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Professor Dr. Dieter J. Weiß: Franken zur Zeit Alexander von Humboldts von Professor Dr. Dieter J. Weiß

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Als der junge Assessor im preußischen Bergdepartement Alexander von Humboldt1 (1769-1859) am 12. Juli 1792, aus Sachsen-Coburg-Saalfeld kommend, in Ludwigstadt fränkischen Boden betrat,2 war er sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewußt, er war in das Markgraftum Brandenburg-Kulmbach gelangt. Am folgenden Tag reiste er durch den Thüringer Wald nach Steben und Naila, beide ebenfalls im Markgraftum Kulmbach gelegen. Am 14. Juli inspizierte er in der Nähe von Steben Bergwerke, denen in den folgenden Wochen und Monaten weitere Besichtigungen zunächst in der Umgebung, dann auch im Markgraftum Brandenburg-Ansbach, in Crailsheim und Bruckberg, folgten.3 Seit Jahresanfang 1792 standen diese beiden Markgraftümer, auch als Fürstentümer Ansbach und Bayreuth bezeichnet, unter preußischer Verwaltung. Am 26. August 1792 erstattete Humboldt dem Chef des preußischen Bergwesens Friedrich Anton Freiherrn von Heinitz (1725-1802) in Bayreuth mündlich Bericht. Dieser beschloß darauf mit Karl August von Freiherrn von Hardenberg, Humboldt zum Königlichen Oberbergmeister in den drei Bayreuther Bergämtern zu ernennen. Bereits am folgenden Tag berichtete Alexander seinem Freund Carl Freiesleben davon.4 Mit Datum vom 6. September wurde dann das Bestallungsdekret im Namen König Friedrich Wilhelms II. von Preußen (reg. 1786-1797) ausgefertigt, daß Humboldt zum „Königlichen Oberbergmeister in Unseren Fränkischen Fürstentümern“ ernannte.5 Fränkisch dient hier zur Unterscheidung von den übrigen Herrschaftsbereichen des Königs von Preußen oder Markgrafen von Brandenburg, das Epitheton Königlich war zwar reichsrechtlich falsch, aber faktisch zutreffend. Humboldt faßte seine Beobachtungen in einem bereits am 22. September vollendeten Bericht „Ueber den Zustand des Bergbaus und Hütten-Wesens in den Fürstentümern Bayreuth und Ansbach im Jahre 1792“6 zusammen, den er Hardenberg in Ansbach überreichte. Im Anschluß brach er zu einer Besichtigungsreise zu Bergwerken in Bayern, Österreich, Galizien und Schlesien auf.

Alexander von Humboldt wirkte vom Juli 1792 bis zum Februar 1797, unterbrochen durch mehrere Forschungsreisen, als Leiter des Bergbaus in den Bergämtern Naila, Wunsiedel und Goldkronach.7 Ab 1. Juni 1793 war dabei Bayreuth sein hauptsächlicher Standort, von wo er weiter eine lebhafte Korrespondenz führte.8 Am 21. Mai 1795 informierte er Johann Wolfgang von Goethe in einem Schreiben anläßlich der Übersendung seiner Werke über seine Ernennung zum Oberbergrat.9 In Franken fanden in diesen Jahren entscheidende politische Veränderungen statt – die in erster Linie von Preußen und erst in zweiter Linie vom revolutionären Frankreich ausgingen. Die Leitung der Verwaltung der beiden Markgraftümer hatte bereits 1790 im Auftrag des Markgrafen Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach und Kulmbach Karl August Freiherr von Hardenberg (1750-1822) übernommen, der mit quasi vizeköniglichen Vollmachten regierte und der auf eine in seinen Augen mittelalterliche Welt getroffen war.10

Franken bildete seit dem frühen Mittelalter eine Zone besonderer Königsnähe.11 Dies hatte die Ausbildung eines Bayern oder Schwaben vergleichbaren Herzogtums und damit die Entstehung eines Reichsfürstentums verhindert. Eine Folge davon war, daß sich Franken zu einem Boden territorialer Zersplitterung entwickelte.12 Weder konnten die Bischöfe von Würzburg die Chance einer staatlichen Konzentration zum Ausbau einer geistlichen Landesherrschaft, die in der sogenannten „Güldenen Freiheit“ von 1168 lag, nutzen, noch gelang den Zollern die Durchsetzung der Ansprüche ihres „Kaiserlichen Landgerichts Burggrafentums Nürnberg“ zur Ausbildung eines Herzogtums Franken. Das Herzogtum Franken der Würzburger Bischöfe blieb auf deren Bistum beschränkt.13 Zwar waren die Hochgerichtssprengel in Franken topographisch genau festgelegt, doch wurde der Blutbann zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf die vier hohen Fälle Mord, Brand, Raub und Notzucht eingeschränkt. Die Zivilgerichtsbarkeit und die mittlere Strafgerichtsbarkeit lagen bei der Vogtei, die von der Grundherrschaft wahrgenommen wurde.14 Diese übte auch das Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht aus. Aus dieser Wurzel erwuchs der Komplex der „Polizei“, der Bereich der inneren Verwaltung mit Aufsichts- und Konzessionsrechten für die Wirtschaft. Weitere Herrschaftsrechte bildeten die Regalien Wildbann, Forsthoheit, Zoll und Geleit, Bergrecht, Marktrecht und Judenschutz. Die Erbhuldigung der Untertanen brachte die Landeshoheit zum Ausdruck. In Franken standen diese unterschiedlichen Rechts- und Herrschaftskreise nicht getrennt nebeneinander, sondern durchdrangen und überschichteten sich vielfältig. In Franken wie auch in Schwaben und am Rhein herrschte also das Prinzip des territorium non clausum. Dies hatte zur Folge, daß es keine festen linearen Territorialgrenzen gab, daß die Landeshoheit oft umstritten war und daß sich mehrere Reichsstände die Herrschaft über einen Ort mit unterschiedlichen Rechten teilen konnten.15

Betrachten wir zunächst die wichtigsten Territorien des fränkischen Raumes. Seit dem Spätmittelalter gab es zwei Markgraftümer der Zollern in Franken, die hier 1192 als Burggrafen von Nürnberg Fuß gefaßt hatten.16 Durch die Unterstützung der Reichsgewalt und durch eine geschickte Heiratspolitik wie eine konsequente Territorialpolitik weiteten die Burggrafen ihr Gebiet beträchtlich aus. Kaiser Karl IV. (reg. 1347-1378) erhob sie 1363 in den Reichsfürstenstand. Die Hausgesetze von 1372 und 1385 leiteten eine Zweiteilung in ein Fürstentum ob dem Gebürg - das Oberland mit der Residenz Plassenburg über Kulmbach - und eines unter Gebürg um die Cadolzburg und Ansbach ein. Das Markgraftum Brandenburg-Kulmbach umfaßte zuletzt circa 72 Quadratmeilen und wurde durch Bamberger und Nürnberger Territorium in zwei relativ geschlossene Hauptteile gespalten. Am Ende des 18. Jahrhunderts zählte das Fürstentum circa 140000 unmittelbare und 25000 mittelbare Untertanen.17 Seit der Verlegung der Residenz von der Plassenburg nach Bayreuth zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde es auch als Fürstentum Kulmbach-Bayreuth oder nur Bayreuth bezeichnet. Das Oberland umspannte das Fichtelgebirge, den Frankenwald und Teile der Fränkischen Schweiz, wenig fruchtbares Land, das aber umfangreiche Wälder und Erzfunde aufweisen konnte. Das Unterland war in die Landeshauptmannschaft Neustadt an der Aisch, die Amthauptmannschaft Erlangen und vier Oberämter eingeteilt.

Das Markgraftum unter Gebürg mit der Hauptstadt Ansbach umfaßte circa 68 Quadratmeilen und war in 15 Oberämter gegliedert. Hier gab es fruchtbares Ackerland. Ritterschaftliche Herrschaften unterstanden der Landeshoheit des Markgrafen, doch war das Fürstentum von zahlreichen anderen Territorien durchbrochen. Am Ende des 18. Jahrhunderts verfügte es über circa 130000 unmittelbare und 60000 mittelbare Untertanen.

Die beiden Markgraftümer waren selbständige Territorien, wie dies die Hausgesetze der Hohenzollern, die Dispositio Achillea von 1473 und der Geraer Vertrag von 1599, festgelegt hatten. Erst im Pactum Fridericianum von 1752 mit Preußen wurde vereinbart, daß die Markgraftümer das Königreich von allen wichtigen Veränderungen in Kenntnis setzen sollten.18 Dieser Vertrag regelte die wechselseitige Erbfolge der beiden fränkischen Linien beim Aussterben einer der beiden, erst wenn beide Linien erlöschen würden, sollte Preußen die Nachfolge antreten. König Friedrich II. (reg. 1740-1786) konnte die Ansprüche auf die preußische Erbfolge im Hubertusburger Frieden 1763 behaupten, im Frieden von Teschen 1779 völkerrechtlich und reichsrechtlich absichern.

Markgraf Karl Alexander von Ansbach19 (reg. 1757-1791, † 1806) erbte 1768 das Fürstentum Bayreuth und vereinigte beide Markgraftümer in Personalunion. Sein Wahlspruch salus publica salus mea war symptomatisch für seine aufgeklärte Regierungsweise. Er wurde stark durch das Vorbild seines Berliner Onkels, König Friedrichs II., geprägt, seine Herrschaftsweise kann als aufgeklärter Absolutismus charakterisiert werden. 1772 schaffte der Markgraf die Folter ab. Zur Tilgung der gewaltigen Landesschulden beider Fürstentümer trugen eine sparsame Hofhaltung, die Auflösung des Bayreuther Hofes 1769, Personalabbau und Straffung der Verwaltung bei. Der viel kritisierte Subsidienvertrag mit Großbritannien von 1777 hatte daran wesentlichen Anteil. Der Markgraf überließ Großbritannien 2300 Soldaten zum Einsatz in Amerika. 1780 ließ er eine Hofbank, „Brandenburg Anspach-Bayreuthischer Hof-Banco“ einrichten, deren Gewinne er zur Stammeinlage schlagen ließ. Aus ihr erwuchs die Bayerische Staatsbank, die spätere Bayerische Vereinsbank. Unter seiner Regierung erfuhren Industrie und Manufakturen reiche Unterstützung. 1758 wurde in Ansbach eine 1762 nach Bruckberg verlegte Porzellanmanufaktur gegründet, auch förderte er die Landwirtschaft. Zur Hebung des Handelsverkehrs ließ er breite, von Pappelbäumen gesäumte Chauseen anlegen, heute noch erkennbar an der Straße zwischen Uffenheim und Ochsenfurt. Durch Polizeiverordnungen griff der „aufgeklärte“ Staat in das tägliche Leben seiner Untertanen ein und wollte so für öffentliche Sicherheit, für Arbeit und Gesundheit seiner Untertanen sorgen. Zur individuellen Sicherstellung wurden Witwen- und Waisenkassen gegründet und 1770 die in Ansbach schon bestehende Brandversicherung auf Bayreuth übertragen.

Die Stiftung einer Landesuniversität war bereits im Zeichen der Aufklärung erfolgt.20 1742 gründete Markgraf Friedrich von Brandenburg-Kulmbach21 (reg. 1735-1763) unter dem Einfluß seiner Gemahlin Wilhelmine von Preußen22 (1709-1758) die „Friedrichs-Akademie“ in der Residenzstadt Bayreuth,23 welche bald nach Erlangen verlegt und am 4. November 1743 zur Universität erhoben wurde. Die nach dem Muster von Halle und Göttingen eingerichtet Anstalt umfaßte die vier klassischen Fakultäten für Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie. Treibende Kraft war der Leibarzt der Markgräfin und Bayreuther Bergwerksdirektor Daniel de Superville (1696-1773). Mit der Vereinigung der Markgraftümer Ansbach und Bayreuth 1769 verbesserte sich die finanzielle Ausstattung, seitdem führt die Universität den Namen Friderico-Alexandrina.

Trotzdem verlor Markgraf Karl Alexander die Freude an der Regierung. Gedrängt von seiner Geliebten und späteren zweiten Frau Lady Eliza Craven und aus Furcht vor einem Ausgreifen der Französischen Revolution dankte Markgraf Karl Alexander am 2. Dezember 1791 in Bordeaux gegen Zusicherung einer Leibrente von jährlich 300000 fl. ab, um sich nach England ins Privatleben zurückzuziehen. König Friedrich Wilhelm II. von Preußen ergriff am 28. Januar 1792 Besitz von den Markgraftümern, die Regierung übertrug er Hardenberg. Dessen Ziel bildete die Schaffung eines geschlossenen Staatsgebiets durch Mediatisierung der Reichsritterschaft und der Ämter benachbarter Hochstifte sowie die Neuorganisation der Behörden.

Nachdem Preußen am 5. April 1795 durch den Sonderfrieden von Basel Neutralität gegenüber Frankreich gewonnen hatte und somit de facto aus dem Reichsverband ausgeschieden war, konnte Hardenberg an die energische Umsetzung seiner Vorstellungen gehen. Er erklärte die Fraisch-Grenzen (Hochgerichte) in ihrer weitesten Ausdehnung zu Landesgrenzen, was scharfe Proteste der Nachbarn hervorrief. Dieser Anspruch konnte in den reichsrechtlich geschützten fränkischen territoria non clausa nur durch Rechtsbruch und Gewaltanwendung durchgesetzt werden. Der Kaiser aber konnte den betroffenen Hochstiften, dem Deutschen Orden und der Reichsritterschaft keine wirksame Hilfe mehr leisten. Hardenberg ignorierte entsprechende Mandate des Reichshofrates. Die Regierung in Berlin deckte sein Vorgehen und beauftragte ihn in einer Instruktion vom 12. April 1796, Widerstand mit Waffengewalt zu brechen und Proteste und Gerichtsurteile zu mißachten. Hardenberg beanspruchte innerhalb der Fürstentümer die volle Landeshoheit, alle Gerichtsbarkeit, alle lehensherrlichen Rechte, die Kirchengewalt und die Wehr- und Steuerhoheit. Zu Landesgrenzen erklärte er die Hochgerichtsgrenzen in ihrer freilich umstrittenen weitest denkbaren Ausdehnung. Jahrhundertalte Streitigkeiten wurden nun durch Gewalt entschieden.

Seit dem Sommer 1796 führte Hardenberg die Okkupationspolitik mit militärischer Gewalt durch. Er ließ dies durch publizistische Maßnahmen flankieren, in erster Linie Arbeiten der Staatsrechtler Karl Hänlein und Theodor Kretschmann.24 Betroffen waren neben der Reichsritterschaft das Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg, eichstättische Exklaven und der Deutsche Orden mit dem Landkomturssitz Ellingen. Mit den Nachbarn wurden Ausgleichsverträge geschlossen, um klare Grenzziehungen herzustellen. Durch den Bruch des Reichsrechts konnte Hardenberg das preußische Territorium in Franken um nahezu ein Drittel mit 113000 neuen Untertanen erweitern. Unter dem Druck der französischen Truppen bot die Reichsstadt Nürnberg sogar ihre Unterwerfung an, um den Schutz der preußischen Neutralität zu gewinnen, doch lehnte Berlin aus Rücksicht vor dem Kaiser und aus Angst vor der immensen städtischen Schuldenlast ab.

1797 wurden nach der Trennung von Justiz und Verwaltung die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth in einheitliche Gerichts- und Verwaltungsbezirke eingeteilt, als Mittelinstanz wurden je sechs Kreise unter Kreisdirektoren geschaffen. Die geordnete Justizpflege und Verwaltung wirkten sich positiv auf das Land aus. Seit 1796 galten das Preußische Allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung. Der Ritterschaft wurde eine den königlichen Justiz- und Kammerämtern gleichrangige Patrimonialgerichtsbarkeit zugestanden, doch leistete sie hinhaltenden Widerstand.25 Im Agrarbereich konnte Hardenberg durch Musterwirtschaften, Import von hochwertigem Samenvieh und Züchtungen wesentliche Fortschritte erzielen. Auch auf dem Gesundheits- und Medizinalwesen konnte er Erfolge wie die Einführung der Pockenschutzimpfung erwirken. Die kirchlichen Organisationsstrukturen wurden der staatlichen angepaßt.

Hardenberg wollte die beiden Fürstentümer zum Brückenkopf für das Ausgreifen Preußens nach Süddeutschland ausbauen. Als nächsten Schritt plante er die Übernahme der Hochstifte Bamberg und Würzburg, wobei ihm in Bayern ein Gegner erwuchs, der mit ähnlichen Methoden arbeitete. Bayern konnte sich dabei auf Frankreich und Rußland stützen, die eine Hegemonialstellung Preußens verhindern wollten. Daran scheiterte Hardenbergs Politik eines „fränkischen Neupreußen“. Hardenberg hatte durch seine Maßnahmen die späteren bayerischen Verwaltungsreformen entscheidend erleichtert.

Betrachten wir die weiteren fränkischen Territorien. Die drei Hochstifte Bamberg, Eichstätt und Würzburg und der Hoch- und Deutschmeister bildeten die geistliche Fürstenbank des Fränkischen Kreises. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden sie von verschiedenen Säkularisationsprojekten bedroht.26 Im Zeitalter der Aufklärung wurde die Berechtigung geistlicher Herrschafts- und Besitztitel in Zweifel gezogen. Besonders umfassend war das Säkularisationsprojekt von 1742/43, als von Preußen der Plan ausging, mehrere Hochstifte zu säkularisieren, um die schmale Machtbasis Kaiser Karls VII. Albrecht (reg. 1742-1745) zu erweitern. Auch wenn der Kaiser sich von solchen Plänen distanzierte und ihre Urheberschaft in der geschickten Wiener Propaganda vermutete, so war damit doch die Existenz der geistlichen Staaten in Frage gestellt.

Das Hochstift Bamberg umfaßte zu Ende des 18. Jahrhunderts 65 Quadratmeilen und 150000 bis 195000 Einwohner.27 Freilich bildete es kein geschlossenes Gebiet, sondern war durchsetzt von reichsritterschaftlichen Gebieten und von Mediatbesitzungen des Dompropstes, des Domkapitels und der Klöster.28 Die bis heute wertwolle „Historisch-topographische Beschreibung des Kaiserlichen Hochstifts und Fürstenthums Bamberg“, Nürnberg 1801 (ND München 1978) stammt von dem Banzer Benediktiner Johann Baptist Roppelt, der praktischer Geometer und Kartograph war. Es gab 54 Vogtämter, 24 Kastenämter, 46 Steuerämter und 29 Centämter, deren Kompetenzen nicht streng geschieden waren, die sich territorial überschnitten und oft in Personalunion wahrgenommen wurden. Die Stadt Bamberg wurde erst 1748 durch die Auflösung der Immunitäten zu einer Verwaltungseinheit. Mittelbehörden gab es nicht, die Regierungsspitze bildeten der Hofrat, die Hofkammer und der Geistliche Rat. Justiz und Verwaltung waren nicht getrennt.

Das Hochstift Würzburg umfaßte zu Ende des 18. Jahrhunderts 87 Quadratmeilen und 250000 Einwohner. Es war in 54 Ämter eingeteilt, die juristische, finanzwirtschaftliche und Verwaltungsaufgaben zu erfüllen hatten. Außerhalb der Ämterorganisation standen die Stadt Würzburg, die Besitzungen des Domkapitels, des Ritterstiftes St. Burkard, der Stifte Haug und Neumünster, der Universität und des Juliusspitals, der Jesuiten, des Domstifts, des Bürgerspitals und von 15 Abteien. Daneben gab es die Centgerichtsbarkeit. Die Juden verfügten über eine eigene Gerichtsbarkeit. Mittelbehörden existierten nicht, die Zentralbehörden waren ähnlich wie in Bamberg organisiert.

Die Hochstifte Bamberg und Würzburg wurden im Jahr 1792 wie schon unter Friedrich Karl von Schönborn (reg. 1729-1746) und Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1757/55-1779) von Franz Ludwig von Erthal29 (reg. 1779-1795) in Personalunion regiert. Erthal, dem man gewöhnlich den Sieg der Aufklärung im katholischen Franken zuschreibt, faßte seine Stellung zu dieser Geisteshaltung zusammen, „daß ich stets ein Beförderer der wahren und zweckmäßigen Aufklärung sein und bleiben werde, von deren Wohlthätigkeit, wenn darunter gründlicher Religionsunterricht und steter Betrieb der Sittlichkeit mitverstanden wird, ich vollkommen überzeugt bin.“30 In seinen Regierungsgrundsätzen stellte er das Bischofsamt über die Reichsfürstenwürde.31 In pädagogischer Absicht versuchte er als typischer Aufklärer alle Lebensbereiche zu regeln. Er ließ neue Ritualien, Gesangbücher und Katechismen einführen. Gegen Elemente des Wallfahrtswesens und die Vielzahl von Feiertagen wandte er sich, unter anderem mit der Feiertagsverordnung von 1785.32

Die Reformen des Zivilrechts unter den Fürstbischöfen Adam Friedrich33 und des Strafrechts unter Franz Ludwig34 bewegten sich vollkommen auf der Höhe der Zeit. Beide bemühten sich erfolgreich um das Bildungswesen. Erthal errichtete 1791 in Bamberg nach Würzburger Vorbild ein Schullehrerseminar.35 Gleichzeitig wurde die Oberaufsicht über das Bamberger Schulwesen der ausschließlichen geistlichen Aufsicht durch das Generalvikariat entzogen und der Schulkommission übertragen. An den beiden Universitäten Würzburg und Bamberg gewannen die Vertreter der Aufklärung weiter an Boden, besonders auf den Gebieten von Pastoraltheologie und Kirchengeschichte. 1782 berief Franz Ludwig von Erthal den Würzburger Benediktiner von St. Stephan Matern Reuß, der eine Studienreise zu Kant nach Königsberg unternommen hatte, auf den Würzburger Lehrstuhl für Logik, Metaphysik und praktische Philosophie.36 Er war der erste, der sich an einer katholischen Universität zur Philosophie Kants bekannte und 1788 über sie las. Im folgenden Jahr veröffentlichte er die Schrift „Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären?“. Der Kantianismus entwickelte sich auch an den katholischen Universitäten Würzburg und Bamberg, wo Georg Eduard Daum und Johann Friedrich Batz schon früher die Philosophie Kants vertreten hatten, zu einer förmlichen Modeerscheinung.

Erthal ließ verschiedene gesundheitspolitische Maßnahmen durchführen, so erließ er eine Hebammenordnung und errichtete eine Hebammenschule. 1787 wurde in Bamberg mit einem modernen, 1789 eröffneten Krankenhausneubau begonnen.37 Es entsprach hinsichtlich Anordnung und Ausstattung der Krankenzimmer, Handhabung der Hygiene und pflegerischer und ärztlicher Betreuung modernsten Anforderungen. Sein Vorbild war das 1784 errichtete Wiener Allgemeine Krankenhaus. Es sollte in erster Linie Armen und Dienstboten zur unentgeltlichen Behandlung zur Verfügung stehen. Auch in der Armenfürsorge wurden wesentliche Fortschritte erzielt.38 1779 führte Franz Ludwig in Würzburg die Armen-Polizei ein, um den sündhaften Müßiggang zu beenden und ehrlichen Broterwerb zu ermöglichen. Als arm galt, wer sich den notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst verschaffen konnte. Um diese Armen von den Arbeitsscheuen zu trennen, wurden Zwangsarbeitshäuser eingerichtet. Diese Armenordnung wirkt als Vorbild für den Fränkischen Reichskreis und wurde 1816 der Armenverordnung des Königreichs Bayern zugrundegelegt.39

Im Frühjahr 1790 überließ Erthal als Fürstbischof von Würzburg dem Kaiser Truppen für den Einsatz gegen das revolutionäre Frankreich. 1792 bemühte er sich um eine Neutralitätserklärung des Fränkischen Kreises gegenüber Frankreich,40 mußte sich aber schließlich dem Reichskrieg anschließen. Diese Konstellation bestimmte bis zum Ende die Politik der fränkischen Hochstifte.

Nach Erthals Tod am 14. Februar 1795 wählte das Würzburger Kapitel Georg Karl von Fechenbach (reg. 1795-1808) zum Fürstbischof. Trotz Unterstützung des Kaiserhofes konnte er sich in Bamberg nicht durchsetzen, weil er im dortigen Domkapitel nicht aufgeschworen war. Die Bamberger Kapitulare einigten sich nach langen Verhandlungen und verschiedenen politischen Pressionen auf einen schwachen Kompromißkandidaten, den greisen Regierungspräsidenten Christoph Franz von Buseck (reg. 1795-1802/1805). Auf Grund der politischen Umstände konnte er keine bedeutenden innenpolitischen Aktivitäten entfalten. Aus Treue zur Reichsverfassung lehnte er 1795 das Angebot Hardenbergs ab, Bamberg in die preußische Neutralitätszone einzubeziehen. 1796 mußten die fränkischen Bischöfe vor den heranrückenden Franzosen nach Böhmen fliehen, die Würzburg besetzten.

Das Hochstift Eichstätt umfaßte zu Ende des 18. Jahrhunderts noch 20 Quadratmeilen und 62000 Einwohner. Es bestand im wesentlichen aus zwei Teilen, einem größeren Komplex um Eichstätt an der Altmühl bis Berching im Norden und das Oberstift aus mehreren kleineren Gebieten um Herrieden, Ornbau, Abenberg und Spalt. Es verschloß sich anders als die mainfränkischen Diözesen weitgehend den Forderungen der Aufklärung. Als letzter Eichstätter Fürstbischof wurde Joseph von Stubenberg41 (reg. 1791-1821, †1824) 1791 gewählt. Die von Hardenberg mit harter Rücksichtslosigkeit durchgeführte Revindikationspolitik drohte auch die geistliche Jurisdiktion des Bischofs einzuschränken. Hardenberg entwickelte den Plan der Errichtung eines Generalvikariates für die Katholiken in den preußischen Territorien in Franken.42 1794/95 visitierte Stubenberg die Pfarreien und Klöster im Hochstift persönlich. Er unterstützte ein vom Bischof von Freising und Regensburg angeregtes Projekt einer Verbindung der geistlichen Reichsstände zur Erhaltung der Wahlstaaten,43 dem aber Würzburg und Bamberg fernblieben.

Das reichsunmittelbare Territorium des Hoch- und Deutschmeisters umfaßte zu Ende des 18. Jahrhunderts nur noch das Meistertum Mergentheim mit 10 Quadratmeilen und 32000 Einwohnern, das Amt Ellingen als Sitz der Ballei Franken war 1796 von Preußen okkupiert worden.44 Der Deutsche Orden, dessen Vertreter der Reichsdeputation angehört hatte, überstand zunächst den Reichsdeputationshauptschluß. Er wurde erst 1809 in den Rheinbundstaaten aufgehoben und säkularisiert, im Kaiserreich Österreich bestand er fort.

Auf der weltlichen Fürstenbank des Reichskreises saßen neben den beiden Markgraftümern, deren Stimmen nun von Brandenburg-Preußen geführt wurden, drei Linien der gefürsteten Grafen von Henneberg resp. deren Nachfolger und seit 1674 Schwarzenberg, seit 1712 Löwenstein-Wertheim und seit 1746 Hohenlohe-Waldenburg. Schon wegen der Beschränktheit ihrer Machtbasis waren auf Grund kleiner und vielfach zersplitterter Territorien die fränkischen Fürsten und Grafen darauf angewiesen, die Nähe und Unterstützung des Kaisers zu suchen.

An den Grenzen des fränkischen Reichskreises lagen die gefürstete Grafschaft Henneberg, deren Nachfolgeterritorien - neben Sachsen-Meiningen verfügten über Teile des Henneberger Erbes Kursachsen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Gotha und Sachsen-Hildburghausen, Hessen-Kassel - und die gefürstete Grafschaft Hohenlohe. Sechs Linien der Fürsten von Hohenlohe gehörten dem Fränkischen Grafenkollegium an: Öhringen, Langenburg, Ingelfingen, Kirchberg, Bartenstein und Schillingsfürst. Die Grafschaft bildete insgesamt einen Fideikommißbesitz des Hauses, doch waren innerhalb der Grafenfamilie Teilungen die Regel. Sie umfaßte etwa 100000 Einwohner, die in 17 Städten - am bedeutendsten war Öhringen - , sieben Marktflecken und circa 250 Dörfern und Weilern lebten. Auch an diesen Territorien war die Aufklärung nicht spurlos vorübergegangen, doch blieben die Herrschaftsverhältnisse patriarchalisch geprägt.

Die übrigen Grafschaften beruhten auf Rodungsherrschaften. An den Rändern des Steigerwaldes lagen Castell, Limpurg, Schwarzenberg und Wiesentheid. Im Odenwald und Spessart befanden sich die Grafschaften Erbach, Löwenstein-Wertheim und Rieneck. Diese Territorien wurden nach der Gründung des Rheinbunds mediatisiert und unter den Rheinbundstaaten aufgeteilt.

Fünf Reichsstädte gehörten dem fränkischen Reichskreis an, welche die Städtebank bildeten. Nürnberg, eine der größten Reichsstädte des Alten Reiches, besaß das umfangreichste Territorium einer Reichsstadt.45 Dazu gehörten die sechs Städte Lauf, Hersbruck, Velden, Altdorf, Gräfenberg und Betzenstein. Über weite Teile des Nürnberger Territoriums bis vor die Stadtmauern beanspruchten allerdings die Markgrafen die Fraisch. 1796 wurden dies von Preußen unter Hardenberg mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Kurbayern hatte bereits 1790 bis 1792 Okkupationen vorgenommen, um die Gebietsabtretungen des Landshuter Erbfolgekrieges, besonders des Pflegamts Velden, rückgängig zu machen. Das Territorium umfaßte so nur noch 30 Quadratmeilen und 30000 Einwohner.

Der Nürnberger Rat wurde ausschließlich vom Patriziat besetzt.46 Legislative, Exekutive und Jurisdiktion übte der Innere Rat aus. Die aristokratische Oligarchie hatte während des 18. Jahrhunderts zu einer gewissen Erstarrung der Politik geführt, die von einem wirtschaftlichen Niedergang infolge der merkantilistischen Politik der benachbarten Fürsten und einem Anwachsen der städtischen Schulden durch überhöhte Reichsabgaben begleitet war.47 So mußte Nürnberg in Friedenszeiten 20% und in Kriegszeiten über 50% seines Haushaltes für Kaiser und Reich zur Verfügung stellen. Moderne Manufakturen wurden in Nürnberg nicht gegründet, die Stadt verschloß sich weitgehend der gewerblichen Innovation. Der Größere Rat, in dem das Bürgertum und die Handwerker vertreten waren, erzwang mit dem Grundvertrag von 1794 die Teilhabe an der Stadtregierung, insbesondere das Mitspracherecht bei finanziellen Angelegenheiten.48 Allein 1796 erwuchs der Reichsstadt durch französische Einquartierungen ein Schaden von über drei Millionen Gulden. 1796 hatte der Rat die Reichskleinodien zum Schutz vor den Franzosen über Regensburg an den Kaiserhof bringen lassen. Wegen der desolaten Finanzlage wurde die Reichsstadt seit 1797 von einer kaiserlichen Subdelegationskommission regiert. Die kirchliche Aufklärung erfaßte um die Jahrhundertwende die Liturgie, die Apostel- und Marienfeiertage wurden 1805 abgeschafft.49

Neben Nürnberg saßen Rothenburg,50 Schweinfurt, Weißenburg und Windsheim auf der Städtebank des Fränkischen Kreises. Während Rothenburg mit seinem umfangreichen Territorium den Rang einer Mittelstadt beanspruchen konnte, waren die übrigen drei nur Kleinstädte mit Mittelpunktsfunktionen in reichen Agrargebieten. Auch ihre Geschicke wurden von patrizischen Oligarchien bestimmt, sie lehnten sich eng an Nürnberg an.

Nun ist noch die Reichsritterschaft vorzustellen, die sich endgültig Mitte des 16. Jahrhunderts aus den landesfürstlichen Territorien gelöst und als eigenständige Korporation organisiert hatte.51 Allerdings konnte sie keine Kreisstandschaft erwerben. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 hatte sie die Religionshoheit errungen. Die territoriale Ausdehnung des fränkischen Ritterkreises übertraf noch die des Reichskreises. Die „reichsfrey ohnmittelbare Ritterschaft Landes zu Francken“ war in sechs Kantone oder Ritterorte organisiert: Odenwald, Gebürg, Rhön-Werra, Steigerwald, Altmühl und Baunach. Die Reichsritterschaft stand unter dem besonderen Schutz des Kaisers, dem sie ihrerseits Einflußsphären am Rande und innerhalb der sich verfestigenden Territorialfürstentümer offenhielt. Sehr selbstbewußt bezeichnete sich ein Angehöriger der Ritterschaft und zugleich brandenburg-ansbachischer Minister, Christoph Ludwig von Seckendorff-Aberdar, 1754 anläßlich einer Geburtstagsfeier für Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach als freier Franke: „Ein freyer Frank feiert seines Fürsten Fest mit andern freyen Franken in einer freyen Stadt.“52 Der leider viel zu früh verstorbene bedeutende Kenner des fränkischen Adels, Gerhard Rechter, hat gezeigt, daß Franke hier aber im Verständnis des Reichsritter nicht in erster Linie die landschaftliche Zugehörigkeit charakterisieren sollte, sondern in der Verbindung mit frei als ständisches Merkmal zu werten ist.53

Wir haben gesehen, wie vielgestaltig sich Franken noch am Ende des 18. Jahrhunderts darstellte. Franken war kein staatsrechtlicher Begriff, lediglich der seit 1522 so bezeichnete Fränkische Reichskreis bildete ein gemeinsames Dach der fränkischen Reichsstände.54 Der Reichskreis war ab 1500 zunächst zur Wahl für die Beisitzer des Reichsregiments und später des Kammergerichts eingerichtet und dann mit weiteren Aufgaben wie der Erhebung der Reichssteuern, der Münzaufsicht und der Friedenswahrung betraut worden.55 Das Kreisdirektorium führte der Bischof von Bamberg, seit 1559 konnten die Markgrafen das Mit-Ausschreiberecht behaupten. Die Zollern übten auch das Amt des Kreisobristen aus. Bereits 1747 (Frankfurt und Leipzig) hatte Georg Paul Hönn ein „Lexicon Topographicum in welchem alle des Fränckischen Craises Städte, Clöster, Schlösser, Markflecken, und Dörfer“ verzeichnet waren, vorgelegt.

Der Fränkische Kreis war am Ende des 18. Jahrhunderts noch funktionsfähig, unterhielt ein stehendes Heer, nahm die Landfriedenswahrung wahr, kontrollierte das Münzwesen und überwachte die Durchführung der Reichshandwerksordnung. 1788 war eine Finanzreform durchgeführt worden, nach der mit der Amortisation der Schulden begonnen wurde. Seit 1791 tagte der fränkische Kreistag permanent in Nürnberg und entwickelte sich zu einer eigenständigen politischen Institution. Die Gesandten der 27 Kreisstände verstanden sich ein Stück weit als Gemeinschaft und begannen, eigene Konzepte zu entwickeln. Eine führende Rolle unter ihnen spielte Friedrich Adolph von Zwanziger (1745-1800), der als Delegierter die Interessen der Reichsgrafschaft Castell und mehrerer kleinerer Stände beim Kreis vertrat.56 Schon frühzeitig forderte er, den Kreis als Gesellschaft gleichberechtigter Stände mit Mehrheitsbeschlüssen zu organisieren.57 Den Usurpationsbemühungen Hardenbergs erwuchs in ihm ein ernsthafter Gegner. Auf Druck Preußens erhielten die Kreisstände 1795 sogar erweiterte Mitwirkungsrechte, worüber sie ein Abkommen schlossen, das in 1200 Druckexemplaren verbreitet wurde.58 Allerdings blockierten die brandenburgischen Delegierten dann bald die Zusammenarbeit im Kreis.59

Zwanziger nahm direkte Verhandlungen mit Vertretern der französischen Republik auf und reiste im Auftrag des Fränkischen Kreises im August 1796 nach Paris.60 Dies brachte ihm von Hardenbergs Pariser Gesandten den Vorwurf ein, er plane, den Fränkischen Reichskreis in „eine förmliche, unter französischem Schutz stehende, ständische Republik“ zu verwandeln.61 Mehrfach machte auch Hardenberg Zwanziger diesen Vorwurf und beschuldigte ihn damit als Jakobiner.62 Die Kreisgesandten waren aber sicher realistisch genug, keinen Umsturz der politischen Verhältnisse zu erstreben. Sicher haben sie sich Gedanken über eine künftige gemeinsame Verfassung der fränkischen Territorien gemacht, die Verbindung mit jakobinischen Gedanken ist aber allein den Anklagen Hardenbergs zu entnehmen. Die Identität als Mitglied des fränkischen Kreises dürfte sich auf einen engen Kreis politischer Eliten unter den Kreisgesandten beschränkt haben. Es gibt keine überzeugenden Beweise, daß die Bewohner der fränkischen Territorien ein grenzüberschreitendes, reichskreisweites fränkisches Gemeinschaftsgefühl entwickelt hätten. Die meisten Bewohner des Reichskreises fühlten sich als Untertanen ihrer Landesherren oder Bürger ihrer Stadt, denen ihre Loyalität galt; besonders in den Reichsstädten, aber auch in den geistlichen Territorien war der Kaiser als Reichsoberhaupt vielfach gegenwärtig, bei Reichstagen, bei Besuchen, bei zeremoniellen Akten durch Vertreter oder auch im Kirchengebet.63


Wir haben einen Überblick über das Franken des Ancien Régime, über das vor-hardenbergische Franken gewonnen, das in vielem ein Abbild des Heiligen Römischen Reiches in nuce bildete – und dieses sogar um einige Tage überlebte. Erst am 16. August 1806, also 10 Tage, nachdem Kaiser Franz II. (1768-1835) die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches niedergelegt hatte, erklärte der bayerische Gesandte beim Fränkischen Reichskreis, der in die Bamberger Direktorialrechte eingerückt war, die Kreisversammlung im Namen des Königs von Bayern für aufgelöst.64

Das am 1. Januar 1806 proklamierte Königreich Bayern bildete dagegen einen eigenständigen Staat, der über eine weitgehend ungebrochene Tradition vom Stammesherzogtum über das um die österreichischen Länder und Tirol verkleinerte Herzog- und Kurfürstentum bis zum souveränen Königreich verfügte, seit 1180 von Wittelsbachern regiert. Die wohl einschneidendsten Veränderungen seiner Geschichte erlebte es zwischen 1802 und 1815, als aus dem alten Kurfürstentum, säkularisierten Hochstiften des bayerischen, den meisten Territorien des fränkischen und den östlichen Teilen des schwäbischen Reichskreises das moderne Bayern geformt wurde.65 Damit sind wir am wohl schwärzesten Punkt der bayerisch-fränkischen Beziehungen angelangt. Mit Legitimität hatten die Säkularisationen und Mediatisierungen nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 sicher nichts zu tun, sondern mit kühler Machtpolitik. Und hätte Bayern nicht zugegriffen - eine müßige Fragestellung - hätte Preußen versucht, seine fränkische Stellung zu behaupten und auszubauen. Denken wir nur an die rigorose Politik Karl August Freiherr von Hardenbergs, der bei der Inbesitznahme der Markgraftümer für die Krone Preußen Ansprüche auf ganz Franken erhoben hatte.66 Hardenberg wollte die beiden Fürstentümer zum Brückenkopf für das Ausgreifen Preußens nach Süddeutschland ausbauen. Als nächsten Schritt plante er die Übernahme der Hochstifte Bamberg und Würzburg, wobei ihm in Bayern ein Gegner erwuchs, der mit ähnlichen Methoden arbeitete. Dieses konnte sich dabei auf Frankreich und Rußland stützen, die eine Hegemonialstellung Preußens verhindern wollten. Daran scheiterte Hardenbergs Politik eines „fränkischen Neupreußen“. Bereits 1802 besetzte Bayern die fränkischen Hochstifte, Würzburg bildete dann zwischen 1805 und 1814 ein eigenes Großherzogtum.67 Damals stand nicht Bayern gegen Franken, sondern Machtpolitik gegen altes Reichsrecht, das keine Verteidiger mehr fand. Die Markgraftümer kamen erst – auf dem Tauschweg und durch Verkauf – 1806 und 1810 an Bayern. Die übrigen weltlichen Territorien fielen meist im Zuge der Mediatisierung ebenfalls 1806 an das neue Königreich.

Widerstände bei der fränkischen Bevölkerung in den ehemaligen Hochstiften lösten weniger die Zugehörigkeit zu einem anderen Staatswesen und die damit verbundene Verwaltungsneuorganisation aus als vielmehr die radikalen Säkularisationsmaßnahmen. Die Aufhebung der Klöster und die Unterdrückung tradierten religiösen Brauchtums verletzten die Gefühle der gläubigen Bevölkerung. Kulturelle Werte und Kunstwerke gingen bei den vielfach barbarisch durchgeführten Aktionen zugrunde.

Herausragende Kunstschätze wurden nach München transportiert. Die dabei geschlagenen Wunden vernarbten lange nicht, der Dichter Karl Immermann (1786-1840) mußte die andauernde Empörung bei seiner „Fränkischen Reise“ noch 1837 feststellen.68 Diese modern-aufgeklärten Maßnahmen, dieser radikale Bruch mit der Tradition trafen aber nicht nur Franken, sondern ganz Bayern. Es war die Spätaufklärung, die ihre Kirchenfeindschaft und ihren Nützlichkeitswahn, ihre Ablehnung gewachsener Traditionen und ihren Zentralisierungsfetischismus auslebte.

Der Beginn der bayerischen Herrschaft in Franken stand so unter einem Unstern. Die Identität der ehemaligen Hochstiftsuntertanen war katholisch geprägt, Proteste entzündeten sich an antikirchlichen Maßnahmen. Noch stärker blieb in den Reichsstädten die Erinnerung an das Reich wirksam. Als im Juni 1809 ein österreichisches Freikorps nach Franken gelangte, öffnete ihm die Nürnberger Bevölkerung die Tore, gegen die Polizeidirektion kam es zu Ausschreitungen, die bayerischen Wappen wurden abgerissen. Die Identität der ehemaligen Reichsstädter hatte sich auf Nürnberg und darüber auf das Reich bezogen, die Loyalität galt dem römisch-deutschen Kaiser, die einfach auf den Kaiser von Österreich übertragen werden konnte. In den vormaligen Markgraftümern war noch die Anhänglichkeit den alten Landesherren gegenüber lebendig, die man dem König von Preußen bewahrt hatte. Daran änderten auch die panegyrischen Formen der Bekundung der Anhänglichkeit und des Gehorsams an den neuen bayerischen König zunächst nichts. Die traditionelle Loyalität zu Kaiser und Reich wie zu den Hohenzollern konnte sich in Franken mit der modernen nationalen Bewegung des Zeitalters der Befreiungskriege verknüpfen.

Als aber nach einem langen Leben Alexander von Humboldt im Jahr 1859 starb, war Franken längst fester Teil des Königreichs Bayern geworden. Dafür hatten die bayerische Verfassung von 1818 und besonders die Integrationspolitik König Ludwigs I. (reg. 1825-1848, †1868) gesorgt. Der Monarch dokumentierte 1835 die Vielfalt seiner Länder aus „vier Völkerstämmen“ in einem neuen Titel: „Ludwig von Gottes Gnaden König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und in Schwaben etc. etc.“.69 Erstmals waren damit alle Franken zumindest dem Titel nach in einem Herzogtum vereinigt. Ludwig I. bemühte sich erfolgreich, die eigenständigen Traditionen der fränkischen Territorien zu beleben.70 In diesen Bereich gehört die Historisierung des bayerischen Wappens (1835), für das er den fränkischen Rechen, der seit dem 14. Jahrhundert auf Grabsteinen der Würzburger Fürstbischöfe begegnet, als Symbol für Franken bestimmte.71 Er bezog auch die Regierungskreise in dieses Konzept ein, indem er 1837 die Flußnamen durch die historisierenden Bezeichnungen Ober-, Mittel- und Unterfranken und Aschaffenburg ersetzen ließ.72 Ein weiteres Element bildete seine Denkmalpolitik, in mehreren fränkischen Städten ließ er Monumente der früheren Regenten aufstellen.73 Ludwig I. inszenierte sich dadurch als Erben der fränkischen Fürsten. Auf diese Weise trug er zur Bildung einer fränkischen Identität bei, die auf die Person des Monarchen ausgerichtet sein sollte. Er konstituierte den König und die Dynastie als Klammer und Garanten der Einheit des Königreiches.

Werner Blessing hat darauf hingewiesen, daß gerade der moderne Staat eine neue Verbundenheit über alte Grenzen hinweg erzeugt hatte, daß die „Einbayerung“ auch eine „Frankonisierung“ bewirkt hatte.74

Tagungsband über das Historische Symposium

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