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2.2 Was ist fremdsprachendidaktische Forschung? Und welches sind ihre zentralen Forschungsfelder?

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Fremdsprachendidaktische Forschung konstituiert sich durch ihren Gegenstandsbereich, „das Lehren und Lernen fremder Sprachen in allen institutionellen Kontexten und auf allen Altersstufen“ (Bausch/Christ/Krumm 2003: 1). Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre könnte man diese bekannte Definition durch die Elemente „Zweitsprachen“ und „außerinstitutionelle Kontexte“ (vgl. Burwitz-Melzer/Königs/Riemer 2015) ergänzen. Während die Ursprünge fremdsprachendidaktischer Forschung bereits im 19. Jahrhundert liegen (vgl. Kapitel 3.1), etablierte sich die Fremdsprachendidaktik erst nach dem 2. Weltkrieg als eigenständige Disziplin. Folgende sechs Merkmale sind als besonders charakteristisch herauszustellen (vgl. im Folgenden Bausch/Christ/Krumm 2003, Doff 2008 und 2010, Edmondson/House 2006, Grotjahn 2006):

1 Das wichtigste Charakteristikum fremdsprachendidaktischer Forschung ist ihr ErkenntnisinteresseErkenntnisinteresse. Noch in den 1950er und 60er Jahren wurde die zentrale Aufgabe der Didaktik darin gesehen, praktische Empfehlungen für den schulischen Unterricht zu geben. Seit den 1970er Jahren ist nicht zuletzt unter dem Einfluss der Sprachlehrforschung sowohl eine stärker theoretisch ausgerichtete (Grundlagen-) Forschung als auch eine stärkere Ausdifferenzierung des Theorie-Praxis-BezugTheorie-Praxis-Bezuges zu beobachten. Das theoretische Ziel fremdsprachendidaktischer Forschung besteht – ganz allgemein – darin, die einzelnen Faktoren fremdsprachlichen Lernens und Lehrens differenziert zu erforschen und in ihrem Zusammenwirken immer genauer zu verstehen. Das praktische Ziel besteht – grob gesagt – darin, die Qualität des Fremdsprachenunterrichts und außerunterrichtlicher Lernangebote beständig zu verbessern. Dies kann angesichts der Vielfalt und Komplexität der Praxis jedoch nicht durch simple Ableitung theoretisch gewonnener Erkenntnisse geschehen, sondern nur in der Interaktion zwischen Theorie und Praxis. Als anwendungsorientierte WissenschaftanwendungsorientierteWissenschaftanwendungsorientierte Wissenschaft zeichnet sich die Fremdsprachendidaktik daher durch ein beständiges Wechselspiel zwischen Forschung und Anwendung aus.1 Generelles Ziel ist es, durch das forschungsgeleitete Aufstellen, empirische Überprüfen und erkenntnisbasierte Ausschärfen von theoretischen Grundlagen, Begriffen, Konzepten und Modellen das Erkennen, Verstehen und Erklären von komplexen Lehr- und Lernsituationen voranzutreiben und das Handeln in diesen Situationen zu verbessern.

2 Charakteristisch für den Gegenstandsbereich der Fremdsprachendidaktik ist weiterhin seine FaktorenkomplexionFaktorenkomplexion (Königs 2010), denn beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen wirken zahlreiche Faktoren zusammen. Ein bekanntes Modell stammt von Edmondson (1984, wiedergegeben in Edmondson/House 2006: 25, im Folgenden leicht adaptiert). Er unterscheidet fünf große, sich gegenseitig beeinflussende Faktorenkomplexe:Unterricht (beeinflusst durch Curriculum, Lern-/Lehrziele, Lehrinhalte, Lehrmethoden, Prinzipien, Übungsformen, Lehrwerke, Medien usw.)Lehr- und Lernumgebungsfaktoren (Dauer, Frequenz, Ausstattung, Lerngruppengröße usw.)personenbezogene Faktoren, d.h. Lehrkräfte und Lerner_innen (personale Faktoren, Ausbildung, Motivation/ Interesse, fremdsprachige Kompetenzen etc.)soziopolitische Faktoren (Status der Fremdsprache, Fremdsprachenpolitik, Ausbildung, ökonomische Bedingungen etc.)wissenschaftliche Faktoren (Ergebnisse aus der Sprachlehrforschung und der Fremdsprachendidaktik sowie aus den Bezugswissenschaften).Angesichts der Vielzahl und der Interdependenz der – keinesfalls vollständig aufgeführten – Einzelfaktoren leuchtet unmittelbar ein, dass die isolierte Darstellung und Erforschung eines Einzelfaktors forschungsmethodisch nicht sinnvoll zu realisieren ist. Fremdsprachendidaktische Forschung muss sich daher auch bei der notwendigen Fokussierung auf einen oder wenige Faktoren stets der Tatsache bewusst sein, dass es sich um Einzelaspekte innerhalb eines komplexen Gefüges handelt.

3 Aus den ersten beiden Merkmalen ergibt sich das dritte: Fremdsprachendidaktische ForschungForschunginterdisziplinäre ist interdisziplinärinterdisziplinär, denn sie greift sowohl inhaltlich als auch forschungsmethodisch auf Bezugswissenschaften zurück. Je nach Gegenstand und Fragestellung handelt es sich z.B. um die Erziehungswissenschaften, die Linguistik und Literaturwissenschaft, die Kultur- und Medienwissenschaften, die Soziologie und/oder die Psychologie. Jedoch geht es auch hierbei nicht um die alleinige Anwendung der Theorien, Modelle und Erkenntnisse aus den Bezugswissenschaften, sondern darum, diese für die spezifischen Fragen und Interessen der Fremdsprachendidaktik zu nutzen und die unterschiedlichen Perspektiven zu integrieren.

4 Dieses interdisziplinäre und integrierende Vorgehen hat zur Folge, dass Fremdsprachendidaktik durch eine große Breite an methodischen Herangehensweisen charakterisiert ist und sich je nach Gegenstand und Forschungsfrage unterschiedlicher methodischer Ansätze und Verfahren bedient. Dabei überprüft sie die Passung zwischen ihren Fragen und den Ansätzen bzw. Verfahren verwandter Disziplinen und wandelt sie ggf. ab. In diesem Prozess entstehen zunehmend spezifisch fremdsprachendidaktische methodische Zugänge.

5 Aus dem Theorie-Praxis-BezugTheorie-Praxis-Bezug ergibt sich, dass Praktiker_innen (wie Lerner_innen, Lehrer_innen oder Ersteller_innen von Curricula und Prüfungen) nicht nur Forschungspartner_innen sind, sondern auch selbst zu Forschenden werden können, die selbst oder in Zusammenarbeit mit universitären Forscher_innen sie interessierende Fragen untersuchen. Da sich diese Studien u.a. in Umfang und Zielsetzung häufig von etablierten Standards unterscheiden, wird immer wieder diskutiert, ob bzw. inwieweit es sich dabei tatsächlich um wissenschaftliche Forschung handelt. Im Design der Aktionsforschung und der insbesondere im englischsprachigen Raum verbreiteten Forschungsrichtung der teacher research (vgl. Kapitel 4.2) liegen inzwischen jedoch weithin akzeptierte Ansätze vor. Das Gros der fremdsprachendidaktischen Forschung findet allerdings weiterhin an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen statt, die wichtigsten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin und das Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel (vgl. auch Kapitel 8).

6 Charakteristisch für die Fremdsprachendidaktik ist weiterhin, dass der allergrößte Teil der Forschung von den Wissenschaftler_innen selbst angestoßen und durchgeführt wird, wobei den Qualifikationsarbeiten von Nachwuchswissenschaftler_innen besondere Bedeutung zukommt. AuftragsforschungAuftragsforschung z.B. von der Kultusministerkonferenz (KMK), Länderministerien oder Behörden wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Institutionen wie dem Goethe-Institut oder dem Deutsch-Französischen Institut Ludwigsburg oder einzelnen Schulen ist eher selten. Die allermeisten Forschungsprojekte sind Einzelarbeiten, die zwar im Austausch mit Kolleg_innen und Betreuer_innen entstehen, letztlich aber von einzelnen Forscher_innen geplant, durchgeführt und veröffentlicht werden. Kleinere Forschungsverbünde (z.B. in Graduiertenkollegs oder Research Schools) oder die gemeinsame Arbeit größerer Forschergruppen (wie z.B. in der DESI-Studie 2008) sind bislang die Ausnahme. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die zunehmende Anzahl von, meist interdisziplinären, Graduiertenschulen und fächerübergreifenden Forschungsprojekten z.B. im Rahmen der empirischen Bildungsforschung, hier zu einem Wandel führen wird.

Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik

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