Читать книгу Butler Parker Box 2 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 9

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Es war schon recht seltsam.

Genau um 18.26 Uhr wurde der Verkehr auf der Collins Avenue in Miami Beach wie von einer unsichtbaren Hand gestoppt. Die chromfunkelnden Cadillacs und teuren, ausländischen Sportwagen, um nur einige Beispiele zu nennen, bremsten durchweg jäh ab und fuhren an den Straßenrand. Die versnobten Fahrer in diesen Wagen starrten aus hervorquellenden Augen auf die Mitte des breiten Prachtkorsos.

Im Dienst erfahrene und ergraute, clevere Hotelportiers bekamen den Schluckauf und zweifelten an ihrem gesunden Menschenverstand. Auch sie konnten sich vom Anblick, der sich ihnen bot, nicht losreißen.

Die lässig einherschreitenden Passanten am Rande der Avenue vergaßen den Strand und die sich dort bietenden, reizvollen Aussichten. Wie auf ein geheimes Kommando hin wandten sie sich alle der Straße zu. Die ganze Collins Avenue samt den Menschen, die sich auf ihr bewegten, schien den Atem anzuhalten. Für einige, quälend lange Sekunden wurde es unheimlich still.

Diese konzentrierte Aufmerksamkeit galt einem skurril aussehenden Gefährt, das sich auf vier großen Lastwagenreifen bewegte. Auf dem Rahmen dieses hochbeinigen Monstrums befand sich ein hoher, eckiger Aufbau, in dem man ohne Mühe aufrecht zu stehen vermochte. Die Wagenscheiben waren von innen mit gepflegten Gardinen versehen worden.

Der eckige, langgestreckte Kühler wurde mit diversen Lederriemen zusätzlich gegen ein Selbständigmachen gesichert. Große, blank polierte Scheinwerfer ließen den Eindruck entstehen, daß dieses Vehikel an der Basedowschen Krankheit litt. Aus dem armdicken Zwillingsauspuff kräuselten sich blaue Rauchwölkchen.

Dieses Monstrum auf Rädern schien einem Museum für Alterskunde zu entstammen. Daher auch die allgemeine Aufmerksamkeit auf der Collins Avenue. Solch einen Wagen hatte man noch nie gesehen. Selbst von Fachleuten ließ er sich baujahrmäßig nicht einordnen.

Am Steuer dieses Vehikels saß Butler Josuah Parker. Natürlich übersah er die erstaunten und belustigten Blicke. Im Lauf der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, daß man ihn übersah, daß man ihn nicht für voll nahm. Daß dieser erste Eindruck dann später meist revidiert werden mußte, stand auf einem anderen Blatt. Parker hatte seine Gegner bisher immer noch verblüfft und in Verlegenheit gebracht.

Übrigens paßte er überhaupt nicht in diese feudale Umgebung. Sein Wagen war an sich bereits ein Anachronismus. Butler Parker aber schien direkt aus der Zeit der englischen Queen Victoria in die Gegenwart gesprungen zu sein.

Selbstverständlich trug er seinen schwarzen Anzug, den schneeweißen steifen Eckkragen und den schwarzen Binder. Auf seinem Kopf saß die schwarze Melone. Dicht neben dem Steuer hing der Universal-Regenschirm, von dem Parker sich nur höchst selten trennte. Seine Hände staken in schwarzen Zwirnhandschuhen.

Josuah Parker steuerte sein Monstrum direkt auf die Auffahrt des teuren und exklusiven Bay-Beach-Hotels zu. Daß hinter ihm der Verkehr nur zögernd und langsam wieder in Bewegung kam, interessierte ihn nicht. Parker konzentrierte sich ganz auf seine Aufgabe. Natürlich war er nicht als Tourist nach Miami-Beach gekommen.

Als der Portier das Monstrum in der Auffahrt sah, rieb der Mann sich verzweifelt die Augen. Er glaubte zuerst an eine Halluzination. Er wurde weich in den Beinen, als diese Halluzination vor dem Baldachin hielt. Parker entstieg seinem Wagen, öffnete eine seitlich angebrachte Klappe und griff nach einem handlichen, fingerdicken Seil. Er spulte es ab und sicherte damit sein Monstrum. Er band es an einem der Baldachinpfoten fest.

Sich den Universal-Regenschirm fest unter den Arm klemmend, schritt Parker dann mit der unnachahmlichen Würde eines Königreihers auf die Hotelhalle zu. Der Portier wich entsetzt zurück. Er war derart fassungslos, daß er nicht in der Lage war, Parker mit einigen Worten zu stoppen, eine Tatsache übrigens, die für sich sprach.

Josuah Parker erreichte inzwischen die Rezeption. Er nahm höflich die schwarze Melone ab und blies einige unsichtbare Stäubchen ab.

»Ich komme im Auftrag Mr. Ben Zalakoffs«, begann Parker mit leiser, verhaltener Stimme und fixierte den Mann hinter der Anmeldung. »Die telegrafische Ankündigung muß bereits vorliegen, wenn mich nicht alles täuscht. Haben Sie die Güte, mir die Apartments zu zeigen. Ich möchte sehr hoffen, daß alles nach den Wünschen meines jungen Herrn gerichtet worden ist.«

Der Name Zalakoff wirkte elektrisierend auf den Empfangschef. Er verbeugte sich mit der Regelmäßigkeit eines Automaten und fischte dabei nach einem Schlüssel.

»Mein junger Herr wird in etwa einer Stunde eintreffen«, redete Parker würdevoll weiter. »Kein Aufsehen, wenn ich bitten darf. Mr. Zalakoff reist inkognito. Er haßt jede Anspielung auf seine Position im internationalen Ölgeschäft.«

»Selbstverständlich, selbstverständlich …!«

»Mr. Zalakoff wird vorerst für drei bis vier Wochen hier wohnen«, erklärte der Butler weiten »Ich möchte an dieser Stelle allerdings meiner Besorgnis darüber Ausdruck verleihen, daß der Urlaubsfriede von Miami-Beach augenscheinlich gestört wird.«

»Wie meinen Sie?« Der nervöse Empfangschef hatte endlich den Schlüssel erwischt und überreichte ihn dem Butler.

»Mit anderen Worten, hier in Miami-Beach scheinen Gangster ihr Unwesen zu treiben«, präzisierte Parker seine umständlichen Andeutungen. »Ich will nicht hoffen, daß Mr. Zalakoff ebenfalls gestört werden wird.«

»Keineswegs, keinesfalls …!« Der Empfangschef dienerte eifrig. »Ich möchte behaupten, daß die Behörden bereits wieder Herr der Lage sind. Die ›Strandhaie‹ haben sich in den vergangenen beiden Tagen nicht mehr gerührt.«

»Ich wäre sonst auch sehr peinlich berührt«, murmelte Josuah Parker. Er griff nach Melone und Universal-Regenschirm, deutete eine leichte Verbeugung an und schritt zum Lift.

Die Menschen in der großen Lounge des Hotels starrten Parker nach, als handele es sich um eine gespensterhafte Erscheinung. Der Empfangschef schnappte nach Luft und lockerte sich den Kragen. Einer der Gäste aber, ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, im grauen Anzug und mit hellen Schuhen, hatte es plötzlich sehr eilig. Er hastete auf den Ausgang zu und setzte sich in einen simplen Ford, der auf der anderen Straßenseite parkte.

Er fuhr so schnell los, als ginge es um sein Leben …

*

Herbert L. Shradon kam etwa um diese Zeit zurück in sein Hotel. Er hatte den Nachmittag am weißen Sandstrand zugebracht und sich von der Sonne rösten lassen. Nach einem Cocktail an der Hotelbar wollte er sich ausgiebig mit den Vorbereitungen für das Abendessen befassen. Herbert L. Shradon, groß, korpulent, ohne dick zu sein, war Junggeselle. Er war Generalvertreter in der sanitären Porzellanbranche und den Freuden des Lebens außerordentlich zugetan. Er hielt sich schon seit fast acht Tagen in Miami-Beach auf und hatte sich bisher herzlich wenig um die Dinge gekümmert, die die Zeitungen in großen Schlagzeilen herausstellten.

Als er sich in seinem Apartment umkleiden wollte, wurde ihm ein Brief zugestellt, Shradon wunderte sich. Er konnte sich nicht vorstellen, wer ihm schrieb. Der Brief war nämlich hier in Miami-Beach aufgegeben worden.

Gelassen öffnete er den Umschlag und faltete das Schreiben auseinander. Er stutzte, als er das Fehlen eines Briefkopfes vermißte. Er stutzte noch mehr, als er die wenigen Zeilen, die mit einer Maschine getippt worden waren, überlas.

Man forderte von ihm die Zahlung von einhundert Dollar, versprach ihm dafür ruhige Urlaubstage in Miami-Beach. Die Verfasser dieses obskuren Briefes versicherten ihm darüber hinaus, seinem Cadillac würde ganz gewiß nichts geschehen. Man sei sicher, daß die einhundert Dollar sein Urlaubsbudget nicht gefährlich einschrumpfen ließen. Die einhundert Dollar solle er aus praktischen Gründen in bar entrichten und sie in einem Umschlag auf den Vordersitz seines Cadillac legen. Unterschrieben waren diese Zeilen mit dem gefährlich klingenden Namen: Die Strandhaie.

Shradon hatte diese Unterschrift noch nicht ganz verdaut, als er das durchaus höfliche Schreiben wütend zusammendrückte und in den Papierkorb warf. Zum Teufel mit solchen Bettelbriefen, dachte er, eine neue Masche, Erpressungen in die Wege zu leiten. Da es sich nur um einhundert Dollar handelte, nahm er den Brief nicht weiter ernst. Irgendein Verrückter mußte ihn geschrieben haben.

Als Shradon sich ein neues Hemd überstreifte, klingelte das Telefon. Shradon knurrte, griff nach dem Hörer und meldete sich.

»Haben Sie unseren Brief erhalten?« fragte eine freundlich klingende Stimme.

»Welchen Brief? Moment mal, haben Sie mir diesen Wisch geschrieben? Sind Sie das, der die einhundert Dollar will?«

»Sehr richtig, Mr. Shradon. Sie werden doch zahlen, nicht wahr?«

»Ich denke nicht daran. Ich werde mich an die Polizei wenden, wenn Sie mich noch mal belästigen. Wo leben wir denn, he?«

»Sie sollten die Banknoten möglichst innerhalb von zehn Minuten in Ihren Cadillac legen, Mr. Shradon. Dieser Brief ist kein Witz gewesen.«

»Und wenn ich es nicht tue? Ich lasse mich nicht unter Druck setzen!«

»Nun, dann wäre es doch sehr schade um Ihren neuen Wagen«, antwortete der Anrufer. »Stellen Sie sich vor, er ginge in Flammen auf. Nur so zum Beispiel!«

»Mich jagen Sie nicht ins Bockshorn«, schnaufte Shradon gereizt. »Sie bekommen keinen Cent von mir.«

Er warf den Hörer in die Telefongabel und setzte sich. Er hatte sich derart erregt, daß er einen Moment verschnaufen mußte. Er griff nach den Importzigarren und zündete sich eine an. Als sie brannte, schaute er unwillkürlich auf seine Armbanduhr. Innerhalb von zehn Minuten sollte er die hundert Dollar in seinen Wagen legen. Ausgeschlossen! Darauf ließ er sich nicht ein.

Dann aber dachte er an seinen Cadillac.

Der Wagen hatte ihn sehr viel Geld gekostet. Er hing an ihm. Und wenn dieser Wagen nun doch angezündet würde? Das alles wegen lumpiger hundert Dollar?

Herbert L. Shradon, der sich angeblich nicht unter Druck setzen ließ, hatte es plötzlich sehr eilig, sich anzukleiden. Er schaffte es innerhalb weniger Minuten. Er verließ sein Zimmer, rannte zum Lift und fuhr hinunter in die Hotelhalle.

Ohne nach links oder rechts zu sehen, eilte er auf den Vorplatz, wo sein Cadillac stand. Alles sah unverdächtig aus. Shradon schlängelte sich durch die dicht zusammenstehenden Wagen und öffnete erleichtert seinen Wagen.

Da ihm ein Umschlag fehlte, legte er fünf Zwanzigdollarscheine auf den Vordersitz. Nachdenklich klinkte er den Wagen zu und ging zögernd zurück zum Hotel. Am Eingang blieb er stehen. Er wollte doch sehen, wie zu seinem Wagen ging, wer die Banknoten abholte.

»Entschuldigen Sie, Sir, haben wir uns nicht schon mal gesehen?« fragte eine Stimme neben ihm. Es handelte sich um eine Frauenstimme. Sie klang rauchig und aufregend. Shradon, immerhin Junggeselle und recht ansehnlich, wandte sich unwillkürlich zu der jungen Dame um.

Sie war seiner Schätzung nach etwa fünfundzwanzig Jahre alt, mittelgroß und schlank. Sie trug ein einfaches, aber raffiniert geschnittenes Leinenkostüm. Ihr Haar war tizianrot, Die moderne Sonnenbrille verlieh ihr ein rätselhaftes Aussehen.

»Oh, entschuldigen Sie«, sagte die junge Dame bestürzt. »Ich habe Sie verwechselt. Jetzt habe ich den Irrtum bemerkt.« Sie grüßte und verschwand in der Hotelhalle.

Shradon wollte ihr interessiert nachsehen, doch dann erinnerte er sich der fünf Zwanzigdollarscheine in seinem Wagen.

Hastig wandte er sich um. Am Wagen war kein Mensch zu sehen. Das heißt, der Parkplatzwächter, ein bereits betagter Mann von gut und gern sechzig Jahren, winkte gerade einen abfahrenden Wagen hinaus auf die Straße.

Shradon ging zurück auf den Parkplatz. Er konnte es kaum erwarten, einen Blick in den Wagen zu tun. Ob die Banknoten noch auf dem Sitz lagen?

Sie waren verschwunden!

Sie mußten genau in dem Moment abgeholt worden sein, als die junge, tizianrote Dame ihn angesprochen hatte.

Handelte es sich um ein abgekartetes Spiel?

Shradon wußte es nicht genau, doch er kam sich sehr blamiert vor. Er hatte solch eine Wut, daß er mit dem Gedanken spielte, sich an die Polizei zu wenden …

*

William McLee saß zusammen mit seinen Freunden in einer kleinen Strandbar in der Nähe des Jachthafens. Er war vor einer Stunde von einer Ausfahrt zurückgekommen. Sie hatten draußen auf See sehr viel Spaß gehabt. McLee war ein großzügiger Gastgeber, der sich Extravaganzen leisten konnte.

Er sah aus wie ein Playboy, war braungebrannt, sportlich und schien von ehrlicher, harter Arbeit nichts zu halten. Das Gegenteil aber war der Fall. William McLee, erst achtundzwanzig Jahre alt, war der Juniorchef eines großen Chemieunternehmens im Mittelwesten. Er war es nicht nur dem Namen nach. Er leitete praktisch den ganzen Betrieb und hatte sich in der Vergangenheit durch geschickte Vertragsabschlüsse ausgezeichnet. Wenn er allerdings Urlaub machte, wollte er ihn auch vollkommen genießen. Dazu gehörte eine Motorjacht, die ständig in Miami-Beach lag.

Als er ans Telefon gerufen wurde, winkte er seinen Freunden zu, ging ohne große Eile in die Telefonzelle und zündete sich gelassen eine Zigarette an.

»McLee. Mit wem spreche ich?«

»Hier ist Canters, Sir.« Die Stimme seines Bootswartes klang aufgeregt.

»Was liegt an?« Kurz und knapp kam McLees Frage.

»Ihre Jacht, Sir …, ich meine … Die Jacht …!«

»Was ist mit meiner Jacht?«

»Sie ist … ist … in die Luft geflogen.«

»Wie war das …?« McLee schnappte nach Luft.

»Das Heck ist wegexplodiert, Sir. Eben erst … Ich kann von Glück sagen, daß mir nichts passiert ist. Das Boot ist daraufhin abgesoffen.«

»Warten Sie, ich komme sofort! Haben Sie die Polizei schon verständigt?«

»Klar, die ist bereits im Anrollen, Sir …!«

»In zehn Minuten bin ich bei Ihnen, Canters.«

William McLee legte im Gegensatz zu Mr. Herbert L. Shradon den Hörer fast vorsichtig zurück in die Gabel. Nachdenklich rieb er sich das glattrasierte Kinn. Er wußte plötzlich, warum das Heck seiner Motorjacht in die Luft geflogen war.

*

Er hatte nämlich vergessen, zweihundert Dollar in bar für die ›Strandhaie‹ zu reservieren …

Helen Lockhart war eine attraktive, junge Frau von zweiunddreißig Jahren. Groß, schlank und dunkelblond, war sie der Prototyp eines amerikanischen Karrieregirls. Helen galt in Fachkreisen als ungemein tüchtig. Sie konnte sehr hart sein, wenn es sein mußte. Helen Lockhart war die Vertreterin eines New Yorker Betriebes, der sich auf Damenoberbekleidung spezialisiert hatte. Diese Firma stellte in erster Linie Badeanzüge und Strandmoden her. Miami-Beach war für Helen einer der besten Plätze. Hier tätigte sie Umsätze, die sie zu einer unabhängigen, wohlhabenden Frau hatten werden lassen.

Sie wohnte im ›Strand‹, einem mittelgroßen Haus. Ihr Caravan stand in der hoteleigenen Tiefgarage. In diesem Wagen befanden sich die Verkaufsmuster, wohlverpackt in geschmackvollen Schrankkoffern. Helen hatte zwei sehr gute Verkaufstage hinter sich, als sie einen Brief der ›Strandhaie‹ erhielt.

Sie wußte sofort, daß sie niemals zahlen würde. Und sie hatte sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt. Dort hatte sie den bewußten Brief abgeliefert und um polizeilichen Schutz gebeten.

Zu der Stunde, als Josuah Parker Quartier für einen gewissen Mr. Ben Zalakoff machte, wurde auch sie angerufen. Sie meldete sich mit kühler, beherrschter Stimme.

»Wir schrieben Ihnen einen Brief«, sagte eine höflich klingende Stimme. »Leider haben Sie bisher versäumt, die kleine Schutzgebühr von einhundert Dollar auf den Sitz Ihres Wagens zu legen, Miss Lockhart.«

»Ich habe es nicht vergessen.« Helen Lockhart kam nicht einen Moment aus der Fassung. »Ich habe das Geld absichtlich nicht gezahlt. Damit Sie es genau wissen, ich lasse mich nicht einschüchtern! Holen Sie sich Ihr Geld, wo immer Sie wollen, nur nicht bei mir!«

»Ob Ihr Verhalten sehr klug ist?«

»Das wird sich erweisen.«

»Ob es auch klug war, sich an die Polizei zu wenden?«

»Sie sind gut informiert.« Helens Stimme klang ironisch.

»Wir werden leider ein Exempel statuieren müssen«, entgegnete die freundliche Stimme. »Es tut mir besonders leid, da Sie eine sehr schöne Frau sind.«

»Vielen Dank für die Blumen«, meint Helen mokant. »War sonst noch etwas, Mr. Unbekannt?«

»Im Augenblick nicht, Miss Lockhart. Schade um Ihre Musterkoffer, schade, wirklich, sehr schade …!«

Bevor Helen Lockhart antworten konnte, klickte es in der Leitung. Die junge Frau legte den Hörer zurück. Jetzt, nachdem sie diese Stimme gehört hatte, kamen ihr doch einige Bedenken. Sie schalt sich nachträglich eine Närrin, die einhundert Dollar nicht gezahlt zu haben. Sie konnte dieses Geld doch sehr gut verschmerzen.

Unruhig geworden, verließ sie das Apartment und fuhr mit dem Lift hinunter in die Tiefgarage. Während der Fahrt fiel ihr ein, daß sie vergessen hatte, die Polizei zu benachrichtigen. Aber dazu war es jetzt zu spät.

In der Tiefgarage angekommen, schritt sie energisch und ohne jedes Angstgefühl auf die Garagenbox zu, in der ihr Caravan stand. Ein kleiner, untersetzter Garagenwart kam ihr entgegen. Seine Beine waren unwahrscheinlich gebogen und krumm. Sie bildeten fast ein O.

»Ich glaube, an Ihrem Wagen stimmt was nicht«, sagte der Wart hastig. »Er raucht …«

»Kommen Sie!« Helen kümmerte sich nicht weiter um den Krummbeinigen. Sie verzichtete auf alle Selbstbeherrschung und lief auf ihren Caravan zu. Sie sah gelb-weiße Rauchschwaden, die aus den geöffneten Seitenfenstern quollen. Hastig riß Helen die hintere Tür des Wagens auf.

Sie schluchzte vor Empörung.

Die Schrankkoffer mit den Verkaufsmustern waren geöffnet. Die Verkaufsmuster: einteilige Badeanzüge, Bermuda-Shorts, Freizeithemden und Strandhosen, lösten sich in ihre Bestandteile auf. Eine starke Säure zerfraß die Latexstoffe. In einigen Koffern hatte sich bereits ein trüber Brei gebildet, der sich nun daran machte, auch die Kofferwände anzunagen.

Helen drängte die Tränen zurück.

Sie drehte sich nach dem Garagenwart um und rief nach ihm. Doch der Mann mit den unwahrscheinlich krummen Beinen war verschwunden. Erst jetzt fiel Helen Lockhart auf, daß sie diesen Mann hier unten in der Tiefgarage noch nie gesehen hatte. Nun wunderte sie sich nicht mehr darüber, daß dieser Mann sie und ihren Wagen gekannt hatte. Der Krummbeinige mußte die Säure in die Schrankkoffer geschüttet haben.

Helen wich vor den Schwaden zurück.

Warum habe ich die hundert Dollar nicht gezahlt, fragte sie sich jetzt. Ich mußte natürlich wieder grundsätzlich werden. Das hier ist die Quittung dafür …

*

»Hoffentlich haben Sie nicht übertrieben, Parker.«

Mike Rander, der junge, sympathische Strafverteidiger aus Chikago, schüttelte lächelnd den Kopf. »Als ich unten in der Hotelhalle war, trat schlagartig Stille ein. Man hat mich angestaunt wie ein Weltwunder.«

»Das ist verständlich, Sir, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Sie sind Mr. Ben Zalakoff, der Ölkönig aus dem Mittleren Osten.«

»Die Hotelrechnungen werden dementsprechend ausfallen, Parker.«

»Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Sir, daß diese Rechnungen als Spesen beglichen werden sollen? Der Verband der Hoteliers hat einen Blankoscheck ausgestellt. Er wird jede Summe zahlen, wenn es Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit gelingen sollte, die ›Strandhaie‹ zu überführen.«

»Was haben Sie bisher herausgefunden, Parker?« Mike Rander ließ sich in einem Sessel nieder und griff nach einer Zigarette. Als er sie anzünden wollte, war Josuah Parker natürlich schneller. Der Butler ließ seinen jungen Herrn niemals aus den Augen. Zuerst hatte Rander das als äußerst störend und peinlich empfunden, stets umhegt und umsorgt zu werden. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt. Parker dachte nicht daran, auf seine Gewohnheiten zu verzichten. Als original englischer Butler, der in den besten Häusern der Insel gedient hatte, wußte er, was sich als Butler gehörte.

»Wenn ich die Lage kurz umreißen darf, Sir.« Parker räusperte sich diskret und blieb vor seinem jungen Herrn stehen. »Miami-Beach wird seit fast drei Wochen von einer eigentümlichen Erpresserbande bedroht, die sich kurz und treffend die ›Strandhaie‹ nennt. Überraschend an der Arbeitsweise dieser Haie ist die Tatsache, daß ausschließlich Besucher und Touristen dieser Stadt angesprochen werden. Gegen an sich lächerliche Zahlungen, die sich in den Größenordnungen zwischen einhundert bis dreihundert Dollar bewegen, verspricht man den Belästigten, sie in Ruhe zu lassen. Kommt man diesen seltsamen Zahlungsaufforderungen jedoch nicht nach, explodieren Jachten, werden Autos in Brand gesetzt, Kinder bedroht oder die Garderobe der Betreffenden zerstört.«

»Was hat die Polizei bisher ermitteln können?«

»Wenig, Sir, zumal die meisten Gäste sich wohl nicht melden, sondern stillschweigend zahlen. Alle Spuren sind im Sande verlaufen. Die Polizei konnte es bisher nicht verhindern, daß die Gäste scharenweise Miami-Beach verlassen.«

»Wer vom Hotelverband weiß, in welcher Rolle wir hier auftreten, Parker?«

»Ich nahm mir die Freiheit, Sir, unser Erscheinen erst für die kommende Woche anzukündigen. Ich hoffe, daß Sie und meine Wenigkeit ungestört ermitteln können.«

»Ich soll die ›Strandhaie‹ anlocken, wie?«

»So dachte ich es mir, und ich hoffe, Sir, daß Sie mit meinen Vorbereitungen einverstanden sind. Mr. Ben Zalakoff wird nicht unbelästigt bleiben. Die ›Strandhaie‹ werden sich solch eine Möglichkeit nicht entgehen lassen. Während Sie, Sir, die Gangster beschäftigen, werde ich den bescheidenen Versuch unternehmen, mich an die ›Strandhaie‹ heranzuarbeiten.«

»Hört sich gut an, Parker. Hoffentlich gehen die Gangster darauf ein.«

»Man sollte ihnen eine ehrliche Chance geben, in die Falle zu laufen, Sir.«

»Komischer Verein, diese ›Strandhaie‹«, sagte Mike Rander nachdenklich. »Warum begnügen diese Gangster sich mit diesen lächerlich geringen Summen? Sie könnten doch in viel größerem Stil abräumen.«

»Wenn ich dazu etwas sagen darf, Sir, so würde ich die Meinung vertreten, daß die Gangster absichtlich nur geringe Forderungen stellen. Jeder Besucher von Miami-Beach wird in der Lage sein, zwischen einhundert und dreihundert Dollar abzuzweigen. Den Betroffenen tut es also nicht sonderlich weh, wenn sie auf die Wünsche der Gangster eingehen. Sie zahlen und dürfen all ihren Ärger vergessen. Es dürfte sich aus der Sicht der ›Strandhaie‹ heraus gesehen um ein Dauergeschäft handeln. Zudem muß unterstellt werden, Sir, daß diese ›Strandhaie‹ wahrscheinlich sehr viele Touristen ansprechen und dementsprechend auch kassieren.«

»Also schön, Parker, machen wir uns an die Arbeit. Ich bin gespannt, ob die ›Strandhaie‹ auch uns anschreiben werden.«

»Oh, in dieser Beziehung, Sir, kann ich Sie beruhigen.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Hier wäre bereits der Brief, Sir. Er kam vor knapp einer Viertelstunde an. Man verlangt von Mr. Ben Zalakoff die Summe von dreihundert Dollar und garantiert ihm dafür ungestörte Ferientage in Miami-Beach.«

Parker hatte plötzlich ein Silbertablett in der Hand. Darauf lag das bewußte Schreiben. Mike Rander mußte neidlos anerkennen, daß Parkers Vorbereitungen wieder einmal erstklassig waren …

*

Mike Rander hielt sich genau an die befohlenen Anordnungen.

Nach Einbruch der Dunkelheit verließ er das Bay-Beach-Hotel, überquerte die breite Avenue und ging hinunter zum Strand. Von See kam eine sanfte, erfrischende Brise. Die Reklamebeleuchtungen auf den Hotels und an den unzähligen Nachtbars waren eingeschaltet worden. Nervös zuckten die bunten Lichter und kämpften gegen die Nacht an.

Mike Randers Ziel war der Parkplatz neben dem Nachtclub ›Zero‹. Die großen Wagen drängten sich auf dem kleinen Platz wie eine verängstigte Schafherde zusammen. Nur eine große Bogenlampe erhellte die Mauerlücke zwischen zwei großen Häusern.

Mike Rander zündete sich gelassen eine Zigarette an. Dabei schaute er sich unauffällig nach dem Papierkorb um, der dicht neben dem Glasverschlag stand, in dem der Parkwächter saß.

Dieser Mann war deutlich zu sehen. Er las in einer Zeitung und schien mit dem ganzen Erpressungsmanöver nichts zu tun zu haben.

Rander bog auf den Parkplatz ein.

Einen Moment lang fühlte er sich unbehaglich. Wenn er hier angegriffen wurde, hatte er kaum eine Möglichkeit zu flüchten. War auf dem Umweg über den Hotelverband wirklich nicht durchgesickert, daß Parker und er als Detektive nach Miami-Beach gekommen waren? Die ›Strandhaie‹ waren bestimmt keine Neulinge im Fach. Sie mußten doch damit rechnen, daß man sich auf ihre Spuren setzte.

Nichts tat sich.

Der Parkwächter blätterte gelangweilt in seiner Zeitung. Von der Collins Avenue her drang der Lärm der vielen Wagen. Aus irgendeinem geöffneten Fenster in der Nähe war leise Radiomusik zu hören.

Der junge Strafverteidiger blieb vor dem Papierkorb stehen und griff in seine Rocktasche. Er holte einen flachen Umschlag hervor und warf ihn in den Papierkorb. Nachdem er sich noch einmal nach allen Seiten umgesehen hatte, ging er langsam zurück zur Straße.

Wie gesagt, er hielt sich strikt an die Anweisungen.

An der Straße aber blieb er kurz stehen. Er fragte sich, wie die ›Strandhaie‹ wohl an den Umschlag kamen. Der Bote mußte sich ganz in der Nähe auf halten und ihn beobachten. Die Erpresser mußten ja stets damit rechnen, daß die Polizei ihnen eine Falle stellte. Wie mochten sie dieses Problem wohl gelöst haben?

Ein Taxi hielt am Straßenrand.

Eine junge Dame stieg aus. Sie entlohnte den Fahrer und wollte die Straße hinuntergehen. Plötzlich sprang der Verschluß ihrer Handtasche auf. Puderdöschen, Lippenstift, ein Schlüsselbund und eine kleine Geldbörse kollerten zu Boden. Die junge Dame stieß einen kleinen Schrei aus.

Mike Rander war mit wenigen Schritten neben ihr.

»Das werden wir gleich haben, Madam«, sagte er höflich und bückte sich nach den verlorenen Dingen.

»Sie sind wirklich sehr liebenswürdig«, antwortete die junge, mittelgroße Dame, die vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt sein mochte. Sie bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln, als Rander ihr die Gegenstände zurückreichte. Als sie in der Bar gleich nebenan verschwunden war, erinnerte sich Rander seiner dreihundert Dollar.

Plötzlich kam er sich etwas düpiert vor.

Hastig ging er zurück zum Papierkorb. Ob der Briefumschlag noch darin lag?

Er war verschwunden.

Während Rander nach Lippenstift, Geldbörse, Puderdöschen und Schlüsselbund gesucht hatte, war der Umschlag mit dem Geld aus dem geheimen Briefkasten herausgenommen worden.

Mike Rander ging zum Parkplatzwächter.

Der Mann, bestimmt schon an die fünfzig Jahre alt, war eingenickt. Die Zeitung lag am Boden. Selbst als Rander sich räusperte, erwachte der Mann nicht aus seinem tiefen Schlaf.

Die Frau muß mit den ›Strandhaien‹ unter einer Decke stecken, sagte sich Mike Rander. Schnell ging er zurück zur Straße, bog nach rechts ab und betrat den Nachtclub ›Zero‹. Er hielt Ausschau nach einer mittelgroßen, schlanken, tizianroten Frau.

Es wunderte ihn schon gar nicht mehr, daß er sie nicht entdecken konnte. Als Rander sogar noch einen zweiten Ausgang fand, war ihm alles klar. Die ›Strandhaie‹, das mußte er zugeben, arbeiteten raffiniert und gekonnt. Sie gingen jedem Risiko aus dem Weg.

Es war nur eine Frage, ob ihnen das auch im Hinblick auf Josuah Parker gelungen war …

*

Der Parkwächter wartete, bis Anwalt Mike Rander den Parkplatz verlassen hatte. Dann bückte er sich und hob die Gummimatte hoch, die die Füße gegen nächtliche Kühle schützen sollte. Er nahm den Briefumschlag und steckte ihn in die Tasche. Nach einem vorsichtigen Blick in die Runde verließ der Parkwächter seine Glasbox und ging eilig hinüber zur Collins Avenue.

Am Straßenrand stand ein kleiner Lieferwagen mit einem blau gestrichenen Kastenaufbau. Der Parkwächter setzte sich ans Steuer und fuhr los. Er schaltete das Radio ein und pfiff die Melodie mit, die aus dem Lautsprecher kam. Er hielt es nicht für nötig, in den Rückspiegel zu schauen. Er war sicher, nicht verfolgt zu werden.

Nach etwa dreihundert Meter bog er von der breiten Prachtstraße ab und fuhr hinunter zur Bay. Er ließ den Lieferwagen stehen und ging den Rest zu Fuß. Bald darauf saß er in einem kleinen Außenborder und preschte hinüber zum Festland. Das kleine Boot verschwand sehr schnell in der Dunkelheit. Etwaige Verfolger hatte der Mann damit bestimmt abgeschüttelt. Seine Spur verlor sich in der Dunkelheit.

Dachte er …!

Josuah Parker, der dem Lieferwagen in einem Taxi gefolgt war, nahm die Kamera herunter und barg sie in der Lederhülle. Er hatte alle Phasen dieser Verfolgung verfilmt. Wegen der Dunkelheit brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Wenn Parker in der Dunkelheit filmte, dann wußte er auch, daß dies technisch möglich war. Zur näheren Erklärung mag gesagt sein, daß er selbstverständlich einen Infrarot-Film benutzte. Auf diesem Streifen befanden sich einmal der kleine Lieferwagen, dessen polizeiliches Kennzeichen, das kleine Boot mit dem Außenbordmotor und selbstverständlich auch der Parkplatzwächter.

Josuah Parker konnte mit seiner filmischen Ausbeute zufrieden sein, wenngleich er auch nicht wußte, wohin der Parkwächter gefahren war, um die dreihundert Dollar des Mr. Zalakoff abzuliefern.

Der Butler gab sich mit diesem Teilerfolg zufrieden. Er rechnete mit der Rückkehr des Parkwächters. Parker setzte sich auf eine Bank. Steif und würdevoll wie ein Denkmal verschmolz er mit der Dunkelheit. Er sah hinaus auf die Bay, die Miami mit der vorgelagerten Halbinsel Miami-Beach verbindet. Wenn es sein mußte, brachte er die Geduld eines Orientalen auf …

*

Schon nach knapp dreißig Minuten knatterte der Außenborder wieder heran.

Parker stand auf. Er vergewisserte sich, daß es sich tatsächlich um das Boot des Parkwächters handelte. Als er sicher war, daß er sich nicht irrte, schritt der Butler ohne Hast oder Eile zu dem kleinen Lieferwagen.

Während der Überbringer der dreihundert Dollar sein Boot am Steg festmachte, öffnete der Butler die Tür des Kastenaufbaus. Mit einem Spezialbesteck war das keine Arbeit. Im Öffnen widerspenstiger Schlösser war Josuah Parker ohnehin ein Meister, der erfahrenen Tresorknackern noch manch wertvollen Tip hätte geben können. Gelassen und ganz selbstverständlich nahm Parker in dem Aufbau des kleinen Lieferwagens Platz und machte es sich den Umständen entsprechend bequem.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis er Schritte hörte. Nach einem Räuspern klinkte der Fahrer die Wagentür auf und setzte sich ans Steuer. Er kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß ein illegaler Fahrgast hinter ihm saß.

Der Lieferwagen ruckte an. Parker zog angewidert die Nase. In dem engen Blechkasten roch es penetrant nach Teer, nach Farben und nach rostigem Eisen. Um nicht aufzufallen, verzichtete er darauf, sich mit seiner Kugelschreiber-Taschenlampe näher umzusehen.

Die Fahrt dauerte vielleicht zehn Minuten. Der Wagen wurde angehalten, der Motor jedoch nicht abgestellt. Der Fahrer stieg aus, öffnete ein Tor und steuerte anschließend seinen Wagen in eine Garage. Bald darauf entfernten sich seine Schritte.

Der Butler stieg nun ebenfalls aus.

Der gebündelte Lichtstrahl seiner kleinen Taschenlampe, die in einen Kugelschreiber eingebaut war, wies ihm den Weg. Eine Brettertür stand nur halb auf, dahinter befand sich ein langer Korridorgang. Ein breiter Lichtstreifen beleuchtete ihn.

Wie Parker es schaffte, geräuschlos über ausgetretene Dielenbretter zu gehen, war und blieb sein Geheimnis. Mit der Geräuschlosigkeit einer erfahrenen Katze erreichte er die geöffnete Tür.

Hinter ihr war eine primitiv eingerichtete Küche. Der Parkplatzwächter stand vor einem gußeisernen Herd und schlug sich gerade einige Eier in die Pfanne.

»Ich wünsche von Herzen einen guten Appetit«, sagte Parker und betrat die Küche.

Der Parkwächter wirbelte herum und starrte Parker an. Sein Mund öffnete sich zu einer Frage. Er war jedoch derart überrascht, daß kein Ton über seine Lippen kam.

»Die Eier werden anbrennen, wenn Sie nicht aufpassen«, redete der Butler höflich weiter. »Es wäre doch sehr schade um diese Naturprodukte, nicht wahr?«

»Wer … wer sind Sie?« stotterte der Parkwächter endlich.

»Ich möchte mich in aller Form vorstellen. Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Ich habe die Ehre, der Butler des Mr. Ben Zalakoff zu sein.«

»Zalakoff …?« Der Parkwächter schien mit diesem Namen nichts anfangen zu können. Er schüttelte hilflos den Kopf, um dann aber blitzschnell nach der Bratpfanne zu greifen. Er schleuderte die Spiegeleier in Richtung auf Parker.

Der Butler verbeugte sich leicht. Die drei Spiegeleier zischten über ihn hinweg und landeten an der Wand. Sie platzten auseinander und rannen langsam zu Boden.

»Sie gehen geradezu verschwenderisch mit den Gaben der Natur um«, meinte Parker vorwurfsvoll. »Ihr schlechtes Gewissen scheint Sie zu dieser Zweckentfremdung der Spiegeleier zu treiben.«

»Raus …!« keuchte der Parkwächter. Er hielt die Pfanne noch immer in der Hand. Und als Parker sich nicht rührte, drang er damit auf ihn ein. Josuah Parker war peinlich berührt. Er hielt nichts davon, daß seine Kleidung mit Fettspritzern versehen wurde.

Um den wütenden Mann zu stoppen, drückte er auf einen kleinen Knopf, der am Griff seines Universal-Regenschirms angebracht war. Augenblicklich federte eine lange Degenklinge aus dem Schirmstock hervor. Die Spitze dieser Degenklinge legte sich auf die Brust des wütenden Mannes.

»Ich möchte doch sehr um Zurückhaltung und Höflichkeit bitten«, sagte Parker mißbilligend. »Stellen Sie die Pfanne ab! So ist es richtig. Und nun möchte ich wissen, wem Sie die dreihundert Dollar meines jungen Herrn gebracht haben.«

»Wovon reden Sie eigentlich?« Die Stimme des Parkwächters klang nun gepreßt. Der Mann hatte Angst. Er schielte in gekonnter Weise auf die Degenklinge. Er wagte nicht, sich zu rühren.

»Ich habe Beweise dafür, daß Sie den Umschlag mit den dreihundert Dollar aus dem Papierkorb des Parkplatzt genommen haben und anschließend hinüber nach Miami transportiert haben. Wenn es sein muß, werde ich diese Beweisstücke der Polizei übergeben. Mein junger Herr und ich sind nicht gewillt, uns erpressen zu lassen.«

»Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden«, behauptete der Mann. »Sie müssen sich irren.«

»Diesen Irrtum werden wir vor der Polizei klarstellen«, schlug der Butler vor. »Darf ich Sie zu dieser Besprechung herzlich einladen?«

»Sie wollen mich zur Polizei bringen?«

»So drückte ich mich aus.«

»Also gut, dann wird sich der Irrtum heraussteilen. Und Sie werde ich anzeigen! Sie haben mich mit diesem Dingsda bedroht.« Der Parkwächter schielte nach wie vor ängstlich auf die leicht gebogene Degenklinge.

»Ich werde Ihrer Anzeige mit Gelassenheit entgegensehen«, meinte Josuah Parker. »Mir ist es allerdings rätselhaft, warum ein Mann wie Sie sich mit den ›Strandhaien‹ einläßt. Früher oder später werden Sie von diesen Gangstern geopfert werden.«

»Strandhaie?«

»Sie verstehen mich recht gut, wie ich unterstellen möchte. Sie haben den bewußten Briefumschlag doch nicht aus reiner Höflichkeit nach Miami gebracht.«

»No, dafür habe ich zehn Dollar bekommen. Ich weiß überhaupt nicht, was in dem Umschlag gewesen ist.«

»Ich fürchte, daß die Polizei Ihnen diese Version nicht abnehmen wird«, entgegnete der Butler. »Ich schlage vor, endlich zu gehen.«

»Und ich schlage vor, hier zu bleiben«, sagte da eine freundliche, höfliche und glatte Stimme. Von woher sie kam, konnte Parker nicht ausmachen. Diese Stimme schien aus jeder Ritze dieser einfachen Bretterhütte zu kommen. »Nehmen Sie Ihren komischen Spieß runter, Mann, oder soll ich schießen?«

»Ich beuge mich den Tatsachen«, erklärte Parker. Er senkte die Klinge des Stockdegens und ließ sie zurück in den Universal-Regenschirm gleiten.

»Sie werden sich noch ganz anderen Dingen beugen.« Die Stimme klang nach wie vor freundlich, ja, fast höflich. »Nehmen Sie die Hände hoch! Rühren Sie sich nicht! Drehen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand!«

Butler Parker gehorchte widerspruchslos.

Gewiß, er hätte sich dieser Bedrohung vielleicht entziehen können. Parkers Trickkiste war ja stets gut gefüllt. Doch in diesem Fall ging es ihm darum, den Besitzer dieser freundlichen Stimme kennenzulernen. Er hatte das Gefühl, gleich auf Anhieb an den richtigen Mann geraten zu sein.

Unter diesen Umständen machte es ihm auch wenig aus, daß der Parkwächter ihm die Bratpfanne auf die Melone schlug. Da sie stahlgefüttert war, fing sie die Hauptwucht des Schlages auf. Dennoch ging Parker in die Knie. Er täuschte eine wohltuende Ohnmacht vor und wartete auf den günstigen Moment, schleunigst wieder zu sich zu kommen …

*

Josuah Parker machte einen verschüchterten Eindruck.

Er saß steif und unbequem auf einem Küchenstuhl. Der Parkwächter hatte ihn darauf festgebunden. Starke Stricke strammten sich um die makellosen Hemdmanschetten des Butlers. Parker war an einen Mann geraten, der sich in Knoten auskannte. Der Parkwächter hatte seine Künste spielen lassen.

Vor Parker stand ein mittelgroßer, schlanker Mann, der einen tadellosen grauen Anzug trug. Das Gesicht dieses Mannes war oval. Die Augen verbargen sich hinter einer Sonnenbrille. Nase und Mund waren ausgeprägt. Das dunkle Haar dieses Mannes war bereits etwas schütter.

»Sie sprachen von Beweisen«, sagte dieser Mann mit der wohlklingenden, freundlichen Stimme. »Welche Beweise wollen Sie denn haben?«

»Nun, ich muß einräumen, daß ich vielleicht etwas übertrieben habe«, antwortete Josuah Parker.

»Wer hat Sie überhaupt beauftragt, sich an unsere Fersen zu heften?« Der freundliche Mann mit der Sonnenbrille wies auf den Parkwächter, der neben dem Herd stand, jedoch keine neuen Spiegeleier buk, sondern Parker nicht aus den Augen ließ.

»Ich tat es, wie es so treffend heißt, auf eigene Faust, Sir«, gab Parker Auskunft.

Butler Parker Box 2 – Kriminalroman

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