 1808 mit einer Abteilung Seeleute unter dem Befehl eines Leutnants nach dem Ontariosee beordert worden, wo ein größeres Kriegsfahrzeug zum Schutze jener Gegend erbaut werden sollte. Man befürchtete damals den Ausbruch eines Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und England. Dieses Schiff, bei dessen Bau Cooper beschäftigt war, wurde zwar vollendet, mittlerweile hatte sich jedoch die drohende Kriegswolke verzogen, und so wurde es einer anderen Bestimmung übergeben.

Für Cooper selbst war aber dieser Aufenthalt am Ontario von weit größerer Bedeutung als der Bau jenes Schiffes, denn wir verdanken ihm das lebhafte Gemälde, das er später von diesem Binnensee und der ihn umgebenden Wildnis im Pfadfinder entwarf. Natty Bumppo erscheint in dem Roman in der für ihn schwierigen Rolle eines Liebhabers. Daß der Verfasser auch in dieser Erzählung den Lederstrumpf wieder auftreten läßt, beweist, wie sehr er selbst diese Gestalt liebgewonnen hatte, von der er in der Vorrede auch sagt, daß er an ihr einen so warmen Anteil genommen, als ob sie selbst einmal unter den Lebenden gewandelt hätte.

Nach Verlauf von ungefähr anderthalb Jahren erschien (am 27. August 1841) Der Wildtöter. Dasjenige Werk also, das dem Inhalte nach den Anfang der ganzen Serie bildet, entstand zuletzt.

Mit welcher Liebe der Verfasser an seiner Heimat am Otsego hing, zeigt sich darin, daß er auch den Schauplatz dieser Erzählung, die er in seinem 52. Lebensjahre schrieb, hierher verlegte.

An einem Sommerabend des Jahres 1840 machte er, wie er es oftmals zu tun pflegte, mit seiner Tochter Susan Fenimore, die sich selbst schriftstellerisch auszeichnete, eine Wanderung durch die den See umgebenden Wälder. An einer Stelle lichtete sich der Wald, und die klare Wasserfläche, umrahmt von einem malerischen Hügelkranz, lag ruhig und friedlich im Glanze des Abendsonne vor ihm. Lange schaute er sinnend hinab auf dieses schöne Bild, als ob alte Erinnerungen in seiner Seele wach würden. Nach einer Weile sagte er zu seiner Begleiterin: „Ich muß noch ein Buch über unseren See schreiben“ und setzte dann seinen Weg fort, ohne den Gegenstand weiter zu berühren. Wenige Tage darauf waren bereits die ersten Kapitel des Wildtöter geschrieben, und Natty Bumppo erblickte zum ersten Male bei seinem Austritt aus den Wäldern den Glimmerglas, wie der Otsegosee in dieser Erzählung genannt wird.

An der Stelle, wo Cooper die angeführte Äußerung tat, erhebt sich jetzt das Lederstrumpfdenkmal, eine Säule, auf der Natty Bumppo steht, den Blick spähend nach dem See gerichtet, im Begriff, seine Büchse zu laden; ein Hund, das Abbild seines Hektor, kauert sprungbereit zu seinen Füßen.

Über die Entstehung des Wildtöter mögen schließlich hier noch die eigenen Worte des Verfassers, die er der ersten Ausgabe vorausschickte, wiedergegeben werden:

„Dieses Buch“ – so schreibt er – „wurde nicht ohne vieles Mißtrauen in Beziehung auf dessen wahrscheinliche Aufnahme geschrieben. Einen und denselben Charakter in fünf verschiedenen Werken zu behandeln, heißt vielleicht die Gutmütigkeit des Publikums zu sehr in Anspruch zu nehmen. Der Beifall aber, dessen die Schilderungen des späteren Lebens und des Todes von ‚Lederstrumpf‘ sich erfreute, hat, wenigsten in dem Geiste des Verfassers, eine Art Notwenigkeit hervorgerufen, auch aus dessen jüngeren Jahren einige Nachrichten mitzuteilen. … Mehr als einmal geriet er in die Versuchung, sein Manuskript zu verbrennen und sich einem anderen Gegenstand zuzuwenden, obgleich er in dem Verlauf seiner Arbeiten sich einer so eigentümlichen Aufmunterung erfreute, daß sie der Erwähnung wert sein dürfte. Er erhielt nämlich einen anonymen Brief aus England, wie er glaubt, von einer Dame geschrieben, worin er zu derselben Unternehmung aufgefordert wurde, die er bereits mehr als zur Hälfte ausgeführt hatte, und er konnte nicht umhin, dieses Verlangen als eine Vorbedeutung auszulegen, daß man seinen Versuch zum Teil verzeihen, wenn auch nicht ganz billigen werde.“

Dem Inhalte nach sind diese beiden Erzählungen, die sich am Otsegosee abspielen – Die Ansiedler und Der Wildtöter – durch einen Zeitraum von etwa 55 Jahren getrennt. Von der Ansiedlung Templeton (Cooperstown) war zur Zeit des Wildtöter (etwa um 1740–1745) noch keine Spur vorhanden, damals war ringsumher alles noch völlige Wildnis.

Mit dem Wildtöter war die Serie dieser Erzählungen vollendet; denn die Absicht Coopers, noch weitere Lederstrumpfromane zu schreiben, ist leider nicht zur Ausführung gekommen. Als Ganzes genommen, bildet dieser Zyklus den Höhepunkt von Coopers literarischer Tätigkeit und zugleich eine Zierde der ganzen amerikanischen Literatur.

Lederstrumpf in Hanau

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