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Vorwort

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Vor über fünf Jahrzehnten ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. 50 Millionen Menschen fielen ihm zum Opfer – auf den Schlachtfeldern zwischen Normandie und Kaukasus, im U-Boot-Krieg, der im Atlantik tobte, im Bombenhagel, der auf die Städte niederging, im Holocaust, dem unsagbaren Verbrechen hinter der Front. Es war ein Krieg, der deutlich machte, wozu Menschen fähig sind und was sie ihresgleichen antun können. Alles, was das 20. Jahrhundert ausmacht, spiegelt sich in diesem Krieg: der Machtkampf zweier totalitärer Ideologien; der Sieg der Demokratie über die Diktatur, der Triumph der Technik in der Kriegsführung und deren Missbrauch bei der systematischen Vernichtung von Menschen – und schließlich durch Hiroshima der Nachweis, dass die Menschheit nun imstande war, sich selbst auszulöschen. Ein Krieg als Focus und als Menetekel: der Jahrhundertkrieg.

Dieses Buch beruht auf den Recherchen für ein Filmprojekt, das den Zweiten Weltkrieg noch einmal umfassend darstellt. Noch einmal? Zum letzten Mal? In gewisser Hinsicht wohl zum ersten Mal. Bislang wurde dieser Krieg in der Regel nur aus jeweils nationaler Sicht geschildert. Heute, da die Zeitgenossen hoch betagt sind, ist es an der Zeit, dass einst verfeindete Nationen gemeinsam zeigen, was den Zweiten Weltkrieg ausmacht. Einen Krieg, der uns nach wie vor (und mehr denn je) bewegt. Eine Reihe ausländischer Partner, Fernsehsender ebenso wie Wissenschaftler, arbeiten hierfür mit uns zusammen. Zum Zweiten Weltkrieg eine Filmreihe aus Deutschland für ein internationales Publikum? Noch vor zehn Jahren wäre dies nicht vorstellbar gewesen.

Zehntausende von Kilometern haben unsere Teams auf den Spuren des Jahrhundertkriegs zurückgelegt, Tonnen von Archivbeständen haben sie durchstöbert, meterlange Filmrollen gesichtet, hunderte von Zeitzeugen befragt – in dem beflügelnden Bewusstsein, dies zur rechten Zeit zu tun. Zum einen sind in den Archiven weltweit gerade in den letzten Jahren neu entdeckte Quellen vorzufinden, die uns neue Einsichten gewähren. Zum andern sind die Menschen, die den Krieg erlebt haben, die berichten können, »wie es war«, jetzt noch am Leben. Und noch haben wir die Chance, ihnen zuzuhören, wenn sie von der Grenzerfahrung ihres Lebens sprechen: Deutsche und Amerikaner, Briten und Russen, Polen und Franzosen.

Dieses Buch ist keine chronologische Erörterung. Es konzentriert sich, wie die Filmreihe, auf die zentralen Phasen des Jahrhundertkriegs: die Schlacht im Atlantik, Rommels Kämpfe in der Wüste, den Bombenkrieg, der anfangs über England und dann über deutschen Städten tobte.

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Es beginnt mit einer Jagd. Die »Bismarck«, ein Koloss aus Kruppstahl, galt als das mächtigste Schlachtschiff der Welt. Sie sollte die Wende in der Atlantikschlacht erzwingen – noch bevor die Amerikaner in den Krieg eintreten würden. Es galt, die Versorgungslieferungen aus der Neuen in die Alte Welt zu unterbrechen – ein vergebliches Unterfangen. Zwar gelang es der »Bismarck«, den Stolz der britischen Marine, das Schlachtschiff »Hood«, zu versenken. Dank neuer Radartechnik aber konnten die Briten das deutsche Schlachtschiff bei schwerem Wetter im Nordatlantik orten. Zwar riss der Kontakt wieder ab – doch der deutsche Admiral Lütjens sandte ausgerechnet in jenen Minuten einen längeren Funkspruch an Hitler und verriet dadurch die Position seines Schiffes. Der Torpedo eines antiquierten britischen Doppeldeckers vom Flugzeugträger »Ark Royal« besiegelte schließlich das Schicksal der »Bismarck«. Knapp 1000 Meilen von der rettenden französischen Küste entfernt konnte sie nur noch im Kreis fahren. Wenig später begannen die herbeigeeilten britischen Schlachtschiffe und Kreuzer mit der »Exekution« des angeschlagenen Gegners, der bis zum Schluss keine Anstalten machte, den sinnlosen Kampf zu beenden. In seinem letzten fanatischen Funkspruch teilte Admiral Lütjens nach Berlin mit: »Wir kämpfen bis zur letzten Granate. Es lebe der Führer!« Die Selbstversenkung des deutschen Panzerschiffs »Graf Spee« vor Montevideo war in Hitlers Marine als »Schmach«empfunden worden. Lütjens wollte nicht, dass man auch ihn als »Versager« verspottete. Für eine solche Gesinnung opferte er seine Besatzung. Am 27. Mai 1941 sank die »Bismarck«. Von 2221 Mann wurden nur 115 gerettet.

Alle Hoffnungen Hitlers ruhten nun auf dem U-Boot-Krieg. Auf den Konvoirouten von Amerika folgte Schlacht auf Schlacht. Ziel der U-Boot-Waffe war, so viele alliierte Handelsschiffe wie möglich zu versenken, um England auszuhungern. Zum Teil gelang dies mit großem Erfolg. Nach dem Krieg bekannte Winston Churchill: »Das einzige, was mich in ständiger Furcht hielt, waren die U-Boote.«

Mitte 1941 gelang den Briten der große Coup: Sie bombardierten U110 und zwangen das Boot zum Auftauchen. Die Beute, die sie dabei machten, trug zur Kriegsentscheidung bei: Enigma, der Schlüssel zum geheimen deutschen Wehrmachtscode. Die Maschine verriet den Entschlüsselungsspezialisten, welche Befehle Dönitz seinen Kommandanten über Funk gab; vor allem aber, wo sich die U-Boote befanden. Die Deutschen ahnten nichts. Immer öfter gelang es Briten und Amerikanern, ihre Konvois um die lauernden U-Boot-Rudel herumzuleiten; immer seltener spürten Dönitz’ Boote alliierte Konvois auf.

Der Mai 1943 markierte schließlich die Wende: Hatten die Deutschen noch im März 21 Schiffe aus zwei Geleitzügen versenkt, so schalteten die Alliierten nun auf einen Schlag 43 deutsche Boote aus. Über 2000 U-Boot-Männer starben. Fortan galt Dönitz’ Sorge der »Moral der Besatzungen«. Anzeichen von »schwindendem Kampfgeist« mehrten sich. Der Fanatismus des Marinechefs geriet zum Selbstzweck. Dönitz schickte seine Männer bis zum Ende in den aussichtslosen Kampf. Allein im Frühjahr 1945 starben noch 5000 U-Boot-Männer.

Die Bilanz des U-Boot-Kriegs war erschreckend: 2900 alliierte Schiffe, 33 000 alliierte Seeleute fielen ihm zum Opfer. Von 1167 deutschen U-Booten gingen 757 verloren, davon 429 mit ihrer gesamten Besatzung. Von fast 50 000 deutschen U-Boot-Fahrern waren über 30 000 in den Tod gegangen.

* * *

Ein anderes Bild vermittelt uns der Wüstenkrieg. Keiner hat ihn so geprägt wie Erwin Rommel. Die NS-Propaganda stilisierte ihn zu einem Mythos, der langlebiger war als das Reich, dem er zu dienen glaubte. Die Legende vom genialen Feldherrn des »Afrika-Korps« findet auch heute noch Anhänger bei »Freund« und »Feind«. Auf dem Höhepunkt seiner Erfolge ersetzte sein Ruf, so schien es manchen Zeitgenossen, ganze Divisionen. Zum Dank beförderte ihn Hitler zum damals jüngsten Feldmarschall der Wehrmacht. Dann kamen die Niederlagen, am Ende das Zerwürfnis.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, welche die Fassade vom »ritterlichen Krieg« in der Wüste bröckeln lassen: Ein überzeugter Nazi sei »Hitlers Lieblingsgeneral« gewesen; ein »Kriegsverbrecher« gar, der später mit rücksichtslosen Befehlen zehntausende von italienischen Soldaten in den Tod getrieben habe. Alles andere als ein Mann des Widerstands – einer, der am Ende selbst den Freitod dem offenen Kampf gegen Hitler vorgezogen habe.

Dem wahren Rommel werden solche Überzeichnungen ebenso wenig gerecht wie alle Anflüge von Heroisierung in den vergangenen Jahrzehnten. Rommel war ein Kind seiner Zeit. Seit Beginn der Hitler-Diktatur verschlossen führende Offiziere die Augen vor dem wachsenden Terror der Nazis. Unter Führung ihrer Generalität war die Wehrmacht bei Kriegsbeginn ein verlässliches Instrument. Im Rausch der ersten Siege hofften viele Offiziere auf Ruhm, Anerkennung, Beförderung und Belohnung. Die mahnenden Worte General Becks, der soldatische Gehorsam habe dort »eine Grenze, wo ihr Wissen, Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls« verbiete, waren nur wenige bereit zu akzeptieren.

Im Spannungsfeld zwischen Gehorsam und Gewissen, Verdrängung und Protest zog sich Rommel bis in den Sommer 1944 ganz auf seine militärische Funktion zurück. Eine uneheliche Tochter hatte ihm als jungen Leutnant die Karriere verbaut. Er kompensierte die demütigende Benachteiligung mit lebenslangem Ehrgeiz.

Gleichwohl war es nicht Rommels militärisches Genie, es war der Nachschub, der über Sieg und Niederlage im Afrikakrieg entschied.

Der »Wüstenfuchs« war ein brillanter Taktiker – die andauernde Unterlegenheit seiner Truppe ließ ihm keine andere Wahl, als immer wieder anzugreifen. Eine Strategie, die im Untergang enden musste. Dem Offizier fehlte die fundierte Ausbildung des Generalstabs. Doch der neuerdings erhobene Vorwurf, Rommel sei ein »Kriegsverbrecher« gewesen, trifft fehl. Wie kaum ein zweiter General hat er nachweislich verbrecherische Befehle seines »Führers« unterbunden. Während sich die Wehrmacht in Russland in Verbrechen verstricken ließ, kämpften die Soldaten des Afrika-Korps in der Regel einen »ritterlichen Kampf« – sofern man dieses Wort für einen Krieg, erst recht für diesen Krieg, zu akzeptieren vermag.

Das Leben der ihm anvertrauten Soldaten stellte Rommel über die direkten Befehle Hitlers. Wohl seine größte militärische Leistung war der monatelange Rückzug seiner Streitkräfte von El Alamein bis nach Tunesien. Seine Umsicht rettete Zehntausenden deutscher Soldaten das Leben – unter anderem auch das meines Vaters. Ein Mann des Widerstands war Rommel nicht – wiewohl er vom geplanten Attentat wusste. Doch keiner widersprach dem Diktator so offen wie er. Erst im letzten Augenblick schloss auch er sich Hitlers Gegnern an. Dafür zahlte er mit seinem Leben. Rommel wollte nichts sein als ein guter Soldat. In einer kriminellen Diktatur war dies auf Dauer nicht möglich. Darin liegt die Tragik Erwin Rommels. Sein Name aber bürgt dafür, dass die Erinnerung an den von ihm geführten Krieg in Afrika auf anderen Fundamenten ruht als der verdammte Krieg in Russland.

* * *

Am Beginn des Bombenkriegs stand die »Luftschlacht um England«. Ihr Resümee ist zwiespältig. Weder gelang es den Deutschen, die angestrebte völlige Luftherrschaft zu erringen, noch die britische Luftrüstungsindustrie auszuschalten. Allenfalls nachts übten Görings Bomber 1940/41 zeitweise die Lufthoheit über der Insel aus. Doch die Kriegswirtschaft Großbritanniens war nie ernsthaft gefährdet, die Moral der Bevölkerung wurde nicht gebrochen. Im Gegenteil: Ohne die Entscheidung erzwingen zu können, bezahlte die deutsche Luftwaffe einen hohen Preis: Zahlreiche Soldaten verloren im Luftkrieg ihr Leben, zahlreiche deutsche Flugzeuge wurden abgeschossen oder stürzten ab. Der größte Erfolg der Briten aber war psychologischer Art. Die »Luftschlacht um England« brachte das Ende vom Mythos der »unbesiegbaren deutschen Luftwaffe«. Und sie entfachte den Wunsch, es den Deutschen »heimzuzahlen«. Der Bombenkrieg, so hofften die entsprechenden Strategen, könne die Wende des Krieges bringen: »Machen wir Schluss mit dem Krieg, indem wir den Deutschen die Seele aus dem Leib schlagen«, formulierte es Luftmarschall Sir Arthur Harris. Während die Briten ab 1942 gezielt die Wohngebiete von Städten in nächtlichen Angriffen bombardierten, »um die Moral der Bevölkerung zu schwächen«, griffen tagsüber amerikanische Verbände Industrieanlagen und Raffinerien an. Ab Anfang 1943 luden nahezu rund um die Uhr britische und amerikanische Bomber ihre todbringende Fracht über Deutschland ab. Bis Anfang 1945 waren 45 der wichtigsten 60 deutschen Städte weitgehend zerstört.

Die qualvollen, angsterfüllten Nächte in den Bombenkellern, der Verlust von Hab und Gut, die alltägliche Konfrontation mit dem Tod gerieten zum Trauma für eine ganze Generation. Was diesen Krieg so anders machte, war die Hilflosigkeit, mit der seine Opfer ihm ausgeliefert waren. Vor dem Tod aus der Luft gab es keine Möglichkeit des Entkommens, er schlug kaum vorhersehbar und unterschiedslos zu. Doch den Verlauf des Krieges haben weder deutsche noch alliierte Luftangriffe wesentlich beeinflusst. Der strategische Wert der Luftflotten außerhalb ihres Einsatzes an den Fronten sank in gleichem Maße wie die Bereitschaft stieg, den Bombenkrieg auch gegen Zivilisten zu forcieren.

Als britische Bomber in der Nacht zum 14. Februar 1945 in mehreren Wellen ihre tödliche Last über Dresden abwarfen, verwandelte sich die barocke Residenzstadt an der Elbe in eine Hölle. Orkanartige Feuerstürme wirbelten durch die Straßen, meterhohe Flammen loderten aus den Häusern, in den Kellern erstickten und verbrannten Menschen. Der Feuerschein war noch in 350 Kilometern Entfernung zu sehen. Im gespenstischen Licht der untergehenden Stadt waren selbst in 6700 Metern Höhe noch Einzelheiten des Infernos zu erkennen: »Zum ersten Mal«, bekannte ein britischer Pilot, »fühlte ich Mitleid mit der Bevölkerung dort unten.« Am Tag darauf folgten die amerikanischen Bomberverbände und vollendeten das Vernichtungswerk. Dresden war das Fanal eines beispiellosen Bombenkriegs, dem 450 000 deutsche Zivilisten zum Opfer fielen. Der Feuersturm kehrte dorthin zurück, wo er einst entfacht worden war. An den Folgen leiden wir noch heute.

* * *

Was bleibt als Bilanz? Ein krimineller Tyrann vermochte den halben Kontinent in Brand zu setzen. Für den Kriegsherrn Hitler war der Krieg nicht nur Staatsziel, er war Selbstzweck, und der Überlebenskampf das Gesetz jeder Existenz: der Wahn des Usurpators, für den es nur Entweder-Oder gab – Siegen oder Untergehen. Er fand genügend Generäle, die ihm folgten. Millionen von Soldaten wurden nicht gefragt. Krieg aber ist kein Kartenspiel von Generälen und Strategen, ausgeführt von gut gedrillten Helden, sondern Dreck und Blut und Tod. Und nie leiden nur Soldaten, sondern immer auch »Zivilisten«. Und was heißt schon »Zivilisten« im totalen Krieg? Stets sind es am Ende die Schwachen, die dem mörderischen Kampf zum Opfer fallen – Frauen, Kinder, alte Menschen. Ob es die jungen Matrosen der »Bismarck« sind, die der bornierte Wahn ihres Admirals in den Tod geschickt hat; die alliierten Seeleute auf jenen Tausenden von Handelsschiffen, die von deutschen U-Booten versenkt wurden; ob die U-Boot-Männer selbst, von denen mehr als jeder zweite starb; ob die Familien, die im Londoner East End Opfer deutscher Bomber wurden; ob die Toten in den Feuerstürmen, der in deutschen Städten tobte; ob jene Deutschen, Briten, Italiener und Australier, die im Wüstenkrieg ihr Leben lassen mussten – alle sind sie Opfer eines Krieges, der gezeigt hat, was sich Menschen antun können, die besessen sind von blindem Hass und von, so meinen sie, gerechtem Zorn.

Was hoffen lässt, sind einzelne Berichte über Menschlichkeit inmitten grausamer Geschehnisse. Ob es deutsche oder britische Matrosen waren, die ihre hilflos im Wasser treibenden Gegner vor dem Ertrinken gerettet haben; ob Soldaten, die im Wüstenkrieg, obwohl selbst unter schwerem Beschuss, gefangene Feinde mit Wasser und Essen versorgten; ob deutsche Zivilisten, die abgeschossene alliierte Flieger vor der Wut des Mobs in Sicherheit gebracht haben – ihnen ist die Filmreihe gewidmet. Und dieses Buch.

Der Jahrhundertkrieg

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