Читать книгу Der Hypnotist Der Hase im Cafe - Götz Renartz - Страница 6
Der Kampf
ОглавлениеDer Blick in den Spiegel verhieß nichts Gutes. Ein fleischfarbenes Etwas saß dort, wo es gejuckt hatte.
Er hatte schon mehrfach nachgesehen. Nichts war zu sehen gewesen. An diesem Morgen aber war da ein kleiner fleischfarbener Blumenkohl. Direkt am Beginn der linken Augenbraue über der Nase.
„Grösser als eine Erbse“, dachte er. Und erschreckend häßlich.
Sollte er so unter die Menschen? Er verbat sich den Gedanken und fühlte in sich eine Wut aufkeimen. Das irritierte ihn.
Wegen einer Warze einen solchen gefühlsmäßigen Aufstand? Und das heute, wo er eine neue Karriere starten wollte?
Es sollte doch sein Erfolgstag werden! Aber dennoch, die Wut wurde eher noch stärker. Was ihn noch mehr verwunderte und auch ein bißchen beunruhigte.
Er wusste, dass die Viren, die seine Geschwulst wuchern ließen, sich nicht um Gefühle kümmerten. Aber wenn er eine so starke Wut verspürte, ging er davon aus, daß Gefühle seine Immunabwehr negativ beeinflusst hatten.
Das Jucken der vergangenen Tage hatte den Kampf des Körpers mit den Erregern verraten.
Eigentlich freute er sich auf den heutigen Tag.
Heute sollte er seinen ersten Auftrag als selbstständiger Problemlöser erhalten.
Ein neuer Lebensabschnitt sollte beginnen.
Vielleicht würde er auch eine neue Sekretärin finden. Um zehn Uhr war eine Frau Herr zum Gespräch einbestellt.
Aber die Wut ließ nicht nach und wurde eher stärker.
Er rief sich zur Ordnung.
Er war der Hypnotist und wusste genau, wie man Warzen mit der Kraft des Unbewussten loswurde. Er lächelte.
„Ich werde Euch einheizen!“ dachte er in Richtung der Viren.
Aber die Heftigkeit seiner Gefühle verwirrte ihn. Sie verwiesen darauf, dass etwas in ihm brodelte, sich aus dem Unbewussten bemerkbar machen wollte. Er würde sich darum kümmern müssen. Aber jetzt wollte er die Warze loswerden.
Es würde ein paar Tage in Anspruch nehmen, wenn kein unbewusster Widerstand gegen ihn arbeiten würde.
Das musste er als erstes klären. Dann sein Unbewusstes fragen, welchen Weg der Heilung er gehen sollte, um die Warze loszuwerden.
Ehe er sich rasierte und wusch, noch im Pyjama, begann er die Kommunikation mit seinem Unbewussten. Er richtete sich auf, entspannte seinen Körper, während er weiter vor dem Spiegel stand. Seine beiden Hände hielt er locker in Vorhalte vor seinem Körper und schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
Hypnose war fokussierte Aufmerksamkeit, die er nach innen ins eigene Denken, Fühlen und Erleben richten musste. Sodaß sich sein ganzheitlicher Geist funktionell dissoziieren konnte und die hypnotische Trance eintrat.
In jenem für die Hypnose typischen ,Sowohl-als-auch-Denken’, in dem ihm der Kontakt mit dem Unbewussten besser gelingen würde und er zugleich in seinem vertrauten Alltagsdenken verbleiben würde, konnte er mit seinem Unbewussten direkt kommunizieren.
Je besser er sich konzentrieren und sich auf sein inneres Erleben einlassen würde, desto stärker konnte seine Hypnose werden.
Er würde über seine zunehmend hypnotisch reagierenden Hände mit seinem Unbewussten kommunizieren und dabei die angeborene Fähigkeit zu unbewussten ideomotorischen Bewegungen nutzen.
Die Wissenschaft hatte die Ideomotorik schon vor 150 Jahren entdeckt. Durch die Hypnose konnte diese angeborene Tendenz, ideomotorisch zu reagieren, verstärkt werden.
Sein Unbewusstes würde die Kontrolle über die Hände und Arme übernehmen. Das würde es seinem Unbewussten ermöglichen, sich über spontane Bewegungen der Hände auszudrücken.
Schon spürte er die angenehme und wohlige Entspannung der sich entwickelnden Hypnose im Körper. Sein Geist wurde ruhig. Er konnte jetzt sein Unbewusstes fragen.
„Unbewusstes, hilfst Du mir, mit den Viren fertig zu werden, wenn ich Dir verspreche, mich um die seelischen Ursachen für die negativen Gefühle zu kümmern?“, sprach er innerlich sein Unbewusstes an und wartete auf die Reaktion seiner Hände.
Er hatte schon vor langer Zeit mit seinem Unbewussten vereinbart, daß, wenn die linke Hand von alleine nach unten sinkt, das „ja“ bedeutete.
Wenn hingegen die rechte Hand von alleine nach unten sänke, würde das „nein“ bedeuten. Falls das Unbewusste seine Frage aber nicht beantworten wollte oder könnte, die Antwort nicht wissen würde, würden seine beiden Hände geleichzeitig nach unten sinken.
Doch das konnte eigentlich bei dieser Frage nicht geschehen, da das Unbewusste ihn in seinem Kampf gegen die Viren in der Warze unterstützen würde, denn er war konstruktiv gewesen und verantwortlich an die Angelegenheit herangegangen.
Er hatte seinem Unbewussten versprochen, sich der seelischen Probleme, die seine heftigen negativen Gefühle zumindest unbewusst ausgelöst hatten, zu stellen.
Er wußte, daß körperliche Symptome häufig deshalb eintraten, weil sie eine Botschaft des Unbewussten an das Bewusstsein der Person transportierten. Bei psychischen und psychosomatischen Problemen war das immer der Fall.
Da er sich selbst gegenüber verantwortlich gezeigt hatte, konnte er damit rechnen, die Unterstützung seines Unbewussten zu erhalten.
Er kannte auch schon die nächste Frage an das Unbewusste. Denn in seiner Hypnoseausbildung hatte er die beiden Routineverfahren bei der Warzenbehandlung kennengelernt.
Einmal konnte es hilfreich sein, mit einer imaginativen Metapher des Verhungerns zu arbeiten. Dabei stellte man sich in Hypnose vor, dass die kleinen Blutgefäße, die die Warze versorgten, sich verschlössen und die Viren verhungerten.
Die andere bewährte Metapher bestand in der Vorstellung, die Durchblutung nähme zu, so daß die weißen Blutkörperchen und die Killerzellen heranströmen könnten, um die Viren aufzufressen.
Während er die Hypnose genoß und seinen Gedanken folgte, mußte er lächeln, als er sich erinnerte, wie viele psychologische Methoden bei Warzen hilfreich waren.
In seiner Kindheit hatten die alten Leute darauf geschworen, daß Warzen verschwänden, wenn man bei Neumond die Geisterstunde auf dem Friedhof verbringe.
Als Kinder hatten sie mit einer Pflanze, aus deren Stängel gelber Saft herauskam, ihre Warzen verschwinden lassen.
Später hatte er als Mediziner gelernt, daß diese Pflanze den Namen Großes Schöllkraut trug und der Saft zwar giftig sei, aber nicht gegen Warzen wirke.
Aber ihre kindlichen Warzen hatten von diesem wissenschaftlichen Urteil nichts gewusst und waren einfach verschwunden.
Eine andere lustige Begebenheit fiel ihm ein. Ein Kollege hatte seiner damals achtjährigen Tochter, nachdem die hautärztliche Behandlung ihrer zahlreichen Warzen an den Händen nicht erfolgreich gewesen war, die Warzen abgekauft.
Die beiden hatten einen Vertrag geschlossen, in dem das Mädchen sich bereit erklärt hatte, ihrem Vater für eine Deutsche Mark ihre Warzen zu verkaufen.
Der Vertrag war schriftlich geschlossen worden, aber die Warzen waren geblieben.
Gefragt, warum sie ihren Vertrag nicht erfülle, hatte die Kleine ihrem Vater geantwortet, sie sei doch nicht blöd, ihm die Warzen für so wenig Geld zu verkaufen.
Als der Vater in einem neuen Vertrag zehn Deutsche Mark bot, willigte die Tochter ein, diesmal die Warzen wirklich zu verkaufen. Und tatsächlich, in den nächsten Wochen verschwanden alle Warzen an ihren Händen.
Als der Vater einige Jahre später den eingerahmten Zehnmark-schein im Jungmädchenzimmer entdeckte und verwundert fragte, weshalb sie denn das Geld damals nicht für etwas Schönes ausgegeben habe, antwortete die Tochter: „Ich bin doch nicht blöd! Wenn ich das Geld ausgebe, kommen doch die Warzen wieder!“
Aber jetzt hatte er ein Warzenproblem. Und als er seine Aufmerksamkeit auf seine Hände richtete, spürte er, wie sich seine linke Hand ganz langsam nach unten bewegte und ihm damit die Unterstützung seines Unbewussten im Kampf mit den Viren signalisierte.
Er schob sofort die nächste Frage nach, indem er sein Unbewusstes innerlich ansprach: „Unbewusstes, was ist für mich der richtige Weg? Sollen die Viren ausgehungert oder gefressen werden?“
Wieder wartete er auf die Antwort seine Unbewussten. Diesmal hatte er eine hypnotische Levitation der Hände eingeleitet, die er wieder vor seinem Bauch in Vorhalte gebracht hatte. Er hatte darum gebeten, daß für den Fresskampf die linke Hand von alleine nach oben schweben solle. Für den Hungerkampf die rechte.
Da er sich schon in einer guten Arbeitstrance befand, kam nach einem kurzen Moment schon die eindeutige Antwort des Unbewussten: Die linke Hand war auf dem Weg nach oben!
Er beschloss sich erst zu rasieren und zu waschen und nach dem Frühstück noch einmal in Hypnose zu gehen, um den Kampf gegen die Warze und die Viren aufzunehmen.
Doch zunächst bedankte er sich bei seinem Unbewussten für dessen Unterstützung und Kooperation, indem er innerlich sagte: „Unbewusstes, ich danke Dir für Deinen Rat und Deine Unterstützung!“ Dann löste er die Hypnose durch Rückwärtszählen von zehn auf eins auf, nachdem er sich selbst suggeriert hatte, daß er bei „Eins“ wieder frisch und wach im Hier und Jetzt sein werde.
Er hatte das Frühstück genossen. Wie seit Studentenzeiten hatte er sich zwei Eier gekocht und sie mit Salz gegessen.
Seit ihn ein Engländer einmal angemeckert hatte, weil er sein Ei nicht mit einem Löffel aufgeklopft, sondern wie in seiner Kindheit mit dem Messer geköpft hatte, köpfte er sein Ei praktisch immer. Und zwar mit Vergnügen.
Der Engländer hatte spöttisch gemeint, im Eierköpfen zeige sich die teutonische Wildheit. Es war kindisch, aber jetzt feierte er die Blödheit des Engländers bei jedem Frühstück.
Aber mehr noch erinnerte es ihn an die schöne Zeit während des Medizinstudiums in Frankfurt und Mainz, als er in seiner Mansarde saß und das Leben beim morgendlichen Frühstück immer besonders genossen hatte.
Der englische Frühstückstee hatte optimal gezogen und ihn munter gemacht. Wie immer hatte er abschließend sein Honigbrot gegessen.
Damals als Student hatte er gerne kanadischen Kleehonig genommen. Er war preiswert und wohlschmeckend gewesen. Derzeit bevorzugte er den würzigen Honig aus dem Luberon, den er aus dem Urlaub in Südfrankreich mitgebracht hatte.
Honig erinnerte ihn an seine Kindheit. Mit seinem Freund durfte er dabei sein, wenn dessen Vater, ein Hobbyimker, Honig schleuderte und sie von den süßen Honigwaben naschten.
Noch besser hatte ihm hinterher der Honig auf dem mit frischer Butter bestrichenen Brot geschmeckt. Er hatte das jedem Kuchen vorgezogen.
Dazu hatte es manchmal Ersatzkaffe mit einem Viertel Bohnenkaffe zur Feier des Tages gegeben.
Bohnenkaffee hatten sie als Kinder nicht trinken dürfen. Nur bei dieser Gelegenheit hatte es ihn gegeben. Zuhause hatte er das verschwiegen.
Er war sich seiner Rituale bewusst. Als er jünger war, hatten sie ihn geniert. Er hatte sie sich nur gelegentlich gegönnt. Aber in der Psychotherapie mit seinen Patienten hatte er gelernt, wie wichtig es war, auf die guten Gefühle und Erinnerungen zurückgreifen zu können. In der psychotherapeutischen Fachsprache hatten sie ,Ressourcen’ geheißen. Die unterirdischen Rohstoffe des Lebens.
Rasch hatte er erkannt, dass Menschen nur aus ihren Stärken heraus ihr Leben positiv ändern. Und so hatte er es von seinen Patienten gelernt, sich mehr zu sich selbst zu bekennen und zu seinen positiven Erlebnissen. Er war dafür seinen Patienten dankbar. Den Patienten und ihren Unbewussten, mit denen sie zusammengearbeitet hatten.
So hatte er das abstrakte Wissen der Lehrbücher mit Leben erfüllen und viele lebensfeindliche Momente der modernen Medizin und Psychotherapie überwinden können.
Und so liebte er die Morgen mit seinem Tee, den weichgekochten 5-Minuten-Eiern und den Honigbroten.
Natürlich dachte er nicht jeden Morgen an seine Kindheit oder das Studium. Aber es war irgendwie mit seinem Frühstück verwoben und half ihm, gut in den Morgen zu starten. Er würde sie nicht missen wollen, seine Rituale.
Heute aber strahlte die Julisonne in den Morgen. Er war voll Lebensfreude. Sein neues Berufsleben sollte heute starten.
Er würde seine psychiatrischen und psychotherapeutischen Kenntnisse über die Menschen und ihre Probleme nutzen. Vor allem jedoch seine Hypnosekenntnisse und sein Wissen darüber, wie das Unbewusste als die mächtigste Ressource der Person für das Leben genutzt werden konnte, würde er einsetzen.
Er würde als Erfolgscoach arbeiten und als Coach für Selbstentwicklung und Selbstindividuation. Herr Seidel wollte vorbeikommen und ihm seinen ersten Fall anvertrauen.
Herr Seidel war als selbständiger Wirtschaftsberater sehr renommiert, obwohl er nur ein kleines Büro in Frankfurt unterhielt.
Die meiste Zeit war er in ganz Deutschland unterwegs und auf die Probleme von Familienbetrieben spezialisiert. Sie hatten sich bei einer Fortbildung in Neurolinguistischen Programmieren für Manager kennen und schätzen gelernt.
Büroräume hatte er. Eingerichtet waren sie auch schon. Aber ihm fehlte immer noch eine Sekretärin.
Heute wollte sich eine Frau Herr vorstellen. Er wußte kaum etwas von ihr und war gespannt auf sie. Andere Bewerberinnen
sollten folgen.
Sie sah auf dem Bewerbungsfoto attraktiv aus. Aber ,der Fuchs wildert nicht im eigenen Bau’, hatte er von seinem ersten Chef gelernt und sich bisher daran gehalten.
Sie mußte andere Qualitäten haben. Nur er wußte gar nicht genau, welche. Auch das machte das Gespräch interessant.
Genüsslich trank er seine letzte Tasse Tee und erinnerte sich an seine Warze. Aber eigentlich war es so, daß die Warze ihn an sich erinnerte. Denn sie hatte wieder stärker zu jucken angefangen. Wahrscheinlich wollte sie noch größer und hässlicher werden.
Wieder kamen tief in ihm die Wutgefühle hoch.
Von dem großen amerikanischen Hypnotherapeuten Milton Erickson hatte er das Utilisationsprinzip gelernt. Nach diesem Prinzip konnte man alles, auch die negativsten Dinge, positiv für seine Patienten nutzen, wenn man sie in einem positiven und konstruktiven Rahmen verwendete. Das würde er im Kampf mit der Warze und den Viren anwenden.
Er würde seine Wut konstruktiv utilisieren. Sie würde ihm bei seinen Hypnoseübungen nützen. Irgendwie begann er sich auf diesen Kampf zu freuen.
Als er in dem schönen und bequemen Ledersessel saß, fühlte er sich siegessicher. Er war bereit, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, seine Kräfte zu mobilisieren und für seine Ziele einzusetzen.
Als erstes würde er jetzt das Wissen und das Können seines Unbewussten nutzen und seine Wut utilisieren und gegen die Viren in seiner Warze kämpfen und für sich.
Er wußte, die Wut würde seinen Kampfeswillen stärken. Und er würde nicht den Fehler machen, gegen sich zu kämpfen, sondern die Wut gegen diese Biester von Viren richten.
Sein Lebenswille würde gegen ihren stehen.
Sie waren nicht stark genug, ihn zu töten, aber er wollte von ihnen auch nicht beeinträchtigt werden. Für ihn war klar, er würde zusammen mit seinem Unbewussten für sich und gegen sie kämpfen. Danach hatte er noch etwas Zeit und dann würde die
Frau Herr kommen.
Wohlig räkelte er sich in seinem grünen Ledersessel, hob seine rechte Hand in Vorhalte, schloss seine Augen und sprach innerlich sein Unbewusstes an.
"Unbewusstes baue eine gute Arbeitstrance auf, während meine Hand von ganz alleine zum Oberschenkel geht!"
Mit Genugtuung spürte er, wie nach einer Weile seine rechte Hand von ganz alleine und allmählich zum Oberschenkel hinab sank. Sanft flutete die Hypnose durch seinen Körper und eine angenehme Schwere ließ ihn sich wohlig entspannen.
Er konzentriert sich und erinnerte sich, wo genau die Warze gewachsen war. Er schickte seine ganze Aufmerksamkeit in sie hinein.
Natürlich hatte er als Mediziner eine Vorstellung, wie eine Warze von innen aussah. Doch das war medizinisches Wissen. Nur zu genau wusste er, dass sein Unbewusstes ein völlig anderes Bild entwickeln konnte und wollte.
Immer schon hatte er sich gewundert, warum bei ihm und anderen Ärzten praktisch niemals die bewusste medizinische Sicht zur Geltung kam, wenn das Unbewusste aktiv wurde. Deshalb war er jetzt gespannt, welche inneren Bilder er gleich sehen würde.
Vor seinem inneren Auge entwickelte sich jetzt ein undurchdringlicher Nebel, aus dem sich langsam ein Mangrovendschungel heraus schälte. Immer deutlicher erkannte er die Bäume und ihre riesigen Luftwurzeln.
Irgendwie wusste er, dass er in diesen Dschungel vordringen musste. Aber er lief oder watete nicht durch den Sumpf, sondern er begann zu fliegen.
In hoher Geschwindigkeit jagte er zwischen Bäumen und Wurzeln dahin, die zunehmend unklarer wurden, weil sein innerer Blick sich immer stärker nach vorne fixierte.
Unscharf, weil sie sich tarnten, sah er sie.
Er wusste, sie standen für die Viren. Das sagte ihm sein Verstand.
Doch sein Gefühl, ein heller Hass, sagte ihm, dass sie es waren, diese Biester, die sich in seine Haut eingenistet hatten.
Wie ein feuriger Drachen spie er Feuer.
Das Feuer kam nicht aus ihm heraus, sondern entstand irgendwie seitlich von ihm und schoss in die Verstecke der Viren. Diese sahen aus wie verschleimte, dunkelbraune bis schwarze, fledermausartige, verkrüppelte Wesen.
So sehr die Biester auch versuchten, sich zu verstecken oder zu fliehen, er verfolgte sie mit seinem Feuer und versengte sie erbarmungslos. Zischend und rauchend lösten sie sich auf, wenn die Flamme sie traf. Sie schrien und quiekten ekelhaft, ehe sie rückstandslos verschwanden.
Er wusste, er musste sorgsam vorgehen. Deshalb ließ er seine Flamme in jede Höhle und jedes mögliches Versteck fauchen.
Keines der Biester, so dachte er, soll davonkommen. Mit Genugtuung fühlte er, wie seine Warze stärker zu jucken begann. Unermüdlich, und mit immer tieferer, innerer Befriedigung führte er sein Werk fort.
Langsam wurde er müde, den die hohe Konzentration mit der er arbeitete, kostete ihn Kraft. Er beschloss, für heute die Übung zu beenden.
Das Jucken dort, wo die Warze war, verriet ihm, dass es ihm gelungen war, das Immunsystem zu aktivieren.
Wie immer, zählte er sich langsam von Zwanzig auf Eins aus seiner Hypnose heraus, nicht ohne sich vorher bei seinem Unbewussten bedankt zu haben.
Als er wieder die Augen öffnete, fühlte er sich erfrischt und entspannt. Das Jucken in seiner Warze aber war geblieben und hielt an. Das erfüllte ihn mit Zuversicht.