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2. Konflikte im Wirtschaftskontext

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In allen anthropogenen Systemen, so auch in Wirtschaftsunternehmen, treffen Menschen aufeinander, welche diese Systeme schaffen, nach außen abgrenzen und durch Regel- und Ordnungssysteme selbst erhalten. Die vielfältigen Interessensdivergenzen, die beim Zusammenwirken dieser Menschen auftreten, führen in den unterschiedlichsten Formen zu Konflikten.

2.1 Konflikttheoretische Grundlagen

2.1.1 Konfliktdefinitionen

Im Sinne der einleitenden Gedanken fundiert diese Arbeit auf dem Grundverständnis, dass Wirtschaftskonflikte als soziale Konflikte zu verstehen sind, welche nach Glasl als Interaktionen1 definiert werden und folgende Merkmale aufweisen:

 Die Teilnahme (mindestens) zweier Aktoren

 bei denen mindestens ein Aktor

 eine Differenz beziehungsweise Unvereinbarkeiten

 in Wahrnehmung,

 im Denken beziehungsweise Vorstellen,

 im Fühlen,

 im Wollen

 mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebe,

 dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denke, fühle oder wolle eine Beeinträchtigung

 durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.

Bei der Interaktion, so Glasl, handele es sich um ein wechselseitiges, aufeinander bezogenes Kommunizieren und Handeln, bei dem es ausreichend sei, wenn nur einer der Aktoren die Situation als Konflikt erlebe. Wichtig sei zudem, dass zum Bestehen dieser interpersonalen2 Konflikte insgesamt alle der oben genannten Merkmale zutreffen müssen.

Nach Giesen sind soziale Konflikte als soziale Beziehungen und Prozesse zu verstehen, in denen sich zwei oder mehrere Individuen (oder Gruppen) mit gegensätzlichen Interessen an bestimmten Problemlösungen voneinander unterschieden. In diesem Zusammenhang sind für Giesen (zusammengefasst und ergänzt) folgende Dimensionen für das Verständnis von Konfliktverläufen von Bedeutung: 3

 ein Konfliktprozess, als zielführende Gesamtheit zusammenhängender Aktionen und Vorgänge (vgl. Glasl – „Interaktionen“),

 zwei oder mehrere Konfliktakteure, als direkt oder indirekt an der Situation Beteiligte (vgl. Glasl),

 eine Differenzierung von Zielen, Themen und Interessen, als beobachtbare Größen, die letztlich einer Bedürfnisbefriedigung dienen (sollen) (vgl. Gläßer, s.u.),

 ein sozialer Rahmen der Konfliktaustragung, in denen Konflikte als strategisches, taktisches und operatives Handeln ausgetragen werden (können).

Ein sozialer Rahmen für Konflikte findet sich grundsätzlich in allen Bereichen der Gesellschaft wieder. In diesem wird die Konfliktaustragung von zwei Extremformen eingegrenzt: von einem anarchistischen Kriegszustand, welcher auf der völligen und rücksichtlosen „Vernichtung“ des Konfliktgegners beruht und von einer konstruktiven Konsensfindung, welche es ermöglicht, dass beide Akteure ihre Interessen (vollständig) wahren können. Zwischen diesen Extremen ist praktisches, soziales Handeln angesiedelt – in diesem Verständnis lassen sich soziale Konflikte als Problemlöseinstrumente verstehen. Der Konfliktbegriff wird im Verständnis dieser Arbeit mehrdeutig: Akteure „haben“ einen Konflikt, sie „befinden sich in“ einem Konflikt und sie „handeln (in) und gestalten“ einen Konflikt.

Bornschier differenziert die Art der Problemlöseinstrumente (zusammengefasst und ergänzt) als: 4

 Unterdrückte Konflikte, als (häufig in sozial stark integrierten Gruppen) zum Zwecke des Selbstbehaltes nicht offen ausgetragene Konflikte, welche jedoch nach Ausbruch verhältnismäßig stark und aggressiv geführt werden.5

 Teilbare Konflikte (Mehr-oder-weniger-Typ)6, bei denen durch Kompromissbildung eine teilweise Befriedung möglich sei (beispielsweise Verteilungskonflikte).

 Unteilbare Konflikte (Entweder-oder-Typ)7 bei denen Werte- und Identitätsfragen im Mittelpunkt stehen, welche von Macht- und Chancenungleichgewicht begleitet und deshalb schwer verhandelbar sind.8

Ein Kompromiss ist demnach das Finden einer Lösung durch Entgegenkommen zweier gegensätzlicher Positionen (Mehr-oder-weniger-Typ), basierend auf der eindimensionalen Sichtweise, dass man selbst nur gewinnen könne, wenn der andere verliere. In Anlehnung an das Nash-Gleichgewicht9 kann ein Kompromiss als Nullsummenspiel bezeichnet werden (immer gleiche Summenergebnisse) und gilt im Verständnis dieser Arbeit als suboptimal. Gleiches gilt für Mehrheitsentscheidungen von Gruppen.

Im Gegensatz dazu zeichnet sich ein Konsens durch eine zweidimensionale Sichtweise des Konfliktes aus, bei der die Positionen nicht als gegensätzlich betrachtet werden, sondern durch entsprechende Gestaltung des Lösungsprozesses gleichzeitig erfüllbar sind. Diese Arbeit versteht Konsens deshalb nicht als Zustand, sondern als Ergebnis einer funktionalen Konfliktlösung, basierend auf den Theorien nach Thomas et al.10.

2.1.2 Wirtschaftskonflikte

Das Bibliographische Institut (Duden) definiert Wirtschaft als „Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf Produktion und Konsum von Konsumgütern beziehen“ 11. Diese Güter (Produkte oder Dienstleistungen) werden in Unternehmen erstellt. Im alltäglichen Sprachgebrauch sind die Begriffe Unternehmen, Gesellschaft, Firma und Betrieb dem Duden12 zufolge Synonyme. Gutenberg (1957) differenziert diese Begrifflichkeiten und definiert für Unternehmen (zusammengefasst) als konstitutive Merkmale: 13

 Das Prinzip des Privateigentums, deren Träger natürliche oder juristische Personen sein können,

 Das Autonomieprinzip, durch die Selbstbestimmung des geplanten wirtschaftlichen Handelns,

 Das erwerbswirtschaftliche Prinzip, durch das Streben nach Gewinn (als Leitprinzip der Marktwirtschaft).

 Findet die Konfliktaustragung dort statt, das heißt bilden Wirtschaft und/oder Unternehmen den von Bornschier definierten sozialen Rahmen, kann man von Wirtschafts- oder Unternehmenskonflikten sprechen.

Die Bestimmung der Konfliktfelder und -akteure ist dabei mit der Problematik behaftet, dass Unternehmen offene soziale Systeme und damit nicht scharf begrenzbar sind. In Anlehnung an die Stakeholder-Definition nach Freeman (1984) können damit alle Personen oder Gruppen betroffen sein, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes haben.14 Im unternehmerischen Kontext ergeben sich damit interne Interessensgruppen (Mitarbeiter, Führungskräfte, Personalverantwortliche, Eigentümer) und externe Interessensgruppen (Wertschöpfungspartner, Kunden, Gläubiger, Staat bzw. Gesellschaft), welche alle zueinander in Beziehung stehen.


Abbildung 1: Unternehmerisches Beziehungsmodell – Stakeholder 15

2.1.3 Konfliktverständnis und Unternehmenskultur

Für ein tieferes Verständnis, wie Konflikte in Unternehmen entstehen, wie sie dort wahrgenommen werden und wie sich deren Umgang damit gestaltet, sehe ich eine Darstellung der verschiedenen Konfliktkulturen in Unternehmen für hilfreich.

2.1.3.1 Merkmale einer Unternehmenskultur

In Anlehnung an Hofstede (2001) kann man Kultur als die kollektive Programmierung des Geistes verstehen, welche Menschen oder Gruppen von einander unterscheidet.16 Diese mentale Programmierung umfasst spezielle Denk-, Fühl- und Handlungsmuster, die sie charakterisiert. Über der Kultur steht die Persönlichkeit, so dass Verhaltensweisen und Reaktionen eines Individuums von beobachtbaren kollektiven Handlungsmustern abweichen können. Aufgrund dessen sollte, nach Emrich (2014), eine Person niemals ausschließlich nach der Kulturzugehörigkeit beurteilt werden.17 Eine grobe Kategorisierung zum Zwecke der differenzierten Betrachtung kann nach m.E. im Umgang mit Unternehmenskonflikten dennoch hilfreich sein. Dazu werden nach Eder et al. (2008) zentrale Merkmale (zusammengefasst) aufgegriffen, mit denen die entsprechenden Unternehmenskulturen beschrieben werden können: 18

 Werte, Normen und Prozesse, die im Mittelpunkt der Kultur stehen,

 Das Akteursbild, hinsichtlich Stellenwert des Konfliktes für Individuum / Kollektiv,

 Handlungsmöglichkeiten der Individuen / Kollektiv,

 Die Unternehmensstruktur, hinsichtlich Aufbauorganisation / Hierarchie,

 Konfliktverständnis, hinsichtlich Ursachenwahrnehmung, Wahrnehmungsschwelle und Konfliktbewertung,

 Konfliktbezogenes Akteursbild, hinsichtlich Rollenverteilung der Akteure und ihrer Grundhaltungen zu Fragen der Verantwortung, Gestaltung und Motive,

 Handlungsstrategien, hinsichtlich ihres Konfliktverhaltens,

 Konflikterscheinungsbild, hinsichtlich der Konfliktdynamik.

2.1.3.2 Formen von Unternehmenskulturen

 Eder et al. differenzieren folgende Kulturtypen mit jeweils zugehörigen Leitwerten, welche ihre Interaktionen grundlegend bestimmen. Zusammengefasst kann man unterscheiden zwischen: 19

 Einer faktenorientierten Konfliktkultur, mit „Qualität“ als Leitwert. In dieser gelten Konflikte aus der Sachlogik als „normal“, werden aber hinsichtlich resultierender Qualitätsprobleme als störend wahrgenommen. Aufgrund unterschiedlicher Standpunkte zur Verbesserung von Qualitäten stehen Sachkonflikte im Vordergrund.

 Einer kreativen Konfliktkultur, mit „Produktivität“ als Leitwert. In dieser stehen Divergenzen zwischen Leistungserwartung und deren Erfüllung im Vordergrund. Kompromisse gelten hier als Merkmal von Konfliktlösungen.

 Einer bürokratischen Konfliktkultur, mit „Dienst nach Vorschrift“ als Leitwert. Ursachen für Konflikte finden sich hier in suboptimal gestalteten Prozessen und Zuständigkeitszuordnungen. Konflikte werden dann als kritisch betrachtet, wenn sie die vorgeschriebenen (oft änderungsresistenten) Abläufe stören.

 Einer kommunikativen Konfliktkultur, mit „Harmonie“ als Leitwert. Hier gelten Konflikte als Bedrohung der betrieblichen Harmonie, welche auf unterschiedlichen Beziehungsverständnissen und Gewohnheiten der Akteure beruhen. Toleranz und Integration gelten als gewünschte Lösungen.

 Einer repressiven Konfliktkultur, mit „Macht“ als Leitwert. In keinem anderen Kulturtyp spielt die betriebliche Hierarchie eine größere Rolle, woraus sich Konflikte aus Streitigkeiten über die Rangordnung ergeben. Zentrales Merkmal dieser Kultur ist die Wahrung der sozialen Stellung der Akteure und Vermeidung von Gesichtsverlust.

Anzumerken ist, dass Kulturen von Menschen geschaffen werden und als Ergebnis eines länger andauernden Prozesses entstanden sind. Nach m.E. tragen in erster Linie Führungskräfte durch ihre eigene innere Haltung und ihrem täglichen Wirken dazu bei, welcher Kulturtyp letztlich in Unternehmen auftritt. Diese Arbeit vertritt die Ansicht, dass Führungskräften im Hinblick auf eine funktionale Konfliktbearbeitung eine besondere Rolle zukommt.


Abbildung 2: Der Führungsprozess und seine Wirkungen im Unternehmen 20

2.2 Wirtschaftsmediation

2.2.1 Mediationsverfahren

Seit der Verabschiedung des Mediationsgesetzes im Jahre 2012 sind die Rahmenbedingungen, unter denen eine Mediation stattzufinden hat, gesetzlich geregelt. Mediation ist nach § 1 Abs. 1 Mediationsgesetz21 (MediationsG) „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben“. In § 2 werden Aufgaben des Mediators im Rahmen des Verfahrens festgelegt, in § 3 Offenbarungspflichten, sowie Tätigkeitsbeschränkungen, in § 4 Verschwiegenheitspflicht und in § 5 die Rahmenbedingungen für Aus- und Weiterbildung des Mediators.

Ein Mediator22 ist nach § 1 Abs. 2 MediationsG „eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt“. Er ist demnach ein Verfahrensleiter, kein Entscheidungsträger. Er trägt durch Anwendung von adäquaten Methoden und Techniken zur Entstehung einer Lösung bei, nicht zu deren Inhalten. Ein Hauptziel bildet das Schaffen einer störungsfreien Kommunikation.23

Ein zentrales Merkmal der Mediation ist die Interessensermittlung der jeweiligen Parteien24. Interessen sind nach Gläßer et al. Leitmotive für die Entscheidungsfindung, durch die Bedürfnisse eine Befriedigung erfahren sollen25 – damit operationalisierte Bedürfnisse. Im Sinne des Mediationsverständnisses der Autoren werden Interessen definiert als „die im Einzelfall relevanten Kriterien, die in einer Konfliktlösung berücksichtigt werden müssen, damit diese im Ergebnis für die Parteien umfassend befriedigend ist“. Als Erkennungsmerkmale dienen Lösungsoffenheit, Greifbarkeit, emotionale Relevanz und positive Formulierung. Durch ihre Lösungsoffenheit unterscheiden sich Interessen von Positionen, welche als erstarrte (alternativlose) Lösungsoption zur Befriedigung eines dahinter stehenden Bedürfnisses gesehen werden können.

Mediation gehört zu den sog. alternativen Konfliktregelungsverfahren (ADR26). Risse versteht darunter die Sammelbezeichnung verschiedener außergerichtlicher Verfahren, die auf einen autoritären Entscheid durch einen Richter verzichten und eine Konsenslösung anstreben.27 Im Gegensatz zu einen Gerichtsprozess, auf dessen Verlauf die Parteien wenig Einfluss haben, gestalten diese in der Mediation (unter Anleitung des Mediators) ihren Prozess sowohl inhaltlich, zeitlich und durch eine gemeinsame Abschlussvereinbarung auch rechtlich. Mischformen, wie Schiedsverfahren oder richterliche Mediation, sind im wirtschaftlichen Kontext bedeutsam, bleiben jedoch in dieser Arbeit unberücksichtigt.

2.2.2 Besonderheiten der Wirtschaftsmediation

Die Literatur ist bezüglich einer Definition des Begriffes Wirtschaftsmediation sehr uneinheitlich. Nach Risse lasse sich jedes Mediationsverfahren im Bereich der Wirtschaft ansiedeln, in dem über einen Konflikt verhandelt werde, über welchen ansonsten ein Zivilrichter zu entscheiden hätte.28 Eine weitere Annäherung an den Begriff findet man über die Abgrenzung von Mediationsanbietern und entsprechenden Berufsverbänden29. Dort sind die Angaben wiederum sehr uneinheitlich und nach m.E. unpräzise formuliert. Grob zusammengefasst beschreibt sich dort Wirtschaftsmediation beziehungsweise ein Wirtschaftsmediator als „für die Belange der Wirtschaft besonders qualifiziert“.

Hinsichtlich dieser Qualifizierung halte ich für die Bewältigung interner Unternehmenskonflikte psycho-soziale Kompetenzen für wertvoll, da es bei deren Vermittlung des (oft nur vordergründigen) Sachkonfliktes im hohen Maße um die Wiederherstellung der beschädigten Kommunikation und Beziehungsebene geht. Bei externen Konflikten sehe ich betriebswirtschaftliche und juristische Kompetenzen für günstig, beispielsweise dass mediative Einigungen bei Rechtsfragen, die außerhalb des gesetzlichen Rahmens liegen, nicht Gegenstand einer Abschlussvereinbarung sein dürfen, bzw. Entscheidungen keinen größeren betriebswirtschaftlichen Schaden anrichten dürfen. In jedem Fall hilfreich sehe ich Erfahrungen des Mediators im wirtschaftlichen Bereich, welche allgemein als Feldkompetenzen bezeichnet werden können. Entsprechende Grundprofessionen helfen dann, mit spezieller Fachterminologie und/oder betrieblichen Gepflogenheiten umzugehen.

Die Ziele einer Wirtschaftsmediation richten sich nach den Wünschen der Parteien, die zu Beginn des Verfahrens zu klären sind. Im Hinblick auf die Lösungsoffenheit dürfen jedoch für den Ausgang der Mediation keine konkreten Vorgaben (beispielsweise seitens der Unternehmensleitung und/oder Personalverantwortlichen) gemacht werden.

2.2.3 Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM)

Als zentrales Forum der deutschen Wirtschaft zum Thema Mediation und Konfliktmanagement bietet der „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ (RTMKM) nicht nur eine Plattform für einen offenen und kooperativen Austausch zwischen den beteiligten Unternehmen, sondern bildet eine Schnittstelle zur Konfliktwissenschaft und zur Politik.30 Als Grundlage für eine gemeinsame Arbeitssprache definieren die Autoren die Begriffe Konflikt, Konfliktmanagement, Konfliktprävention, außergerichtlicher Konfliktbearbeitung, Konfliktprävention und Mediation.31 Trotz kleiner Formulierungsunterschiede gleichen diese Beschreibungen den bisher gemachten, so dass auf ihre Inhalte nur verwiesen wird. Zum Bereich Wirtschaftsmediation empfehlen die Autoren eine Unterscheidung von drei Konfliktkategorien, hinsichtlich unterschiedlicher Charakteristika und Herausforderungen – mit Verweis auf Zühlsdorf32 – als:33

 „Konflikte am Arbeitsplatz“

 „Konflikte zwischen Unternehmenseinheiten/Konzerngesellschaften“

 „Konflikte zwischen Unternehmen“.

2.3 Konfliktmanagementsysteme

Gemäß der Definition von Gläßer et al. ist Konfliktmanagement der „systematische und institutionalisierte Umgang mit Konflikten, wobei die einzelnen im Unternehmen existierenden Elemente unterschiedliche Funktionen erfüllen“. Im Rahmen der zitierten Studie wird ein Komponenten-Modell erarbeitet, welches eine Kategorisierung und Zuordnung der einzelnen Elemente entsprechend ihren Funktionen ermöglicht. Dieses besteht aus:34

 „Konfliktanlaufstellen

 Systematik der Verfahrenswahl

 Konfliktbearbeiter

 Verfahrensstandards

 Dokumentation/Controlling/Qualitätssicherung

 Innen- und Außendarstellung/Kommunikation.“

Mit dieser Kategorienbildung sei es nach den Autoren möglich, aus den unterschiedlichen Komponenten einzelne Elemente (als Optionen in einem Spektrum von Alternativen) so auszuwählen und zusammenzufügen, dass ein vollständiges und für die jeweilige Bedarfslage eines Unternehmens maßgeschneidertes Konfliktmanagement-System entstehe. Die Komponenten kategorisieren Konfliktmanagement-Maßnahmen und sind nach dem Verständnis der Autoren unabhängig von der Konfliktkonstellation – sie sind also grundsätzlich für alle Unternehmenskonflikte verwendbar. Ein Konfliktmanagement-System liegt nach dem Verständnis der Autoren allerdings erst dann vor, wenn:35

 „alle sechs aufgeführten Komponenten durch entsprechende Elemente realisiert werden und

 eine Steuerungsinstanz als siebte Komponente hinzutritt, welche die einzelnen Elemente systematisch vernetzt und ihr funktionales Zusammenspiel regelt.“

 Das Erfordernis einer Steuerungsinstanz ergebe sich aus der klassischen Managementlehre (mit Verweis auf die Ergebnisse der qualitativen Folgestudie36), deren Grundsätze auch auf KMS anzuwenden seien.


Abbildung 3: Das Viadrina-Komponentenmodell eines Konfliktmanagement-Systems 37

Koweit et al. werten die Etablierung eines KMS als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen und heben insbesondere die Chance zur Reduktion der Konfliktkosten hervor.38 Kirchoff et al. schlagen deshalb folgerichtig die Integration von KMS in das strategische Risikomanagement (RM) vor.39 Dieses hat als Ziel die Sicherung der Unternehmensziele und damit des Unternehmenserfolges, im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Kosten. ( Konfliktkosten gelten als Risikokosten).

Kloweit et al. sehen (bezugnehmend auf die Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft) KMS auch als wertvollen Beitrag für ein ganzheitliches Changemanagement (CM), im Sinne der Förderung einer nachhaltigen und konstruktiven Unternehmens- und Führungskultur. Schließlich weisen sie auf einen zu erwartenden positiven Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungserbringung hin.40

Schließlich ergänzend bedeutet Konfliktprävention im Verständnis von Gläßer et al. die gezielte Verhinderung der Entstehung von Konflikten, bzw. einer destruktiven Austragung oder Eskalation von Konflikten.41 Nach Herrmann kann es zu derartigen Eskalationen infolge nicht tragfähiger Konfliktlösungen kommen, welche nicht nur im Ergebnis für die Beteiligten von Bedeutung sind, sondern auch hinsichtlich ihrer künftigen Wahrnehmung von Konfliktsituationen. Der Autor begründet daraus die negative Belegung des Konfliktbegriffes in der allgemeinen Wahrnehmung.42


Abbildung 4: Inadäquate Konfliktlösung und ihre Folgen 43

2.4 Fokusbegrenzungen

Hinsichtlich der Vielfalt der Unternehmensformen und der damit verbundenen Komplexität konzentrieren sich die Betrachtungen in dieser Arbeit auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU), im Speziellen Vertreter des produzierenden Gewerbes (Metall- und Elektrobranche). Gemäß § 267 Handelsgesetzbuch HGB44 werden kleine Unternehmen als solche mit bis zu 49 Mitarbeitern verstanden, mittlere Unternehmen sind solche mit 50 bis 249. Die KMU haben eine große wirtschaftliche Bedeutung in Deutschland; sie erwirtschaften rund 40% aller Umsätze; bei ihnen arbeiten über 60% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.45

Neben Gründen einer Umfangsbeschränkung und einer persönlichen Relevanz spielt der Umstand eine Rolle, dass Großkonzerne eher die Bereitschaft zu zeigen scheinen, ihre Strukturen hinsichtlich eines Konfliktmanagementsystems umzugestalten. Diese Annahme begründet sich u.a. aus der Art der teilnehmenden Unternehmen am RTMKM. In KMU bestehen nur teilweise eigene Personal- oder Rechtsabteilungen, welche klassischerweise mit internen bzw. externen Konflikten zu tun haben und als „Inkubatoren“ bzw. „Promotoren“ bei der Einführung von KMS dienen könnten. Weiterhin besteht die Grundannahme, dass es in KMU weniger definierte Arbeitsabläufe und gefestigte Strukturen gibt, an welche ein KMS „angedockt“ werden kann. Konflikte werden häufig fallabhängig und situationsbezogen entschieden, unter einem hohen Belastungsgrad der beteiligten Mitarbeiter. Diese zufällige Vorgehensweise entspricht nicht dem Prozessgedanken (eines Managementsystems) und bildet zudem den Nährboden für Folgekonflikte, ohne Möglichkeit der systematischen Regelung. KMU sind auch in einem besonderen Maße von der Haltung der Unternehmensführung (und der dabei entstandenen Konfliktkultur) abhängig, sowie dessen Bereitschaft, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ziel der kommenden Überlegungen wird deshalb sein, wie unter diesen Umständen ein Zugang zu den Unternehmen gelingen kann.

2.5 Zur bisherigen Anwendungspraxis von Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement

Lueger et al. (2005) beschreiben, dass mit dem klassischen Konfliktlösungsverfahren „Gericht“ insgesamt die schlechtesten Erfahrungen gemacht wurden, wenngleich dieses (dennoch) häufig gewählt werde.46 Mit Zusammenhang mit externen Hilfen werden primär Beratungs- und Schulungsleistungen (Rechts-, Steuer-, Wirtschaftsberatung, Supervision, Coaching und Training) genannt und dort zeigen sich hohe Zufriedenheitswerte.47 Dieses „Einkaufen von externem Knowhow“ bestätigt damit die These von Gram et al., dass Unternehmen den eigenen Anspruch haben Konflikte selbst zu bewältigen, statt dabei externe Unterstützung zu nutzen.48 (vgl. Autonomieprinzip). Grundsätzlich führen die damit verbundenen positiven Erfahrungen dazu, solche Verfahren auch künftig anzuwenden und anderen Unternehmen weiter zu empfehlen.49 Wirtschaftsmediation wird 2005 nur relativ selten als Verfahren angewendet.50

Gamm et al. (2005) vermuten, dass Konflikte in KMU vielfach als Tabuthema gesehen, bzw. als Managementversagen empfunden werden.51 Bei den Konfliktfolgen werden die Kosten praktisch ausgeblendet, damit werden die zuvor gezeigten Chancen eines RM nicht genutzt. Die Autoren kommen weiter zu der Einschätzung, dass an die Mediation und/oder die Mediatoren vielfach nicht erfüllbare Erwartungshaltungen gestellt werden, bzw. ihre Arbeit erst in hocheskalierten Konflikten in Anspruch genommen werde, wenn eine Bearbeitung die vorhandenen betrieblichen Ressourcen überforderte. Grundsätzlich seinen derartige Erwartungshaltungen schwer zu erfüllen.52

Die Folgestudie zur Praxis des Konfliktmanagements deutscher Unternehmen (2007) erkennt, dass der Einführung eines KMS (immer noch) vielfältige Kommunikationsbarrieren zwischen den Abteilungen oder unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster entgegenstünden.53 Dies bestätigt u.a. Wolf (2014) und sieht zudem die (immer noch bestehende) Unkenntnis des Mediationsverfahrens und anderer alternativer Instrumente zur Lösung von Wirtschaftskonflikten als gegeben.54

Grundsätzlich sind diese Hürden und Widerstände in Unternehmen aller Größen zu überwinden, die Besonderheiten der KMU begründen jedoch besondere Hindernisse. Wie dies gelingen kann, zeigt das folgende Kapitel.

Konfliktmanagement als Werkzeug für Arbeitsgesundheit und Wertschöpfungsoptimierung in Unternehmen

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